Von Detlev Seyb
(aus "Der Westen" vom 11. April 2012)
Zwei Wanner, die
seit längerem kaum zu Hause sind, freuen sich schon jetzt auf die große
Familien-Zusammenführung in London. Vater Rüdiger Hauffe wird als
Nationaltrainer Aserbaidschans seine Ruder-Nation zu den ersten Olympischen
Spielen führen, Sohn Gregor möchte mit dem Deutschlandachter nach drei WM-Titeln
in Folge und einer sagenhaften Serie von ungeschlagenen Rennen Olympia-Gold
einfahren.
Zeit zu zweit
werden die Beiden in den nächsten Trainingswochen gar nicht und selbst im Sommer
in Großbritannien kaum finden. "Jeder hat doch seinen eigenen Rhythmus", sagt
Rüdiger Hauffe: "Jeder muss seinen Job erledigen, um erfolgreich zu sein." Das
ist auf einem Weltcup so. Das war bei der Weltmeisterschaft 2011 in Bled so. Und
das wird auch so in London sein. In Gedanken beieinander. Daumen drückend. In
der Realität bei den eigenen Aufgaben. Dauerhaft. In den internationalen
Wettkampfstädten vereint und doch durch Hotels getrennt. Rüdiger Hauffe wird
erst im September nach der EM in Wanne-Eickel erwartet – dann wollen sie eine
hoffentlich großartige Saison in der Familie feiern.
Gregor Hauffe, der
über seinen Vater beim RV Emscher Wanne-Eickel zum Rudern fand, hat durch die
Erfolge im Deutschlandachter die Messlatte extrem hoch gelegt. Er will sich
erneut fürs DRV-Paradeboot qualifizieren und Olympiasieger werden, damit seiner
ohnehin schon tollen Karriere bei seinen zweiten Olympischen Spielen die Krone
aufsetzen. Auch das will Rüdiger Hauffe als Trainer. Doch die Ziele sind ganz
andere: Die Athleten aus dem aufstrebenden Ruder-Entwicklungsland mit schon
jetzt bemerkenswerten Ergebnissen sind in ihrer jungen, erst fünfjährigen
Verbandsgeschichte überhaupt erstmals dabei. Im Männer- und Frauen-Einer haben
sie sich qualifiziert, allein das verdient schon Respekt. An Medaillen denkt
hier niemand. Gut abschneiden. Besser als im Vorjahr. So definieren sich die
Ziele in einem Land, das sich als Brücke zwischen Europa und Asien sieht.
Gregor Hauffe möchte auch im Sommer in London
jubeln. |
Ein Land, das sich
sportlich im Aufbruch befindet, das seine Entwicklung und Möglichkeiten
unbedingt der ganzen Welt präsentieren möchte. Aserbaidschan bewirbt sich
deshalb mit seiner Hauptstadt Baku zum zweiten Mal für die Olympischen
Sommerspiele. Die Chancen für 2020? "Überall im Land entstehen Olympia-Zentren,
die bisher hier kaum bekannte Sportarten fördern sollen", sagt Rüdiger Hauffe.
Auch in Mingecevir, der früheren Basis der Sowjetunion, entstand ein
Ruderzentrum auf international höchstem Niveau, das dem 55-Jährigen mit seinem
Kader optimale Trainings-Bedingungen beschert.
Wenn das Wetter
mitspielt. In Mingecevir war es zuletzt wie im ganzen Europa trotz subtropischer
Lage so kalt wie seit 40 Jahren nicht mehr. "Unser Wassertraining konnten wir
aber ohne Abstriche absolvieren", atmet der Nationalcoach auf, der seinen
Vertrag über die Olympischen Spiele in London hinaus schon verlängert hat.
Auch die Ruderer
sollen dazu beitragen, dass sich Aserbaidschans Olympische Bilanz seit 1996
weiter verbessert. Hauffe, zuvor Nationaltrainer im Iran, genießt im Kaukasus
großes Vertrauen.
Der in Magdeburg
groß gewordene und lange Zeit auch in Wanne-Eickel tätige Coach sorgte hier für
die ersten internationalen Medaillen bei Jahrgangs-Weltmeisterschaften, und auch
die Erfolge von der Olympia-Qualifikations-WM in Bled können sich sehen lassen:
Aleksander Aleksandrov wurde im Männer-Einer Neunter und Nataliya Mustafayeva
bei den Frauen Siebte. Zwei Sportler, die ihre Karriere allerdings in anderen
Nationen starteten: Aleksandrov in Bulgarien und Mustfayeva in der Ukraine.
Die guten
Rahmenbedingungen in Mingecevir haben auch auswärtige Athleten angelockt, was
Rüdiger Hauffe nur begrüßen kann: Ihre Erfahrungen sollen dem Neuling
Aserbaidschan weiteren Auftrieb geben, der nun auch noch in Luzern die
Olympia-"Nach"-Qualifikation im Frauen-Zweier "ohne" anstrebt.
Sohn Gregor
betrachtet die Aufbauarbeit seines Vaters mit Stolz aus der Ferne. Nach London,
da ist er sich sicher, wird er auch Zeit finden, um ihn endlich einmal an seinem
Arbeitsplatz in Aserbaidschan besuchen zu können. Reizvoll sei das, eine ganz
neue Erfahrung. Besonders, wenn er dann noch als Olympiasieger anreisen darf.
Dafür macht er derzeit alles.