Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

Dieser Bereich der "alten RRK-Homepage" im Vintage-Look enthält auch Inhalte wie Berichte von 2000 bis 6/2018,
wie "In memoriam", wie "Über RRK-Mitglieder", wie Links, wie Suchen, wie ... usw.

>>> Zur neuen RRK-Homepage <<<                    >>>Datenschutzerklärung<<<                   >>>Impressum<<<

Archiv

Chronik "Der Klub"

Chronik Hockey

Chronik Rudern

Chronik Tennis

Über RRK-Mitglieder

In memoriam

Links

Suchen

"Mit Kirchboot und Barke bei Ebbe und Flut" − Ruderwanderfahrt des Ruderklubs am Baldeneysee und des RRK vom 26. bis 28. Mai 2005 auf der Weser von Bremerhaven nach Vegesack und ins Teufelsmoor

Teilnehmer vom RRK: Rudi Reitz, Werner Alt, Ragnar Otto, Rudolf Müller, Georg Gagel, Uwe Hurlin, Detlev Welters, Dr. Wolfgang Mack und Wilfried Hoffmann.

Teilnehmer vom RaB: Jürgen Kleine, Dieter Korb, Jochen Rudloff, Helmut Gerds, Dr. Claus Holzapfel, Helmut Hölzel, Christian von Schneidemesser, Dr. Bernd Grafflage, Wolfgang Orlowski, Werner König, Dr. Michael Winkels, Klaus Schellbach, Karl Heinz Ampütte, Jochen Wichelhaus und Ulrich Claas.

maggi - Der schöne Rudersport erschließt – man kann es kaum glauben – auch geographische Regionen, in die man üblicherweise sonst nicht verschlagen wird. z.B. nach: Bremerhaven (liegt an der Nordseeküste, da wo die Weser in die Nordsee fließt und die Tageszeitung heißt dort nicht „Main-Spitze“ sondern ……….. was denn sonst? …….. „Nordsee-Zeitung“. Dorthin geschleppt haben uns die Ruderkameraden vom Ruderklub am Baldeneysee in Essen (RaB) bei unserer 33. gemeinsamen Wanderfahrt. Vom RRK sind wir dieses Mal leider nur 9 Mann, da einige Ruderkameraden wegen Erkrankung, beruflicher, ehelicher und sonstiger Verpflichtungen zum Teil kurzfristig absagen mussten. Werner kutscht uns mit dem Vereinsbus zu Fünft – weitere drei Mann folgen zu etwas späterer Stunde mit einem PKW, den Uwe steuert – Detlev „fliegt“ allein mit einem BMW von München an. In Göttingen serviert uns Küchenmeister Rudi eine Brotzeit mit vielen Variationen, die wir erbarmungslos vertilgen. Die von ihm zu Hause zwar bereitgestellte, dann aber leider vergessene Wurst wird zwar zum Gesprächsthema, kann aber unsere Zuneigung zu Rudi und seinen guten Taten nicht erschüttern. 

Im Laufe des späten Nachmittags trudeln dann alle Wanderfahrer (siehe Bild) im modernen Hotel direkt am Becken des Fischereihafens I ein, schön gelegen neben einem kleinen Einkaufs- und Kneipenzentrum, das Museums-Schiff „Gera“ vor Augen. Dann noch ein kleines Abendessen mit dem ersten guten und frischen Fisch, und obwohl wir inzwischen alle (etwas) ruhiger und (etwas) älter geworden sind, ist erst kurz nach Mitternacht das Fassbier aus und wir fragen uns, ob wir (etwas) weniger Durst als früher haben – entscheiden uns dann aber für eine mangelnde Vorratswirtschaft des Wirtes.

 Nach der Ankunft im Hotel: Werner Alt, Rudi Reitz, Detlev Welters, Georg Gagel, Dr. Wolfgang Mack

Barke und Kirschboot machen sich fertig im Fischereihafen zum 1. Rudertag

Am folgenden Donnerstag, der Fronleichnam ist in Bremen kein Feiertag, versammeln wir uns alle am Bootsplatz im großen Hafenbecken des Fischereihafens II, am Luneort-Hafen, zur ersten Besichtigung der beiden Boote. Eine Barke, getauft auf den Namen „Neptun“, ausgestattet mit 8 Ruderplätzen, dazwischen ein „Laufsteg“ (falls Damen dabei sein sollten) und ohne solche auch „Serviersteg“ genannt, 2 Plätze für Steuerleute. Das ganze Gerät wiegt 450 kg und ist mit Auslegern immerhin beinahe 2,50 m breit. So ein Ungetüm haben wir auf einer Wanderfahrt schon einmal gerudert, neu auf der „Neptun“ ist aber ein komfortables Sonnendach und ein Segel, das bei günstigem Wind diesen Dampfer zwar nicht beschleunigt, aber das Rudern doch erheblich erleichtert. „Neptun“ hat auch gleich seinen Spitznamen weg, der aus medienrechtlichen Gründen nur angedeutet werden kann: Pu..schiff. Neu für uns, und in einem solchen Boot haben wir noch nie gesessen, ist das Kirchboot „Eisbrecher“. Es hat Rollsitze, aber feste Dollen und insgesamt 14 Ruderplätze, also 7 auf jeder Seite. Dank seiner Form und seines Drachenkopfes sieht es aus wie ein Wikinger-Schiff. Eine aus Finnland stammende Rarität im Eigentum des Vegesacker Rudervereins. Dem Vernehmen nach wird es in Finnland auf den großen Seen heute noch gebraucht, insbesondere am Wochenende zum Erreichen der gemeinsamen Kirchen der kleinen Dörfer in diesen Landschaften. Schon in den ersten Stunden der Ruderei können wir feststellen, dass dieses Boot – im Gegensatz zur schweren und daher trägen Barke – sehr gut und schnell zu rudern ist und in den nächsten Tagen werden ab und zu Gespräche geführt, wie die Wikinger in früheren Zeiten mit solchen Schiffen die Flüsse hinauf- und zurückruderten, ohne dass sie von der Landbevölkerung zu fassen waren.

Die Barke im Fischereihafen in Bremerhaven unter Segel

In der Schleuse vom Fischereihafen Bremerhaven in die Weser

Schon kurz nach dem Start macht es sich die Mannschaft der Barke mit aufgestelltem Sonnendach und gesetztem Segel gemütlich und gondelt derart ausgestattet den Fischerei-Hafen II – immerhin ein Hafenbecken von 6 km Länge – entlang bis zur Doppelschleuse zur Weser. Neben einer Unzahl von Bootswerften, Schiffen und kleinen Handelshäusern ist besonders bemerkenswert das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (der Bundesrepublik Deutschland) und das davor liegende Polarforschungs-Schiff. Wegener war übrigens der wohl bekannteste deutsche Geologe, weil er die „Plattentektonik“ der Kontinente der Erde begründete, deren Bewegung Erdbeben verursacht und Vulkanausbrüche und diese fürchterlichen Riesenwellen.

1. Rudertag: Anlanden zum Mittagessen an einem Sandstrand in der Wesermündung

Nach der Schleuse dann hinaus auf die offene Weser, für uns Flussruderer ganz ungewöhnlich breit, fast wie eine Meeresbucht und für fast alle Ruderkameraden die erste Erfahrung, dass auf so einer großen Flussmündung Ebbe und Flut des Meeres ganz entscheidende Auswirkungen auf den Wasserstand haben, so dass praktisch nur nach einem Gezeiten-Kalender gerudert werden kann, also mit Flut und steigendem Wasser flussaufwärts mit der Absicht, vor Einsetzen der Ebbe auch dann am Ziel anzukommen. Das erste Mittagessen verbringen wir an einem wirklichen Sandstrand mit Matjes-Filets (geräuchert und eingelegt), Bücklingen, Lachs und anderen Leckereien und einem in der Weser gekühlten Bier. Anschließend dann, am frühen Abend, Querung der Weser bei Harrier-Sand bei großen Wellen und (fast) ausbrechender Panik, jeder rudert wie er will, nur unser Steuermann Matschi behält die Ruhe und überlässt uns uns selbst. Pech hat die dicke Barke, es muss schon gegen die einsetzende Gegenströmung der Ebbe gerudert werden und die Mannschaft kommt wirklich mit letzter Kraft am Endpunkt im Hafen-Städtchen Brake an - und das nach 32 km.

1. Rudertag: Mittagessen der Ruderrecken am Weserstrand

Das Ziel des 1. Rudertages ist erreicht: Brake. "Chef" Rübi ist zufrieden!

Der Tag hat es in sich, aber auch die anschließenden Stunden, denn der bestellte Bus ist nicht aufzufinden und während dieser Wartezeit erfahren wir auch, dass Dieter Korb vom RaB und unser freundlicher und sachkundiger Begleitschutz dieser Tage, Ingo Giese vom Vegesacker RV, die Barke erstmals von Bremerhaven bis Brake gelotst haben – im Vegesacker RV soll den Verantwortlichen bei dem Gedanken an diese Jungfernfahrt gar nicht so wohl gewesen sein. Also alles gar nicht so ohne. Nach glücklicher Heimkehr in Bremerhaven dann ein ganz vorzügliches Abendessen im Restaurant „Natusch“ mit einem prachtvollen Menü - Fisch satt. Das Restaurant ist sehr originell in einem originalen „Laderaum“ eines alten Dreimasters untergebracht und es existiert ein Raum als Kapitäns-Kajüte, das Original der Yacht von Errol Flynn.

2. Rudertag: Abfahrt des Kirchboots in Brake (Werner König, Detlev Welters,
Wolfgang Orlowski, Karl Heinz Ampütte, Christian von Schneidemesser, Dieter Korb,
Helmut Gerds, Jochen Rudloff, Dr. Wolfgang Mack, Ulrich Claas, Uwe Hurlin)

2. Rudertag: Barke und Kirchboot lassen sich mit der Flut treiben

2. Rudertag: Geburtstagsparty für Dieter Korb (Mitte) in Blumenthal

Freitags (27.5.) dann zuerst der Gepäcktransport nach Bremen-Vegesack in das am Hafen gelegene Hotel „Havenhaus“, Übersetzen mit der Fähre ans andere Weserufer nach Lemwerder und der (dieses mal vorhandene) Bus bringt uns wieder nach Brake zu unseren Booten. Vergnügliches Rudern zum schön gelegenen Bootshafen „Blumenthal“, den Großteil der Tagesstrecke haben wir damit schon am frühen Nachmittag geschafft. Vorgesehen ist unsere Verköstigung mit (morgens gekauften) geräuchertem Aal – der ist allerdings nicht auffindbar und Orles Findungstour scheitert. Erstmals in der mehr als 30-jährigen  Geschichte der Wandfahrt RRK – RaB erfolgt durch den geschäftsführenden Fahrtenleiter (hier: Rübi) ein Verbot der Nahrungsaufnahme, versuchte Essenbestellungen werden absolutistisch von ihm unterbunden. Der Sinn der Übung wird klar, als zwei nette Damen vom Vegesacker RV mit hausgemachtem Erdbeerkuchen und Sekt anrücken, damit wir alle auf Dieter Korbs Geburtstag anstoßen.

Wir lassen Dieter hochleben, vergessen den Aal vollständig und rudern die restlichen Kilometer bis zum Ruderverein in Vegesack, indem wir von der Weser in einen Fluss namens Lesum (schon mal gehört?) fahren. Die Boote werden nach 25 km am sehr schön gelegenen Bootshaus kunstvoll festgemacht, denn der Höhenunterschied Ebbe-Flut ist zu beachten. Beim Anlegemanöver wird der Drachenkopf des Kirchbootes beschädigt, aber die beiden Boote liegen schließlich sicher. Auf dem Fußmarsch zum Hotel besichtigen wir noch das Schulschiff „Deutschland“, einen Rahsegler von 86 m Länge und 12 m Breite. Der Dreimaster hat einen Großmast von 52 (in Worten: Zweiundfünfzig) m Höhe, für uns Süßwassermatrosen eher furchterregend.

2. Rudertag: Barke und Kirchboot grüßen den Dreimaster "Deutschland" in Vegesack

2. Rudertag: Besichtigung des Dreimasters "Deutschland"

Fast verhungert erhalten wir um 21.00 Uhr ein Buffet präsentiert, das in Kürze niedergemacht wird. Bei südlichen Temperaturen klingt der Tag am Hafen aus.

Da am Samstag die Flut erst um 14.00 Uhr einsetzt, verbringen wir den Vormittag auf der Terrasse des Vegesacker RV. Die Namensherkunft von Vegesack ist nicht klar, mir hat die Ableitung vom Namen des Gasthauses „Fegebeul“ (Beutelfeger) gut gefallen, den Seeleuten wurden Seesäcke und Geldbeutel gefegt, bevor sie zum Walfischfang losfuhren. Im Jahr 1817 hatte der Ort 1.490 Einwohner und zugleich 3 Brauereien, 2 Weinbrennereien und 38 Gaststätten – logisch, dass hier die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ begründet wurde.

Interessant auch noch, dass bei der Vertiefung der Weser zur Verbesserung der Schifffahrt in 1970 zum Schutz vor hochlaufenden Fluten Sperrwerke gebaut wurden, – eines passieren wir im Laufe des Tages – um das Hinterland zu schützen. Dafür mussten in Vegesack über 100 Häuser abgerissen werden (Ich stelle mir eine vergleichbare Maßnahme zur Erweiterung des Frankfurter Flughafen vor !?). Auch der Ruderverein wurde danach übrigens umgesiedelt und völlig neu gebaut.

Zum Erstaunen aller ist der lang vermisste Aal zwischenzeitlich nicht nur gefunden, sondern zubereitet und zum Verzehr freigegeben worden. Trotz „vertrauensbildender“ Maßnahmen – Gespräch mit einem rudernden Hobbykoch: „Ist der noch gut?“ „Ja!“ „Isst Du davon?“ „Nein!“ und Bemerkung eines Ruderers, der sein Privatleben als Arzt verbringt: „Wenn es Euch nach 15 Minuten schummerig wird, greife ich ein“ –  findet der Geräucherte heftigen Zuspruch und verschwindet in der Innenwelt.

Wie es dann mit der Ruderstrecke genau weitergeht, vermag ich, wie seinerzeit Kolumbus, mangels vorhandener Unterlagen für die Wasserstraßen, nur zu ahnen: vom Fluss Lesum geht es bis zu dessen Kilometer Null und dann weiter auf der „Hamme“ oder der „Wümme“ und/oder auf beiden? Jedenfalls ist Endpunkt das Teufelsmoor mit „Kaffeepause“ im dortigen Restaurant, unterwegs kann die Barke teilweise gesegelt werden und als Revierunerfahrene stecken wir auch mal auf einer Sandbank fest.

3. Rudertag: "Kaffeetrinken" der durstigen Ruderer im Teufelsmoor
(Karl Heinz Ampütte, Wilfried Hoffmann, Christian von Schneidemesser)

3. Rudertag: Die Barke verläßt das Restaurant im Teufelsmoor

Weiter- bzw. Rückfahrt nach der „Kaffeepause“ im Gartenrestaurant. Bemerkenswert ist, dass wir bei der Hinfahrt, wegen der auflaufenden Flut und dem niedrigen Wasserstand den Kühen von unten in die Augen sehen und abends bei der Rückfahrt bei hohem und auslaufendem Wasser die Kühe sozusagen von oben auf ihrer Weide besichtigen können und jetzt auch Ausblick auf die Landschaft und ihr Dörfer haben, ein ganz merkwürdiges Erlebnis. Unterwegs zum Abschied ein großartiges Bratkartoffelessen mit den dafür in Norddeutschland notwendigen Zutaten, wie Labskaus, Sülze, Brathering, Matjes und Bohnensalat. Die Versorgung mit Getränken ist jedenfalls für die Mannschaft des Kirchbootes durch entsprechende Runden von Jochen Rudloff gesichert. Bestimmte Verhaltensmuster der Vegesacker Ruderer beim Queren von Hochspannungsleitungen – zur Vermeidung von „Gefahren“ für die Bootsbesatzung muss der jeweilige Steuermann „Erden“ und bestimmte Kommandos aussprechen – sind zu beachten. Jochen ist dies zwar bekannt, aber dank aller möglichen Tricks ist es uns gelungen, ihn bei vier Hochspannungsleitungen abzulenken, mit der Konsequenz von anständigen vier Runden für jeweils 14 Ruderer (4 x 14 = 56). Jeder, der Jochen kennt, weiß, dass er dieses Problem während des Bratkartoffelessens sehr elegant gelöst hat, wie, verraten wir nicht.

Abends dann, für mich jedenfalls, der schönste Teil der Wandertour – nämlich zwischen 20.45 und 21.30 Uhr zurück nach Vegesack mit dem Kirchboot, gesteuert von unserem erfahrenen Steuermann Eckehart aus Vegesack. Es ist ganz still und ruhig auf dem Wasser, kein Wind, nur das rhythmische Schlagen der 14 Ruderer und ab und zu ein knappes Kommando. So beeindruckend und schön kann rudern sein.

Die Boote werden nach etwa 38 km Ruderstrecke an diesem Tag noch an Land gebracht. Zum Abschluss im Bootshaus dann eine kurze Ansprache von Rübi als Organisator, des dieses Mal verantwortlichen Essener Ruderkameraden. Rübi stellt fest, dass noch alle da sind und keiner verloren ging, meint, dass auch Überraschungen heute noch sein müssen und er trifft damit den Kern der Angelegenheit. Unseren Dank mit Übergabe der Fahne und einiger Nadeln spricht Ragnar aus, der über warmes und kaltes Essen und entsprechende Zeitpunkte oder Unzeitpunkte für solche Tätigkeiten einige nette Anmerkungen macht.

Am nächsten Morgen dann Putzen der beiden Großboote. Abschiedsworte von Ingo Giese an uns mit Übergabe eines schönen Bierkruges und der Chronik des Vereins. Abschiednehmen – bis zum nächsten Jahr. Wohin es dann gehen wird ?

3. Rudertag: Die Barke im Abendlicht auf den letzten Metern vor Vegesack (Jürgen Kleine, Ragnar Otto)

Mit vereinten Kräften: Reinigen der Boote am Sonntagmorgen

Hier geht es zur Bildergalerie von "Hobbes" mit 78 Bildern !

Und hier geht es zur Bildergalerie von "Grille" mit 177 Bildern !

Viel Spaß !!!