FISA ADAPTIVE ROWING
CLASSIFICATION & COACHING WORKSHOP 11-14th MAY 2006 |
Am
London Regatta Centre fand der Workshop und die Regatta sta tt |
Sascha Adrian bei einer Trainingseinheit am Regatta Centre London |
Vom 11. – 14. Mai 2006 fand
im Londoner Regatta Center ein Klassifizierungs- und Trainer-Workshop
für Europa, Afrika und Asien unter Teilnahme von 20 Nationen statt.
Ziel war es, Trainer und
Mediziner in das Klassifizierungs-System des Handicap-Ruderns
einzuweisen und diese als offizielle FISA-Klassifizierer für das
Handicap-Rudern auszubilden. Darüber hinaus wurde viel Fachwissen rund
um das "adaptive rowing" vermittelt, da das London Regatta Centre
einer der führenden Ausbildungsstätten des Handicap-Ruderns ist.
Parallel zum Workshop unterzogen sich viele Sportler dem schwierigen
System der Klasseneinteilung, um eine Startberechtigung an
internationalen Wettkämpfen zu erhalten.
Rudern konnte sich für 2008
als paralympische Sportart etablieren. Seit 2002 werden auf den
Weltmeisterschaften Rennen für Handicap-Sportler ausgetragen. Hierzu
werden die Sportler unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten in vier
Bootsklassen (LTA, TA, A) klassifiziert.
Entnommen:
www.worldrowing.com
Adaptive Rowing currently has four boat
classes which are adapted for different types of disabilities.
The four boat classes are:
1. LTA4+ (Legs, trunk and arms
coxed four)
Raced over 1000 metres (since 2006 –
previously 2000 metres) - Sliding seat - Mixed gender boat
2. TA2x (trunk and arms double
scull)
Raced over 1000 metres - Fixed seat -
Mixed gender boat
3. AW1x (women’s single, arms
only)
1000 metres - Fixed seat - Women only
4. AM1x (men’s single, arms only)
1000 metres - Fixed seat - Men only |
Bei dem Workshop wurde
Sascha Adrian vom RRK neben zwei weiteren Trainern zum technischen
FISA-Klassifizierer ausgebildet und wurde schließlich selbst in die
Arms-only-Kategorie eingeteilt. In dieser Kategorie rudern Sportler im
Festsitz-Einer nur unter Einsatz ihrer Arme.
Als Abschluß des Workshops
fand am Sonntag, dem 14.05.06, eine Allgemeine Regatta auf der
hauseigenen Wettkampfstrecke statt, auf der dann Handicap-Rennen
gestartet wurden.
In Sascha Adrians Kategorie
starteten 7 Boote: 4 Boote aus England, 1 Boot aus Spanien und ein
weiteres aus Hongkong. Sascha konnte hinter 3 Booten aus England den
4. Platz vor Spanien, England, und Hongkong erreichen.
Nach den erfolgreichen
Tagen in England wird sich Saschas Training nun intensivieren und auf
die Teilnahme an den Ruderweltmeisterschaften in Eton (England)
konzentrieren. Hier steht ein Start nach dem noch bevorstehenden
Qualifikationsrennen in greifbarer Nähe.
Sascha Adrian fährt sich vor dem Rennen am Sonntag ein |
Das Rennen in der Bootsklasse AM1x |
Aus "www.rudern.de"
(Homepage des Deutschen Ruderverbandes) von:
Sibylle Hornberger, DRV Ressort Bildung und Wissenschaft, 19.07.06
Handicaprudern:
Klassifizierungsworkshop der FISA vom 11.5. bis 13.5.2006 in London
Die FISA hat erstmals 3
Workshops dieser Art in 2006 durchgeführt, in Asien, in Amerika und in
Europa. Ziel ist, nationale Klassifizierer für das Handicaprudern
auszubilden. Dabei arbeiten die Klassifizierer in nationalen Teams aus
je einem medizinischen und einem technischen Klassifizierer. Die
Klassifizierung vollzieht sich in 3 Teilen: Der medizinische
Klassifzierer (Arzt oder Physiotherapeut) geht dabei nach einem
Standarttest vor, der technische (meist Trainer oder
Sportwissenschaftler) beurteilt das Erscheinungsbild auf dem Ergo und
in Zweifelsfällen wird der Ruderer von beiden Klassifizierern auf dem
Wasser beobachtet.
Zum Verständnis für die
Leser seien hier die 3 Startklassen aufgeführt, dabei können die
Handicapler „hochstarten“, also in einer weniger behinderten Klasse
starten.
Die 3 Startklassen in den
internationalen Regatten des „Adaptive Rowing“:
-
„A-Klasse“ (arms only)
AM 1x und AW 1x, Festsitzboot
Def.: minimale oder keine Rumpffunktion - Arm- und Schulterfunktion
Charakteristisch: neurologische Schädigungen (vollständig ab T12
oder unvollständig ab T 10* ) - Hirnlähmungen (Cerebrallähmung =
Cerebral Palsy ) ab CP 4 nach ISRA** klassifiziert - funktionaler
Ausfall des Bauchmuskels
-
„TA“ (trunk and arms)
Mix TA 2x, Festsitzboot
Def.: Rumpffunktion erhalten - Unfähigkeit mit dem Rollsitz das Boot
zu beschleunigen - Signifikante Schwäche in den unteren Extremitäten
Charakteristisch: beidseitige Amputation über/unter Knie -
geschädigter Oberschenkelmuskel (Quadriceps) - neurologische
Schädigung ab L3 *(vollständig) - bzw. ab L1* (unvollständig)
-
„LTA“ (leg, trunk,
arms) Mix 4+, Rollsitz
Def.: Minimale Behinderung, Arme, Beine und Rumpf können bewegt
werden. - Intellektuelle Behinderung (GB) laut INAS**
Klassifizierung - Sehbehinderung laut IBSA** in B1, B2, oder B3
(leichteste Schädigung) - Körperliche Behinderungen
Charakteristisch: Ab Amputation bspw. eines Fußes oder 3 Finger
einer Hand, aber auch unterhalb Knieamp. - Cerebrallähmung Klasse 8
(nach CP-ISRA) - Sehbehinderung - Geistige Behinderung nach INAS
Kriterien
*Erklärung: T12 (=
Thoracic) meint z.B. den 12. Wirbel der Rumpfwirbelsäule, L steht für
Lumbar = Lende und C steht für Cervical und meint die
Nacken/Halswirbel. Dabei beginnt die Zählung jeweils am je obersten
Wirbel.
** festgeschriebene Klassifizierungen bestimmter Behinderungsarten
durch deren internationale Verbände.
Die Athleten füllen ihre Fragebögen zur Klassifizierung aus |
Technische und medizinische Klassifizierer der FISA nehmen die
Sportler unter die Lupe |
„Do you think, he is misrepresenting
his disability?“
Dies war die nicht nur
einmal mit einem Schmunzeln gestellte Frage des Chef-Klassifizierers
der FISA, Dr. Vassilis Lykomitros, während des praktischen Teils.
Damit wurde höflich umschrieben, was auch leider vor dem
Behindertensport keinen Halt macht und ansonsten „fake“ oder Betrug
genannt wird. Mit den sportlichen und olympischen Meriten wächst der
Mißbrauch und ein Sportler versucht sich einen Vorteil dadurch zu
verschaffen, daß er in einer Startklasse der schwerer Behinderten
startet. D.h. er macht sich in den Tests behinderter als er eigentlich
ist. Er „mißrepräsentiert“, bzw. er verstellt sich. Im Laufe der
gemeinsamen Beurteilungen wurde den Beteiligten schnell klar, wie
schwierig das Geschäft des Klassifizierens ist. V. Lykomitros machte
keinen Hehl aus dem möglichen Mißbrauch und wies immer wieder auf die
gängigen Grauzonen hin. Schon während der Sitzung entbrannten heftige
Diskussionen, die sich in jeder freien Minute fortzusetzen schienen.
Es war unbestritten, die Klassifizierung wird sich weiterentwicklen
müssen.
Die strittigsten Punkte
-
Sehbehinderte und blinde
Ruderer. Es stellte sich die Frage, inwiefern Sehbehinderte (=SB)
der Klasse B3 in einem gesteuerten Boot in ihrer ruderischen
Leistungsfähigkeit überhaupt behindert sind. Unbenommen haben sie
beim Rudern lernen „handicaps“, brauchen eventuell länger dazu. Fakt
ist aber auch, daß sie keinerlei körperliche Einschränkungen bezogen
auf die Ruderbewegung haben. Die FISA ist sich dessen durchaus
bewußt und hat für die WM 2006 verfügt, daß nur 2 SB im Vierer
sitzen dürfen, wovon nur noch einer B3 sein darf. (Taubheit zählt
z.B. für die Sportart Rudern nicht als Behinderung.)
-
Eine ähnliche Diskussion
rankt sich um die Teilnahme der geistig Behinderten (=GB), hier
entscheidet das IPC (internat.paralympische Komitee), ob es eine
bestimmte IQ-Vorgabe geben soll, so daß leicht Lernbehinderte nicht
mehr international starten dürfen. Auch bei GB wurde immer wieder
diskutiert, daß sie ja keine körperlichen Einschränkungen hätten.
Jedoch anders als bei normal intelligenten Sehbehinderten gestaltet
sich ein Leistungstraining mit GBlern bedeutend schwieriger, so
zeigen sich ihre mentalen Beeinträchtigungen nicht nur im
Verständnis und in der Umsetzung von Anweisungen, auch
rudertechnisch bleiben große Unterschiede bestehen. Ein großes
Problem im Training stellt oft die mangelnde Konzentrationsfähigkeit
dar und die Tatsache, daß Errungenschaften des heutigen Trainings in
der nächsten Trainingseinheit bereits wieder vergessen sein können.
-
Verglichen mit körperlich
behinderten LTA Ruderern zeigten die sehbehinderten Ruderer
vorzügliche Leistungen auf dem Ergometer (z.B. eine SB-Ruderin mit
3.40 min. auf 1000 m.) Körperlich behinderte Menschen haben laut
ihren Klassifizierungen definierte Krafteinbußen. Zwar ermöglichen
die mittlerweile hochspezialisierten Sportprothesen
Höchstleistungen, aber es bleibt immer noch eine deutliche
Benachteiligung gegenüber nichtamputierten Sportlern. Neurologische
Schädigungen z.B. gehen einher mit Störungen in meist allen
koordinativen Fähigkeiten wie Gleichgewicht und Kopplungsfähigkeit,
welche eine zentrale Funktion bei der Ruderbewegung spielen. Typisch
für CP ist z.B. neben der mangelnden Kraft die mangelnde Enervierung
in der schwächeren Seite, was sich in hohen Schlagfrequenzen erst
besonders negativ auf die Rudertechnik auswirkt.
-
A-Klasse oder TA? Der
Verdacht drängte sich auf, daß viele TA' ler mit der „A-Klasse“
liebäugeln. 2005 bei der WM in Gifu wurde gerade diese Einteilung
sehr großzügig gehandhabt, wie V. Lykomitros erläuterte. Schließlich
wollte man ein großes Starterfeld haben. Opfer dieser Großzügigkeit
war jetzt der Viertplazierte aus Gifu. Er wurde übereinstimmend von
den Anwesenden nach langer Diskussion als TA eingestuft. Ein harter
Schlag für ihn, denn damit ist seine 2. Ruderkarriere (nach einem
Sportunfall) zu Ende. Er hat keine Mixedpartnerin für den TA 2x. Der
Streit entbrannte jedoch nicht wegen ihm, sondern wegen eines als
„A“ klassifizierten britischen Ruderers, der in den Augen der noch
„grünen“ Klassifizierer genauso als „TA“ erschien. Weder S. Goodey
(technischer Klassifizierer der Briten) noch Judy Morrison
(medizinische Klassifiziererin aus USA) konnten die Anwesenden
wirklich argumentativ überzeugen, so daß möglicherweise der Protest
in Eton schon vorprogrammiert ist. Dies zeigte aber auch die noch
unzulängliche Tauglichkeit des Klassifizierungsmanuals. Es wird mit
Sicherheit weiter differenziert werden, sobald mehr Handicapler
starten und mehr vergleichbare Daten zur Verfügung stehen. Zum
aktuellen Zeitpunkt muss man sich damit zufrieden geben, daß der
kleinstmögliche Nenner gesucht wird.
Vom Handicap für die Handicapler ...
Lösungsansätze im materialen Bereich
Der Gedanke an eine weitere
Differenzierung innerhalb der Startklassen, der sich logischerweise
aufdrängt, ist zumindest zum aktuellen Zeitpunkt obsolet. Dies ist
erst dann sinnvoll, wenn die Felder größer sind, weswegen die
Lösungsvorschläge in Richtung Material gehen.
1.) Einschränkung der
Beweglichkeit und des Krafteinsatzes im Oberkörper
Im Sinne der Chancengleichheit müssen weniger behinderte Ruderer in
ihrer Beweglichkeit eingeschränkt werden. Dies war das Ergebnis der
Diskussion innerhalb der A-Klasse. Denn was bedeutet „minimale“
Rumpffunktion? Bei der am Sonntag stattfindenden Regatta konnten sich
die Anwesenden von den unterschiedlichen Rumpfeinsätzen ein deutliches
Bild machen. Dabei war nicht nur die Länge des Rumpfeinsatzes von
Bedeutung sondern selbstverständlich auch das Ausmaß an Kraft im
Oberkörper. Bedingt dadurch, daß die Fixierung des Oberkörpers noch
sehr uneinheitlich ist, konnten einige der Ruderer (u.a. auch der
Gewinner) ihre noch vorhandene Kraft einsetzen. Ihre Fixierungen waren
allesamt dehnbar und relativ tief angebracht.
Bei den anderen, „hohen Querschnitten“, zeigte sich, daß zwar eine
minimale Bewegung vorhanden war, wobei es sich in erster Linie um das
Nachfolgen der Schulter hinter den Händen handelte. Es war wenig von
einem aktiven Krafteinsatz zu sehen und wenn, dann erst am Ende des
Zuges, wenn der Kraftaufwand nicht mehr so hoch ist. Dies ist ein
Phänomen bei diesen Ruderen, die einen zweiphasigen Verlauf des
Krafteinsatzes zeigen. Um diese Benachteiligung der schwerer
behinderten Ruderer auszugleichen, wurde vorgeschlagen, eine
einheitliche und feste Fixierung des Oberkörpers festzulegen, anstelle
des bislang beweglichen Gurtes. Dieser Vorschlag wurde von der FISA
bereits vorgestellt, er scheitert bislang noch an der technischen
Umsetzung, v.a. an Sicherheitsstandarts. Dieser Gurt muß schnell und
mit einer Hand zu lösen sein, womit die vorgeschlagene
„Rucksacklösung“ ausfällt. Die FISA freut sich über diesbezüglich über
jeden Lösungsvorschlag.
2.) Stemmbrett-Ersatz in
den Booten der TA und A-Klasse
Auch dieses soll im Sinne einer besseren Chancengleichheit in Zukunft
durch eine seitliche Fixierung der Beine abgelöst werden. Man kann
sich unschwer vorstellen, von wieviel Stabilität und Kraft ein Ruderer
mit verbleibenden Beinkraft profitieren kann, im Vergleich zu
Querschnittgelähmten TA-Ruderern. Diese Bevorteilung kann technisch
gelöst werden. Dennoch mutet es irgendwie paradox an, daß behinderte
Sportler im Sinne der Chancengleichheit extra behindert werden müssen.
Bei all dem Gesagten
drängen sich zwei Vermutungen auf:
Und von diesen kleinen und
größeren Tricks ist auch der Rudersport nicht ausgenommen.
Demgegenüber wären folgende Maßnahmen zumindest sinnvoll:
-
eine Erweiterung der
Startklassen
-
der Einsatz von
internationalen, unabhängigen Klassifizierungsteams, ähnlich den
Dopingbeauftragten.
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