Im Januar 1911 schreibt der Vorstand der Undine folgenden
Brief an den Gemeinderat von Rüsselsheim:
Rüsselsheim, den 17. Januar 1911
An den Wohllöblichen Gemeinderat Rüsselsheims
Betrifft: Ankauf einer der Gemeinde gehörigen Wiese.
Wie dem Wohllöblichen Gemeinderat wohl schon langer bekannt ist, hat
sich im Laufe des Jahres 1910 hier eine Rudergesellschaft namens
"Undine" gegründet. Da wir nun in diesem Verein im ersten Jahre schon
tüchtig Fortschritte machten und uns zwei Boote anschaffen konnten,
waren wir genötigt, ein dazu erforderliches Bootshaus zu bauen. Wir
ersuchten deshalb Herrn Baron von Seckendorf um einen Platz, und Herr
Baron gestattete es in liebenswürdiger Weise, dass wir unser vorläufiges
Nothaus auf einem ihm gehörigen Acker vor der Festung stellen konnten.
Die Rüsselsheimer Festung steht nun aber unter dem Denkmalschutz, und so
wurden uns Einwendungen gemacht, weil unser Bootshaus den Anblick auf
die Festung verunschönere, und daraufhin kündigte uns Herr Baron den
Platz wieder. Wir sahen uns deshalb genötigt, nach einem anderen Platz
Umschau zu halten und fanden nun einen ganz geeigneten, der Gemeinde
gehörigen Platz. Derselbe liegt, wie beiliegende Skizze zeigt, oberhalb
der Fohlenweide rechts des Maindammes. Wir sind nun gesonnen, ein
Bootshaus zu bauen, welches mehrere tausend Mark kosten wird, und dazu
wollten wir uns diesen Platz kaufen. Da wir doch den volkstümlichen
Rudersport betreiben, und somit die Gesundheit der Jugend fördern
wollen, weil Rudern doch zweifellos der gesündeste Sport ist, so bitten
wir den Wohllöblichen Gemeinderat höflichst uns gütigst mitteilen zu
wollen, ob wir diesen Platz käuflich erwerben können.
Indes mit aller Hochachtung zeichnen wir
Rudergesellschaft Undine
Der Geschäftsführende Vorstand
Neun (Schriftführer) Becker (1. Vorsitzender) |
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Der Gemeinderat stellt den gewünschten Platz
zur Verfügung und bietet das Gelände der Undine zu einem Preis von 3
Mark pro Klafter zum Kauf an. Die Undine errichtet darauf eine Bootshalle.
Undine-Ruderer
vor der zweiten Bootshalle der "Rudergesellschaft Undine
Rüsselsheim" 1911
östlich der "Fohlenweide" |
Im Juni 1911 wird der Verein in das
Vereinsregister beim Amtsgericht eingetragen.
Am 2. Juli findet in
Frankfurt die 17. Ruderregatta des Süddeutschen Ruderverbandes statt.
Start ist an der Oberräder Schleuse, das Ziel befindet sich nach einer
1.900-Meter-Ruderstrecke vor dem Schlachthof. Die Undine meldet bei der
Regatta zum "Preis vom Main", einem Anfänger-Vierer, die
Mannschaft Ch. Barth, K. Diehl, Georg Koch, A. Lippert und Stm. Gustav
Bräutigam. Zum Vorrennen am Vormittag, in dem die Undine den 2. Platz
belegt, berichtet der "Wassersport": "Ein scharfes Rennen machten die
zwei schönen Mannschaften, von denen die "Borussia" schließlich Sieger
blieb." Im Entscheidungsrennen am Nachmittag treffen Borussia Frankfurt,
Germania Offenbach, Alemannia Frankfurt und die Undine aufeinander. Der
"Wassersport" berichtet: "Geschlossenes Rennen mit abwechselnder Führung
von Offenbach und Borussia bis 1.500 Meter. Während Borussia dann
kräftig loszog, dicht gefolgt von den noch auf dem dritten Platz
liegenden Rüsselsheimern, fiel Offenbach zurück, Alemannia schied mit
Dollenbruch aus."
Mit Schreiben vom 2. September 1911 fordert die Gemeinde die
Rudergesellschaft Undine auf, den Kaufpreis für das Gelände bis zum 1.
Oktober zu zahlen, andernfalls die Gemeinde von dem Kaufvertrag
zurücktritt. Einige Tage später schreibt der
Vorstand folgenden Brief an den Gemeinderat:
Rüsselsheim, den 19. September 1911
An den Wohllöblichen Gemeinderat zu
Rüsselsheim
Wir schätzen uns im Besitze Ihres Schreibens vom 2. d.
Mts. und teilen Ihnen ergebenst mit, dass unser
Gesamtvorstand in einer Vorstandssitzung vom 6. d. Mts.
nach reiflicher Überlegung den Beschluss gefasst hat,
bei dem in Frage kommenden Gelände von einem Kauf
Abstand nehmen zu müssen.
Der Grund hierzu liegt in der Brandkatastrophe der Opel-Werke,
denn unser Verein ist daraufhin von unseren 60 zahlenden
Mitgliedern auf ca. 30 zurückgegangen und stehen jetzt
noch verschiedene junge Leute zum Weggang bereit. Unser
Vorstand erblickt hierin eine Gefahr zur Einlösung
unserer Verbindlichkeiten bei unserem Gläubiger und müssen
wir deshalb Abstand von einem Kauf nehmen.
Nichtsdestoweniger erklären wir uns bereit, für den der
Gemeinde entstandenen Schaden, den der Hochwohllöbliche
Gemeinderat die Güte haben wird, uns nicht allzu hoch zu
bemessen, voll und ganz aufzukommen. Gleichzeitig
erlauben wir uns die höfliche Bitte an Sie zu
richten,
das obere Stück dieses Geländes bis zur Grenze unseres
Bootshauses auf eine Reihe von Jahren zu pachten und
erbitten wir hierüber Ihren gefl. Bescheid.
Hochachtungsvoll
Rudergesellschaft Undine Rüsselsheim
(eingetragener Verein)
Becker (1.Vorsitzender) Bastian
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Mit dem Vorschlag, das Gelände zu pachten, ist der
Gemeinderat gegen Zahlung von 40 Mark als Pachtgeld und Entschädigung einverstanden.
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