Im Jahr 1929 kann die
"Rudergesellschaft Undine 1919" auf ein zehnjähriges Bestehen
zurückblicken.
Wie erstmals im Jahr 1928 so veranstalten die Damen der "Undine" auch
1929 wieder eine große karnevalistische Damensitzung im Hotel
Adler. Schon lange vor Beginn ist die "Gut Stub" überfüllt und alle
harren ungeduldig der Dinge, die da kommen sollen. Das lange Warten wird
durch witzige und kernige Vorträge belohnt. Lassen wir die
"Main-Spitze" berichten:
"Punkt 8.11 Uhr
hielt das närrische Komitee unter den Klängen des
Narrhalla-Marsches seinen Einzug. Prinzessin Karneval (Frau
Werner) eröffnete die Sitzung und hieß alle Schoten und Urschoten
herzlich willkommen.
Nachdem der Beifallssturm beendet war, begrüßte Komiteemitglied
Fräulein Bingel Pinzessin Karneval, hierauf verlas die Sekretärin
(Frau Simon) das eigens von ihr verfasste Protokoll, dessen witzige
und kernige Pointen manchen Tusch auslösten. Verdienten Erfolg
erzielte das närrische Komiteemitglied Frau Zimmermann mit ihrem
"Spaziergang durch die Stadt" mit ihren urgelungenen
"Hausinschriften", von denen einige hier wiedergegeben seien:
Als Inschrift für das Rathaus möcht´ ich nennen: "An ihren
Früchten sollt Ihr sie erkennen!"
Am Standesamt tät ich den Spruch anschlagen: "Lerne leiden -
ohne zu klagen"
Im Gemeindesitzungssaal den Spruch, umrankt von Reben, an
der Wand: "Mag der Himmel Euch vergeben, was Ihr an uns
Armen tut!"
Für`s Stadtbauamt hätt` ich dies Sprüchlein bereit: "Es muß
ja nicht gleich sein - es hat ja noch Zeit!"
Wo die Auskunftsstellen hausen: "Da wendet sich der Gast mit
Grausen, do sitzt aaner vom Odenwaldklub, un eh mer sich
umguckt, is mer enaus geschubbt!" |
Das Singspiel "Karnevalsrausch"
hatte aufmerksame Zuhörer, die beiden Darsteller (Frau Simon und
Frau Streck) konnten allerliebst gefallen. Jetzt erschien Urschote
Willi Schmitt in der Bütt und glossierte die Eingemeindung
Rüsselsheims nach Mainz. Figuren von überwältigender Komik
stellten Herr und Frau Simon dar. Schlager reihte sich an
Schlager, das Zwiegespräch sprudelte voller kerniger Witze. Unter
großem Pomp bestieg Herr Mehr-Rettich (Herr Werner) der seinen
Namen seinen "mehreren Rettich"-Nachkommen zu verdanken hat. Das
reizende Quartett "Die Garde" und das Terzett "Die Mauerblümchen"
bildeten den Abschluß des ersten Teils. |
Anzeige in der
"Main-Spitze" am 19. Januar 1929 |
Anzeige in der
"Main-Spitze" am 31. Januar 1929 |
Nach der närrischen Pause von 11 Minuten ließ man sechs "Meedcher
älteren Jahrgangs" zum Kaffee-Klatsch herein, die ihren "Verein
zur Bekämpfung alles männlichen Wesens" schon nach der ersten
Versammlung auflösten. Es wurde nun ein Jubilar (Urschote Karl
Müller) geehrt, der in sechs Jahren zum 50. Mal umzog. Mit seinem
geschmückten Festwagen (Verzeihung, Kinderwagen) und seinen
raumkünstlerisch angepassten Möbeln erschien er auf der Bühne; er
erzählte in kernigen Pointen von seinem erfolgreichen Umzugssport.
Hierauf bestiegen unter lautem Hallo die beiden lustigen Schoten,
der Schorsch (Herr Werner) und die Lisbeth (Frau Werner) das
Podium. Eine Lachsalve übertönte die andere, und so kam es, dass
trotz der vorgerückten Stunde nochmals tolle Laune in funkelnden
Witzen um alle Narrhallesen flammte. Aus der Fülle der närrischen
Einfälle folgende Proben:
Lisbeth: Neilich hon
ich Dich so schnell die Frankforterstroß heelaafe sehe, wie en
Schnellaafer biste do gerennt. Schorsch: Do sein ich
uff e Begräbnis gange. Lisbeth: Woß gibts dann
eigentlich mit dene zwa Begräbnisgail in de stille Zeite,
die honn doch so en wunnerscheene ruhige Schritt?
Schorsch: Die hot die Borjemoasterei zugetalt kritt.
Lisbeth: Was tun dann die mit Gail? Schorsch: Ei
die tun obwechselnd ehr Morjeparad die Parkmauer enunner
reite, unn tun sich überzeige, ob die Kugelakazienbeem schun
ogewochse sein und wos se fern Schatte werfe, weje günstiger
Owendbeleichtung. Lisbeth: Hoste des geleese, die
Trodewoar dürfe jetzt bloß noch vun de Fußgänger benutzt
wern? Schorsch: Warum biste als mit de Hänn druff
erum gelaafe? Lisbeth: Ach woß, weje de Buwe ehrm
Fußballspiel, unn dene veele Kinnerschesjer, do well sich
jetzt die Polizei eninn leje. Schorsch: Deß tät dene
so passe, glaab ich. Lisbeth: Die Kinnerschesjer
könne doch nett uff de Mitte Gaß vunn de Mädcher gedrückt
wern. Schorsch: Neilich eß jo oans in unsern Hausgang
gedrückt worn. Lisbeth: E Kinnerschesje? Schorsch:
Noa, e Kinnermädche! |
Nach Verteilung von Orden und
Titeln durch Prinzessin Karneval bildete zweifellos Urschote Willi
Schmitt mit seinem Amtsschimmelchen, das trotz seines harmlosen
Aussehens viel Unheil anrichtete, den Clou des Abends. Das
liebliche Tierchen frisst sogar die Raupen von den Bäumen, es kann
auch Bäume mit Wurzeln ausreißen und vieles mehr. Es folgte nun
das Schlusslied "Humoristisches Einst und Jetzt". Den
Schluss der
Sitzung bildete Heinrich Streck als jüngster Büttenredner des
Abends mit seinem Strandbad im Kröcker-Saal und beschloss die
glanzvoll verlaufene, etwas lang ausgedehnte Damensitzung der
Undine." |
Und auch wie alljährlich
veranstaltet das Elferkomitee der "Undine" wieder seinen
Preis-Maskenball im Hotel Adler am 2. Februar. Am 29. Januar 1929
wird in der "Main-Spitze" mit Versen eingeladen:
"Auf! Auf! Ihr
fröhlichen Närrinnen und Narren, am Samstag Owend zu de Undine
ehrm große Preismaskenball!
Punkt 8.11 Uhr trifft Prinz Karneval ein, drum müßt Ihr alle beim
Einzug sein!
Unn wie mer so hie unn do hot vernumme, de Willi deet aach mit
seim Schimmel beim Einzug kumme.
Unn weil der Gaul glaabt, er wär zur Pläsier für Euch alle, drum
läßt er ob und zu emol was Süßes falle.
Es kimmt aach die Lisbeth mit ehrm Schorsch, de Karl mit seim
Jubelwoage fährt mitte dorch.
Es folgt dann noch die schneidig Gard, vier Böbbcher, do seid Ihr
all minanner platt.
Unn weil dem Wert sei Marie bei de Sitzung de Wiener
Schnitzel-Orde hot kritt, drum hält se beim Einzug lustig mit
Schritt.
In de Händ hält se die Pann mirem Rumsteck wie groß, unn uwe
driwer es e goldbrau Zwewelsoß.
Sie segt, des Rumsteck kritt nor der, der wo beim Einzug de größte
Schote wär.
Es Kätche, die Marie und aach die Sophie, die müsse als
Mauerblümcher mit eizieh.
Nor de Willem betrocht ganz bedenklich sein Wein: Vun meim neie
Stück, der ... der trifft erscht de Sunndag ein.
Doch seid nor getrost, wann er nor langt bis zwa Uhr, dann kimmt
unsern alte Sportskolleg, de Cezanne Schorsch, mit rer große
Wasserfuhr.
Jetzt legt eweil eier Kostümcher in die Reih, doch aach in Ziwill
sollt Ihr herzlich willkomme uns sei.
Laßt fahren die Sorgen und halt Euch bereit, bei de Undine ehrm
Maskeball herrscht Fröhlichkeit." |
Doch nicht nur Fasching
wird in der "Undine" gefeiert, am 28. April 1929 findet als Auftakt der
Rudersaison das gemeinsame Anrudern mit einer Bootsauffahrt der
"Undine", des Rudervereins Rüsselsheim, des Flörsheimer Rudervereins
1908, der Flörsheimer Rudergesellschaft 1921 und des Ruder-Clubs 1920
Raunheim statt.
Anzeige in der
"Main-Spitze" am 27. April 1929 |
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Doch ohne Rückschlag geht es nicht. Durch eine Krankheit
bedingt, muß Max Seifert sein Amt als Trainer abgeben,
das anschließend von dem jungen Ruderer Philipp Wagner übernommen wird. Auf den Regatten
des Süddeutschen Ruderverbandes in Mühlheim und Mainz
startet die "Undine" im Senior-Vierer mit Karl Schneider,
Heinrich Müller, Willi Filtzinger, Karl Hägele und Stm. Josef Müller, insbesondere
aber mit ihren starken Schülermannschaften
im Vierer und Achter (Heinrich Wagner, Ernst Müller, Hugo Martin, Kurt
Müller, Heinrich Pflug, Julius Kammerer, Otto Hauck, Jakob Wolf und Stm.
Philipp Wagner), kann jedoch nur gute Plätze belegen, ein Sieg
gelingt nicht.
Zur Meisterschaftsregatta in Nied, auf der
Frankfurt-Nieder Regattastrecke von der Schwanheimer Brücke bis zur
Wörtspitze an der Schleuse Höchst, meldet die "Undine" ihre Mannschaften
zu vier Rennen, dem Anfänger-, dem Ermunterungs- und dem Schüler-Vierer
sowie zum Schüler-Achter. Auf der 1.850 Meter langen gestauten Strecke
kann die "Undine" im Anfänger-Vierer den einzigen Sieg des Jahres nach
Hause fahren. Ansonsten gibt es wieder nur zweite Plätze, ein in diesem
Jahr gewohntes Bild.
Festzugsgruppe
der RG Undine Rüsselsheim anläßlich des 75jährigen
Jubiläums des MGV Liederkranz im Jahr 1929 (oben: Jakob Wolf,
Ludwig Erbes, Heinrich Bastian, ...; darunter: Adam Simon,
Georg Bastian, Frau Simon, Frau Werner, ..., Frau Seifert,
Frau Müller, Klara Müller, Frau Schubert, Frau Renker, Fritz
Schad, Jean Bastian; unten: Philipp Heisel, Heinrich Hägele,
Heinrich Kraft, Heinrich Wagner, Adam Reinheimer, Ernst
Müller, Anton Wolf, Heinrich Wolf, Martin Popp, Philipp Wagner,
Alfred Pfefferle, Hugo Martin, Otto Hauck, Max Seifert, ...,
Adam Steinmann, Jean Riegel, Rudolf Wagner, Josef Müller,
Peter Eberle, Karl Müller, ...) |
Zum Abschluss der Rudersaison veranstaltet die "Undine" am 22. September
1929 eine Vereinsregatta mit Start an der alten Badeanstalt und
Ziel am Undine-Bootshaus. Lassen wir zur Vereinsregatta die
"Main-Spitze" berichten:
"Bei der am
vergangenen Sonntag abgehaltenen Vereinsregatta der
Rudergesellschaft Undine 1919 wurden bei den sechs zum Austrag
gelangten Rennen ein durchweg guter Sport geboten. Durch das
stürmische Wetter und den Wellengang hatten die beiden ersten
Rennen, in denen die Schüler des Vereins ihre Kräfte maßen, sehr
zu leiden, während sich gegen Ende der Regatta die 1.700 Meter
lange Rennstrecke etwas glättete und die folgenden Fahrten weniger
beeinträchtigte.
Zum Alten-Herren-Vierer hatte sich die ältere Generation des
Vereins zusammengefunden und lieferte sich einen von den
Mitgliedern gespannt erwarteten Kampf. Mit zwei Längen Vorsprung
konnte der Sieger das Ziel am Bootshaus passieren. Das schärfste
Rennen des Tages trugen die drei Achtermannschaften unter sich
aus. Die aus den am Vormittag ausgetragenen Vorrennen siegreich
hervorgegangenen Mannschaften lieferten sich vom Start weg ein
äußerst scharfes Bord-an-Bord-Rennen, das das siegende Boot mit
nur zwei Metern Vorsprung im Ziel entscheiden konnte. Alles in
Allem gesagt, konnte die Ruderleitung mit den von den Ruderern
gezeigten Leistungen voll und ganz zufrieden sein, und die
siegenden Ruderer mit einem mit der Vereinsflagge gezierten Becher
belohnen als Dank für die im Jahr 1929 gezeigten Leistungen und
als Ansporn für die kommende Saison." |
Anzeige in der
"Main-Spitze" am 21. September 1929 |
Anzeige in der
"Main-Spitze" im Dezember 1929 |
Auf der Tagung des Süddeutschen Ruderverbandes am
13. Oktober 1929 in Weisenau wird beschlossen, ab 1930 nur noch Rennen
für Schüler und Alte Herren im Gig-Boot auszutragen. In der Rangwertung
des SRV für die Regattasaison 1929 liegt der Mannheimer Vorwärts vorn,
gefolgt von der Kasteler Germania und dem Mainzer
RK von 1903. Die "Undine" belegt hinter dem RC 1920 Raunheim bei einem
Sieg und fünf zweiten Plätzen den elften Platz. Bei der
Vorstandswahl wird Adam Simon von der "Undine" in den Technischen
Ausschuss gewählt. Für das Jahr des 25-jährigen Jubiläums des SRV, das
Jahr 1930, werden Regatten in Frankfurt, Gießen, Offenbach und Mainz
(Meisterschaft) festgelegt.
Wie bereits erwähnt, feiert die "Undine" im Jahr 1929 ihr 10-jähriges
Jubiläum. Doch leider kann der Verein wegen der schlechten
wirtschaftlichen Verhältnisse dieses Jubiläum nicht in der Weise
begehen, wie man es gerne getan hätte. So wird am 26. Oktober 1929 in
den Nebenräumen des Hotels Adler nur im engsten Vereinskreis eine
schlichte "Jubiläumsfeier" abgehalten. Zur Geschichte der
"Rudergesellschaft Undine 1919" hier einige Sätze aus der
"Main-Spitze":
"Zehn Jahre sind
vergangen, seitdem sich in dem Nachkriegsjahr 1919 einige beherzte
Männer zusammengefunden haben, um aus den Trümmern der alten
Undine von 1910, die durch die Wirrnisse des Weltkriegs zerrissen
wurde, einen neuen Verein entstehen zu lassen. Keine Hindernisse
konnten diese sportbegeisterten Männer zurückschrecken, um zum
Ziel zu gelangen.
Mit großen finanziellen Opfern wurde das erste Boot auf Stapel
gelegt, womit bereits im Jahr 1920 der erste Sieg errungen wurde.
Was es heißt, Boote anzuschaffen, in einer Zeit, die ihren
wirtschaftlichen Tiefstand erreicht hatte, kann nur derjenige
ermessen, der diese Krisen innerhalb des Vereins durch persönliche
Aufopferung mit überwinden half. Wenn der Verein heute auf einen
Bootspark von sieben rennfähigen Booten stolz sein kann, so hat er
es in erster Linie nur der tatkräftigen Mitarbeit seiner
Mitglieder sowie einem Vorstand, der keine Mühen scheute, zu
verdanken.
Durch wachsende Erfolge aufmerksam gemachte Wassersportfreunde
konnte der Verein seine Mitgliederzahl auf rund 100 Mitglieder
erhöhen. Es gelang durch eifrige Tätigkeit der aktiven Ruderer, in
neun Jahren fast 50 erste Preise zu erringen." |
Immer wieder feiert die
"Undine" in den 20er Jahren im Hotel "Rüsselsheimer Hof" am
Bahnhofsvorplatz von Rüsselsheim, so auch 1929 bei ihrer
Silvesterfeier |
Am
Jahresende beschließt die "Undine" das Jahr des 10-jährigen Jubiläums mit
einer Silvester-Tanzmusik im Hotel "Rüsselsheimer Hof".
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