Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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"Bye, bye  Britta"

Mehr als eine übliche Abschiedsfeier (06.02.2000)

 

von Martin Krieger          


Berti Rauth, der bisweilen am Spielfeldrand so hart sein kann, hat unter seiner rauhen Schale offenbar einen ganz weichen Kern. Als die Rüsselsheimer Walter-Köbel-Halle nach der Ehrung für die Damen des Berliner HC als 39. Deutscher Meister den Abschied für Britta Becker vom Rüsselsheimer RK zelebriert, brechen bei ihrem langjährigen Trainer und Mentor alle Dämme. Er schlägt die Hände vors Gesicht, Tränen rollen ihm über die Wange. "Dass ich so reagieren würde, hätte ich selbst nicht geglaubt. Aber das war alles so ergreifend, dass ich gar nicht anders konnte", erklärt Rauth später.

Wie ihm, dem Bundestrainer, dürfte es vielen in diesem oder den folgenden Momenten gegangen sein. Mit Britta Becker verlässt schließlich in wenigen Tagen nicht nur eine Ausnahmespielerin den Rüsselsheimer Ruder-Klub, sondern auch ein Mensch, auf den die häufig benutzte und ebenso häufig missbrauchte Bezeichnung "Vorbild" passt. "Sie hat menschlich ihren Weg gemacht", sagt Rauth. So etwas prägt auch andere: Dass der RRK künftig das Trikot mit der Rückennummer 12 so bald nicht mehr vergeben will, ist mehr als ein Beleg dafür, welch große Lücke Brittas Wechsel zum Großflottbeker THGC reißt.

Folgerichtig ließ der Verein seine Vorzeigefrau nach 18 Jahren nicht sang- und klanglos gehen. Besonders herzlich ging es am Abend nach der Endrunde zur Sache: Der Klub, ihre Teamkolleginnen und Freunde bereiteten der Nationalspielerin einen Abschied, der gänsehautverdächtig war.

Im VIP-Bereich der Köbel-Halle, in dem der RRK seinem Aushängeschild eine Abschiedsparty bereitete, drängten sich viele, die der Ausnahmespielerin noch einmal ihre Referenz erweisen wollten. Fast alle kamen, und Britta Becker ertrug es mit Rührung und Würde, obgleich es bisweilen den Anschein hatte, als ob es für sie bisweilen ein bisschen zu viel des Guten war. "So viel Ehre für mich, das hatte ich nicht erwartet. Denn es ist dies doch nicht mein Erfolg gewesen, sondern der des ganzen Teams. Aber es ist einfach wunderschön", so Becker.

Zuvor hatten diverse Honoratioren kurze Reden gehalten und Geschenke überreicht. Rüsselsheims Oberbürgermeister Stefan Gieltowski übergab ein Buch mit dem Titel "Emotionen", weil ihre Leidenschaft für den Sport schließlich auch etwas mit Gefühl und Seele zu tun habe. Dieter Nachtigall, Leiter des Sportamtes, hatte symbolträchtige Dinge mitgebracht. Einen Regenschirm, weil er aus eigener Erfahrung - eine Tochter lebt in Hamburg - um die häufigen Regentage weiß, und dazu ein Modellflugzeug aus der Lufthansaflotte, das, auf den Namen "Rüsselsheim" getauft, ihr immer wieder den Weg nach Hause weisen solle. Klubpräsident Dietmar Klausen hatte seinen Worten der Würdigung einen Blumenstrauß angefügt. Und DHB-Präsident Dr. Christoph Wüterich erinnerte daran, dass manchen im RRK vor 20 Jahren die Schweißperlen auf der Stirn gestanden hätten, als Berti Rauth seinerzeit mit Training im bis dahin beim Rüsselsheimer Traditionsclub verwaisten weiblichen Bereich begonnen habe, von den vielen Erfolgen ganz zu schweigen. Für den DHB, so Wüterich, sei dieser Tag indes viel weniger wehmütig, da Britta dem Verband ja erhalten bleibe.

Keine Frage, der RRK verliert viel, wenn Britta Becker Ende Februar nach dem 11. Europacupturnier der Hallen-Landesmeister endgültig gen Hamburg zieht, wo sie schon seit Herbst vergangenen Jahres mit Ehemann Johannes B. Kerner und Tochter Emily lebt.

Mit der 26-Jährigen verlässt jemand den Verein, der wie kaum eine andere Spielerin für die Erfolge im Damenhockey steht, ja Klubgeschichte geschrieben hat. Was hat sie nicht alles erreicht im Trikot ihres RRK, mit einer Ausnahme - dem DHB-Pokal - sämtliche Titel abgeräumt, die national wie international für Vereinsmannschaften ausgelobt werden.

"Jede Technik, die beherrschst Du, Hockey ist ein Teil von Dir. Alle spielen mit dem Herzen, und ganz oben steht das Wir. Britta, schade dass du gehst!" Aus dem Abschiedssong der RRK-Damenmannschaft, der in einem professionellen Tonstudio aufgenommen wurde.
Tanja Dickenscheid, Berti Rauth, Britta Becker, Friederike Barth
Britta Becker mit ihren jugendlichen Hockeyfans vor einer großen Bilderwand

Sollte Ende Februar in Cambrai der Europapokal abermals verteidigt werden, wäre es der 21. stattliche Erfolg seit 1990. Das hätte sich Britta Becker nie träumen lassen. "Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich 'mal Europacup-Siegerin werden würde, hätte ich ihn ausgelacht", sagt sie. Und dann: "Das Team", sagt sie, "das Team ist spitze. Ich bin stolz, dass wir das alles geschafft haben." So spricht jemand, dem der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen ist.

Wie hieß noch die Passage im Song ihrer Teamkolleginnen? "Alle spielen mit dem Herzen, und ganz oben stehen Wir." "Wir" meint: Wenn Britta Becker jetzt wechselt, dann wird immer ein Teil von ihr in Rüsselsheim bleiben. Obwohl sie beim Großflottbeker THGC, ihrem neuen Verein, schon jetzt herzlich aufgenommen wurde. "Meine Mannschaft wird immer der RRK bleiben und wird mir fehlen. Und schon allein wegen meiner Familie werde ich immer wieder gerne nach Rüsselsheim kommen."

Doch als der eigens komponierte Abschiedssong ein weiteres Mal erklang, den ihre Teamkameradinnen im Tonstudio eines Profimusikers aufgenommen hatten, musste auch Britta Becker wieder zum Taschentuch greifen. Textprobe: "Jede Technik, die beherrschst Du, Hockey ist ein Teil von Dir. Alle spielen mit dem Herzen, und ganz oben steht das Wir. Britta, schade dass du gehst!" Keine Frage, das war mehr als eine übliche Abschiedsfeier.