Stolze
Ahnengalerie des RRK
Hockey -
Denise Klecker, Silke Müller und Mandy Haase knüpfen
an Rüsselsheimer Serie an, die bis 1968 zurückreicht
VON JÖRG MÜNZHEIMER
Ein Olympia-TeiInehmer aus den
eigenen Reihen - für viele Vereine stellt dies ein einmaliges Ereignis
dar. Beim Rüsselsheimer Ruder-Klub ist das die Norm. Wenn die
Hockeyspielerinnen Denise Klecker (32), Silke Müller (25) und Mandy Haase
(22) am 10. August ins Flugzeug nach Athen steigen, um sich in Gruppe A
mit Australien, Korea, Holland und Südafrika zu messen, können sie auf
eine stolze Ahnengalerie blicken.
Bei den Spielen 1968 in Mexiko
City begann die Serie mit Fritz Schmidt (Platz vier). 1972 in München
trugen Torhüter Peter Kraus, Rainer Seifert und Fritz Schmidt zum Gewinn
der Goldmedaille bei. Auch 1976 in Montreal waren Fritz Schmidt und Rainer
Seifert mit von der Partie. In Los Angeles 1984 hielt der 1988 für Seoul
ebenfalls nominierte Torhüter Tobias Frank Silber fest, beim Olympiasieg
1992 stand mit Christopher Reitz wiederum ein Rüsselsheimer Torwart im
Kader. 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney war der RRK mit einem Trio
vertreten: Außer Reitz lernten Björn Emmerling und Oliver Domke
olympisches Flair kennen.
RRK-Damen laufen Herren den
Rang ab
Jetzt in Athen steht kein
Rüsselsheimer mehr im Aufgebot. An Erfolgen haben die Damen des Vereins
den Herren längst den Rang abgelaufen. Seit 1990 sammelten
Rüsselsheimerinnen acht deutsche Hallen- und sechs Feldtitel, hinzu kommen
13 Europapokal-Siege in der Halle, der Feld-Europacup der Pokalsieger 1995
und die Landesmeister-Trophäen 1993 und 1998.
In Barcelona stellten sie beim
Gewinn der Silbermedaille mit Britta Becker, Tanja Dickenscheid, Bianca
Weiß, Eva Hagenbäumer, Susanne Müller und der zum Berliner HC gewechselten
Anke Wild fast die halbe Mannschaft. Becker, Dickenscheid und Hagenbäumer
lösten 1996 auch das Ticket nach Atlanta, während 2000 Britta Becker (Großflottbek),
Tanja Dickenscheid und Denise Klecker mitmischten.
Daß jetzt erneut drei
Spielerinnen des RRK nominiert wurden, sieht Vereinscoach Berti Rauth, der
bei den Spielen 1996 und 2000 auch als Bundestrainer Verantwortung trug,
als Anerkennung für gute Arbeit. "Wenn wir immer wieder
Nationalspielerinnen haben, zeigt das, wie konstant wir hier arbeiten."
Ob auf Vereinsebene, bei Welt-
und Europameisterschaften oder auch der Champions Trophy: Denise Klecker
hat bereits alles gespielt, über Olympia aber geht für sie nichts. "Das
ist unbeschreiblich. Man ist im Olympischen Dorf mit Sportlern aus allen
Nationen zusammen, es herrscht eine unglaubliche Atmosphäre. Mit einer
Weltmeisterschaft läßt sich das nicht vergleichen", freut sie sich auf
ihre zweite Olympia-Teilnahme. Die beiden anderen freuen sich auf ihre
Premiere.
Für das Oualifikationsturnier
in Neuseeland war die Mainzerin Denise Klecker, die seit1989 beim RRK
spielt, nicht berücksichtigt worden. Ähnlich wie 1996 schien es nicht zu
klappen mit den Spielen. Doch die Defensivspezialistin und Kämpfernatur
trainierte hart. In dreieinhalb Wochen lässt sich viel machen, und es hat
dann ja gereicht", meint die 174-fache Nationalspielerin.
Bereits bei den ersten neun
nominierten Akteurinnen war Mandy Haase (22) dabei. Obwohl sie erst 31
Länderspiele absolviert hat, gilt die Lehramtsstudentin für Sport und
Französisch dank ihrer Lauf- und Konditionsstärke als feste Größe. Die
gebürtige Leipzigerin. die mit ihren hockeybegeisterten EItern - Mutter
Claudia bestritt fünf Länderspiele für die DDR - noch vor der Wende 1989
in den Großraum Heidelberg übersiedelte, fand 1995 zum RRK. Das bedeutet
einen Fahraufwand von jährlich 25.000 Kilometer. Der Schritt lohnte sich.
Unter Berti Rauth kam sie 1998 in die erste Mannschaft.
Auch für Dribbel-Ass Silke
Müller (75 Länderspiele) steht außer Frage, dass sich der Wechsel 2001 von
der Frankfurter Eintracht zum RRK ausgezahlt hat. Ihre Wurzeln vergisst
die Hotelfachfrau, die nun für den Landessportbund arbeitet jedoch nicht.
"Die Grundlage habe ich bei Beate Deininger und Jürgen Fiedler gelegt,
aber mit den Erfolgen beim RRK ist das Selbstbewusstsein gestiegen", sagt
die Stürmerin.
Die Vorbereitung bezeichnen
alle drei als schlauchend. Das Tempo in Länderspielen sei enorm hoch,
unterstreicht Mandy Haase. "Berti Rauth hat als einer der ersten erkannt,
daß wir uns im athletischen Bereich steigern müssen. Seitdem ist die
Vorbereitung stets intensiver geworden", sagt Denise Klecker. Angesichts
vieler Lehrgangstage lasse sich die Vorbereitung schwer mit einer
Berufstätigkeit verbinden. "Da braucht man verständnisvolle
Arbeitgeber. Die Sporthilfe ist Rückhalt, zahlt die Fehltage". erklärt die
Diplom-Pädagogin, die bei der Wirtschaftsinitiative Frankfurt/ Rhein-Main
arbeitet. Olympia soll ihr letztes Turnier sein.
Ein Ziel für Athen Ist noch
nicht ausgegeben worden, doch sprechen die drei RRK-Spielerinnen zumindest
von Platz sechs, der gleichbedeutend wäre mit der Qualifikation für die
Champions Trophy. "Vielleicht läuft es besser. als manche denken. Mit der
Weltspitze können wir mithalten", weiß Silke Müller. Für Denise Klecker
wäre eine Medaille die Krönung. "Da denke Ich nicht an Gold oder Silber,
aber vielleicht ist Bronze drin." Erst einmal hofft das Trio auf ein
gelungenes Auftaktspiel gegen Australien. Denn welche Dynamik sich dann
entwickeln kann, haben die Griechen bei der Fußball-EM bewiesen.
Zwei aufgeregte Neulinge und
ein Olympia erprobter Hockey-"Oldie"
Mit Denise Klecker, Silke
Müller und Mandy Haase stellt der Rüsselsheimer RK auch in Athen wieder
drei Nationalspielerinnen für die DHB-Auswahl
Von Martin Krieger
Aller guten Dinge sind drei,
besagt ein Sprichwort. Auf die Hockeyabteilung des Rüsselsheimer
Ruder-Klubs (RRK) übertragen bewahrheitet sich diese Binsenweisheit in
wenigen Tagen im doppelten Sinne. Zum dritten Mal hintereinander stellt
der vergleichsweise kleine Verein drei Nationalspielerinnen für das
Olympische Hockeyturnier ab. Zuvor, 1992 in Barcelona, war sogar ein
RRK-Quintett daran beteiligt, dass am Ende die Silbermedaille errungen
wurde.
Die Beharrlichkeit, mit der
„Krummstockartistinnen" vom Untermain in der Auswahl des Deutschen
Hockey-Bundes (DHB) auftauchen, kommt freilich nicht von Ungefähr. Zum
zweiten Mal in der 96-jährigen Klubgeschichte sind die RRK-Damen in diesem
Jahr aktueller Feld- und Hallenmeister geworden. Und die Rüsselsheimer
Erfolgsgeschichte im Europapokal-Wettbewerb der Landesmeister sucht
sowieso ihresgleichen: Ende Februar konnte in der heimischen
Walter-Köbel-Halle der 13. Titelgewinn seit 1990 gefeiert werden.
Dass die beispiellose
Erfolgsgeschichte ebenso mit einem Namen verbunden ist wie die neuerliche
RRK-Präsenz im DHB-Olympiateam, darüber sind sich in Rüsselsheim alle
einig. Berti Rauth, zwischen 1995 und 2000 als Damen-Bundestrainer am
Ruder, hat auch das Athen-Trio viel zu verdanken.
Jüngstes Mitglied im
DHB-Aufgebot
„Berti Rauth ist ein wahnsinnig
guter Trainer", sagt etwa Mandy Haase. Die 22 Jahre alte zentrale
Abwehrspielerin, jüngstes Mitglied im 16-köpfigen DHB-Aufgebot von
Bundestrainer Markus Weise (Mannheim), nimmt aus diesem Grund seit 1995
pro Jahr etwa 25 000 Kilometer auf sich, um aus dem Großraum Heidelberg
nach Rüsselsheim zum Training zu fahren.
Dass sie nach gerade 32
Länderspielen nun „das Größte erleben darf, was im Sportlerleben möglich
ist", kann sie noch immer nicht recht fassen. „Ich glaube es erst
wirklich, wenn wir dort sind." Ergo sei sie „wahnsinnig aufgeregt", wenn
sie an Athen denke.
„Aber es ist ganz wichtig,
trotz allem das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren - nämlich ein
gutes Turnier zu spielen. "Und weil in der schweren Vorrundengruppe B
faktisch jedes Spiel ein Endspiel sei, „muss man immer an seine Grenzen
gehen", sagt Mandy, die mit ihren Eltern 1989 aus Leipzig an den Neckar
umsiedelte.
Gerne würde sie in Athen bei
der Leichtathletik reinschauen, „aber es wird wohl schwierig, da an Karten
ranzukommen. "Ergo, gilt alle Konzentration dem Hockeyturnier, bei dem sie
„von Spiel zu Spiel denken will". Peking könnte sie in vier Jahren vor
allem deshalb reizen, „weil ich unheimlich gerne mal mit meiner Schwester
Lydia zusammenspielen würde. Doch da mit Hockey nichts zu verdienen ist,
muss ich auch mein Studium voranbringen", sagt Haase. Dass die „Dresdner
Bank" Mannheim seit Mai als Privatsponsor auftritt, könnte ihr die
Ausbildung zur Gymnasiallehrerin etwas leichter machen.
Debütantin mit
Comedy-Qualitäten
Ebenfalls das erste Mal unter
dem Banner mit den fünf Ringen wird Silke Müller mit Schläger und
Hartplastikball hantieren. Ebenso wie Mandy Haase hatte die 25-Jährige ihr
Athen-Ticket vorzeitig in der Tasche. „Aber ich hätte es auch nicht
schlimm gefunden, wenn ich normal nominiert worden wäre", sagt die noch
bis September beim Landessportbund in Frankfurt beschäftigte
Hotelfachfrau. Dass sie danach ein TV-Praktikum anstrebt, um ihre
Comedy-Qualitäten auszutesten, ist kein Witz: „Es gibt zwar noch einige
andere Lustige in unserem Team, aber ich habe die Rolle des Spaßvogels
eigentlich schon immer ganz gerne übernommen".
Ob es in Athen auch auf dem
Kunstrasen viel zu lachen gibt, bleibe abzuwarten. „Wenn ich an unser Team
denke, fände ich es toll, wenn wir die Großen in unserer Gruppe - also
Australien, die Niederlande und Südkorea - etwas ärgern könnten. Und wenn
uns am Anfang gleich ein Punktgewinn gelänge, könnte man darauf super
aufbauen", sagt die viersprachige Mittelfeldspielerin mit einer spanischen
Mutter. Nachdem es persönlich in den letzten der bislang 76 Länderspiele
(8 Tore) nicht rund gelaufen sei, wünscht sie sich, „dass ich meine Form
bis zum Turnierstart noch steigern und an meine EM-Form anknüpfen kann".
Wenn Zeit und Bundestrainer es erlauben, würde sie in Athen („Olympia ist
ein Traum") gerne bei der Leichtathletik, beim Schwimmen und Handball
vorbeischauen.
"So fit war ich noch nie"
Im Gegensatz zur kleinen und
trickreichen Silke Müller hat Denise Klecker trotz des dritten
Platzes weniger gute Erinnerungen an die EM in Barcelona. Der
Bundestrainer sparte nicht mit Kritik und sortierte die mit 175
Länderspielen erfahrene Abwehrstütze und Strafeckenspezialistin (39 Tore)
schließlich sogar vor dem Olympia-Qualifikationsturnier in Neuseeland im
März aus. Daran, mit 32 Jahren und einer olympischen Erfahrung in Sydney
darob die Brocken hinzuwerfen, habe sie nie gedacht: „Das ist mir ja nicht
zum ersten Mal passiert, und daher hat mein Selbstbewusstsein auch nicht
gelitten. Für mich war wichtig, dass ich vor mir selbst sagen konnte,
alles dafür getan zu haben", sagt die gebürtige Mainzerin. Daher habe sie
sich kurzerhand für die drei Neuseeland-Wochen ein eigenes
Trainingsprogramm zusammengestellt „und hart an mir gearbeitet". Die
verbesserte Athletik blieb auch dem Bundestrainer nicht verborgen. „So fit
wie momentan war ich noch nie", so Klecker, die als „Oldie" im DHB-Team
aus der Mitte wieder auf die rechte Abwehrseite gerückt ist.
Obwohl Olympia „mit Leuten aus
allen Ländern und fast allen Sportarten das Größte ist", hat Sydney Spuren
hinterlassen. „Die Vorfreude ist anders als vor vier Jahren, weil man
einfach weiß, wie es ist und was abgeht. Aber wenn die Hymne erstmals
erklingt, wird es bestimmt wieder ein toller Moment sein. Und zur
Abschlussfeier will ich auf alle Fälle wieder; das war in Sydney so toll",
sagt Klecker, die bei der „Wirtschaftsinitiative Rhein-Main" als
Assistentin der Geschäftsführung arbeitet.
Ansonsten wolle sie einfach
wieder das „olympische Flair genießen und Leuten zuschauen, die ich kenne.
Etwa beim Schwimmen oder Frauenfußball". Und die sportlichen Ziele? „Wir
haben eigentlich nix zu verlieren. Für das deutsche Hockey wäre es
wichtig, wenn wir mindestens Sechster würden und uns für die Champions
Trophy qualifizieren würden. Bronze wäre natürlich super", so Klecker wohl
wissend, dass sie dies zum Ende ihrer internationalen Laufbahn den Olymp
im wahrsten Sinne des Wortes erklimmen ließe.
"Mit großem Stolz
erfüllt"
Die RRK-"Familie"
verabschiedete ihre drei Olympia-Starterinnen |
|
tgo. - Er wäre selbst gerne dabei,
gestand der Präsident. "Aber so Alte nehmen die wohl nicht mehr", scherzte
Dietmar Klausen, und blickte stolz auf die drei Olympiafahrerinnen Mandy
Haase, Denise Klecker und Silke Müller. Am 10. August wird das Hockey-Trio
des Rüsselsheimer RK mit der Nationalmannschaft nach Athen fliegen, wo am
14. die erste Begegnung des olympischen Turniers gegen Australien ansteht.
Am Dienstagabend wurden sie von der Vereinsführung, Mitspielerinnen,
Freunden, Familien und Mitgliedern offiziell bei einem gemütlichen
Beisammensein verabschiedet.
"So was habe man nicht alle Jahre", betonte
Klausen. Eben nur alle vier. Zu allen Olympischen Spielen durfte der RRK
in der jüngsten Vergangenheit ununterbrochen Athleten entsenden. Seit 1984
werden den Teilnehmern zuvor sogar noch traditionell im "Bootshaus"
Glückwünsche und Präsente mit auf den Weg gegeben. "Mit großem Stolz" sei
man auch diesmal erfüllt: "Drei Sportlerinnen schickt in Südhessen kaum
ein Verein, dazu noch ein so kleiner", erinnerte Klausen. Mitfiebern und
Daumen drücken heißt es in den nächsten Wochen für die RRK-Familie, die
sich mit ihren Schützlingen auf das "herausragende Ereignis in einem
Sportlerleben", so Abteilungsleiter Martin Müller, freut.
Verabschiedung
durch die Damenmannschaft des RRK und zwei "Offizielle",
Hockey-Abteilungsleiter Martin Müller, Maren Pfefferkorn, Lena
Schüder, Silke Müller, Barbara Vogel, Mandy Haase, Lydia Haase,
Irene Balek, Denise Klecker, Nina Günther, "RRK-Präsident" Prof. Dr.
Dietmar Klausen und Sybille Breivogel |
Symbolhaft
für ein gutes Abschneiden bei Olympia in Athen werden die fünf
olympischen Ringe von Dr. Dietmar Klausen, Silke Müller, Mandy Haase,
Denise Klecker und Martin Müller dargestellt. |
Neben einem erfolgreichen Turnierverlauf für die
Debütantinnen Haase und Müller sowie die Sydney erprobte Klecker wurde
auch eine gesunde Rückkehr "mit möglichst allen Zähnen" (Klausen)
gewünscht. "Wir werden bei euch sein. Ich hoffe, ihr spürt das", sagte
Klausen. Wer mal traurig sei oder Heimweh habe, solle einfach an den RRK
denken. "Ihr werdet Deutschland vertreten, und im Stillen auch den RRK
repräsentieren", befand Müller, der zwar nicht spekulieren wolle, aber
glaubt: Bange müsse dem deutschen Team trotz der starken Konkurrenz nicht
sein. "Insgesamt wird es wohl gelingen." Entscheidend sei sicherlich, wie
man ins Turnier reinkomme. Und im Endeffekt müsse jeder persönlich das
Beste für sich erreichen, fügte er an.
Hockeytraining ohne
Schläger
Bis zum Abflug nach Athen halten sich die Rüsselsheimerinnen Denise
Klecker, Silke Müller und Mandy Haase mit Sprints und Sprüngen "knackig
und geschmeidig"
VON ANNETTE SEITZ
Jenseits der Mittellinie, in jener Hälfte des Kunstrasenplatzes im Stadion am
Sommerdamm, in der die Männer des Bundesligisten Rüsselsheimer RK (RRK)
trainieren, ist es zu hören, das charakteristische Geräusch, das Hockeyspieler
bei ihrer Arbeit machen. Wenn mit Schlägern Bälle gedroschen werden, wird es
laut. Diesseits der Linie herrscht indes Stille. Dort, wo an diesem lauen
Sommerabend Denise Klecker und Silke Müller locker ihre Runden drehen und
einige ihrer Rüsselsheimer Mannschaftskolleginnen an ihrer Seite den
geschmeidigen Trab demonstrieren, ist der Schläger tabu. Kein Krummstock,
nirgends.
Für die beiden Nationalspielerinnen, die am kommenden Dienstag gemeinsam mit
Mandy Haase vom RRK in den Flieger zu den Olympischen Spielen nach Athen
steigen werden, herrscht absolutes Schlägerverbot. Zehn Tage lang, jene Zeit,
die zwischen dem letzten Vorbereitungsspiel auf deutschem Boden und der ersten
Einheit auf griechischem liegt, steht der Krummstock in der Ecke. "Das ist
aber nicht schlimm", findet Silke Müller. "Wir waren so oft unterwegs und sind
mittlerweile ein bisschen satt. Die Pause", so die Olympia-Debütantin, "kommt
genau richtig."
Bundestrainer Markus Weise hat seinem 16-köpfigen Kader die Abstinenz
verordnet, die die Lust aufs Hockey erhalten soll. Freilich nicht ohne den
Nationalspielerinnen ein Fitnessprogramm mit auf den Weg zu geben. Man möge
seine Anweisungen doch bitte umsetzen, so der Wunsch des Coaches. Ob allein
oder im Vereinsteam, ist Weise letztlich egal. Mandy Haase, die, wie Müller,
zum ersten Mal für Olympische Spiele nominiert wurde, dreht ihre Runden lieber
alleine. Müller und Klecker bevorzugen dagegen die vertraute Clique - die im
Übrigen nicht weniger fit ist als die Kolleginnen, die für olympische Aufgaben
ausgewählt wurden. Eine Pause hatte der RRK, deutscher Feldhockey-Meister,
nach Saisonende nämlich nur fürs Feiern eingelegt. Weshalb Denise Klecker und
Silke Müller auch in das Mannschaftstraining einsteigen können, bei dem im
Moment genau das gemacht wird, was Weise verlangt: Sprints, Sprünge,
Schnelligkeit. "Wir sollen knackig und geschmeidig bleiben", sagt Müller.
Für Denise Klecker werden es definitiv die letzten Olympischen Spiele sein,
sie wird ihre internationale Karriere nach Athen beenden. Ein mulmiges Gefühl
sei das schon, sagt die 174-fache Nationalspielerin: "Aber ich versuche, nicht
daran zu denken, denn eigentlich finde ich es schrecklich, wenn es vorbei
ist." Für ihre zweiten Olympischen Spiele nach Sydney 2000 hat sich die
Rüsselsheimerin vorgenommen, "dass wir uns für die Champions Trophy
qualifizieren". Das Ticket für die inoffizielle Weltmeisterschaft der sechs
weltbesten Teams wäre mit dem Erreichen des sechsten Platzes gelöst. Wenn es
zu mehr langen sollte, hat auch Klecker nichts dagegen. Aber die 32 Jahre alte
Abwehrspielerin bleibt realistisch: "Entscheidend wird die Tagesform sein. Es
kann aber auch sein, dass wir supergut spielen und trotzdem nur auf den
siebten Platz kommen."
Das Wort Halbfinale nimmt Klecker erst gar nicht in den Mund. Zu vermessen
scheint die Vorstellung, dass das deutsche Team, in dessen Gruppe der
zweifache Olympiasieger Australien und Europameister Niederlande als
Topfavoriten gelten und zudem noch Südkorea ein starker Gegner ist, auf einen
der ersten beiden Gruppenplätze vorstoßen könnte. Auch wenn die Lücke zur
Weltspitze im vergangenen Jahr kleiner geworden ist, scheint sie doch noch zu
groß für eine Überraschung.
Aber aufgeholt haben sie - auch wegen der intensiven Vorbereitung von Markus
Weise, der den Schwerpunkt auf die Athletik gelegt hat, eine Voraussetzung, um
international mitzuhalten. "Für mich war das bislang die beste Vorbereitung
mit der Nationalmannschaft", sagt Silke Müller, die im Sturm bisher 75
Länderspiele absolviert hat. Vor allem die Testpartien gegen starke Gegner wie
China oder die Niederlande hätten das Team weitergebracht, meint Klecker:
"Wenn man an die Weltspitze will, muss man gegen Weltklasse-Teams spielen, um
zu wissen, was noch fehlt." Dabei hat sich die deutsche Mannschaft wacker
geschlagen und durchaus ansprechende Ergebnisse, wie etwa ein Unentschieden
gegen die Niederlande, erzielt. "Wir haben uns weiterentwickelt", bestätigt
Denise Klecker, die schon wieder weiter muss, um nach einigen Sprüngen und
kurzen Sprints so leichtfüßig wie möglich über die Sprossen einer auf dem
Boden liegenden Leiter zu hüpfen. Und das tut sie beinahe lautlos.
Die deutsche Mannschaft bestreitet ihr erstes Gruppenspiel am Samstag, 14.
August, um 18 Uhr gegen Australien. Die Partie gegen die Niederlande steht am
18. August an (10.30 Uhr), gegen Südafrika wird am 20. August (18.00)
gespielt, Südkorea ist am 22. August (8.30) letzter Gruppengegner.
Hockey-Trainer Berti Rauth zum Olympiastart
Das Gespräch führte Martin Krieger
FRAGE: Sie
haben die Olympischen Spiele in Atlanta und Sydney als Bundestrainer der
deutschen Hockeydamen und das Turnier in Barcelona 1992 als Zuschauer
erlebt. War ein Besuch in Athen kein Thema?
RAUTH: Natürlich wäre
es interessant gewesen, das wieder vor Ort anzusehen. Aber wir befinden uns
unmittelbar in der
Vorbereitung auf die Bundesligasaison, die Mitte September
anläuft. Und da zusätzlich zu den drei Nationalspielerinnen fünf weitere Leute
weniger dabei sind, kann ich mir das einfach nicht erlauben. Schließlich
streben wir als Titelverteidiger einen vernünftigen Saisonstart zu Hause gegen
Eintracht Braunschweig an. Wenn die hessischen Ferien günstiger gelegen
hätten, wäre ich wohl runter gefahren.
FRAGE: Was haben Sie
vom Hockeyturnier in Athen bis jetzt mitbekommen?
RAUTH: Da ich zum
Glück über einen digitalen Receiver verfüge, versuche ich, mir jedes Spiel
anzuschauen. Vorhin habe ich das 3:1 der Argentinierinnen gegen Japan gesehen.
Die meisten Spielerinnen und Spieler kenne ich noch.
FRAGE: Was hatten Sie
beim 2:1-Überraschungssieg gegen Australien für einen Eindruck von den
DHB-Damen und speziell vom RRK-Trio?
RAUTH: Ohne die
deutsche Leistung schmälern zu wollen - die ersten 15 Minuten waren wirklich
überragend -, war klar zu sehen, dass Australien wesentlich schwächer geworden
ist. Unser Team hat am Limit gespielt und am Ende auch etwas Glück gehabt. Das
RRK-Trio hat sehr solide gespielt, wobei es mich besonders gefreut hat, dass
Silke Müller im entscheidenden Moment auch mal im Zentrum da war und zum 2:0
getroffen hat.
FRAGE: Was ist nach
dem Auftakterfog nun möglich?
RAUTH: Viel wird davon
abhängen, wie die Ergebnisse der anderen untereinander ausfallen. Wenn wir
gegen die Niederlande Unentschieden spielen sollten, könnte es zum Abschluss
gegen Korea ums Halbfinale gehen. Das wäre für das deutsche Damenhockey eine
tolle Sache. Andererseits hat man mit einem Sieg genauso wenig den Anschluss
an die Weltspitze wieder hergestellt, wie man ihn durch eine Niederlage
verloren hat. Im Sport ist doch vieles nur eine Momentaufnahme. Nur weil wir
mit dem RRK gewaltig viele Titel abgeräumt haben, würde ich nie sagen, dass
wir deshalb auch das beste Team sind.
FRAGE: Würden Sie
jetzt gerne mit Bundestrainer Markus Weise tauschen?
RAUTH: Nein, denn dann
hätte ich nicht das, was ich jetzt habe. Und das ist ja nicht schlecht, was
ich habe. Wenn es mit dem RRK insgesamt nicht so toll gelaufen wäre, würde ich
meiner Zeit als Bundestrainer vielleicht ein wenig trauriger hinterher
blicken.
Aus dem Rathaus,
OB gratuliert Hockey-Damen
loh. Oberbürgermeister
und Sportdezernent Stefan Gieltowski hat gestern seine Glückwünsche zum
gelungenen Auftaktspiel im olympischen Damenhockey nach Athen übermittelt:
"Man nehme drei routinierte Spielerinnen aus Rüsselsheim, und schon klappt der
Einstieg in das olympische Damenhockey-Turnier. Ich gratuliere herzlich zum
sensationellen Turnierstart mit dem 2:1-Auftaktsieg gegen den Favoriten
Australien", schreibt Gieltowski. Sein besonderer Glückwunsch gelte der
Torschützin Silke Müller. Gemeinsam mit vielen hockeybegeisterten
Rüsselsheimern hofft der Oberbürgermeister, dies möge erst der Anfang einer
möglichst langen Siegesserie der deutschen Mannschaft sein. "Ich wünsche Euch
und der gesamten Mannschaft für das nächste Gruppenspiel gegen die Niederlande
den gleichen Biss wie schon im Auftaktspiel und drücke dafür die Daumen", so
Gieltowski weiter. Zwischen den Spielen wünsche er allen Spielerinnen
interessante Tage im Olympischen Dorf und freue sich auf weitere gute
Meldungen aus Athen.
Tor durch Silke Müller (Nummer 10) im
Auftaktspiel gegen Australien, das die deutsche Mannschaft mit 2:1
gewinnen kann |
Foto mit einem Tennisstar
Silke Müller im olympischen Dorf und auf dem Hockeyplatz ziemlich rege
ATHEN - Die Fans lassen nicht locker.
Noch ein Autogramm, noch ein Foto. Und dazwischen immer wieder die Welle.
Geradezu enthusiastisch feiern die gut 50 Personen, deren Gruppenzugehörigkeit
durch schwarz-rot-goldene Utensilien leicht auszumachen ist, die deutschen
Hockeydamen. Dabei haben diese gerade gegen Europameister Niederlande eine
1:4-Abreibung erhalten.
Unten am Spielfeldrand steht Silke
Müller, klatscht und winkt und streckt den Daumen nach oben. "Das ist ja super
mit Euch", ruft die 25-Jährige den auch noch lange nach Spielschluss im
olympischen Hockeystadion verweilenden Fans zu. "Das hätte ich nicht erwartet,
dass wir hier so unterstützt werden", teilt Müller den Journalisten mit.
Einerseits ist die Hockeyspielerin
des Rüsselsheimer RK verwundert, was bei Olympia so abgeht, in anderen Bereichen
werden die Erwartungen, mit denen sie ihre erste Olympiateilnahme antrat,
bestätigt. "Im olympischen Dorf", erzählt sie, "geht es genauso zu, wie es einem
vorher erzählt worden ist. Alle sind ganz locker drauf, und gerade die Topstars
sind mal froh, nur einer unter vielen zu sein und nicht immer einer ständigen
Sonderbeobachtung der Medien ausgesetzt zu sein."
Die Rolle der aufdringlichen Fans
übernehmen dann bisweilen die Vollblutamateure. Wie beispielsweise Silke Müller,
die sich auch schon Autogramme besorgt hat oder sich auch mal mit einem der
deutschen Tennis-Cracks zusammen fotographieren ließ. "Solche Leute sieht man
doch nur einmal im Leben", sagt Silke fast schon ein wenig rechtfertigend. Eine
weitere olympia-touristische Attraktion war der Besuch eines Vorrundenspiels der
deutschen Handballer.
Die Hauptkonzentration gilt natürlich
dem eigenen Wettkampf. Und der brachte bislang zwei höchst unterschiedliche
Erlebnisse: den unerwarteten 2:1-Auftaktsieg gegen Olympiasieger Australien und
die 1:4-Ernüchterung gegen die Niederlande. "Vielleicht haben wir uns nach dem
Superstart gegen Australien für das zweite Spiel einfach zu viel vorgenommen;
außerdem war die Pause von drei Tagen fast schon zu lange", sucht Müller nach
Gründen, wie es nach der starken Auftaktleistung in der zweiten Partie am
Mittwoch vor allem in der ersten Halbzeit zu solch einem Einbruch kommen konnte.
Aber noch ist nichts verloren. "Das war doch eigentlich fast abzusehen, dass wir
gegen Holland nichts holen würden. Wir dürfen uns dadurch nicht vom Weg
abbringen lassen", sieht Müller noch alle Möglichkeiten, mit einem Pflichtsieg
über Südafrika (Freitag) und dem dann zu erwartenden "Endspiel" gegen Südkorea
(Sonntag) das Halbfinale zu erreichen.
Egal, wie sich der weitere
Turnierverlauf gestaltet, ein eher seltene Erfahrung kann Silke Müller keiner
mehr nehmen: Gegen Australien schoss sie in ihrem 77. Länderspiel ihr neuntes
Tor. "Da ich ja sonst nicht gerade die Super-Torjägerin bin, war es schon ein
tolles Gefühl, getroffen zu haben, zumal es ja praktisch das Siegtor war", sagt
die Angreiferin, um gleich nachzuschieben: "Aber eigentlich ist es egal, wer die
Tore schießt. Hauptsache die Mannschaft gewinnt."
Trotz ihres Torerfolges hält sich
Markus Weise mit Lob für Silke Müller spürbar zurück. "Mit Müh` und Not im
passablen Bereich", empfindet der Bundestrainer bislang die Athen-Darbietung der
RRK-Stürmerin. Was den Nationalcoach besonders ärgert, ist seine ganz subjektive
Beobachtung, dass Müller nach der erfolgten Olympia-Nominierung "fast nur noch
schwache Spiele abgeliefert hat". Silke Müller hat noch ein paar Mal
Gelegenheit, den Bundestrainer eines Besseren zu belehren.
Uli Meyer
Mandy Haase vom RRK (Mitte rechts) im
Spiel gegen die Niederlande, in dem sich die deutsche Mannschaft mit 1:4
geschlagen geben muß. Ist das schon das Ende der Medaillenträume? |
Hockey-Damen "einfach zu blöd"
Weise-Team kassiert
0:3-Pleite gegen Südafrika
ATHEN (dpa) Deutschlands Hockey-Damen haben dem Druck des Siegen-Müssens
nicht standgehalten und im Kampf um den Einzug ins Olympia-Halbfinale
schlechte Karten. Gegen das zuvor punktlose Team Südafrikas musste sich
die Auswahl von Bundestrainer Markus Weise in Athen nach enttäuschender
Leistung 0:3 (0:1) geschlagen geben. Am Sonntag müssen sie gegen die
starken Südkoreanerinnen nun gewinnen sowie zugleich die Schützenhilfe des
bereits im Semifinale stehenden Gold-Favoriten Niederlande gegen
Australien erhalten, um noch unter die besten Vier zu kommen.
Vor 1000 Zuschauern trafen
Sharne Wehmeyer (4.), Pietie Coetzee (46.) und Jenny Wilson (56.) für den
Außenseiter und versetzten den Deutschen zwei Tage nach dem 1:4 gegen die
Niederlande den nächsten Tiefschlag. "Wir sind mega enttäuscht. Wenn man
sich so anstellt, ist selbst ein 0:3 verdient", sagte Heike Lätzsch. Fanny
Rinne meinte kurz und knapp: "Wir waren einfach zu blöd."
Im Vergleich zur Partie gegen
die Niederlande hatte Weise seine Elf umformiert. Markantester Wechsel:
Für die vor Turnierbeginn eigentlich zur Nummer eins erklärten Louisa
Walter stand Julia Zwehl im Tor. Nach dem 0:1 fing sich der EM-Dritte und
verstärkte den Druck deutlich, hatte aber Pech, dass die Rüsselsheimerin
Denise Klecker (14./19.) mit zwei Strafecken jeweils knapp scheiterte.
Nach "Zickenalarm" ins Halbfinale
Hockey-Damen freuen sich
über holländische Schützenhilfe
ATHEN (dpa) Die deutschen Hockey-Herren demonstrierten ihre altbekannte
Stärke, die Damen sorgten mit dem Halbfinal-Einzug für eine neue
wundersame Wandlung. Während der Welt- und Europameister nach dem
souveränen 4:1 (1:0)-Erfolg über Großbritannien dicht vor dem Sprung ins
Olympia-Semifinale steht, machten Marion Rodewald & Co. diesen Coup in
Athen bereits perfekt. Dank des völlig unerwarteten 3:2 (2:1) über
Mitfavorit Südkorea und der Schützenhilfe von Gold-Favorit Niederlande
über Australien (1:0) steht das "schwache Geschlecht" erstmals seit 1992
in Barcelona in einer olympischen Vorschlussrunde. Dort treffen die
Deutschen am Dienstag auf China, "Oranje" muss sich mit Weltmeister
Argentinien messen.
"Ich bin total glücklich",
jubelte Bundestrainer Markus Weise, der am Sonntagabend mit seinen
Spielerinnen vom deutschen Botschafter Alfons Spiegel eingeladen worden
war. "Was wir in dieser Hammergruppe erreicht haben, ist wirklich Klasse",
hatte er bereits nach der mit Bravour absolvierten Frühschicht zufrieden
festgestellt. Damit haben seine Damen zudem die Optimalförderung weiterhin
sicher.
Seine Akteurinnen mussten in
der Früh schon um 5.30 Uhr aus den Federn. Die Grundlage für die Wende zum
Guten hatten sie aber bereits am Freitag nach der 0:3-Pleite gegen
Südafrika gelegt: Auf einer "Frauen-Sitzung ohne mich gab es kurzen
Zickenalarm", meinte Weise grinsend. "Da hat es geknistert und einmal kurz
geknallt", berichtete Nationalspielerin Franziska Gude. Und: "Wir waren
uns die Leistung schuldig und haben nach der Enttäuschung geradezu darauf
gewartet, richtig loslegen zu können. Wir wollten nicht Gruppenletzte
werden."
"Wir haben an uns geglaubt,
wollten es allen zeigen und haben Südkorea den Schneid abgekauft",
urteilte Caroline Casaretto, die nach Anke Kühn (10.) und Gude (30.) mit
dem dritten Treffer (59.) den zweiten Sieg nach dem 2:1 zum Auftakt über
Australien perfekt machte. Die ständigen Aufs und Abs seiner Damen sind
Weise allerdings ein Rätsel: "Man kommt nicht weit beim Versuch, das
Gebilde verstehen zu wollen. Hauptsache, alles hat heute geklappt."
Walter hasst Siebenmeterschießen
Deutsche Hockey-Torfrau
wurde gegen China auf Anweisung des Trainers zur Halbfinal-Heldin
ATHEN (dpa) Mein Gott Walter. Ausgerechnet die erst kurz vor den
Olympischen Spielen zur Nummer eins erklärte Torfrau Louisa Walter, die
das Siebenmeterschießen hasst wie die Pest, wurde im "Shootout" gegen
China mit zwei gehaltenen Schüssen zur Matchwinnerin. Als nach dem letzten
abgewehrten Penalty der sensationell anmutende Final-Einzug der deutschen
Hockey-Damen gegen die Niederlande endlich perfekt war, sank die Keeperin
des Berliner HC wie in Trance in die Knie - und schon fielen die
Kameradinnen überglücklich über sie her.
"Überragend", jubelte
Bundestrainer Markus Weise nach dem größten Erfolg seit zwölf Jahren,
"aber ich habe ihr schon vorher gesagt, dass sie zwei Dinger hält. Sie
hört halt auf ihren Trainer". Und für den Fall eines neuerlichen Coups im
Finale kündigte der Coach an: "Dann laufe ich vielleicht nackt eine Runde
durchs Olympische Dorf."
Nach einer Ehrenrunde mit
Deutschland-Fahne durch das Helliniko-Hockeycenter standen Walter & Co.
glückstrahlend Rede und Antwort. "Ich habe beim Siebenmeterschießen, das
ich überhaupt nicht mag, gar nichts gedacht, sondern den Kopf
ausgeschaltet. Das ist das Beste, was man machen kann", beschrieb die
25-Jährige den Augenblick ihres großen Auftritts. Gaos Schuss hielt sie
mit links, bei Zhous Versuch reagierte sie intuitiv richtig, tauchte ab
und parierte. "Das hatte auch mit Glück zu tun. Mir wäre es lieber
gewesen, wir hätten schon vorher den Sieg sicher gestellt", meinte sie
zurückhaltend. Eine Stunde lang verlebte sie einen ruhigen Abend, doch in
der Schlussphase der regulären Spielzeit und in der Verlängerung wehrte
sie zehn Strafecken ab und rettete ihr Team ins Nervenspiel vom ominösen
Punkt. "Ich habe den Schützinnen gesagt: Geht hin, trefft eine
Entscheidung, wohin ihr schießt, und haut das Ding volle Lotte rein",
berichtete Weise von der Vorbereitung am Vorabend auf den
Siebenmeter-Krimi. Fanny Rinne, die Rüsselsheimerin Denise Klecker, Tina
Bachmann und Natascha Keller hielten sich dran, nur Franziska Gudes
Versuch missriet zum Schüsschen. "Gott sei Dank hat Louisa diesen Lapsus
wettgemacht", sagte sie über die Torfrau.
Die Bauingenieur-Studentin, die
nach Athen eine längere Pause einlegen wird, will versuchen, ihrem Freund
Andreas Keller nachzueifern. Wie der Olympiasieger von 1992 will die
56-malige Internationale nun nach den Sternen greifen. "Wir haben schon so
viel erreicht, wie wir es uns kaum vorstellen konnten. Holland ist sicher
der große Favorit, aber die Goldmedaille würde ich auch nehmen", betonte
Louisa Walter. Auch ihr Coach weiß, dass das dritte Silber nach 1984 in
Los Angeles und 1992 in Barcelona für sein Team kaum noch zu toppen ist,
aber er glaubt, dass für seine Damen sogar der erste Olympiasieg drin ist:
"Schon vor dem China-Spiel haben alle begriffen, das ist die Gunst der
Stunde. Da muss man zuschlagen."
Hockey-Damen schaffen Sensation
Goldmedaille nach 2:1-Sieg
über Niederlande
ATHEN (dpa) Nach Silber 1984 und 1992 endlich Gold: Die Hockey-Damen haben
für die deutsche Olympia-Mannschaft am Donnerstag in Athen mit einem 2:1
im Endspiel gegen die Niederlande die ersehnte zehnte Goldmedaille geholt.
Anke Kühn und Franziska Gude bescherten dem Hockey-Team mit ihren Toren
einen historischen Triumph. Zur Siegermannschaft gehören Mandy Haase,
Silke Müller und Denise Klecker (alle Rüsselsheimer RK).
In Nacht vor dem Finale Goldmedaille
gesehen
Rüsselsheimer
Prognosespezialistin Denise Klecker erlebt persönlich und sportlich das
Jahr ihres Lebens
ATHEN Auch am Ende des unfassbarsten Tages ihres Lebens war Denise
Klecker nicht kaputt zu kriegen. Am Freitagmorgen um 6.30 Uhr, die Sonne
war in Athen längst wieder aufgegangen und viele der deutschen
Hockey-Olympiasiegerinnen inzwischen in den Schlaf gesunken, hockte sie
sich an den Computer und hackte in die Tasten, was das Zeug hielt.
Von Uli Meyer
Einem ausgewählten
Freundeskreis in der Heimat musste Klecker per E-Mail-Rundschreiben
einfach brandheiß mitteilen, wie die rauschende Siegesnacht im "Deutschen
Haus" verlief und wie es ist, eine Goldmedaille um den Hals und den
Lorbeerkranz des Siegers auf dem Kopf zu spüren. Der Versuch, diese
Gefühle in Worte zu fassen ("Waaaahnsinn!") und das Geschehene richtig
einzuordnen, geschweige denn zu begreifen, war für Denise Klecker ebenso
anstrengend wie die Tage zuvor. Eine rasante Achterbahnfahrt. Die
deutschen Hockeydamen standen nach drei Spielen des olympischen
Hockeyturniers am Abgrund. Nach dem überzeugenden Start (2:1 gegen
Titelverteidiger Australien) zwei Niederlagen, es drohte gar das Spiel um
den letzten Platz. "Mir fehlen die Worte", hatte es selbst der sonst so
schreibwütigen Rüsselsheimerin nach dem 0:3 gegen Südafrika die Sprache
verschlagen. Dann die wundersame Wandlung der als "Wundertüte"
bezeichneten Truppe: erst das 3:2 über die höher eingeschätzten
Koreanerinnen, dem dank holländischer Schützenhilfe der Halbfinaleinzug
folgte. Dort der hart erkämpfte Erfolg im Siebenmeterschießen über die
gleichsam favorisierten Chinesinnen. Plötzlich standen die als krasser
Außenseiter nach Athen gefahrenen deutschen Hockeydamen im Endspiel.
"Vielleicht liegt es an der
Rüsselsheimer Natur, dass wir uns nicht mit zweiten Plätzen zufrieden
geben wollen, denn nur gewinnen ist toll. Schon ab Platz zwei fängt die
Schar der Verlierer an", weiß Denise Klecker nach unzähligen Titelgewinnen
mit dem RRK. Daher berauschte sie sich nicht lange am Glücksgefühl über
die sichere Silbermedaille. Doch um Europameister Niederlande zu schlagen,
der das deutsche Team im EM-Halbfinale 2003 mit 5:1 Toren ebenso klar
weggebügelt hatte wie im ersten Athener Duell in der Vorrunde (4:1),
bedurfte es einer sportlichen Sensation. In solchen Situationen vertraut
Denise Klecker gerne ihrer Eingebung. Nicht umsonst trägt sie beim
Ruder-Klub den Spitznamen "www.prognose.de", da die 32-Jährige das
Kommende meist richtig vorherzusagen weiß. "Ich bin in der Nacht vor dem
Finale aufgewacht, habe innerlich die Goldmedaille gesehen und die
Nationalhymne gesungen", erinnert sie sich und ging deshalb mit
gesteigerter Siegeszuversicht in den großen Tag. "Heute ist mal wieder ein
Titel dran", sagte Klecker noch zu Vereinskameradin Mandy Haase, mit der
sie in diesem Jahr alle erreichbaren Championate (Hallen-DM,
Hallen-Europacup und Feld-DM mit den RRK-Damen) eingesackt hatte.
Doch die Stunden bis zum um
20.30 Uhr Ortszeit angesetzten Finale vergingen zäh. "Ich war total
aufgeregt, vor allem im Bus während der Fahrt vom olympischen Dorf ins
Stadion", gesteht sie. Vielleicht wurde Denise Klecker in dieser Stunde
auch noch einmal richtig klar, dass sie an diesem Abend das letzte Mal das
Nationaltrikot überstreifen würde. Ihr Karriereende in der Auswahl des
Deutschen Hockey-Bundes hatte die Teamälteste schon lange angekündigt,
"egal wie das hier ausgeht." Dass die Nervosität wegen des Aspektes
"letztes Spiel" fast größer gewesen sei als wegen der Tatsache, dass es um
olympisches Gold vor einem Millionenpublikum am Fernseher ging,
registrierte Klecker ganz für sich alleine.
Bekanntlich ist es so gekommen,
wie die Prognose-Spezialistin es geahnt hatte. Mit einem starken Auftakt
und zwei frühen Toren hatte die deutsche Auswahl den hohen Favoriten
geschockt und danach in einer Abwehrschlacht, zu der auch Denise Klecker
mit starken Leistungen beitrug, ein 2:1 über die Zeit gerettet. Die
Sensation war perfekt. "Die überraschendste deutsche Goldmedaille
überhaupt", sagte NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach als Tribünengast unter
den 7000 Zuschauern ebenso staunend wie begeistert.
"Einen schöneren Abschied hätte
mir niemand bescheren können", wird Denise Klecker ihr 181. Länderspiel
bestimmt niemals vergessen. "Wir haben an uns geglaubt. Obwohl wir gar
nicht unbedingt die tollsten Freundinnen außerhalb des Platzes sind, haben
alle 16 auf dem Spielfeld und auch schon in der Olympiavorbereitung viel
mehr an einem Strang gezogen, als das in Sydney 2000 der Fall war", sieht
Klecker die Unterschiede zu ihrer ersten Olympia-Teilnahme vor vier
Jahren, die mit Platz sieben ein ernüchterndes Erlebnis war.
Nach der Siegerehrung im
Stadion war nur noch feiern angesagt. Gemeinsam mit den Fans ging es ins
Deutsche Haus. Herzliche Umarmungen gab es dort auch mit den zehn Leuten
vom RRK (angeführt von den Mitspielerinnen Nina Günther und Lena Schüder),
die sich nach gewonnenem Halbfinale spontan auf die Reise nach Athen
gemacht hatten. "Ich freue mich schon riesig auf den Empfang am Montag,
wenn die RRK-Mädels im Bikini und mein Freund mit Trompete am Flughafen
stehen wollen", sagt Klecker, die mit dem Team um 16.10 Uhr in Frankfurt
landen soll.
Für die Goldmedaille wird es
15.000 Euro Erfolgsprämie von der Stiftung Deutsche Sporthilfe geben. "Das
Geld wird in ein neues Auto investiert", weiß sie schon jetzt. Mit dem
acht Jahre alten Corsa waren die Fahrten vom Main an den Bodensee kein
besonders sicheres Unternehmen. 340 Kilometer einfache Wegstrecke entfernt
wohnt Kleckers Fernbeziehung ("der Mann meines Lebens"). Sie hat ihn
dieses Jahr kennengelernt. "Persönlich und sportlich war es das Jahr
meines Lebens", sagt Denise Klecker.
Der Gold-Traum ist wahr geworden
Die Rüsselsheimer
Hockey-Siegerinnen im Gespräch mit der "Main-Spitze" / Empfang am Montag
Rüsselsheim im Goldfieber: Mit
Silke Müller, Denise Klecker und Mandy Haase haben gleich drei
Spielerinnen des Rüsselsheimer Ruder-Klubs zum Gewinn der Goldmedaille im
Damen-Hockey beigetragen.
Von Annette Mayer
Glücklich strahlen Mandy Haase,
Silke Müller und Denise Klecker in die Kamera. Am Donnerstag Abend waren
sie Teil eines sporthistorischen Ereignisses: Erstmals holte das deutsche
Damenhockey-Team Olympia-Gold. Die Fans, der Verein und natürlich die
Sportlerinnen selbst sind vollkommen aus dem Häuschen. "Wir freuen uns
wahnsinnig, denn als Sportler ist ein Sieg bei Olympia alles, was man
erreichen kann und ein absoluter Traum. Wir sind nach Athen gefahren mit
dem Willen, unter die letzten drei zu kommen, und kehren dann als Sieger
zurück", sagte Stürmerin Silke Müller am Freitag stolz, als die
"Main-Spitze" sie in Athen per Handy erreichte.
Jetzt wird erst einmal gefeiert
und eine Pause eingelegt. Außerdem ist eine Trikot-Tauschaktion mit den
Argentinierinnen in vollem Gange, die "immer so schöne Sachen haben", sagt
Müller. Auch die in Mainz wohnenden Eltern von Müllers Team-Kollegin
Denise Klecker sind überglücklich. Der Vater berichtet über das erste
Telefonat mit seiner Tochter nach dem Sieg: "Ein konstruktiver Dialog kam
nicht wirklich zustande. Es war mehr Geschrei, Jubel, Glück", berichtet
Peter Klecker mehr als stolz. Er ist Jugendcoach der D-Jugend aus Kleckers
Heimatverein TSV Schott Mainz. Denise Klecker bezeichnet das Jahr 2004 aus
sportlichen und persönlichen Gründen als "das Jahr ihres Lebens" (siehe
weiterer Bericht auf unserer Seite Sport). Sie lebt in Rüsselsheim und
fühlt sich in der Opelstadt, wie sie selbst sagt, pudelwohl.
Auch Mandy Haase, mit 22 Jahren
die jüngste Spielerin im Olympiakader und gerade deshalb bewundert für
ihre Leistung, steht im Mittelpunkt des Interesses. Sie wird in nächster
Zeit wahrscheinlich ebenso viel zu tun haben, ihre Fanpost und Anrufe von
Verwandten und Bekannten zu beantworten. Martin Müller, Abteilungsleiter
Hockey des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK), für den Müller, Klecker und
Haase spielen, erzählt begeistert: "Ein toller Erfolg. Zunächst sah es ja
eher knapp aus, ob es überhaupt für Platz Vier reichen würde, aber sie
haben sich trotz der wenigen Torchancen gegen den sonst enorm starken
Gegner hervorragend geschlagen. Das Glück scheint sie begleitet zu haben."
Ein gebührender Empfang soll
den drei Rüsselsheimer Goldmedaillengewinnerinnen am Montag, 30., am
Frankfurter Flughafen zuteil werden. Um 16 Uhr steht der Deutsche Hockey
Bund (DHB) am "Meeting Point Pizza Pasta" bereit. Am Abend ab 19.30 Uhr
ist anschließend eine "Welcome Party" im Bootshaus des RRK geplant, bei
der mit Sicherheit viel Sekt fließen wird.
Zu den Gratulanten am Freitag
zählte nicht nur Oberbürgermeister Stefan Gieltowski sondern auch
Margareta Wolf, Parlamentarische Staatssektretärin im Umweltministerium.
Der eingefleischte Hockey-Fan Gieltowski, dessen Büro in ständigem Kontakt
mit den RKK-Spielerinnen in Athen stand und der das Finale vor dem
heimischen Bildschirm erlebte, sagte am Freitag: "Meine Daumen waren vom
Drücken fast blau." Gieltowskis besondere Glückwünsche galten Silke
Müller, die Franzi Gude die Vorlage zum vorentscheidenden 2:0 geliefert
hatte. Die drei Siegerinnen will er am kommenden Freitag zu einem Empfang
ins Rathaus einladen: "Sie hatten Biss und haben im schnellen Spiel den
Niederländerinnen die Zähne gezeigt", so Gieltowski am Freitag.
Wer sich mehr über Hockey oder
die Spielerinnen informieren möchte, kann "www.rrk-online.de" anklicken.
Dort sind Bilder aus Athen eingestellt, auf denen man die unbändige Freude
der Sportlerinnen sehen kann. Für sie wurde ein Traum wahr, den sie ihr
Leben lang nicht vergessen werden.
Auch im Feiern Olympiasieger
Fans bereiten
Hockey-Golddamen in Frankfurt stürmischen Empfang
Auch die jüngeren Fans möchten
wissen, wie sich eine echte Olympia-Goldmedaille anfühlt.
Denise Klecker vom Rüsselsheimer Ruder-Klub (RRK) zeigt zusammen mit
ihrem Neffen Felix den Fotografen stolz das Edelmetall.
FRANKFURT/RÜSSELSHEIM
Überwältigend war der Empfang für die Deutschen Olympiateilnehmer auf dem
Frankfurter Flughafen. Gestern um 16.25 Uhr landete die Maschine der
Lufthansa mit den Medaillenathleten. Mit dabei auch drei
Hockey-Spielerinnen vom Rüsselsheimer Ruderklub (RRK).
Von Detlef Volk
Die Hockeyfrauen und -männer
sowie die Handballer werden von rund 600 Fans stürmisch begrüßt. Mit von
der Partie sind auch die drei Golddamen Mandy Haase, Denise Klecker und
Silke Müller vom Rüsselsheimer Ruderklub (RRK). "Oh, wie ist das
schön"-Gesänge schallen den Sportlern entgegen, als sie im Terminal aus
der Zollkontrolle kommen. Und sie können es kaum fassen, welcher Empfang
ihnen bereitet wird. "Das habe ich nicht so erwartet, ich bin völlig
überwältigt", sagt Hockey-Abwehrspielerin Mandy Haase (22). Die jüngste im
Team von Bundestrainer Markus Weise strahlt dabei mit ihrer Goldmedaille
um die Wette und wird gleich um Autogramme gebeten.
"Wir waren im olympischen
Endspiel und haben das locker angehen können. Das konnte nur ein Sieg
werden", weiß Silke Müller im Rückblick auf das Endspiel. Die Siegerehrung
wird sie wohl nie vergessen. "Das war überwältigend mit den ganzen Liedern
und so", fügt sie an.
Denise Klecker (32) hatte den
Empfang in etwa erwartet. "Wir wurden im Flieger schon vorgewarnt", gibt
die gebürtige Mainzerin zu. An Ausruhen sei im Flugzeug nicht zu denken
gewesen. "Es gab Ramba-Zamba." Und jetzt wird voll weiter gefeiert. "So
wie die letzten vier Tage halt", freut sie sich schon auf dem Empfang im
RRK-Bootshaus in Rüsselsheim: "Ich weiß, die Rüsselsheimer können feiern."
Die Mainzer übrigens auch, wie einige kleine und große Fans von TSV Schott
Mainz lautstark beweisen. Neben den vielen Freunden und Vereinskameraden
hat sich auch Hessens Innenminister Volker Bouffier zur Begrüßung
eingefunden. Vom Deutschen Hockey-Bund ist Schiedsrichter-Obmann Claude
Seidler gekommen, der die Leistung der Damen nicht genug würdigen kann.
"Das war sensationell, wie in dem überragenden Endspiel Gold gewonnen
wurde", sagt er.
Uwe Bernecke, Marketingchef des
Deutschen Hockey-Bundes, freut sich, dass "endlich einmal die Damen im
Rampenlicht stehen". Das sei vor allem für den Verband schön, erinnert
Bernecke an die Europameisterschaft der Männer im nächsten Jahr in Leipzig
und die Ausrichtung der Weltmeisterschaft im Jahr darauf.
Sirtaki, Siegeslaune, Superstimmung
Am Flughafen und im
RRK-Bootshaus: Party ohne Ende für die Goldmedaillengewinnerinnen
‒
Fans und Verein bereiteten
den Hockey-Goldmedaillengewinnerinnen vom Rüsselsheimer Ruder-Klub gestern
am Flughafen und im Bootshaus einen überwältigenden Empfang.
Stolz präsentieren Silke Müller,
Denise Klecker und Mandy Haase bei der Ankunft aus Athen auf dem
Frankfurter Flughafen ihre Goldmedaillen.
|
Von Detlef Volk und Lars
Hennemann
Die echten Fans der
Hockey-Golddamen und vor allem der drei RRK-Spielerinnen Mandy Haase,
Denise Klecker und Silke Müller waren am Flughafen ganz einfach
auszumachen: Sie hatten kaum noch Stimme. Von den Siegespartys wurden die
Stimmbänder gewaltig strapaziert.
Wie auch bei den Spielerinnen
selbst. "Die Stimme und die Gesundheit leiden schon ein bisschen", strahlt
Denise Klecker im Gespräch mit der "Main-Spitze". Vier Tage und vier
Nächte wurde durchgefeiert, und gestern ging es nach der Ankunft auf dem
Flughafen im RRK-Bootshaus in Rüsselsheim nahtlos weiter.
Selbst der Heimflug war für die
Medaillengewinnerinnen keine Erholung gewesen. "Wir durften nicht
schlafen, da wurde jeder sofort ausgebuht", beschreibt Klecker das raue
Leben einer Siegerin. Auch die Hockey-Bronzemänner und die
Silber-Handballer waren mit dieser Maschine gekommen. Jetzt müsse sie wohl
ihr Leben etwas umstellen, vermutet Klecker. Denn das Feiern werde in
dieser Woche wohl noch nicht aufhören: "So langsam verliere ich etwas den
Überblick", gibt sie offen zu. Und lächelt trotzdem in die Kamera, begrüßt
Freunde oder gibt Autogramme.
Die Goldmedaillen des RRK-Trios
will natürlich jeder anfassen. "Ganz schön schwer", ist dann meist der
Kommentar. Was aber Haase, Müller und Klecker nichts ausmacht. Bisher
haben sie die Medaillen seit der Siegerehrung noch nicht abgelegt. "Beim
Schlafen liegt sie auf meinem Bauch", verrät Klecker. Wo die Medaillen
später ihren Platz bekommen, darüber haben sich die drei noch keine
Gedanken gemacht. Einen Ehrenplatz bekommen sie aber sicher. "Vielleicht
über dem Bett, zusammen mit dem Olivenkranz", meint Mandy Haase noch ganz
überwältigt vom Empfang der rund 600 Fans auf dem Flughafen.
Überglücklich schließt Begona
Müller ihre Tochter Silke in die Arme. Sie hatte sich kurzfristig nach
Athen aufgemacht, war live beim Endspiel dabei. Und entschuldigt sich für
ihre Stimme: "Ich bin heiser vom Schreien." Das Gefühl im Stadion sei
überwältigend gewesen, erzählt sie. "Ein Sechser im Lotto kann nicht so
schön sein", versucht die Mutter den Olympiasieg einzuordnen. Auch der
RRK-Nachwuchs hatte die Spielerinnen mit aufgeblasenen Hockeyschlägern und
Deutschlandfähnchen enthusiastisch begrüßt.
Im Bootshaus brachen dann beim
Empfang gestern Abend endgültig alle Dämme. Sirtaki folgte auf Sirtaki,
aus den Lautsprechern dröhnte Tina Turners "Simply the Best". Silke Müller
hielt eisern an ihrem schon etwas ramponierten Olivenkranz fest, Denise
Klecker tanzte ausgelassen, Mandy Haase jubelte und sprintete durch den
Saal, als hätte sie noch Kondition für ein weiteres Finalspiel.
Und alle gaben sie Interview um
Interview, für Fernsehen, Radio und Zeitung. "Die drei
Goldmedaillengewinnerinnen tragen den Namen des RRK und den Rüsselsheims
weit in die Welt hinaus", hatte Oberbürgermeister Stefan Gieltowski in
seinem Glückwunsch an das Gold-Trio formuliert. Wer im Bootshaus dabei
war, konnte sehen, wie recht er damit hatte.
" Das
ist irre, einfach unbeschreiblich"
Ob der Erfolg nun Zulauf von
Jugendlichen bringt, bleibt abzuwarten
So richtig konnten sie es auch
am Montagabend noch nicht fassen. „Bei mir hat es 48 Stunden gedauert, bis
ich es begriffen habe. Bei Mandy dauert es wahrscheinlich bis Peking
2008“, zeigte sich Hockey-Nationalspielerin Denise Klecker bei der
lautstarken Fete im Bootshaus des Rüsselsheimer Ruder-Klubs bestens
aufgelegt.
Kein Wunder, denn gemeinsam mit
ihren Vereinskolleginnen Mandy Haase und Silke Müller hat sie geschafft,
was niemand für möglich gehalten hätte: den Olympiasieg im Feldhockey. Für
Denise Klecker war es ein Abschluss ihrer internationalen Karriere, wie er
schöner nicht hätte sein können. „Das ist irre, einfach unbeschreiblich“,
jubelte die Abwehrspielerin.
Nach der Nichtberücksichtigung
für das Olympia-Qualifikationsturnier in Neuseeland hatte ihr Rüsselsheims
Hockey-Legende Fritz Schmidt beim Hallen-Europacup geraten, weiter hart zu
trainieren und sich überzeugt gezeigt, dass sie es noch ins Team schaffen
könne.
„Für sie hat es mich am meisten
gefreut“, so Schmidt, der 1972 wie Peter Kraus und Rainer Seifert zu dem
Team zählte, das gegen Pakistan überraschend Gold gewann. „Auch wir haben
damals zwei schlechte Spiele gemacht und es dennoch gepackt“, erinnerte er
sich.
1992 stand dann Torhüter
Christopher Reitz in der Mannschaft, die in Barcelona den Olympia-Sieg
errang, nun feierte der RRK die Olympiasieger fünf bis sieben.
Entscheidend für den unerwarteten Erfolg sei die mannschaftliche
Geschlossenheit gewesen, erklärten alle drei Goldfrauen.
„Der Team-Spirit war riesig“,
so Denise Klecker, die auf Bronze gehofft hatte. Gar nichts ausgerechnet
hatte sich Mandy Haase, die im Jahr 25.000 Kilometer zum Training nach
Rüsselsheim fährt. „Ich stapele immer eher tief. Bei der Gruppe war es
allerdings nicht sehr realistisch, überhaupt ins Halbfinale zu kommen.“
Nach dem 0:3 gegen Südafrika schien alles gelaufen, die Stimmung
dementsprechend weit unten. „Wie wir uns da rausgepuscht haben, ist
erstaunlich.“
Für die letzten Partien musste
sie gespritzt werden, weil sie beim Aussteigen aus dem Bus umgeknickt war
und Verdacht auf Bänderriss bestand. „Es war riskant zu spielen. Aber
Olympia ist eine einmalige Chance. Ich hätte es bestimmt bereut, wenn ich
es nicht gemacht hätte.“ Ab Donnerstag will die Heidelbergerin nun mit
ihrem Freund in ihrer Geburtsstadt Leipzig ausspannen.
Die Frage nach den beiden
schwächeren Spielen schob Silke Müller selbstbewusst bei Seite. „Wir haben
auch vier Mal richtig gut gespielt.“ Der Halbfinaleinzug mit sechs Punkten
aus vier Spielen sei glücklich gewesen, doch habe sich schon nach dem
3:2-Auftaktsieg gegen Australien Eigendynamik entwickelt.
„Wir haben nur von Spiel zu
Spiel gedacht, wollten es nach dem 0:3 gegen Südafrika allen zeigen. Und
vor dem Finale habe ich gesagt, dass ich den Holländern Gold nicht
freiwillig umhänge. Das hätten sie sich schon holen müssen.“
Mandy Haase erhofft sich vom
Olympiasieg einen Schub für den Nachwuchs. „Der hat gesehen, dass immer
etwas drin ist.“ Ähnlich äußerte sich Vereinstrainer Berti Rauth, der die
Rüsselsheimer Frauen zu 14 deutschen Meisterschaften und 16
Europapokal-Erfolgen geführt hat: „Das ist eine Riesenmotivation. Die
Mädchen müssen jetzt infiziert sein, das auch wollen.“
Bei aller Freude betrachtet
Abteilungsleiter Martin Müller die Sache ein wenig nüchterner: „Es ist
noch zu früh, etwas zu vermuten. Für die nationale und internationale
Schiene, für das Interesse in den Medien ist das sicher gut. Ob es sich
regional auswirkt und wir Zulauf von Jugendlichen bekommen, bleibt
abzuwarten. In den vergangenen Jahren war der Trend im Frauenbereich
leider ein anderer“.
Jörg Monzheimer
Das Geständnis: "Der RRK liebt Euch"
Rauschendes Fest für die
drei Goldmedaillengewinnerinnen von Athen / Lob für Verein, Trainer und
Sportlerfamilien
gir. Mitten im Getümmel der überschäumenden Willkommensfete, die der RRK
am Montagabend mit seinen drei Goldmedaillengewinnerinnen feierte, durften
auch Larissa Freibert und Alana Klettenheimer aus der Hockey-Jugend das
olympische Gold von Denise Klecker einmal anfassen. Mit Ehrfurcht nahmen
sie die Medaille in die Hand. Dabei strahlten ihre Augen immer heller, als
würde in diesem Moment etwas von dem Geist an sie weitergereicht, der die
Olympiasiegerinnen zu ihrem Erfolg in Athen getragen hatte. "Cool" sei es
gewesen, die Medaille anzufassen, sagten die zwei danach der
"Main-Spitze". Zumal sie zunächst nicht gedacht hätten, dass ihre
Vorbilder das olympische Turnier tatsächlich gewinnen würden.
Hochstimmung:
Der Rüsselsheimer Ruder-Klub feierte die Hockey-Olympiasiegerinnen,
von links Silke Müller, Denise Klecker und Mandy Haase.
|
Auch die Offiziellen des
Vereines waren am Montagabend, was das Prozedere betraf, einfach cool.
Angesichts der schier nicht enden wollenden Tänze, Gesänge, Umarmungen,
Gratulationen und Interviews genossen sie erst einmal das Fest im
schwarz-rot-golden geschmückten Saal des Bootshauses und drumherum. Mitten
im Trubel gratulierten auch Rainer Seifert und Fritz Schmidt ("Ihr habt
alles richtig gemacht!") den Olympiasiegerinnen. Gemeinsam mit Peter Kraus
gehörten die beiden früheren Hockeyspieler des RRK zu dem deutschen Team
der Männer, das 1972 in München olympisches Gold gewann. Der ehemalige
RRK-Spieler Christopher Reitz wurde 1992 in Barcelona Olympiasieger.
Anderthalb Stunden ließen sich
Vorstand und Abteilungsleitung Zeit, ehe sie die von TV-Kameras grell
beleuchtete und von den DJs heftig beschallte Party unterbrachen, um Silke
Müller, Denise Klecker und Mandy Haase offiziell willkommen zu heißen.
"Der RRK liebt Euch", brachte der Zweite Vorsitzende, Horst Ackermann, die
Gefühlslage des Vereines auf den Punkt und gratulierte zum Olympiasieg mit
Blumen. Er entschuldigte den Ersten Vorsitzenden, Prof. Dr. Dietmar
Klausen, der wieder einmal "Pech mit der Terminplanung hatte" und sich den
historischen Empfang entgehen lassen musste, weil er derzeit in Urlaub
ist.
"Einen unglaublichen Erfolg"
nannte Hockey-Abteilungsleiter Martin Müller den Olympiasieg. Allerdings
habe ihn Denise Klecker bereits vor dem Abflug nach Athen daran erinnert,
dass Außenseiter Griechenland bei der Fußball-EM in Portugal eine ähnliche
Überraschung gelungen sei. Müller dankte den Eltern der Spielerinnen für
ihr Engagement, das ebenso zu diesem Olympiasieg beigetragen habe wie die
Arbeit von Berti Rauth, Trainer des überaus erfolgreichen RRK-Teams, zu
dem die drei Spielerinnen gehören.
"Wenn mir die Worte fehlen,
dann heißt das schon was", freute sich Olympiasiegerin Silke Müller über
so viel Zuneigung und Begeisterung. "Ihr habt alle dazu beigetragen, dass
wir hier stehen", dankte sie mit olympischem Lorbeer im Haar allen im
Verein und ihrer Familie. Denise Klecker, mit einer goldenen Pappkrone auf
dem Haupt, ließ die Anwesenden anschließend noch ein lautes "Trullala" zu
Ehren des Trainers Berti Rauth anstimmen. Dann ging die rauschende
Willkommensparty weiter, bis tief in die Nacht hinein.
Die
"Main-Spitze" am 04.09.2004:
"RRK glänzendes Beispiel"
Rüsselsheimer Hockey-Nationalspielerinnen im
Rathaus empfangen
ade. Es war schon eine gehörige
Portion Stolz, die in der Rede von Oberbürgermeister Stefan Gieltowski
(SPD) am Freitagabend beim Empfang der Hockeynationalspielerinnen des RRK
im Rathaus mitschwang: "Rüsselsheim hat einen Stellenwert in der
Sportwelt", so seine Überzeugung.
Die RRK-Spielerinnen Denise
Klecker und Silke Müller - Mandy Haase war leider verhindert - standen im
Mittelpunkt des Interesses beim Empfang mit rund 40 Stadtverordneten und
Ruderklubmitgliedern, Fotos wurden gemacht und natürlich die Goldmedaillen
angefasst. "Eine Goldmedaille hat man ein Leben lang um den Hals", sagte
Klecker lachend im Bewusstsein, dass das Interesse so schnell nicht
abebben werde.
Gieltowski lobte in seiner Rede
selbstverständlich die "Golden Girls" vor allem für ihren hohen zeitlichen
Aufwand, der mit dem Sport verbunden sei. Gleichzeitig sah er aber auch
den "Grundstock dieser Erfolge in einer soliden Vereinsarbeit": Der RRK
sei die Kaderschmiede des Hockeysports. "Für mich ist der RRK ein
glänzendes Beispiel dafür, wie Spitzensport und engagierte Jugendarbeit in
Verbindung zu bringen sind."
Der RRK kann auf eine
bemerkenswerte Bilanz bei olympischen Spielen zurückblicken: Seit 1968
haben an jeder Olympiade Mitglieder teilgenommen, je sieben Gold- und
Silbermedaillen konnten seither gewonnen werden. Gieltowski wünschte sich,
dass die Werbekraft für den Sport und die Stadt anhalte. Zudem appellierte
er an die "Funktionäre aus Sport und Politik", die mit den
Olympiasiegerinnen das Rampenlicht genössen, sich auch über den Erfolg
hinaus um die Spielerinnen zu kümmern. "Die Unterstützung kann nicht am
Spielfeldrand enden." Der OB spielte darauf an, dass Klecker und Müller
derzeit beide arbeitslos sind.
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