"Singen würde ich auch gerne
mal"
Von Dieter Hochgesand (aus
"Sport in Hessen" 4/2001)
Vieles an dieser jungen Frau ist
gleichermaßen bemerkenswert wie auffällig. Bemerkenswert vor allem ihre Energie,
ihr Engagement, ihr Durchsetzungsvermögen. Und auffällig dabei ihre selten
nachlassende, geradezu ansteckende, natürliche Fröhlichkeit. Silke Müller, 22
Jahre jung, Hockey-Leistungssportlerin, Auszubildende im Hause des
Landessportbundes Hessen (lsb h), gibt derzeit ein Beispiel dafür, wie sich
Leistungssport und Beruf erfolgreich unter einen Hut bringen lassen.
Im zarten Alter von sechs Jahren
stellte ein Zufall die Weichen. Im Kinderhort leitete die ehemalige
Hockey-Nationalspielerin Beate Deininger von Eintracht Frankfurt die Gruppe, in
der auch Klein-Silke sich tummelte. Irgendetwas an Ausstrahlung muss damals
schon existent gewesen sein. Jedenfalls fragte Beate Deininger die Göre, ob sie
denn Lust habe, es mal mit Hockey zu versuchen. Silke hatte Lust. Und sie hatte
offenbar auch jede Menge Talent, denn von nun an war die Sache auf den Weg
gebracht.
Gut 15 Jahre ist das nun her und
Silke Müller, in Frankfurt geborene Tochter einer spanischen Mutter und eines
deutschen Vaters, spielte sich bei und für Eintracht Frankfurt in dieser Zeit
unbeirrbar ganz nach oben. Seit 1994 agiert sie in der Bundesliga und bei der
Hallen-Europameisterschaft war sie für die Nationalmannschaft aktiv.
Sie gilt als Kämpferin, als
Wirbelwind, deren Torinstinkt vor allem in der Halle längst aktenkundig ist.
"Dafür habe ich offenbar einen Riecher. Warum das mit dem Toreschießen aber auf
dem Feld nicht so gut klappt, weiß ich auch nicht", rätselt die hier meist als
offensive Mittelfeldspielerin eingesetzte Silke Müller.
1999 startete sie ihre berufliche
Laufbahn in der Sportschule des lsb h. Hotelfachfrau will sie werden. Und wie
auf dem Hockeyplatz, so wirbelt sie seitdem als "Azubi" auch beim
Landessportbund durch die Abteilungen und hinterlässt dort ihre Spuren, aus
denen sich gleichermaßen Zuverlässigkeit und Spaß noch lange herauslesen lassen.
"Ich war bisher in der Küche, der
Etage, im Empfang, der Reservierung, Poststelle, Öffentlichkeitsarbeit. Die
Marketingabteilung fehlt mir noch", sagt Silke Müller, nach deren Worten aus der
Doppelbelastung Beruf/Leistungssport für sie nie ein ernsthaftes Problem
entstand. Trotz dreimal Training in der Woche, Sonderlehrgängen, Trainingslager,
Bundesliga- und Auswahlspielen an den Wochenenden.
Das Energiebündel besticht auch noch
auf einem weiteren Gebiet. Im Hause lsb h ist Silke Müllers Talent als
Entertainerin spätestens seit der Weihnachtsfeier bekannt. Im Karaoke-Stil
führte sie als "Ricky von der Wochenshow" überzeugend und unter intensiver
Inanspruchnahme der Lachmuskeln durch das Programm. "Geübt hatte ich so was nur
einmal bei Papas Geburtstag", sagt sie treuherzig und fügt kess hinzu: "Singen
würde ich auch gerne mal!"
Konkreter aber sind zur Zeit andere
Pläne. Im Sport steht sie vor einer Zäsur. Nach 15 Jahren Eintracht wechselt sie
zum "Lokalrivalen" Rüsselsheimer RK. "Die Eintracht wird immer meine Heimat
bleiben. Aber ich musste nach so langer Zeit mal was anderes sehen. Eine andere
Herausforderung suchen", begründet sie den ihr nicht leicht gefallenen Schritt.
Parallel hierzu will sie ihre
Ausbildung zur Hotelfachfrau forcieren. Und auch hier sind ihre Chancen sehr
gut. "Sie ist ein Klasse Mädchen. Eine absolute Bereicherung. Wenn sie an der
Rezeption ist, fängt der Tag gut an", sagt Ralf Koch, Hauptgeschäftsführer des
Landessportbundes.
Anfangs Oktober 2001
gewinnt Silke Müller mit den Damen des RRK die Deutsche
Meisterschaft 2001 auf dem Feld (hinten: Betreuer Thomas Blivier,
"Physio" Hanne Zöller, Jennifer Lutz, Tanja Dickenscheid, Bettina Edlefsen,
Sybille Breivogel, Nicole Hardt, Lisa Jacobi, Mandy Haase, Maren
Pfefferkorn, Annika Martin, Berthold Rauth; vorn: Denise Klecker, Irene
Balek, Silke Müller, Elena Christl, Nina Günther, Lotte Schwärzel, Jana
Schwärzel) |
Zu Silke Müllers Talenten zählt auch,
dass sie dennoch nicht abhebt, sich bei aller Lustigkeit immer auch des Ernstes
mancher Dinge bewusst ist. Und sie ist bodenständig. "Die Paella von Mama ist
und bleibt mein Lieblingsgericht!"
Erst ganz in der Ferne, für die Zeit
nach dem Hockey und wenn sie mit beiden Beinen fest im Beruf steht, zeichnen
sich Wunschkonturen ab: "Ich würde dann gerne und viel reisen. Zuerst auf die
Galapagos Inseln", sagt sie. Bis dahin wird sie wohl noch viel lachen, lernen
und Tore machen.