Im
Gespräch |
Über Mitglieder des
RRK (2005)
Silke Müller |
"Ich bin doch nicht aus der Welt!"
Hockey-Olympiasiegerin Silke Müller über ihren Wechsel
von Rüsselsheim nach Utrecht
Die Fragen stellte Hans-Joachim Leyenberg (aus "Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung" am 21.08.2005)
Vor dem Wechsel
Seit 2001 ist Silke Müller beim
Rüsselsheimer RK, in der neuen Saison aber stürmt die Hockey-Olympiasiegerin für
den niederländischen Klub SV Kampong Utrecht. Im Finale der Europameisterschaft
bestritt die 26 Jahre alte Tochter aus der Verbindung eines Deutschen und einer
Spanierin am Samstag ihr 101. Länderspiel gegen die Niederlande.
Beim 1:2 im
Europameisterschaftsfinale gegen die Niederlande sind Sie ja wohl hoffentlich
pfleglich mit ihren zwei künftigen Mitspielerinnen im orangenen Nationaltrikot
umgegangen!
Wie kommen Sie denn
darauf? Ich glaube, Sie spaßen! Natürlich habe ich alles gegeben, was ich
draufhabe. Ich gebe immer mein bestes und erst recht gegen Holland, sonst kann
man gar nicht gegen die bestehen.
Mit dem RRK sind Sie
deutscher Meister geworden, Europapokalsiegerin in Serie - was hat Utrecht, was
Rüsselsheim nicht hat? Geld etwa?
Ich hab' im Moment das
Bedürfnis rauszugehen, wollte ins Ausland, etwas sehen. Bei Holland war das
Niveau ausschlaggebend. Es ist zumindest nicht schlechter als in Deutschland.
Schließlich haben wir nächstes Jahr eine WM im eigenen Land. Ich will mich in
Holland einbringen und beweisen.
Ihren Klubtrainer
Berti Rauth haben Sie unvermittelt vor vollendete Tatsachen gestellt. Wie hat
der Meistermacher reagiert, schließlich hat er mit Denise Klecker bereits eine
Nationalspielerin verloren?
Es war ein total nettes
Gespräch mit Berti. Ich hab ihm meinen Standpunkt erklärt. Natürlich ist er
traurig, schockiert, aber er sieht auch, wie viel mir an dem Tapetenwechsel
liegt. Er hat auch nicht versucht, mich umzustimmen. Hut ab, ich hab' das gar
nicht so erwartet. Er akzeptiert meinen Schritt, und die Tür steht, wenn ich
zurückkomme, ganz normal offen. Ich bin doch nicht aus der Welt!
Gibt es eine
Option, sobald Sie zurückkehren in die Bundesliga, dann nur zum RRK?
Es gibt keine Absprache, aber für
mich kommt gar nichts anderes als Rüsselsheim in Frage. Das ist mein Verein, und
ich kann mir momentan gar nicht vorstellen, innerhalb von Deutschland in einem
anderen Verein zu spielen.
In den Niederlanden ist Kampong
Utrecht als Tabellenvierter der letzten Saison nicht gerade der Topverein. Warum
also ausgerechnet Utrecht?
Das war eher Zufall. Es war ein
gegenseitiges Interesse da. Als Nationalspielerin und Olympiasiegerin ist ja
wohl klar, dass man Unterstützung als Gegenleistung erwarten kann. Also eine
Wohnung, Taschengeld, die Möglichkeit, jobmäßig etwas zu machen. Ich bin
trotzdem jemand, der sagt, es kommt mir nicht aufs Geld an, so bin ich erzogen
worden.
In Deutschland sind Sie beruflich
nicht so recht weitergekommen. Am liebsten wären Sie, soviel ist bekannt, in der
Unterhaltungsbranche gelandet. Was macht der Sprachkurs für die Entertainerin ?
Ich mach' erst mal ein stinknormales
Praktikum bei TV und Radio. Das wollt' ich in Deutschland schon immer machen.
Bisher beherrsche ich nur holländische Brocken, aber nach dem Sprachkurs sehen
wir weiter. So schwer ist es ja nun auch nicht. Wenn's mir dort ganz toll
gefällt, häng' ich noch eine Saison an, mein weiß ja nie, was passiert.
Haben Sie die
Entscheidung pro Utrecht mit dem Bundestrainer Markus Weise beraten?
Nein, ich habe überlegt und den
Entschluss frei getroffen, ich muss ja damit leben.
"Der RRK ist mein Verein und wird es auch bleiben"
Silke
Müllers Utrecht-Aufenthalt ist zunächst auf ein Jahr ausgelegt
Das Gespräch führte Andreas Hardt
(aus "Main-Spitze" am 22.08.2005)
DUBLIN Dass Silke Müller den
Rüsselsheimer RK verlässt und ihre Laufbahn in Holland fortsetzt, diese
Nachricht schlug auch bei der Hockey-EM in Dublin wie eine Bombe ein. Anlass
genug, bei der 26-Jährigen die Gründe für den plötzlichen Orts- und
Vereinswechsel zu erfragen.
Rosen im Topf und einen speziellen
Anstecker: Bundestrainer Markus Weise (rechts) überreichte die DHB-Geschenke
nach Silke Müllers 100. Länderspiel bei der EM. |
FRAGE: Sie haben im EM-Halbfinale
gegen Spanien Ihr 100. Länderspiel bestritten. Ist das etwas Besonderes?
MÜLLER: Ehrlich gesagt ist es nichts
Besonderes mehr, gegen Spanien zu spielen. Das war nur am Anfang komisch gegen
das zweite Mutterland. Inzwischen ist das ein Spiel wie jedes andere. Die Zahl
von 100 Länderspielen schien anfangs unerreichbar für mich, und von daher ist
das schon eine besondere Sache.
FRAGE: Wie lange wollen Sie noch
international spielen?
MÜLLER: Peking 2008 habe ich schon im
Hinterkopf. Aber man weiß natürlich nicht, was bis dahin alles passiert. Aber
ein Ziel ist das schon.
FRAGE: Sie gehen nach etwas über
vier Jahren beim RRK Anfang September nach Holland.. Wie schwer ist diese
Entscheidung gefallen?
MÜLLER: Sehr schwer. Es ist alles
sehr spontan gekommen, auch wenn ich den Gedanken schon länger hatte. Ich weiß,
dass es für den RRK jetzt sehr schwer wird. Ich habe auch lange überlegt, ob ich
das machen kann. Aber für den Verein ist nie der richtige Moment, wenn eine
Nationalspielerin geht. Und deshalb habe ich auch entschieden, dass ich jetzt
mal an mich denken muss.
FRAGE: Wie wichtig war der RRK für
Ihre Entwicklung?
MÜLLER: Die Grundlagen wurden
natürlich bei Eintracht Frankfurt gelegt, der Feinschliff ist dann in
Rüsselsheim passiert. Der Wechsel damals zum RRK hatte rein sportliche Gründe.
Ich habe auch damals gedacht, ich muss das tun, um mich weiter zu entwickeln.
Rüsselsheim hat mich auch sehr weit gebracht. Berti Rauth ist ein sehr guter und
ehrgeiziger Trainer, der immer versucht, alles rauszukitzeln. Die Mannschaft war
auch sehr gut, wir hatten große Erfolge, das gibt Selbstvertrauen und auch so
entwickelt man sich als Spielerin weiter.
FRAGE: Wie hat Berti Rauth die
Nachricht aufgenommen?
MÜLLER: Berti war Klasse, sehr lieb.
Wir haben uns ja auch immer gut verstanden. Er hat gesagt, ich soll mir keine
Gedanken machen. Und wenn ich zurück komme, sind für mich immer alle Türen
offen.
FRAGE: Können Sie sich vorstellen,
zurück zu kommen?
MÜLLER: Ja klar. Der RRK ist mein
Verein und wird es auch bleiben. Ich habe mit Utrecht eine Verabredung für ein
Jahr. Somit habe ich vor, im nächsten Jahr zurück zu gehen.
FRAGE: Werden Sie vielleicht die
Hallensaison in Rüsselsheim spielen?
MÜLLER: Nein, definitiv nicht. Ich
habe beschlossen, die Sache komplett zu machen.
FRAGE: Was ist der Grund für den
Wechsel?
MÜLLER: Ich hatte das Bedürfnis, mal
rauszugehen. Das hat nichts damit zu tun, dass es mir in Rüsselsheim nicht mehr
gefällt. Aber ich wollte mal was Neues machen, andere Luft schnuppern. Ich hatte
die Wahl zwischen Spanien und Holland, und da habe ich mich für Kampong Utrecht
entschieden. Die holländische Liga ist ja wohl die beste der Welt, das ist eine
tolle Herausforderung und auch als WM-Vorbereitung ganz gut, regelmäßig auf
höherem Niveau zu spielen.
FRAGE: Ergeben sich in Holland
auch berufliche Entwicklungsmöglichkeiten?
MÜLLER: Das ist ja auch ein Grund,
warum jetzt alles gut passt. Mein Vertrag als Hotelfachfrau beim Landessportbund
war befristet und läuft jetzt aus. Ich habe da gelernt und musste ohnehin mal
weg und woanders arbeiten. Ich mache in Utrecht jetzt erst mal einen Sprachkurs.
Und dann habe ich die Hoffnung, dass ich dort ein Praktikum im Bereich Radio,
Fernsehen machen kann. Da will ich schon lange mal reinschnuppern. Und der
Verein, der mir eine Wohnung stellt und Taschengeld gibt, hat in Utrecht gute
Kontakte und will mich dabei unterstützen.
Herausforderung in einer anderen
Liga
Hockey: Olympiasiegerin Silke
Müller wechselt vom Bundesligisten Rüsselsheimer RK zum SV Kampong Utrecht
Von Jörg Monzheimer
(aus "Rüsselsheimer Echo" am 20.08.2005)
"Wir sind personell ein bisschen in
die Bredouille geraten", umschreibt Betreuer Thomas Blivier die jüngsten
Entwicklungen bei den Hockey-Damen des Bundesligisten Rüsselsheimer RK. Dass für
Libera Denise Klecker (33), die 2004 in Athen die Goldmedaille gewann, und
Verteidigerin Sybille Breivogel (32) nach der Endrunde um die deutsche
Meisterschaft Schluss sein würde, war seit längerem bekannt.
Für die RRK-Defensive bedeutet dies
einen gleichwohl tiefen Einschnitt, denn zwei so erfahrene Spielerinnen sind
nicht so leicht zu ersetzen. Um so härter trifft den RRK nun, dass auch noch
Olympiasiegerin Silke Müller ihren Abschied ankündigt. Die 2001 von Eintracht
Frankfurt zum Rüsselsheimer RK gekommene Offensivspielerin geht in der nächsten
Saison für den holländischen Ehrendivisionisten SV Kampong Utrecht auf Torejagd.
"Das war schon ein Schock für uns. Ich kann es ihr aber nicht verdenken,
wahrscheinlich hat man ihr ein gutes Angebot gemacht", meint Blivier.
In punkto Hockey spielt das
Nachbarland Holland nun einmal in einer anderen Liga, ob das nun die
Unterstützung der Vereine für die Spieler, die Zuschauerzahlen oder auch das
sportliche Leistungsniveau betrifft. Beim Europacup in Hertogenbosch bewiesen
die Gastgeberinnen eindrucksvoll, wie groß der Vorsprung vor den anderen
europäischen Klubmannschaften ist.
Neben der sportlichen
Herausforderungen spielten für Müller auch private Gründe eine Rolle. Ihr Freund
stammt aus Holland, und so dürfte die Entscheidung der momentan bei der
Europameisterschaft in Dublin für Deutschland spielenden Silke Müller hiervon
nicht unbeeinflusst geblieben sein. "Das kann ich gut nachvollziehen", zeigt Blivier Verständnis.
Nicht ganz so gut kam beim RRK
dagegen an, dass die technisch versierte Spielerin den Verein erst nach Ablauf
der Wechselfrist über ihre Pläne informierte und Trainer Berti Rauth nicht mehr
mit Neuverpflichtungen reagieren konnte. Auf Rauth kommt nun die Aufgabe zu, aus
seinen jungen Spielerinnen eine konkurrenzfähige Mannschaft zu bilden.
Silke Müller im Kreis
"ihrer" RRK-Damen in der
Feldsaison 2005 (hinten: Trainer Berti Rauth, Nathalie Bischel,
Maren Pfefferkorn, Virginia Peisch, Vera Battenberg, Lena Schüder,
Sybille Breivogel, Barbara Vogel, Physio Hanne Zöller; vorn: Lydia
Haase, Meike Acht, Mandy Haase, Nina Günther, Denise Klecker, Lisa
Faust, Silke Müller, Lena Jacobi, Irene Balek) |
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