Als Fortsetzung des letzten Berichts sei zunächst noch mal die
ungünstige Ausgangssituation durch krankheitsbedingte Ausfälle
erwähnt, wie
abgerissene Kniebänder,
Schleudertrauma,
plattgedrückte Daumen und
entzündete Ellenbogen,
und die Tatsache, dass zur kompletten
Mannschaft noch ein Ruderer fehlte und dann konsequenterweise die
Iron-Variante des Rheinmarathons = "Durchrudern über 100 km"
in Aussicht stand.
Chronik
504 Stunden vor dem Start: Winterurlaub auf 2000
m Höhe mit morgendlichem Langlauftraining ab 7.00 Uhr
168 Stunden vor dem Start: Rund 200 km Langlauf
später die Hiobsbotschaft von Stefan: Unser Mann aus Datteln
erwies sich als Luftnummer, der Ruderer aus Giessen von der
Nikolausregatta hatte zwar Interesse, war aber bereits anders
eingeplant. Stefan hatte aber noch einen Ruderer aus Bonn
ausfindig machen können, so dass wir zumindest mit fünf Mann
den Vierer komplett hatten. Aber erstes gemeinsames Rudern wird
erst 1 Tag vor der Regatta sein! Nächstes Problem war eine
Bronchitis von Klaus rund ein Woche vor dem Rennen.
144 Stunden vor dem Start:
Erstes Training auf dem Wasser nach dem Winterurlaub; der
positive Trainingseffekt in 2000 m Höhe zeigt sich in
niedrigerer Pulsfrequenz bei intensiver Wasserarbeit.
14 Stunden vor dem Start:Treffen im Schutzhafen
in St. Goarshausen. Aufriggern des Bootes sowie Montage der
Marathonspecials für die Rheinverhältnisse: Anbringen von
Elektropumpen (Lenzklappen waren schon Serienausstattung),
Wellenbrecher (= einige m Folie) und Abkleben des Bootes (=
mehrere Rollen Gepäckband).Axel hatte auch einen Spezialrollsitz
für mich dabei, denn ohne Lochrollsitz werde ich ab 40 km
ungenießbar.Das THW war allerdings noch bis spät in den Abend
damit beschäftigt, den Steg aufzubauen.
Ergo: erstes gemeinsames Training wird die Regatta sein !
3 Stunden vor dem Start d.h. um 6:30 Uhr morgens:
Anruf aus Köln von unserem "Neuling" Oliver, dass
wegen eines Stellwerkproblems momentan kein Zug von Köln nach
Bonn fährt. Ich denke, was kann denn noch alles schief gehen.Also
wir mit dem Auto nach Köln und von dort aus nach St. Goarshausen.
1.5 Stunden vor dem Start:Ankunft in St.
Goarshausen, tatsächliche alle Ruderer komplett und so heiß auf
das Rennen wie der Wetterausblick. Hoffentlich macht uns die erst
vor kurzem verklungene Bronchitis von Klaus nicht zu schaffen.
50 Minuten vor dem Start: Zuwasserlassen des
Bootes, wie immer eine Challenge bei der THW Stegkonstruktion,
Verstauen von Getränken (ca. 25 Liter) und Nahrungsmitteln.
Anschließend war Dümpeln im Schutzhafen auf der schattigen
rechten Seite angesagt zur mentalen Vorbereitung sowie Beäugen
der Gegner.
Vor dem Start: Michael Schindler, Axel Bartsch, Stefan Heyde,
Klaus Hofmann, Oliver Laforet (v.l.n.r.)
9:50 war dann Schluß mit lustig: Obwohl neu in dieser
Besetzung galten wir durch die Erfolge in der Vergangenheit neben
zwei anderen Vierern als Mitfavoriten auf den Gesamtsieg. Aus
diesem Grund wurden wir wohl als erstes dieser drei Boote
gestartet.
Nach 400 m ruhigem Wasser im Schutzhafen begrüßte uns der Rhein
mit den ersten Wellen. Ich steuerte die ersten 30 Minuten und war
bald schon völlig nass, ohne einen Schlag gerudert zu sein. Das
Boot lief recht gut, trotzdem wir nun das erstemal gemeinsam im
Boot saßen, allerdings waren wir ja auch noch alle frisch.
Schnell wurden die ersten Boote eingeholt und die Stimmung im
Boot war dementsprechend gut. Nach einer halben Stunde kam ich
endlich zum Einsatz. Schlagfrequenz lag bei ca. 28 Schlägen/Minute.
Nach über einer Stunde (ca. 25 km) kam einer unserer
Konkurrenten langsam auf; eine Mixed-Mannschaft aus Bonn. Damen können,
wenn marathonerfahren, eine durchaus sichere (=zähe) Bank im
Boot sein, so dass die Mannschaft sicher nicht zu unterschätzen
ist.
Den wellenmäßigen Höhepunkt hatten wir kurz vor Koblenz (ca.
35 km). Eine Welle haut mich vom Rollsitz und leider auch den
Rollsitz aus der Bahn. Die Sekunden vergehen für mich wie
Minuten, bis ich den Rollsitz und mich bei anhaltenden Wellen und
rudernder Rest-Mannschaft wieder in der richtigen Reihenfolge auf
der Rollbahn sortiert habe. Viel haben unsere Konkurrenten
dadurch aber nicht aufgeholt.
Michael Schindler, Axel Bartsch, Oliver Laforet, Stefan Heyde, Klaus Hofmann (v.l.n.r.)
Kurz nach Koblenz bei Rennhälfte (50 km) wurden wir dann doch
vom Mixed-Boot eingeholt und überholt. Jetzt auf Teufel komm
raus mithalten wäre totaler Blödsinn gewesen, zumal noch das
halbe Rennen aussteht und wir uns selbst als Mannschaft
eigentlich viel zu wenig kennen (aber gewurmt hat es mich doch).
Im großen und ganzen läuft das Boot immer noch gut, obwohl sich
hier und da kleinere Schwächen in der gemeinsamen Wasserarbeit
zeigen.
Nach ca. 60 km, ich war gerade das zweite und letzte Mal auf dem
Steuermannssitz, beobachtete ich eine verdammt lange Pause des Mixed-Bootes, das uns bei der Hälfte überholt hatte. Erst als
wir bis auf ca. 100 m herangekommen waren, ging es bei der
Konkurrenz weiter. Ich dachte direkt an technische Probleme, aber
es war wohl doch nur eine ausgedehnte Pause, denn allmählich
wuchs der Vorsprung wieder an.
Nachdem ich wieder auf Schlag saß, habe ich versucht Tempo zu
machen, um den Vorsprung zu verkürzen, allerdings machten sich
jetzt mittlerweile auch konditionelle Schwächen bemerkbar, so
dass wir das vorgelegte Tempo des Mixed-Vierers nicht mithalten
konnten.
Klaus Hofmann, Oliver Laforet, Axel Bartsch, Michael
Schindler, Stefan Heyde (v.l.n.r.)
Irgendwann zwischendurch gab es auch mal wieder reichlich Wellen
bis in die Nasenlöcher; das Rheinwasser saß nun endgültig in
allen Poren.
Motivierend wirkten nun die Boote, die von Neuwied aus über die
45-km-Distanz die Rheinregatta bestritten, denn jetzt gab es auch
wieder "Gegner" zum überholen; eine erwünschte
Abwechslung auf der 15 km langen nahezu schnurgeraden nicht enden
wollenden Geraden von Andernach bis zur Ahrmündung.
Der Planet brannte mittlerweile ganz gut und so mancher Ruderer
wird nach diesem Marathon nicht nur Muskel- sondern auch
Sonnenbrand haben.Nach einer Stunde Schlag rudern löste mich
Stefan vom Schlagplatz ab und uns standen noch rund 20 km bevor.
Nun galt es Stefan für den Rest des Rennens so zu unterstützen,
dass ein bestmöglicher Rhythmus und Bootslauf herauskam.
Plötzlich hatte ich einen Schmerz in der rechten Hand, die erste
Blase war aufgegangen. Ein Tribut an 2 Wochen Skilanglauf und die
Emulsion aus Sonnencreme und Rheinwasser, die zwischen
Holzgriffen und Händen einen schmierigen Belag gebildet hatte. Zähne
zusammen beißen und weiter sagte ich mir; bei der zweite Blase
ein paar Kilometer weiter tat es nur noch beim Lachen weh.
Noch 12.5 km und es ging an der Insel Nonnenwerth vorbei. Da sich
die Schifffahrt zwischen den Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth
bewegt, konnten wir endlich mal wieder ohne Wellen rudern; die
reinste Entspannung. Wir haben die 2.5 km natürlich genutzt, das
Boot schön laufen zu lassen, allerdings zeigten uns unsere
Muskeln bei jedem Schlag, was sie auf den letzten 90 km geleistet
haben.
Mittlerweile fiel es uns schwer, das in die Wellen eintauchende
Boot immer wieder auf Fahrt zu bringen, aber es waren ja auch nur
noch 10 km. Ich checkte ständig die Schlagfrequenz, da es mit
dem Krafteinsatz mittlerweile an die Grenze ging. Einer der
schnellsten Vierer auf der 45-km-Distanz war unser Zugpferd, zu
dem wir ständig in Schlagweite waren, ohne ihn letztlich
einzuholen.
Ca. 1.5 km vor dem Ziel sah ich die alte Heimat meines Schülerrudervereins.
Den Rest kann man eigentlich auch noch schwimmen. Beim Passieren
des Ziels in 5 Stunden und 5 Minuten, wohlwissend den Gesamtsieg
nicht geschafft zu haben, machte sich aber doch Stolz im Boot
breit, die 100 km Distanz in einer Art und Weise absolviert zu
haben, die den Gegnern kein cooles Renen ermöglicht hatte. Einen
weiteren Dämpfer gab es dann beim Zieleinlauf des Männervierers
aus Karlsruhe, der uns um die auf 100 km lächerliche Differenz
von 1:23 Minuten den Abteilungssieg im Männervierer kostete.Da
der Vierer deutlich hinter uns startete, konnten wir ihn im
Rennen auch nicht kontrollieren.
Wir waren dann 2. in der offenen Männerklasse (1:23 Minuten Rückstand)
und 3. im Gesamtklassement (6:38 Minuten Rückstand). Dennoch
sind wir unsrer Favoritenrolle gerecht geworden, da die
Viertplazierten erst weitere 20 Minuten und die Fünftplazierten
erst weitere 15 Minuten später ins Ziel kamen. Mit ein wenig
besserer Vorbereitung wird es das nächste Mal besonders spannend
werden.
Dass wir viel gerudert haben, zeigte sich auch am Getränkeverbrauch,
der unter unserer Erwartung lag: ca. 2.5 l/Ruderer. Hier gilt es
für demnächst weniger bunkern (wir hatten 25 l an Bord) aber
auch mehr trinken, denn der Getränkeverbrauch war sicherlich
schon minimal.
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