Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Was ist Rudern? Warum gerade Rudern?

 

Rudern in der Freizeit

Rudern bedeutet, der Natur nah zu sein und körperlichen Ausgleich zu finden. Dazu gehören ausgedehnte Wanderausflüge und Tagesfahrten, aber auch Regatten und Fitnesstraining. Dabei ist es egal, ob man lieber allein, mit dem Partner oder in einer großen Gruppe ist, denn dank verschiedener Bootsklassen lässt sich jedes Rudererlebnis individuell gestalten. Dafür wird man am besten in einem der rund 500 Rudervereine Mitglied, die es nahezu überall in Wassernähe gibt. Mit ihren schön gelegenen Bootshäusern bilden sie die ideale Basis für eine gesunde und vielfältige Freizeitgestaltung.

Spaß und Freizeitvergnügen müssen aber nicht die einzigen Gründe sein, in einem Verein aktiv zu werden. Vielmehr bietet er die Möglichkeit zu ehrenamtlichen Tätigkeiten und damit die Chance, über das Berufsleben hinaus Verantwortung zu übernehmen und Bestätigung zu finden.

Rudern auf der Regatta

Für jede Leistungsklasse und jeden Anspruch gibt es die passende Veranstaltung. Das ganze Jahr über finden zahlreiche deutsche und internationale Ruderregatten statt, die nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch für die Zuschauer ein spannendes Erlebnis sind. Von Wettbewerben auf lokaler Ebene bis hin zu den Olympischen Spielen, ob Sprint oder Langstrecke bietet sich für jede Leistungsklasse und jeden Anspruch die passende Veranstaltung.

Wer sich also gern mit anderen messen möchte und bereit ist, dafür regelmäßig zu trainieren, kann beim Rudern viel erreichen. Natürlich braucht es Disziplin, Ehrgeiz und Ausdauer, um mehrmals pro Woche oder sogar täglich ins Boot zu steigen. Nimmt man das aber auf sich, wird man nicht nur mit Muskelkraft und einer erhöhten Koordinationsfähigkeit, sondern auch mit mentaler Stärke belohnt. Durch regelmäßiges Training und sportliche Erfolge bestätigt, weichen Ruderer auch vor anderen Herausforderungen im Leben nicht zurück. Sie verstehen es, konzentriert ihre Ziele zu verfolgen, sind teamfähig und ausdauernd.

Rudern für die Gesundheit

Rudern gehört zu den wenigen Sportarten, die nahezu alle Muskelgruppen beanspruchen und gleichzeitig Ausdauer, Koordination, Herz und Kreislauf trainieren. Da außerdem das Verletzungsrisiko sehr gering ist, hat Rudern einen hohen gesundheitlichen Wert. Aus diesem Grund eignet es sich besonders gut zur Rehabilitation sowie zur gesundheitlichen Prävention. Darüber hinaus unterstützt Rudersport den Abbau von Stress. Verbunden mit der Natur und der beruhigenden Wirkung des Wassers ist Rudern somit nicht nur eine Wohltat für den Körper – sondern auch für den Geist.

Rudern aus Tradition heraus innovativ

Nicht nur in Deutschland, auch international erfreut sich Rudern schon seit langem großer Beliebtheit. Seine Ursprünge liegen in England, wo Rudern von einer Fortbewegungsart zum Sport wurde. Bald darauf begannen auch die Deutschen, sich für den Rudersport zu interessieren und gründeten 1836 in Hamburg den ersten Ruderverein. 1883 entstand als erster deutscher Sportverband der Deutsche Ruderverband (DRV). Er hat seitdem die sportliche Entwicklung durch vielfältige Impulse und beispielhafte Erfolgsserien mitgestaltet. Heute ist der DRV der größte und einer der erfolgreichsten Ruderverbände der Welt.

Schon bei der ersten Austragung der neuzeitlichen Olympischen Spiele 1896 war Rudern im Programm und ist Teil der Olympischen Bewegung. Die Sportler der Nationalmannschaft, darunter das Flaggschiff Deutschlandachter, sind bei den internationalen Wettkämpfen regelmäßig an der Spitze dabei.  

Der Gründer der modernen Olympischen Spiele Pierre de Coubertin beschrieb den Rudersport so: "Rudern sollte der Lieblingssport unserer jungen Leute werden, da keine andere Sportart ihnen die physischen und moralischen Qualitäten vermittelt, die sie brauchen: Energie, Initiative, Kraft und Gesundheit."

Vereine

In fast 500 Vereinen bundesweit können Sie das Rudern lernen und ausüben. Einer dieser Vereine ist der Rüsselsheimer Ruder-Klub 08, kurz "RRK".

Rennrudern im RRK

Rudern im RRK

Im Rennrudern ist möglichst schnelles, wettkampfmäßiges und bis an die körperliche Belastungsgrenze gehendes Rudern gefragt. Das Rennrudern erfordert sehr leichte und schmale Boote und regelmäßiges Training. Das Training wird im RRK von Trainer Moritz Richter geleitet.

Im Winter wird nur bedingt, d.h. wenn das Wetter es am Wochenende erlaubt, im Boot trainiert, jedoch die Regattasaison vorbereitet. Es gilt, sich schon Kraft und Ausdauer anzueignen. Langstreckenlauf, Hanteln, Kraftübungen mit Gewichten und das Ruderergometer gehören zum Trainingsprogramm. Als Abschluss des Wintertrainings findet üblicherweise im Frühjahr ein Trainingslager für alle aktiven Rennruderer statt.

Im Frühjahr, Sommer und Herbst wird im wesentlichen auf dem Wasser, auf dem Main, trainiert, wo dann die Rudertechnik verbessert wird. Der Trainingserfolg wird auf zahlreichen Regatten in ganz Deutschland auf die Probe gestellt. Wer im Rudersport in die Spitze vordringen möchte, muss mindestens 5 bis 6 mal pro Woche trainieren.

Aber nicht nur Rennrudern wird im RRK betrieben. Freizeitrudern (insbesondere auch für Frauen) und Wanderrudern sind Möglichkeiten, die Natur zu erleben und gleichzeitig etwas für die körperliche Fitness zu tun.

Freizeitrudern im RRK

Wanderrudern im RRK

"Der Achter - das ist die Mannschaft an sich"

Der Dichter Rudolf Hagelstange über ein Achterrennen auf dem Albanersee in "Römisches Olympia"

Und jetzt waren sie auch schon näher gekommen, die gleitenden Agraffen, waren belebt, lebendig, glichen Tieren mit Flimmerhärchen.

Und nun wurden sie dem immer sicher lotenden Auge kenntlich als jene einzigartige Zweiheit, die dennoch - wie Nenner und Zähler einer gebrochenen Zahl - Einheit ist: das leichte, lange überschlanke Fahrzeug, das die entfesselte und zeitgleich rationalisierteste Kraft von acht herkulischen und zugleich sensiblen Menschen in harmonischen Rhythmus vorwärts trägt.

Sinnbild der Mannschaft, wie kaum eine andere Gruppierung im Spiel, im Zusammenspiel der Kräfte Sinnbild sein kann.

Kein Oben, kein Unten. Kein Egoismus, keine Alleingänge, keine Star-Allüren, kein Abweichen. Kein Scheinhandeln, keine Rivalität.

Bündnis, Disziplin, Gleichklang, Verantwortung, Askese, Opfersinn, Freundschaft.

Der Achter, das ist die Mannschaft an sich.

Und ein siegreicher Achter ist ein Triumph dieses Mannschaftsgeistes.

Gutachten über den gesundheitlichen Wert des Rudersports

Univ.-Prof. mult. Dr. med. Dr. h.c. Wildor Hollmann (em.) (aus Rudersport 1989, 107 (9), 230-231)
Ehrenpräsident des Weltverbandes für Sportmedizin
Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention

Alle körperlichen Betätigungsformen des Menschen können entsprechend ihren unterschiedlich akuten und chronischen Auswirkungen auf den Organismus in fünf Hauptgruppen unterteilt werden:

  • Koordination (Gewandtheit, Geschicklichkeit, Technik)

  • Flexibilität (Gelenkigkeit)

  • Kraft

  • Schnelligkeit

  • Ausdauer

Die maßgeblichen strukturbildenden und strukturverstärkenden Einflüsse beschränken sich auf die Anwendung von Kraft und Ausdauer. Beide müssen in sich als Antipoden bezeichnet werden. Kraft basiert auf der Größenordnung der Muskelmasse, deren Kraftleistungsfähikeit in erster Linie vom Muskelfaserquerschnitt abhängt. Ihre trainingsmäßige Beanspruchung beeinflusst daher neben der Muskulatur Knochen, Sehnen, Bänder, Gelenke und die zughörige hormonelle Steuerung. Innere Organe wie das Herz-Kreislaufsystem bleiben hinsichtlich Anpassungsvorgängen hiervon unberührt. Ausdauer setzt hingegen voraus, dass pro Zeiteinheit bei einer körperlichen Leistung eine möglichst große Sauerstoffmenge an die arbeitende Muskelzelle herangebracht wird. Dafür sind Herz, Kreislauf und Atmung zuständig. Der Sauerstoffdruck nimmt aber im Gewebe mit dem Quadrat der Entfernung von der Kapillare (dem kleinsten Blutgefäß) bis zur Mitochondrie, dem einzigen Ort der Sauerstoffverwendung in der Zelle, daher auch "Kraftwerke" genannt, ab.

Prof. mult. Dr. med. Dr. h.c. Wildor Hollmann

Infolgedessen ist es für eine Ausdauerleistung besonders günstig, wenn eine möglichst große Kapillaroberfläche (u.a. Kapillarzahl) die Muskelfaser versorgt. Eine krafttrainierte Muskelzelle mit ihrem vergrößerten Faserquerschnitt ist somit für die Sauerstoffversorgung ungünstiger gestellt als die ausdauertrainierte Zelle. Infolgedessen besitzen Krafttraining und Ausdauertraining entgegengesetzte Interessen: Das Krafttraining vergrößert die Muskelfläche, nicht aber die Kapillaroberfläche, während das Ausdauertraining die Kapillaroberfläche und mit ihr Herz, Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel und spezifische hormonelle Steuerung positiv beeinflußt. Die krafttrainierte Muskelzelle ist also in ihrer Sauerstoffversorgung weitaus schlechter gestellt als die ausdauertrainierte. Umgekehrt kann die ausdauertrainierte Zelle nur eine geringere maximale statische Kraft entfalten als die krafttrainierte.

Gesundheit

Der Begriff "Gesundheit" ist schwer definierbar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von "physischem, psychischem und sozialem Wohlbefinden". Man sollte in Bezug auf die hier vorliegende Fragestellung besser von "optimalen strukturellen und funktionellen Bedingungen aller Lebensabläufe" sprechen. Das beinhaltet automatisch eine gute Leistungsfähigkeit in allen fünf motorischen Hauptbeanspruchungsformen.

Nun aber haben Technisierung und Automatisation speziell nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die muskuläre Beanspruchung des Menschen sowohl im dienstlichen als auch im freizeitlichen Bereich in drastischer Weise reduziert. Umgekehrt ist die nerval-geistige Beanspruchung gewachsen. Der Mensch aber unterliegt heute wie vor Jahrtausenden biologischen Grundregeln. Eine von ihnen lautet: Gesundheit und Leistungszustand eines Organs werden bestimmt vom Erbgut, von der Qualität und der Quantität seiner muskulären Beanspruchung sowie von Umweltbedingungen. Da das heutige Alltagsleben den menschlichen Organismus weder qualitativ noch quantitativ in dem Maße fordert, wie es biologisch aus gesundheitlicher Sicht wünschenswert ist, müssen Sport, körperliches Training oder zumindest allgemeine körperliche Aktivität als Ausgleich für verloren gegangene muskuläre Beanspruchungen in das Alltagsleben eingeführt werden. In Kindheit und Jugend bewirkt diese eine optimale Entwicklung von Körper und Geist. Beim erwachsenen Menschen sind speziell Ausdauerleistungen geeignet, zahlreichen Herzkreislauf- sowie Stoffwechselkrankheiten und einigen Krebserkrankungen vorzubeugen. Beim älteren und alten Menschen stellt überschwellige muskuläre Beanspruchung die einzigen, wissenschaftlich gesicherte Möglichkeit dar, sich funktionell jünger zu erhalten als es chronologisch dem Geburtsalter entspricht.

Mittels eines Krafttrainings kann einem alternsbedingten Verlust an Muskelkraft entgegengewirkt werden, was angesichts der zentralen Bedeutung des Muskelstoffwechsels für unsere Lebensvorgänge von erheblicher Bedeutung ist. Ferner wirkt eine gut ausgebildete Skelettmuskulatur den funktionellen Folgen von Gelenkerkrankungen wie Arthrose entgegen.

Rudern: Ausdauer und Kraft

Beide motorischen Hauptbeanspruchungsformen, Ausdauer und Kraft, werden im Rudern gefordert. Die Bootsgeschwindigkeit hängt maßgeblich ab von der Schlagfrequenz und der Durchzugsdistanz. Letztere wird ihrerseits wieder modifiziert von der aufgewandten Kraft, dem Ruderwinkel, der Durchzugszeit, dem Widerstand, der Trägheit und der Gesamtmasse. Diese biomechanischen Daten benötigen als Voraussetzung die biologische Leistungsfähigkeit des Ruderers bzw. die der Rudermannschaft als Einheit. Koordination, Flexibilität, dynamische Kraft, lokale und allgemeine aerobe und anaerobe Ausdauer werden angesprochen.

Im Rudersport selbst sind die allgemeine und die lokale aerobe Ausdauer sowie die dynamische Kraft am wichtigsten. Die Belastungsdauer liegt im Wettkampf zwischen ca. 5,5 und 8 Minuten. Demnach handelt es sich um die allgemeine aerobe Kurzzeitausdauer, die man für den Zeitraum von 3-10 Minuten veranschlagt. Entscheidend leistungsbegrenzender Faktor ist die maximale Sauerstoffaufnahme/min und ihr Prozentsatz, welcher möglichst lange im Wettkampf erbracht werden kann. Dieser wird u.a. mit der aerob-anaeroben Schwelle gemessen.

Leistungsbegrenzende Faktoren

Leistungsbegrenzende Faktoren für die maximale Sauerstoffaufnahme sind das Herzzeitvolumen, die Größenordnung der arteriovenösen O2-Differenz (periphere Sauerstoffausnutzung), die maximale Diffusionskapazität in der Lunge, die ventilatorische Leistungsfähigkeit, das Blutvolumen und der Total-Hämoglobingehalt.

Leistungsbegrenzende Faktoren für die lokale aerobe dynamische Ausdauer sind das intrazelluläre Sauerstoffangebot, entscheidend bestimmt von der Summe der lokalen Gefäßquerschnitte und dem Myoglobingehalt, ferner das Mitochondrienvolumen, die Koordination und die Größenordnung der intramuskulären Glykogendepots.

Die dynamische Kraft wird begrenzt von der Größenordnung der statischen Kraft, der zu überwindenden Masse nach Gewicht, Form und Größe, der Kontraktionsgeschwindigkeit, der Koordination, den anthropometrischen Daten (Hebelverhältnisse) und in Verbindung hiermit von der Körperposition sowie von der Muskelvordehnung.

Sauerstoffaufnahme

Wegen der maßgeblichen Bedeutung der Herzleistungsfähigkeit benötigt der Hochleistungssportler ein möglichst großes Herzvolumen. Während die Werte einer Normalperson bei 750 bis 800 ml liegen, erreichen Weltklasseruderer Herzgrößen zwischen 1100 und 1500 ml. Mit diesen großen Herzen können maximale Blutmengen von 40 l/min gefördert werden im Gegensatz von z.B. 20 l/min bei männlichen Durchschnittspersonen.

Die maximale Sauerstoffaufnahme ist nach der absoluten und der relativen Form zu differenzieren. Die absolute weist bei Weltklasseruderern Werte zwischen 6000 und 7000 ml/min auf, während die relative aufgrund des hohen Körpergewichts von Ruderern Größenordnungen von 68 bis 72 ml/kg * min-1 ausmacht. Da die maximale Sauerstoffaufnahme die engste Korrelation zur Größenordnung des Körpergewichts besitzt, muss der Ruderer möglichst schwer sein, da hierdurch automatisch eine überdurchschnittlich günstige Voraussetzung für eine große maximale O2-Aufnahme gegeben ist. Da das Körpergewicht vom Boot getragen wird, ist es im Gegensatz zum Laufen nicht leistungslimitierend. Daher ist in dieser Sportart die absolute maximale Sauerstoffaufnahme weitaus wichtiger als die relative, d.h. pro kg Körpergewicht.

Rudern ist – wenn man so will – die leistungsphysiologisch unangenehmste Sportart. Gleichermaßen werden Kraft und aerobe Ausdauer des Herz-Kreislauf-Systems und der Muskulatur benötigt. Damit stehen sich im Training in der oben dargestellten Weise die unterschiedlichen Auswirkungen von Krafttraining und Ausdauertraining gegenüber.

Aus gesundheitlicher Sicht stellt daher Rudern eine empfehlenswerte Sportart dar. Die beiden wichtigsten motorischen Hauptbeanspruchungsformen, Ausdauer (organische Leistungsfähigkeit) und Kraft (Halte- und Bewegungsapparat), werden gleichermaßen gefördert. Rudern trainiert somit die inneren Organe, die Atmung, den Stoffwechsel, die Skelettmuskulatur sowie das Anpassungsvermögen und die Ökonomie der gesamten hormonellen und nervalen Steuerung des Körpers. Andererseits können bei ungünstigen Voraussetzungen (vorhandene Schäden, Krankheiten oder Anomalien) gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen, besonders an der Wirbelsäule. Derartigen Gefahren muss durch regelmäßige sportärztliche Untersuchungen und die Beachtung einer richtigen Technik im Krafttraining Rechnung getragen werden.

Mannschaftssport in der Natur

Rudern wir immer beliebter / In den Booten sitzen nicht nur Muskelprotze

Von Sven Appel

Beim Rudern werden 80 Prozent der Muskeln gefordert. Doch Hobbysportler müssen längst nicht so hart trainieren wie die Profis – im Bild der Deutschlandachter 2002 bei einer Trainingsfahrt auf dem Dortmund-Ems-Kanal.

Rudern ist kein Kraftsport. Zwar haben viele Ruderer ein vergleichsweise breites Kreuz – aber das ist eher Nebenwirkung als Ziel dieser Disziplin. "Beim Rudern zählt vor allem die Technik", sagt Arno Boes, Pressesprecher des Deutschen Ruderverbandes (DRV) in Hannover. Das ist auch der Grund dafür, dass Rudern unter fachmännischer Anleitung gelernt werden sollte.

Kurse werden häufig an Schulen und Universitäten angeboten. Das ist für viele der Einstieg. Doch wer dem Sport länger treu bleiben möchte, kommt um einen Verein kaum herum, was vor allem an den hohen Materialkosten liegt: Ein Einer kostet rund 5.000 Euro, und ein Achter schlägt mit 20.000 Euro zu Buche. Hinzu kommt das Problem der Lagerung. Vereine haben anders als die meisten Privatleute mit ihren Bootshäusern den entsprechenden Platz.

Drei bis fünf Tage mit zweistündigen Übungseinheiten dauere es etwa, bis die technischen Grundlagen des Ruderns bei Neulingen sitzen, sagt Peter Westphal vom Elmshorner Ruder-Club von 1909 nahe Hamburg. Für Breitensportler genügen danach zwei Stunden Training pro Woche. "Der Leistungssport stellt dagegen sehr hohe Trainingsanforderungen." Nicht unüblich sind dann 14 Einheiten pro Woche.

Wer intensiver rudert, dem rät Westphal zu einem Ausgleichssport. Peter Voigt, Dozent an der Deutschen Sporthochschule in Köln, macht jedoch darauf aufmerksam, dass dann die Gefahr einer Überlastung und damit von Schäden besteht. "Aber prinzipiell ist Rudern gesund", sagt Voigt, der selbst mehrere Jahre gerudert ist und es heute den Studenten beibringt. "Rudern ist ein Ganzkörpersport. Dabei werden 80 Prozent der Muskeln beansprucht." Darüber hinaus fordert und fördert der Sport im Boot zum Beispiel Kreislauf und Stoffwechsel.

Schon Elf- oder Zwölfjährige können mit dem Rudern beginnen. "Allerdings ist ein gewisses Körpermaß notwendig", erklärt Arno Boes vom DRV. Die Kinder sollten mindestens 1,50 Meter groß sein. "Und später im Leistungssport geht bei Männern unter 1,90 Meter gar nichts", sagt Reinhart Grahn, Vorsitzender des Ruderverbandes Schleswig-Holstein in Ratzeburg. Doch Boes zufolge nehmen von den derzeit rund 78.000 aktiven Ruderern in Deutschland nur zehn bis 15 Prozent an Wettkämpfen teil.

Peter Voigt von der Sporthochschule macht darauf aufmerksam, dass auch Behinderte rudern lernen können. Das Boot müsse dann nur entsprechend präpariert werden. Beim Alter gibt es nach oben generell keine Grenze. "Das geht bis 80 oder 90 Jahre rauf", sagt Westphal. Das sind dann aber meist Menschen, die den Sport schon lange betreiben. „Anfangen sollte man in diesem Alter nicht mehr." In jedem Fall raten die Experten wegen der hohen körperlichen Beanspruchung, sich von einem Arzt durchchecken zu lassen, bevor mit dem Rudersport begonnen wird.

Nach Westphals Angaben steigt die Zahl der Menschen, die sich für den Rudersport interessieren. "Aber auch die Fluktuation im Verein ist größer geworden." Während Rudern traditionell eine Männerdomäne war, seien unter den Neulingen Mädchen und Jungen gleichermaßen zu finden.

Darüber, in welchem Boot sie sitzen möchten, etwa im Einer oder lieber im Achter, müssen sich Einsteiger keine Gedanken machen. Das ergibt sich mit der Zeit von selbst. "Üblicherweise hat der Ruderer im Verein ein feste Gruppe oder Mannschaft, mit der er regelmäßig trainiert", so Voigt.

Dass das Boot mit vergleichsweise geringem Kraftaufwand in Fahrt kommt, findet Grahn an seinem Sport besonders reizvoll. DRV-Sprecher Arno Boes, seit 35 Jahren dabei, schätzt am Rudern, dass es sich als Mannschaftssport ausüben lässt. Einhellig rühmen die Experten die Nähe zur Natur und die Bewegung an der frischen Luft. "Außerdem ist Rudern ein absolut fairer Sport", sagt Westphal. Das Ergebnis sei genau messbar.

Lange galt Rudern als elitär. Das ist vorbei – fast jedenfalls. Denn noch immer pflegen einige der rund 450 Vereine in Deutschland ein exklusives Image. Leisten können sich das vor allem Clubs in Großstädten oder besonders guter Lage. Da kann der Jahresbeitrag schon einmal 500 Euro erreichen. Das ist Voigt zufolge jedoch das obere Limit und verglichen mit Golf oder Tennis sogar eher günstig. "Schließlich bekommen die Mitglieder die teuren Boote gestellt, erhalten Trainingsstunden und können oftmals ein Clubhaus nutzen."

Rudern in Hessen – der lang gehegte Wunsch ist eine Regattastrecke

Natur und Sport für Jung und Alt

Von Stephan Gerlach (aus "Sport in Hessen" vom 15.07.2006)

"Es ist ein berauschendes Gefühl, wenn das Boot über das Wasser gleitet, wenn sich sein Bug aus dem Wasser erhebt, wenn Luftbläschen rechts und links neben dem Bootskörper hergleiten und der Vorwärtsdrang, die Geschwindigkeit, spürbar wird." Ruderer, ob jung ob alt, sind bemüht ihr Gefährt in diese Gleitphase zu bringen: im Rennrudern geht es darum, dass dies mit maximaler Geschwindigkeit erfolgt, beim Wanderrudern ist man bestrebt, dies über eine lange zeitliche und räumliche Distanz zu erreichen. Spannung verbunden mit Entspannung, dabei gleichzeitig etwas für Kraft und Ausdauer tun – und das Ganze mit der Option, allein oder im Team aktiv zu werden: all dies bietet der Rudersport.

Mit seiner sportlich anspruchvollen Betätigung auf dem Wasser, abgestimmter Technik und erlebter Natur übt er einen besonderen Reiz aus. Rudern ist nicht nur Wettkampfsport und Olympiadisziplin, er ist auch für Jedermann von Jugend- bis ins hohe Seniorenalter geeignet. Dieser Sport kann von Gesunden, in der Rehabilitation oder als Training für Behinderte ausgeführt werden.

Junge englische Kaufleute brachten den Rudersport im 19. Jahrhundert nach Deutschland. Der älteste hessische Vereine besteht seit 1865 in Frankfurt.

Rudern bedarf einer besonderen Infrastruktur. Da die Boote mit Skulls bzw. Riemen eine Wasserbreite von mind. 6 Metern benötigen und selbst der Einer schon über eine Länge von knapp 8 Metern verfügt, ist es nur konsequent, dass sich die Vereine an den Hauptflüssen in Hessen, also am Main, am Rhein, an der Lahn, an der Fulda und an der Werra ansiedelten. Auch am Ufer des Eder- und des Twistessees üben Mitglieder des HRV Wassersport aus.

Als der Verband am 18.08.1946 als Fachgruppe Rudern gegründet wurde, zählte er 26 Mitglieder, heute gehören dem Hessischen Ruderverband 60 Clubs und vier Regattavereine an.

Die Landesorganisation hat traditionell drei Arbeitsschwerpunkte: das Rennrudern, den Breitensport inklusive des Wanderruderns und den Schulsport.

Keimzelle Vereine

Georg von Opel (RRK) - Deutscher Einermeister 1947

Keimzelle für die Talentsuche und -förderung sind die hessischen Rudervereine. Engagierte ehrenamtliche Frauen und Männer haben es in den letzten Jahrzehnten immer wieder geschafft, junge Menschen an den Leistungssport heranzuführen. Dass dabei auch nationale oder internationale Erfolge errudert werden konnten, beweist ein Blick auf die Statistik. Bereits bei den ersten Deutschen Rudermeisterschaften nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankfurt legten Hessen am Siegersteg an. Damals war es Georg von Opel (Rüsselsheim), der als sportlicher Ausnahmeathlet für Aufsehen sorge. Heute verfolgt Ruderhessen die Erfolge von Marcel Hacker (Frankfurter RG Germania) auf den Bildschirmen. Der Ruderverband lancierte in den 60 Jahren seines Bestehens zu einer der erfolgreichsten Adressen innerhalb des Landessportbundes.

Hessen ist ein Flächenstaat, die Ruderreviere sind im ganzen Land verteilt. Dies erschwert eine gezielte Sportförderung. Viele Jahre wurde diskutiert, ob eine zentrale oder eine dezentrale Ausrichtung im Ressort Leistungssport erfolgen soll.

1969 entschied sich der Verband zur Berufung von Regionaltrainern. Präsenz vor Ort ist auch heute noch ein Organisationsziel. Derzeit arbeiten neben der Landestrainerin zwei Lehrertrainer und ein Regionaltrainer für den Verband. Das Leistungssportteam wird von Stützpunkttrainern in den Vereinen unterstützt.

Regattastrecke

Ein Dauerthema für den Verband sind die Schaffung einer Regattastrecke und die Sicherung der vorhanden Trainings- und Wettkampfstrecken. Seit 1969 wurde intensiv überlegt. Die Planungen für Süd- und Mittelhessen erwiesen sich leider als nicht realisierbar. Insbesondere auf dem Main und auf dem Rhein haben sich die Trainings- und Wettkampfbedingungen seit der Inbetriebnahme des Rhein-Main-Donau-Kanals deutlich verschlechtert. Dies ist bedauerlich, aber auch diese Einschränkungen für die Berufsschifffahrt sind immer schwerer zu bekommen. Daher wird der Hessische Ruderverband unter Leitung von Reinhard Schintze nicht müde, eine Trainingsstrecke für die Mainregion zu fordern.

Erfreulicher sind dagegen die Entwicklungen an der Werra. Seit 1988 richtet der Hessische Ruderverband seine Landesmeisterschaften auf dem Werratalsee in Eschwege aus. Dramatisch verlief die Auftaktregatta, denn ein steifer Wind zwang zur (gelungenen) Improvisation.

Nach der Verlegung des Hessischen Meisterschaftsrudern vom Oktober in das Frühjahr war der Wind kein Problem mehr. Gemeinsam mit der Stadt Eschwege, der Gemeinde Meinhardt, dem Landkreis Werra-Meißner und insbesondere durch das Land Hessen konnte die Infrastruktur der Ruderbahn ständig verbessert werden.

Sport und Naturschutz

Auch der Hessische Ruderverband engagierte sich nach Kräften. Für ihn ist es wichtig, dass die Konzeption "Werratalsee" im Konsens mit den anderen Nutzern des Gewässern umgesetzt wird. Sport, Erholung und der Schutz von Flora und Fauna sollen in Eschwege ermöglicht werden. Mit dem Bau einer Halle ist der Hessische Ruderverband dort standhaft geworden. Die Investitionen dienten dazu, den Regattaplatz und seine Infrastruktur zu verbessern, denn "zum Werratalsee gibt es keine Alternative!", stellte Reinhard Schintze (Vorsitzender) bereits mehrfach fest.

Ruderwanderfahrt von RRK und RaB 2006 auf der Mosel von Zeltingen nach Lehmen - hier Abfahrt am 2. Tag vom Ruderverein Zell - die gesamte RRK/RaB-Gruppe (hinten stehend: Wolfgang Gummersbach, Jochen Wichelhaus, Wolfgang Vorfalt, Peter Riethmüller, Jochen Rudloff, Dr. Bernd Grafflage, Gerd Hesse, Ragnar Otto, Uwe Hurlin, Werner König, Dieter Lang, Wolfgang Orlowski, Werner Alt, Georg Gagel, Klaus Schellbach, Karlheinz Ampütte, Jürgen Kleine, Dr. Claus Holzapfel, Dr. Michael Winkels; vorn sitzend: Wolfgang Freimuth, Rudi Reitz, Jochen Zimmermann, Gerhard Ketter, Detlev Welters, Dr. Dietmar Klausen, Wilfried Hoffmann)

Rudern ist eine moderne Sportart. Neben dem Wettkampfsport hat sich Rudern zu einer beliebten Freizeitdisziplin gewandelt. So spielt Fitness- und Freizeitrudern sowie Wanderrudern eine zunehmende Rolle.

Rudern ist eine der wenigen Sportarten, die von der Kindheit bis ins hohe Alter ausgeübt werden. Der Hessische Ruderverband unterstützt die breitensportlichen Aktivitäten seiner Mitgliedsvereine u.a. durch "Volksläufe" und durch Ergometerwettkämpfe. Der vereinsübergreifende Dialog ist für das Referat Wanderrudern wichtig.

Natürlich stehen die Namen Ulrich Richter, Heinz Bunk, Günter Fritzsche und Gerhard Siebrasse auch für viele Touren auf nationalen und internationalen Gewässern. Heike Rodenburg ist nicht nur Fahrtenleiterin, sie verrichtet auch wertvolle Arbeit beim Gewässermanagement.

Der Hessische Ruderverband fördert die Durchführung von Wanderfahrten, insbesondere in unbekannten Gefilden. So ist es eher ungewöhnlich auf Wümme, Oste, Medem, Hardeler Kanal, Bederkesa-Geste-Kanal und Geste zu rudern. Auch der Obermain ist mit seinen Wehren, Flachstellen, engen Kehren und Schwallstellen ein besonderes Revier für Rückwärtsfahrer.

Der Hessische Ruderverband und seine Fahrtenleiter möchten Akzente im Wanderrudern setzen. Zu den Traditionsveranstaltungen zählen das jährlich im Frühjahr stattfindende Informationsgespräch und das Wanderruderertreffen zum Ausklang der Saison. Im Jahr 2006 richtet das WRT der Wassersportverein Hellas Gießen aus. Mit einer Kombination aus Drachenboot- und Ruderbootfahren wird im Oktober wieder Neuland betreten.

Jugend im Boot

Die Beteiligung von jungen Menschen am Meinungsbildungsprozess ist für die Ruderer kein bloßes Lippenbekenntnis. Am Tag der Deutschen Einheit (17.06.1971) hob der Verband die Hessische Ruderjugend aus der Taufe. Die Hessen waren damit Vorreiter im Deutschen Ruderverband.

Die Nachwuchsorganisation verwaltet sich selbst (auch finanziell), deren Vorsitzende/r verfügt über Sitz und Stimme im geschäftsführenden Vorstand des HRV.

Alle Jugendausschüsse, die in den letzten 35 Jahren Verantwortung trugen, hatten ihren Schwerpunkt in der sportlichen Nachwuchsarbeit. So initiiert die HRJ alljährlich den Landesentscheid für Jungen und Mädchen. Über Kurz-, Langstrecke und Geschicklichkeit werden Rudertalente für morgen ermittelt, die dann als Hessenmannschaft beim DRJ-Bundeswettbewerb starten.

Neben der Nachwuchsarbeit durch die Ruderjugend ist auch das Schulrudern ein wichtiger Aktionsbereich innerhalb des Verbandes. Seit über 100 Jahren wird Rudern im Schulsport betrieben. Damals aufgrund eines Kaiserdekrets eingeführt, hat der Mannschaftsgedanke bis heute nichts an Wichtigkeit verloren. Der Mannschaftserfolg ist mehr als die Summe von Einzelleistungen. Dies zu erleben ist auch eine Aufgabe im Schulsport.

Hessen hat hier eine Tradition. Hervorragende Plätze bei den Landes- und Bundesfinals des Schulwettbewerbs "Jugend trainiert für Olympia" zeugen von der qualifizierten Arbeit in den Schulrudervereinen, Ruderriegen und den sonstigen Kooperationen zwischen Schule und Verein. Bei der genaueren Analyse fallen immer wieder Pädagogen auf, die sich über die Maßen engagieren. Wer einmal die Atmosphäre bei Jugend trainiert erlebt hat weiß, dass jeder investierte Euro gut angelegt ist.

Kontinuierliche Bildung

Personalgewinnung und -fortbildung ist eine Daueraufgabe. Daher zählen Ausbildungslehrgänge für Fachübungsleiter und Steuerleute zum Standartprogramm des Verbands. Auch hier kann der HRV auf eine qualifizierte ehrenamtliche Referentin (Andrea Weiß) und ein lobend zu erwähnendes Dozententeam zurückgreifen.

Die Weiterentwicklung der Standards im Hessischen Ruderverband sind ein besonderes Anliegen von Reinhard Schintze und seinem Vorstandsteam. Ihm gelang es in den letzten Jahren hervorragend einen Ausgleich zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren zu erzielen. Die begrenzten Mittel, manpower und Finanzen, zeigen auch dem Hessischen Ruderverband Grenzen auf. Besonders stolz in Schintze daher auf das ehrenamtliche Engagement, das den HRV und seine Vereine trägt.

In goldener Isolierung durch das Wasser ziehen

Die ersten Schwierigkeiten auf dem Steg / Mit Treue ins Geschirr gespannt

Von Jörg Brehmer

Nicht jeder, der sich mit seinem Sportgerät plagt, möchte gesehen werden. Nicht jeder, der gerade eine Sportart erlernt, möchte beobachtet werden. Rudern - das ist der Kampf mit sich, dem Wasser, der Strömung, den Strudeln. Aufgeben gilt nicht, denn ans Ufer muß ein jeder zurück. Man ist gebunden an die Materie, die man durchpflügt, verwachsen mit seinem Boot, sitzt man nun alleine drin oder bemüht sich in einem Achter, nicht aus dem Schlag zu kommen. Was zählt der Muskelkater oder die Schwiele an der Hand, wenn man einen Fluß gemeistert hat. Schmerzen sind nichts im Vergleich zu dem Erlebnis, sich selbst gegenüber durchgesetzt zu haben, Landschaft und Leistung erlebt zu haben.

Stets habe ich unweit von Flüssen gelebt. Ohne sie wäre es nie zu dieser Liebelei gekommen: Rhein, Neckar, Cam, Charles-River, Main, Weichsel. Aber diese Wasser gaben nicht den Ausschlag. Gerade am Knie bei Basel, wo der Rhein sich nach Norden wendet, selbstbewußt und kaum noch beunruhigt durch die Fälle von Rheinfelden und gewiß - zumindest damals - ein wenig angekränkelt durch die Industrieabwässer aus Wärme und Schmutz, schreckte mich dieser Fluß. Bei einem Ruderclub-Fest betrat ich nur den Steg und fürchtete schon, der Rhein zöge mich mit, gerade wegen seiner Behäbigkeit. Wie würde ich gegen dieses Phlegma stolz ziehender Kraft anrudern können, zwischen wohl drollig gemeinten Strudeln hindurch? Verängstigt wandte ich mich ab. Das Angebot wohlmeinender Eltern wies ich zurück. Die trutzigen Mannen in keckem Trikot waren mir ohnehin fremd. Es galt, die Studentenzeit vorauszunehmen. Und das hieß, Demonstrationen zu planen. Auf dem Steg stand ich schon, aber einen Riemen nahm ich damals nicht zur Hand.

"Wahrscheinlich ist der Neckar unruhiger, zumal bei Heidelberg, wo unter dem Schloß das von Lastschiffen aufgewühlte Wasser gegen eine Mauer rollt und zurückgeworfen wird. Aber das Leben hatte mich furchtloser gemacht. Und Disziplin schien lobenswert. Zudem krümmte sich der Rücken wegen einer Doktorarbeit. Eines Tages stand ich in einer Bootshalle der später so geliebten Ruder-Gesellschaft. Es vollzog sich eine unerklärbare Fügung. Die Skulls konnte ich Schwächling noch tragen. Beim Skiff half der Sohn des Konditors. Und dann saß ich erstmals in so einer Wasserlanze. Kaum hielt ich Balance, und die Strömung zerrte. Ich war, weiß Gott, zu schmächtig. Es war für Wochen mühsam, mich vom Rudern zu überzeugen. Mehrmals geriet das Boot aus dem Gleichgewicht, ich tauchte unter, verlor die Brille, schwamm treibenden Skulls nach. Irgendwo standen dann stets an den Ufern Leute, denen man auf die Entfernung hin nicht ansah, ob sie den Ruderer auslachten oder Hilfe anboten. Ich war ohne Talent und allein. Allerdings trieb zuweilen ein toter Fisch bauchwärts mit mir dahin. Und dann dieser Muskelkater, die Blasen an den Händen. Wie gerne hätte ich mir wenigstens Handschuhe gegönnt. Aber so etwas verstößt gegen Ruder-Ehre.

Scheitern war ausgeschlossen. Ich erhielt Unterricht an Skull und Riemen. Nach Wochen trug ich mein Skiff alleine. Das Ehrgefühl eines Ruderers wurde auch das meine. Leidensdruck führte zu Selbsterkenntnis. An den Muskelkater in mir und den Strudel neben mir gewöhnte ich mich. Das gehörte nun zu meinem Leben. Ich wurde mir meiner Sache so sicher, daß ich Jahre danach bei einer überaus kurzen Gastrolle im Wolfson-College von Cambridge so lange drängte, bis sich mir ein Platz auf dem College-Achter zum Training bot. Später habe ich mir die Schönheiten der Natur dort erzählen lassen. Statt in der ländlich-schönsten aller Städte am Neckar zog das Boot nun auf einem viel schmaleren Fluß zwischen Wiesen und Ulmen dahin. So sagte man mir. Ich habe außer dem Rücken meines Vordermannes, den regelmäßig wuchtigen Schlägen des Riemens davor nichts gesehen. Die Jungen zeigten es mir. Über meine Krebse ruderten sie hinweg, aber mir sah man danach die Blamage an. Die Engländer rührten Ehrgeiz auf. Ich reiste ab und verfügte mich wie zum Trotz in das amerikanische Cambridge. Aber mit den breitschultrigen Kameraden trat ich erst einmal nicht an. Ich trainierte mit Ausländern in einem Achter und vertrieb mir bisweilen die Freistunden im Skiff.

Die Strecke von der Longfellow-Brücke bis zur Boston-University ist gar nicht lang. Aber breit ist dieses Bassin, und es windet am Charles-River. Erstmals genoß ich diese bestimmte Perspektive. Die ehrwürdigen Gebäude von Harvard auf der einen und den Hancock-Tower auf der anderen - alles bietet sich aus Distanz. Verkehr und Hektik an Land gehen den Ruderer nichts an. In goldener Isolierung zieht er seine Skulls durchs Wasser - ganz nah zum Geschehen und doch unerreichbar weit. Erst wer an Land geht, jeder Ruderer tut das einmal, findet besonders in Amerika  sportbegeisterte Bummler, die ihren Mund nicht halten können. Ruderer - und irgendwann zählte ich mich dazu - sprechen ungern. Mit jenen Ausländern im Achter in Cambridge habe ich gemeinsam unter der Dusche gestanden. Wir haben auch jenes lasche amerikanische Bier getrunken. Doch heute kann ich mich nur noch an Namen erinnern. Nicht an Gespräche. (Vidya aus Indien nahm's mit dem Takt nie genau. Er wurde gerügt und zahlte das Bier.)

Für den Charles-River den Main einzutauschen - zumal bei Frankfurt - bleibt unverständlich. Die Traditionen der „Germania" knüpften sich wohl an den alten Main. Mir war der kanalisierte zu unruhig und zu grau. Der Fluß sieht nach Arbeit aus, nicht nach Freude. Hier mußte sogar das Rudern effektiv sein. Sich so schnell wie möglich fertig machen. Zweimal vom Lagerhaus bis zur Anlegestelle. Davon nur das erste Mal technisch so sauber wie möglich. Und dann mit Macht in den Rollsitz. Ich ließ die Aggressionen an den Skulls aus und bedauerte die Dollen. Aus Amerika hatte ich ein Gefühl dafür mitgebracht, daß man seinen Körper ausbilden kann. Rudern klärt den Verstand und fördert die leibliche Hälfte des Menschen. Daß ich in Frankfurt von diesem Sport nicht ließ, war Treue. Ich hatte mich ins Geschirr gespannt und stand nun dazu. Überdies redete ich mir ein, ohne Rudern bekäme ich Rückenschmerzen oder steife Knie. Mit immer anderen Ausreden zwang ich mich in mein Skiff. Und jedesmal dieser Zorn, wenn ich zum Überschreiten der Uferstraße mit dem schweren Boot die Verkehrsampel bedienen mußte. Da ich den Main aushielt, werde ich jeden weiteren Fluß meines Lebens meistern.

Natürlich auch die Weichsel. Ein mehr als tausend Kilometer langer Fluß ohne Schiffe. Wären die Polen eine ruderbegeisterte Nation, die Weichsel wäre das fließende Herz dieses Sports. Aber so schlägt der Begeisterte fast allein auf dem breiten Strom die Skulls ins Wasser. Flußabwärts - weit entfernt vom Kulturpalast und dann fast unter Schloß und Kathedrale an der Altstadt vorbei. In der bewährten Perspektive, aus dem vertrauten Boot lerne ich rudernd eine neue Heimat kennen. "Syrena" heißt mein Schiff. Wir kennen und schätzen einander, sind Vertraute. Die Boote zuvor lehrten mich Disziplin, nahmen mir die Furcht vor schwieriger Strömung. Nicht das Drumrumreden halt, sondern der rechte Umgang mit den Booten. Sie stärkten Körper und Seele und vermittelten mir einen anderen Blick in die Welt. "Syrena", nach dem Wahrzeichen von Warschau, einer Nixe, ist ein Zeichen von Stetigkeit in einem Leben voller Platzwechsel. (Vor dem Abschied haben wir noch einen Ausflug zu den Masurischen Seen geplant.)