Was macht eigentlich
...?
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Über Mitglieder des
RRK (1998)
Peter Kraus |
Stets korrekt: Peter Kraus im
Olympischen
Hockey-Sonntagsstaat |
Peter Kraus ist immer noch
der
ruhende Pol aus Hessen
Der Polsterer freut sich auf das Wiedersehen in Bayern
Von Michael Burau (aus "FAZ" vom
17.10.1998)
Auch in den heikelsten Situationen behielt der
Hockey-Torwart Peter Kraus aus Rüsselsheim im olympischen Finale 1972 in München
gegen Pakistan die Übersicht und sicherte der deutschen Mannschaft die
Goldmedaille. "Der Hesse mit der bayerischen Bierruhe" war Turm in der Abwehr,
der heutige Hockey-Präsident Michael Krause (Köln) erzielte per Strafecke den siegbringenden Treffer. Ein "klares Abseitstor" (Kraus) der Pakistaner brachte
die Asiaten in Rage und führte zu unsportlichen Szenen bei der Siegerehrung.
Peter Kraus, Jahrgang 1941 (der gleichnamige Sänger ist zwei Jahre älter), ist
stets Rüsselsheimer gewesen. Er spielte zunächst, wie einst sein Vater (SC
Opel), Fußball, entschied sich 1961, nach seiner Mutter (die zur
Gründungsmannschaft der RRK-Damen zählte), für Hockey - gleich im Tor des
Rüsselsheimer Ruder-Klubs. Der Spätstarter gewann mit seinem Verein 1968
erstmals die deutsche Hockey-Meisterschaft, damals "für die kleine Stadt eine
Sensation", wie er sich erinnert, weitere fünf nationale Titel, an die man sich
in Rüsselsheim langsam gewöhnte, sollten für Kraus und seine Vorderleute folgen.
In der Nationalmannschaft brachte es der verlässliche Torhüter auf 26 Einsätze,
darunter den Gewinn der Europameisterschaft 1970 und die WM-Teilnahme 1971 in
Barcelona (als Fünfter "eingebrochen") − beides übrigens Premieren.
Mitentscheidender
Spieler bei den Olympischen Spielen in München 1972: Peter Kraus "tötet"
im Gruppenspiel gegen Pakistan auch den zweiten Siebenmeter und
Deutschland siegt 2:1 |
Absoluter Höhepunkt in der sportlichen Laufbahn von Peter Kraus waren natürlich
die Olympischen Sommerspiele 1972 in München, wo er während des Turniers mit
Siegen gegen Pakistan (2:1) und im Halbfinale gegen Holland (3:0) den ersten
Torwartposten des befreundeten Wolfgang Rott (Mettmann) übernahm. "Das
Olympische Dorf in München war überwältigend", sagt Kraus rückblickend. Das
einmalige Erlebnis, die großartige Atmosphäre fand mit dem grauenvollen Attentat
am 5. September 1972 sein jähes Ende: "Die schöne Stimmung war danach vorbei."
Eine besondere Freude war für die Hockeyspieler zum Jahresende 1972 die Wahl zur
Mannschaft des Jahres, vor den Springreitern und den legendären
Fußball-Europameistern. Peter Kraus stand seinem Rüsselsheimer RK noch bis 1979
zur Verfügung, trotz Rückenbeschwerden, die zu insgesamt drei
Bandscheiben-Operationen geführt haben. Im Europacup verhalf er seinem Verein zu
drei Medaillen.
Beruflich ist Peter Kraus seit 1956 bei Opel als Kraftfahrzeug-Polsterer
beschäftigt, in der Abteilung Design einer Versuchswerkstatt. Mit seiner Frau
Ursula, die er beim Hockey kennen lernte, hat er zwei Söhne im Alter von 36 und
32 Jahren und eine zweijährige Enkeltochter, die "Riesenspaß macht". Eine Katze
verlässt das neue Haus am Ortsrand seit dem Umzug vor zwei Jahren vorsichtshalber
nicht, trotz eines hübschen Gartens. Die ganze Familie ist ausgesprochen
sportbegeistert - die Söhne spielen (gut) Hockey respektive American Football.
"Sport ist bei uns vorherrschend", betont Peter Kraus, der außer Hockey noch
Fußball und Tennis gespielt hat. Den Tenniscracks könne er am Fernseher
stundenlang zusehen. Seit zwölf Jahren begibt sich das Ehepaar Kraus im Winter
ins Salzburger Land zum Skilanglauf.
Das größte Vergnügen bereiten dem Sportfan und seiner Frau aber die jährlichen
Treffen mit der alten Mannschaft von 1972 samt Anhang. "Wir sind fast immer
komplett", sagt Kraus. Abgesehen von drei inzwischen Verstorbenen. Die
Freundschaften mit den Sportkameraden aus einer anderen Zeit haben in einer
Sportart, in der das Geld keine bestimmende Rolle spielt, über die Jahrzehnte
gehalten, sind womöglich noch intensiver geworden. Damals führte Carsten Keller,
Peter Kraus, Fritz Schmidt und Co. Hockey in alle Erdteile ("außer Australien"
−
Sydney 2000 wäre für sie ein lohnendes Ziel), jetzt trifft sich die "große
Familie" zum Bergwandern, Hockey, Tennis: gleich nächste Woche wieder in und um
Garmisch-Partenkirchen − vor sechs Jahren war die 72er Mannschaft auf der
Zugspitze. Da feiert das "Weißt du noch?" stets fröhliche Urständ, wie etwa beim
großen Olympiatreffen 1997 des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland
in München, 25 Jahre danach, an dem rund 150 Olympioniken, vor allem aus den
neuen Bundesländern, teilnahmen. Solche goldenen Gelegenheiten lässt sich der
ansonsten ruhende Pol aus Hessen gerade in Bayern nicht entgehen.
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