Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Tanja Dickenscheid

 

 

 

Tanja Dickenscheid ist kein Zocker, Hockey spielt sie für die Mannschaft

Von Volker Stumpe (aus "FAZ" vom 21.02.1992)
 

Ihre größten Erfolge hat Tanja Dickenscheid im Hallenhockey errungen. Mit dem Rüsselsheimer RK gewann sie 1990 und 1991 jeweils die deutsche Hallenmeisterschaft, die am Wochenende in Braunschweig verteidigt werden soll. Doch die 22 Jahre alte Biologiestudentin fühlt sich auf dem Feld viel wohler. "Dort kann ich mehr rennen. Und ich bin eine absolute Läuferin." Diese Leidenschaft macht sie für den RK so wertvoll. Tanja Dickenscheid läuft und läuft und läuft - stets im Dienst der Mannschaft. Auch wenn sie vor lauter Freude an der ständigen Bewegung "viel umsonst herumrennt". "Tanja hat eine Bombenkondition, ist sehr laufstark und sehr einsatzfreudig", sagt Trainer Berti Rauth. Zudem sei sie eine Spielerin "ohne Allüren, die im positiven Sinn unauffällig" ist. Darin wird es wohl liegen, dass die Nationalspielerin weniger im Mittelpunkt des Zuschauerinteresses steht als ihre Mannschaftskameradinnen Eva Hagenbäumer oder Britta Becker. "Das ist mir eigentlich Wurscht. Ich leide nicht darunter", sagt Tanja Dickenscheid.

Tanja Dickenscheid und die RRK-Damen 1992, Europas alte und neue "Nr. Eins" im Hallenhockey nach einem 8:3 im Finale über Atletico Madrid (hinten: Trainer Berti Rauth, Masseur Pit Bulajic, Britta Becker, Katrin Schmidt, Sabine Lersch, Tanja Dickenscheid, Betreuer Thomas Blivier; vorn: Ramona Münze, Marja Busch, Bianca Weiß, Eva Hagenbäumer, Angela Müller, Anja Mück, Denise Klecker)

Sie weiß, dass das spektakulär anzuschauende Spiel von Britta Becker beim Publikum besser ankommt. "Ihre gute Technik sieht toll aus. Wenn Britta zwei, drei Gegnerinnen stehen lässt, dann gefällt das den Zuschauern natürlich." Doch keine Spur von Neid. Die jungen Frauen des RRK ergänzen sich dank unterschiedlicher Fähigkeiten und Begabungen bestens. "Eine Mannschaft kann", so Tanja Dickenscheid, „nicht nur aus Britta Becker bestehen." Die erzielte als erfolgreichste Bundesligaspielerin in dieser Hallensaison 55 Tore. Die meisten ihrer Treffer jedoch fielen im Anschluss an Strafecken. Da vergißt beim Blick auf die Statistik manch einer, dass Tanja Dickenscheid stets eine präzise Vorarbeit geleistet hat. Tanja Dickenscheid schiebt die Kugel in das Feld hinein, Eva Hagenbäumer stoppt, Britta Becker schießt.

Tanja Dickenscheid kennt ihre Aufgabe beim Rüsselsheimer RK und erfüllt sie stets zuverlässig. "Ich bin eben nicht der Zocker, der seine Gegner umspielt." Und das meint Berti Rauth vermutlich, wenn er eine ihrer Schwächen aufzählen soll. "Tanja prägt unser Angriffsspiel. Aber sie ist noch nicht kaltschnäuzig genug." Die Nationalspielerin kann noch mehr, wenn sie es sich nur zutrauen würde. Doch sie versucht unter allen Umständen, "mannschaftsdienlich" zu spielen, und überlässt das "Zocken" lieber ihren Mitspielerinnen. Der Trainer habe sie schon oft darauf aufmerksam gemacht und ihr gesagt, dass sie mehr wagen könne. "Wenn ich wollte, könnte ich wahrscheinlich die eine oder andere ausspielen." Das aber vermeidet sie und gibt die Kugel lieber an eine besser postierte Spielerin weiter. "Ich mache mir darüber zu viele Gedanken. Vielleicht bin ich in diesen Momenten auch zu hibbelig."

In das System der Feld-Nationalmannschaft ist Tanja Dickenscheid seit 1989 fest eingeplant. Dort spielt sie im mittleren Mittelfeld und übernimmt dank ihrer beachtlichen Kondition "Deckungsarbeit und viel Laufarbeit". Ihr Studium betreibt die Hockeyspielerin derzeit nur "nebenbei". Sport und Ausbildung lassen sich nicht mehr vereinbaren. Im Hinblick auf das olympische Hockeyturnier in Barcelona musste sie sich einen Freiraum schaffen und hat ein Urlaubssemester beantragt. Im nächsten Frühjahr will sie unbedingt die Prüfungen zum Vordiplom ablegen. Noch gibt Tanja Dickenscheid dem Hockey den Vorzug. Das soll sich ändern. "Ich will nicht mit vierzig noch studieren. Vielleicht spiele ich nach Barcelona Hockey nebenher."

Doch vor der olympischen Herausforderung in Spanien steht die "ganz, ganz schwere" Endrunde in Braunschweig. Am Samstag spielen die Rüsselsheimerinnen im Halbfinale gegen Klipper Hamburg. Die Norddeutschen hatten sich überraschend für die Endrunde qualifiziert und sind dem RRK daher weitgehend unbekannt. Mit Hilfe von Videoaufnahmen haben sich die Rüsselsheimerinnen auf die Spielweise der Hamburgerinnen eingestellt. "Die rotieren viel und wechseln oft die Positionen. Aber sie sind zu packen", sagt Tanja Dickenscheid. Im zweiten Halbfinale stehen sich der RTHC Leverkusen und der Berliner HC gegenüber. Im vergangenen Jahr gewannen die Rüsselsheimerinnen das Endspiel gegen Leverkusen 7:3. Doch die Mannschaft von Bundestrainer Rüdiger Hänel hat sich verstärkt. Nachdem Simone Thomaschinski mit Eintracht Frankfurt die deutsche Meisterschaft auf dem Feld gewonnen hatte, schloss sie sich dem RTHC Leverkusen an.

Sorgen macht sich Berti Rauth auch über den Hallenboden in Braunschweig und über den Hockeyschläger von Britta Becker. Der Boden sei "glatt wie eine Eisfläche. Es ist eigentlich eine Farce, dort eine Endrunde zu spielen. Vieles wird vom Zufall abhängen". Zudem ist das Arbeitsgerät seiner Nationalspielerin in die Brüche gegangen.

Britta Becker hat sich an ein höchst ungewöhnliches, im Handel nicht mehr erhältliches Modell gewöhnt. In einer Schreinerei hat Rauth einen gängigen Schläger umbauen lassen und hofft, dass die erfolgreiche Torschützin auch damit treffen wird.