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Über Mitglieder des
RRK (1992)
Tanja Dickenscheid |
Der vorolympische
Medienrummel hat gemischte Gefühle hervorgerufen
Tanja Dickenscheid sieht in der Olympiade
vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere
Von Stephen Lämmerhirt
(aus "Main-Spitze" vom 15.07.1992)
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Den Eignungstest als Medienstar
hat sie bereits mit Bravour bestanden. Allerdings blickt Tanja Dickenscheid
(Rüsselsheimer RK) mit gemischten Gefühlen auf das vorolympische Interesse von
Presse, Rundfunk und Fernsehen an ihrer Person. Denn letztlich ist es nicht nur
"ein gutes Gefühl, einmal im Mittelpunkt zu stehen, sondern auch etwas lästig".
Zumal, wenn gerade die wenigen Tage, an denen sich die 23jährige von der
Hockey-Bundesliga und den Nationalmannschaftsaufgaben erholen könnte, angefüllt
mit Interviewterminen sind.
An dem Tag, als das Gespräch mit der
"Main-Spitze" vereinbart war, lief die
Biologie-Studentin gleich mit einem Filmteam des Hessischen Rundfunks ein, das ein "Special" von ihr drehen wollte. Geduldig und erheblich
souveräner als ihr Gesprächspartner von der örtlichen Presse, meisterte sie die
teils gestellten Szenen, die sich das Fernsehteam so ausgedacht hatte. Auch
mehrfache Wiederholungen wurden noch mit einem fröhlichen Lächeln quittiert.
Das I-Tüpfelchen dieses Sportjahres wäre sicherlich, wenn am 7. August in
Terrassa bei Barcelona die schwarz-rot-goldene Fahne den Mast heraufgezogen und
dazu die deutsche Nationalhymne erklingen würde. Dann wäre ein Traum in
Erfüllung gegangen; die deutsche Damen-Nationalmannschaft hätte die Goldmedaille
bei den olympischen Spielen gewonnen. Der Run der Medien, der dann auf Tanja
Dickenscheid und ihre vier Vereinskolleginnen einsetzen würde, wäre kaum
auszudenken.
Doch soweit ist es längst noch nicht. Zunächst herrscht bei der RRK-Stürmerin
erst einmal große Freude, überhaupt mit dabei zu sein. Schließlich ist es für
Tanja Dickenscheid nach 64 Länderspielen, einem achten Rang bei der
Weltmeisterschaft und zehn Toren im Nationaldress die Premiere bei olympischen
Spielen. Und erst einmal führt der steinige Weg ins Halbfinale über Gastgeber
Spanien, Titelverteidiger Australien und Kanada. "Alle drei Gegner dürfen
wir keinesfalls unterschätzen. Es wird sicherlich verdammt schwer, die Vorrunde
überhaupt erfolgreich zu überstehen", bleibt sie zurückhaltend, wenn sie auch
meint, daß alle drei Kontrahenten durchaus schlagbar seien. "Ein Ausscheiden
nach den Gruppenspielen wäre schon eine riesige Enttäuschung", meint sie.
Ihr Länderspieldebüt gab Tanja Dickenscheid im altehrwürdigen Wembley-Stadion im
März 1989 vor der gewaltigen Kulisse von 25.000 Zuschauern. Im sogenannten
"Match of the year" unterlag Deutschland dem Gastgeber Großbritannien zwar 2:3.
Doch der Neuling feierte einen gelungenen Einstand. Denn sie zeigte nicht nur
eine gute Gesamtleistung, sondern schoss auch gleich ihr erstes Tor.
Drei Jahre später zählt Tanja Dickenscheid längst zu den festen Größen von
Bundestrainer Rüdiger Hänel. Im Nationalteam spielt sie im linken defensiven
Mittelfeld und ist vielfach mit Deckungsaufgaben betraut. "Diese Position liegt
mir sehr, da ich von Hause aus eigentlich Abwehrspielerin bin. Ich spiele gerne
aus der Deckung heraus nach vorne. Dort liegen auch meine Stärken, während ich
im Abschluss doch so meine Probleme habe", ist sie sichtlich mit ihrer Aufgabe
zufrieden.
Und wer ihren letzten Bundesliga-Auftritt vor der Sommerpause gegen Eintracht
Frankfurt miterlebte, findet ihre Meinung bestätigt. Sie verdammte immerhin eine
Spielerin wie Natella Krasnikowa zur Bedeutungslosigkeit. "Berti Rauth hat mich
halt beim RRK zu einer Stürmerin umfunktioniert. Nur ab und zu werde ich in der
Vereinsmannschaft mit der Sonderbewachung einer bestimmten Spielerin betraut",
beschreibt Tanja Dickenscheid die Unterschiede zwischen Klub- und Nationalteam.
Begonnen hat sie ihre
Sportlaufbahn mit sieben Jahren bei der Spvgg.
Gau-Algesheim. Von dort wechselte sie 1985 zum Ruder-Klub, bei dem in ihrem
ersten Aktivenjahr die harte Ersatzbank wartete. Erst zwei Jahre später hatte
sie sich den ersehnten Stammplatz und ein halbes Jahr darauf den Sprung in den
nationalen C-Kader erkämpft. Immer wieder von Verletzungen gepeinigt, biss sie
sich durch. Nach Barcelona geht Tanja Dickenscheid nun fit und bis in die
Haarspitzen motiviert.
Mehr als eine halbe
Hockey-Mannschaft aus Rüsselsheim in Barcelona
Von Britta Becker über Tanja
Dickenscheid, Eva Hagenbäumer, Susanne Müller, Bianca Weiß und Anke Wild bis
Christopher Reitz
Von Ulrich Weber und
Hans-Jürgen Kalweit (aus "Darmstädter Echo" vom 28.07.1992)
Rüsselsheim im olympischen Fieber -
nicht überraschend, denn nur wenige deutsche Städte sind mit so vielen Sportlern
in Barcelona vertreten. Verantwortlich dafür sind neben dem Judoclub vor allem
die Hockeyspieler vom Ruder-Klub, aus dem sich ‒ rechnet man die nach Berlin
gewechselte Anke Wild hinzu ‒ gleich sechs Nationalspielerinnen rekrutieren. Mit
Christopher Reitz wurde zudem auch ein Mitglied aus dem RRK-Herrenteam für die
Olympia-Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) nominiert.
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Deutsche
Damen-Hockey-Nationalmannschaft, Silbermedaille Olympische Spiele 1992 in
Barcelona (Susanne Wollschläger, Caren Jungjohann, Tina Peters, Britta
Becker, Katrin Kauschke, Eva Hagenbäumer, Bianca Weiß, Nadine
Ernsting-Krienke, Heike Lätzsch, Anke Wild, Irina Kuhnt, Susanne Müller,
Simone Thomaschinski, Tanja Dickenscheid, Franziska Hentschel, Christine
Ferneck) |
Britta Becker ist gerade 19
Jahre alt geworden und erfüllt doch schon eine zentrale Rolle in der
Nationalmannschaft. Experten rühmen die Abiturientin, die bereits mit 16 ihr
Debüt gab und es mittlerweile auf 70 Länderspiele gebracht hat, als eine der
technisch besten Spielerinnen der Welt. Dass sie Begegnungen allein entscheiden
kann, hat sich herumgesprochen: Nicht selten hat sie es mit gleich zwei direkten
Gegenspielerinnen zu tun. Was Britta Becker weniger mag: Den stetig größer
werdenden Rummel um ihre Person. Die blendende Technikerin will kein Star sein ‒
und sie kann nicht verlieren: "Es ärgert mich, wenn Leute fünf Minuten nach
einer Niederlage schon wieder lachen."
Tanja Dickenscheid gilt als
"Arbeitsbiene" im Nationalteam: Bundestrainer Rüdiger Hänel schätzt an ihrer
Spielweise vor allem Laufstärke und Athletik. Die 23 Jahre alte
Biologiestudentin, die aus dem rheinhessischen Gau-Algesheim stammt, agiert im
Mittelfeld und ist taktisch vielfältig einsetzbar - auch dann, wenn es gilt,
eine gegnerische Spielmacherin auszuschalten. 64 Länderspiele hat Tanja
Dickenscheid absolviert - und es scheint sicher, daß sie auch in Barcelona eine
tragende Rolle spielt. Das einzige, was sie bedrückt: Sie hätte gerne ihren
Freund Eric Zymna, Judoka beim JC Rüsselsheim, im Olympischen Dorf an ihrer
Seite gehabt. Doch der verpasste die Nominierung knapp.
Eva Hagenbäumer
bekennt: "Ich will in Barcelona spielen." Die 25 Jahre alte Krankengymnastin,
eng befreundet mit dem Rüsselsheimer Hockeykollegen Fritz Schmidt junior, hat
derzeit keinen Stammplatz in der ersten Formation. Bundestrainer Hänel bevorzugt
andere Spielerinnen in der Innenverteidiger-Position. Aber Eva Hagenbäumer hat
gelernt zu kämpfen und will durch gute Trainingsleistungen zurück in die erste
Elf. Ihr Nachteil in der Vorbereitung war, dass sie mehr Wert auf ihre berufliche
Ausbildung gelegt hatte und daher den Sport ein wenig in den Hintergrund gerückt
hat. "Mein Spiel lebt mehr vom Kämpferischen als vom Technischen", meint sie.
Sie wird den Kampf um einen Stammplatz aufnehmen. Barcelona ist für sie
Höhepunkt ihrer internationalen Sportkarriere.
Was danach kommt? Auf
jeden Fall weiter Hockey beim RRK ‒ und zum Hobby vielleicht Golf. Ihre Eltern
spielen es (in Wiesbaden, woher sie stammt), Fritz Schmidt junior spielt es. Und
auch Ex-Hockey-Nationalspieler Fritz "Schimmi" Schmidt, der Senior. Und der sagt
über Eva Hagenbäumers erste Versuche: "Die Eva, die hat Talent."
Susanne Müller wechselte im
vergangenen Jahr vom Hanauer THC zum Rüsselsheimer RK. Ein richtiger Entschluss,
denn damit rückte sie in den Blickpunkt des Bundestrainers und sicherte sich
ihre Olympia-Fahrkarte. Von vielen wurde die Nominierung der 20 Jahre alten
angehenden Krankengymnastin als Überraschung bezeichnet ‒ sie selbst war sich da
schon sicherer, denn Bundestrainer Rüdiger Hänel, den sie schon aus der
Jugendauswahl kennt, "weiß genau was ich kann". Das große Plus von Susanne
Müller ist ihre Vielseitigkeit in Mittelfeld und Abwehr, so dass sie sich Chancen
als Einwechselspielerin ausrechnen darf.
Bianca Weiß ist sicherer
Rückhalt im Rüsselsheimer Bundesligateam, doch in der Nationalmannschaft ist die
24jährige nur Nummer zwei hinter Susi Wollschläger vom Club Raffelberg Duisburg.
Mit ihrer Rolle als Reservistin weiß sie zu leben, zumal ihre Konkurrentin sich
mit dem Gedanken trägt, ihre Länderspielkarriere nach den Olympischen Spielen zu
beenden. Bianca Weiß, die in Frankfurt Chemie und Sport studiert, hat sich in
den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, vor allem das rechtzeitige
Herauslaufen ist ihre Stärke. Ihr Debüt im A-Nationalteam gab sie im März
1989, seitdem hat sie in 20 Begegnungen ihr Können nachhaltig unterstrichen.
Anke Wild war einst die
tragende Figur im Rüsselsheimer Damenhockey. Die Spielführerin setzte die
Vorstellungen von Trainer Berti Rauth auf dem Spielfeld um, rückte bald ins
Blickfeld der DHB-Auswahl. Pech für den RRK: Als sie den Berliner
Nationalspieler Andreas Keller (Sohn des Olympiasiegers von 1972, Carsten
Keller) kennenlernte, wechselte sie zu ihrem Freund nach Berlin. Anke Wild ist
die einzige Mutter in der DHB-Auswahl. Der 16 Monate alte Sohn Felix wird von
den Großeltern betreut, während die Eltern in Barcelona um Medaillen spielen.
Die 24 Jahre alte Pädagogikstudentin feierte nach ihrer Babypause ein
bemerkenswertes Comeback und hat sich im Nationalteam wieder eine
Spielmacher-Rolle erkämpft.
Eröffnungsfeier Barcelona 26.07.1992 |
Christopher Reitz sprang in
letzter Minute auf den Olympia-Zug, denn eigentlich war sein Mülheimer Kollege
Markus Steinwachs als zweiter Torhüter hinter dem Limburger Michael Knauth
vorgesehen. Doch der gerade 19 Jahre alt gewordene RRK-Schlußmann überzeugte
Bundestrainer Paul Lissek bei seinen ersten Einsätzen im A-Team auf der
Länderspielreise in Malaysia. Der Abiturient ist der einzige Zweitligaspieler im
DHB-Team, will aber dennoch beim RRK bleiben: "Berti Rauth hat mit seiner
Nachwuchsarbeit das richtige Konzept. In ein paar Jahren spielen wir sicher
wieder um die deutsche Meisterschaft mit."
Aus "Main-Spitze" vom
06.08.1992:
Hänels Twens greifen nach Gold
Hockey-Damen im Finale gegen
Spanien / Selbstbewusstes Top-Team geworden
"Auf", sagte Anke Wild, "wir laufen
noch eine Ehrenrunde!" Und dann machte sich die ganze Mannschaft noch einmal
ausgelassen winkend auf den Weg durch das Stadion. Dorthin, wo die Fans und
Freunde sangen. Zu schön war der Moment des Sieges, als dass sie schon in die
Katakomben verschwinden wollten. 2:1 (1:1) gegen Großbritannien gewonnen, das
Endspiel gegen Spanien erreicht - die deutschen Hockey-Damen schwebten zu Recht
auf "Wolke sieben".
"Das war eine Superleistung", freute
sich Trainer Rüdiger Hänel, der die Mannschaft optimal auf die zweikampfstarken
Britinnen eingestellt hatte. "Wir haben versucht, jeden Ball mit dem Schläger
abzudecken, dadurch wurden die Briten immer zu Stockfouls gezwungen, das hat sie
natürlich genervt." Für das Finale gegen Gastgeber Spanien kündigte der Bonner
an: "Die werden sich gewaltig nach uns richten müssen."
Von einer Truppe verunsicherter
Spitzentalente haben sich die deutschen Hockey-Twens in zehn olympischen
Turniertagen zu einer selbstbewussten Topmannschaft gemausert. "Ich weiß gar
nicht, warum ich auf das Tor geschossen habe", schilderte die überragende
Rechtsaußen Heike Lätzsch, die auch das 1:0 durch Nadine Ernsting-Krienke
vorbereitet hatte, die Entstehungsgeschichte des Siegtreffers. "Sonst gebe ich
immer lieber ab."
Für Rüdiger Hänel ist die
Ex-Leichtathletin, die über ihren vor sechs Jahren bei einem Autounfall tödlich
verunglückten Bruder Carsten zum Hockey kam, eine feste Größe im Team. "Sie ist
eine der besten Außenstürmerinnen, die ich je gesehen habe: schnell, kreativ und
intuitiv", lobt Hänel die 18jährige, die erst mit elf Jahren den Hockeyschläger
in die Hand nahm.
Der Bundestrainer war über das "Coming
out" seiner durchschnittlich erst 22,4 Jahre alten Mannschaft als Goldkandidat
nicht besonders überrascht: "Vom Potential her können sie alle schlagen, das
Problem sind nur die Nerven und die Unerfahrenheit."
Auch im Halbfinale lagen die Nerven
zwischenzeitlich bloß. Gegen Ende der ersten Hälfte erkämpften sich die
Britinnen ein deutliches Übergewicht. Hänel: "Da habe ich gedacht, wir geben das
Spiel noch aus der Hand." Das Gegentor drei Minuten vor dem Wechsel war Resultat
dieses "Mini-Blackouts". "Die Halbzeitpause kam gerade recht", gab
Mittelfeldspielerin Tanja Dickenscheid zu.
Im ersten Turnierspiel gegen Spanien
(2:2) kostete diese Schwäche kurz vor der Pause einen sicheren Sieg. Das soll
sich am Freitag nicht wiederholen: "Wir haben aus der ersten Partie natürlich
unsere Lehren gezogen", kündigte Rüdiger Hänel an. "Für die Spanier wird es
trotz der Publikumsunterstützung sehr schwer. Wir sind jung, passen in kein
System und sind deshalb für jeden Gegner schwer auszurechnen."
Gratulation für Tanja Dickenscheid |
Die Tränen wurden schnell
abgewischt
Deutsche Hockey-Damen ließen
erster Enttäuschung nach der Final-Niederlage Jubel folgen / "Riesenerfolg"
Von Bernd-Dieter Jenrich (aus
"Main-Spitze" vom 10.08.1992)
Tränen kullerten ungehemmt als
Zeichen der ersten Enttäuschung, doch bereits nach kurzer zeitlicher Distanz
sprach Bundestrainer Rüdiger Hänel auch für seine Mädchen: "Die Freude
überwiegt, denn wir haben ein sehr gutes Turnier gespielt." So sahen es
gleichfalls die Fans, die das Damenteam des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) trotz
der 1:2-Niederlage nach Verlängerung im Finale gegen Spanien stürmisch feierten.
Was an Umfang, Leidenschaft und Lautstärke dennoch ein Klacks gegen das war, was
die Anhänger der gastgebenden Mannschaft unter den rund 6.500 Zuschauern im
Hexenkessel von Terrassa nach dem vielfach unerwarteten Triumph veranstalteten.
Der in Anwesenheit von Königspaar
Juan Carlos und Sofia sowie Kronprinz Felipe aber zugleich nicht unverdient war,
wie es auch der Verlierer weitgehend eingestand. "Die Spanierinnen waren ein
bisschen besser", so Hänel, der den ungenutzten Chancen speziell von sechs
Strafecken nachtrauerte, seinen Schützlingen gleichwohl keinen Vorwurf machen
wollte. "Wenn in einem solch bedeutsamen Spiel die Nerven versagen, ist das
verständlich." Lediglich Franziska Hentschel hatte einmal die erforderliche
Nervenstärke bewiesen. Trotz eines gellenden Pfeifkonzerts verwertete die
Leverkusenerin in der zwölften Minute eine kurze Ecke zum zwischenzeitlichen
1:1, nachdem ‒ ebenfalls per Strafecke ‒ Spanien durch Martina Barea in der
achten Minute das 1:0 vorgelegt hatte.
Wenn überhaupt, so wurde es allgemein
im deutschen Lager gesehen, wurde in dieser ersten Halbzeit das Gold verspielt.
Denn mit fortschreitender Dauer wurden die konditionsstärkeren Gastgeberinnen
immer druckvoller und brachten so in der 13. Minute der Verlängerung durch
Eleonora Margall das vielbejubelte 2:1 im Kasten von Susi Wollschläger
(Duisburg) unter.
Dass eventuell die einseitige
Atmosphäre auf den Rängen seiner Elf entscheidend zugesetzt habe, schloss Rüdiger
Hänel (34) aus. "Wenn es so gewesen wäre, hätten wir ja schlecht gespielt, was
aber nicht der Fall war. Wir waren auf eine derartige Stimmung eingestellt."
Vielmehr fehlten seiner "noch sehr jungen Mannschaft die Ausgereiftheit und
Erfahrung, das muss wachsen". Insgesamt bescheinigte der Diplomtrainer seinen im
Durchschnitt 22,4 Jahre alten Girls, das Turnier "mit großer Begeisterung"
bestritten zu haben, "die hat sie hochgehalten".
Ähnlich bewertete Dr. Kurt Schneider
den Auftritt des Teams, dem für den "Riesenerfolg" höchster Respekt zu gelten
habe. "Sicher war es schon ein bisschen enttäuschend, dass es am Ende nur Silber
wurde. Doch die junge Mannschaft hat Zukunft." Dann ermunterte der DHB-Sportwart
die Spielerinnen, sich der in der Kabine bereitgestellen "zwölf Flaschen
Schampus" anzunehmen. Sie sollten zwar ursprünglich mit Getöse nach dem
Goldgewinn geköpft werden, doch nach Abstreifen des gröbsten Frustes mundete der
prickelnde Saft auch so und machte ermattete Geister wieder munter.
Welle der Enttäuschung bei Damen abgeebbt
Rüsselsheims
Olympiateilnehmer von Spielen hellauf begeistert / Fritz Schmidt gratuliert
Christopher Reitz
Von Jürgen Hüpohl (aus
"Main-Spitze" vom 11.08.1992)
Sechs Rüsselsheimer
Medaillengewinner, niemand hätte vor den Olympischen Sommerspielen von Barcelona
damit gerechnet. "Wenn mir einer vor ein paar Monaten gesagt hätte, ich werde
Olympiasieger, hätte ich ihn für verrückt erklärt", strahlt Torwart
Christopher Reitz. Mit einem leuchtenden Blick schaut er auf seine
Goldmedaille, die um seinen Hals baumelt. "Die deponiere ich vorsichtshalber in
einem Safe. Alles andere wäre zu riskant."
"Sechs Medaillen von
den Olympischen Spielen, 1
mal Gold und 5 mal Silber", das bringen sechs RRK-Hockeyspieler/innen von den Olympischen Sommerspielen 1992
in Barcelona mit nach Rüsselsheim (Susanne Müller, Britta
Becker, Christopher Reitz, Bianca Weiß, Eva Hagenbäumer,
Tanja Dickenscheid) |
Mit gerade erst 19
Jahren hat der Abiturient etwas geschafft, wovon andere ihr Leben lang träumen.
Ein Glückwunsch reihte sich gestern auf dem Flughafen an den anderen. Äußerst
herzlich gratulierte auch der Rüsselsheimer Olympia-Gewinner Fritz Schmidt, der
1972 in München zum Hockey-Sieg beigetragen hatte.
"Ich habe im Hunsrück
das Endspiel im Fernsehen gesehen und mich danach zugerichtet", berichtete Fritz
Schmidt und macht dabei eine Trinkbewegung in Richtung Mund. Der vielgelobte
Nachwuchs-Keeper Reitz, in Barcelona beim 2:1-Sieg gegen Argentinien eingesetzt,
überzeugte prompt (unter anderem hielt er einen Siebenmeter) und kann sein Glück
"noch gar nicht fassen". Die beiden vergangenen Nächte hatte das Gold-Team
durchgefeiert, "Olympiaringe" unter den Augen beweisen es. "Da blieb keine Zeit
zum Verarbeiten des Erfolges". Aber Olympia, das "war einfach ein wunderschönes
Erlebnis".
Geradezu
begeistert sprechen die fünf Rüsselsheimerinnen von dem "Fest der Jugend".
Der spontane Frust nach dem verlorenen Finale gegen Spanien (1:2) ist
mittlerweile ein wenig verflogen. „Wenn man im Endspiel steht, dann will
man eben gewinnen", erklärt Tanja Dickenscheid, die in allen
Begegnungen durchspielte. "Bei der Siegerehrung habe ich schon auf die
Spanierinnen geschielt. Aber jetzt kann ich mich freuen über die
Silbermedaille". Mit ihrer eigenen Leistung war die Gau-Algesheimerin
zufrieden. "Nach schlechtem Beginn habe ich mich gesteigert und an
Selbstvertrauen gewonnen." Ihre Vorstellungen über die olympischen Spiele
seien weit übertroffen worden. "Es war überwältigend."
So sieht es auch Eva
Hagenbäumer. Über ihre geringen Spielanteile (nur in zwei Halbzeiten kam sie
zum Einsatz) freilich war sie enttäuscht. "Ich finde, der Trainer hätte häufiger
wechseln müssen. Manche Spielerinnen schienen gegen Ende platt." Das Thema
Nationalmannschaft ist für die 25jährige dennoch noch lange nicht abgehakt.
Obwohl sie zuletzt Rücktrittsgedanken geäußert hatte.
Eine Portion Enttäuschung stand
Britta Becker ins Gesicht geschrieben. Auf dem Rückflug viel ihr beim Lesen
eines kritischen Artikels in einer Frankfurter Tageszeitung fast das Brötchen
aus dem Hals. Ihre Leistung beim Turnier in Spanien war in mehreren Medien
bemängelt worden. "Da wird von manchen mit zweierlei Maß gemessen. Ich glaube,
dass ich meine Aufgabe doch erfüllt habe. Sicher habe ich weniger Alleingänge
gestartet als sonst", wehrt sich die 19jährige, "aber ich war nicht müde, wie's
behauptet wurde". Der Endspiel-Frust ist bei der Rüsselsheimerin allerdings
verflogen, die positiven Olympia-Erinnerungen überwiegen eindeutig.
Im Gegensatz zu Britta Becker musste
Torfrau Bianca Weiß regelmäßig die Bank drücken. Nur im Spiel gegen
Kanada (4:0) wurde sie eingewechselt. Doch mit dieser Rolle konnte sie wie in
der Vergangenheit gut leben. In Zukunft freilich könnte die Wahl-Mainzerin gar
zur Stamm-Keeperin avancieren. Denn Susi Wollschläger will ihre Karriere
beenden. "Susi hat mir im Bus das Trikot mit der Nummer eins überreicht. Das
fand ich super", schwärmt Bianca Weiß, die etwas bedauert, dass die "Sportstätten
in Barcelona so weit auseinander lagen und es schwer war, Sportler
kennenzulernen". Immerhin reichte es zu einem "Hallo" mit Boris Becker.
"Es entstehen nur flüchtige
Gespräche", weiß Susanne Müller. Die Hanauerin zeigt sich ansonsten
angetan von Olympia, wie keine Zweite. "Das werde ich nicht vergessen." |