Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Über Mitglieder des RRK (1969)                                                     

Peter Kraus

 

 

 

 

 

 


Da staunte Peter Kraus: Roter Teppich und Thron

Die Überraschung der Arbeitskollegen war komplett − Der Torhüter gilt als Spätentdeckung − Im riesigen Stadion von Lahore die große Bewährungsprobe

Von Helmut Zimmermann (aus "Main-Spitze" vom 05.03.1969)
 

In der Nachkriegszeit seit 1945 dominierten im deutschen Hockeysport die westdeutschen, norddeutschen und Berliner Mannschaften. Erst in den sechziger Jahren setzten sich die süddeutschen Vereine, vor allem die aus dem hessischen Raum immer besser ins Bild, und es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass der Hessische Hockey-Verband in der letzten Zeit vor allem bei den Herrenmannschaften eine führende Stellung übernommen hat.

Diese bemerkenswerte Verbesserung des allgemeinen Spielniveaus dokumentiert sich nicht zuletzt im Vorjahre durch den Titelgewinn des Rüsselsheimer Ruder-Klubs in der Deutschen Feldhockeymeisterschaft 1968. Hinsichtlich der internationalen Berufungen jedoch blieb der Anteil der Opelstädter zumeist immer noch bescheiden. Denn nach Bodo Schäfer, der 1958 zweimal für seinen damaligen Verein TEC Darmstadt die DHB-Farben getragen hatte, gelangte allein der inzwischen 31-malige Nationalspieler Fritz Schmidt zu internationalen Ehren.

Doch nach dem eindrucksvollen Erfolg des Vorjahrs konnte auch an weiteren Spielern der Rüsselsheimer nicht mehr vorbeigegangen werden.  So hat für die unmittelbar bevorstehende Pakistanreise der deutschen Nationalelf DHB-Sportwart Hugo Budinger (Köln) nicht weniger als vier Spieler des RRK nominiert. Wir werden heute Peter Kraus in einem Bericht vorstellen, den Helmut Zimmermann vom Düsseldorfer Fachorgan "Hockey" zusammengestellt hat.

Vorausschicken sollte ich vielleicht, daß ich selbst gegen Peter Kraus vornehmlich in der Halle sehr oft gespielt habe. Gewiss dürfte ich nicht der einzige deutsche Hockeyspieler gewesen sein, der an der bärbeißigen Ruhe und dem blitzschnellen, nicht selten unbegreiflich anmutenden Reaktionsvermögen des Rüsselsheimer Schlussmanns zuweilen fast verzweifelt ist. Oft hat man ihm in der Vergangenheit auch, der lange Zeit in der Halle mehr als auf dem Feld von sich reden machte, den Ruf eines "Hallenspezialisten" angedichtet. Doch zumindest seit der vergangenen Feldhockeysaison dürfte allgemein bekannt sein, dass sich der 27jährige Fahrzeugpolsterer in beiden Metiers bestens zu bewähren weiß.

Peter Kraus wurde am 27. Juni 1941 in Rüsselsheim geboren, kam erst als bereits 18jähriger durch Freunde zum Hockey, begann in der 2. Mannschaft des RRK als Torhüter und erkämpfte sich bald einen festen Stammplatz in der "Ersten". In Repräsentativ-Auswahlen und auch jetzt in der Nationalelf gilt der 1,79 m große, 89 kg schwere Kraus als ausgesprochene "Spätentdeckung". Denn kein einziges Mal stand er in der hessischen Franz-Schmitz-Elf oder den Junioren- und B-Nationalvertretungen des Deutschen Hockey-Bundes, lediglich zweimal vertrat er den Hessischen Hockey-Verband 1968 in der Silberschildauswahl bzw. der Verbandsmannschaft.

Mit dem RRK durch Europa

So hat er denn auch vorerst noch keine der ansonsten üblichen Auslandsreisen oder Teillahmen an Länderturnieren mit den verschiedenen DHB-Mannschaften aufzuweisen. Mit seinem Rüsselsheimer Ruder-Klub jedoch ist der gewichtige Schlussmann bereits durch ganz Europa gereist. London, Brüssel, Basel, Prag und Barcelona hat er bereits auf Hockeyreisen gesehen, und zuletzt stand er beim Turnier in Terrassa (Spanien) zwischen den Pfosten seiner Elf.

Als Ausgleichssportarten betreibt er Tischtennis und Schwimmen, und überhaupt scheint die Kraus-Familie dem Sport gegenüber sehr aufgeschlossen zu sein, denn auch Vater Peter ist alter Fußballspieler, während sich der weibliche Teil mit Mutter Wilhelmine und Ehefrau Ursula ganz dem Hockey verschrieben hat.

In der Vorrunde um die Deutsche Hockeymeisterschaft 1964 schlägt der RRK die Neuköllner Sportfreunde Berlin mit 2:1 (hinten: Bodo Schäfer, Dr. Philipp Gütlich, Fritz Schmidt, Fritz Staubach, Fritz Schröder, Helmut Köhler, Walter Leichtweiß, Coach Wolfgang Balven; vorn: Hans Teerling, Peter Kraus, Hans Hermann, Rainer Seifert)

Wem er viel verdankt

Viel von seinem heutigen Können verdankt Kraus seinen bisherigen Trainern, den Herren Schnur und Balven und natürlich seinem Nationalmannschaft spielenden Mannschaftskameraden Fritz Schmidt, der in den letzten Jahren aus seiner internationalen Erfahrung heraus seinen Mitspielern immer wieder wertvolle Hinweise zum Trainingsprogramm geben konnte, das zweimal wöchentlich absolviert wird.

Die Erfolge, die der RRK im Laufe der letzten Jahre mit Peter Kraus im Tor erringen konnte, können sich ohne weiteres sehen lassen: 1964 Süddeutscher Hallenmeister, 1967 und 1968 Hessischer Feldhockeymeister, und schließlich 1968 die Erringung des deutschen Titels auf dem Feld. Verständlicherweise bezeichnet Kraus auch den Tag des 4:1 über die Kölner Schwarz-Weißen als sein bisher schönstes Hockeyerlebnis.

Ein Erlebnis nicht unbedingt alltäglicher Art wurde ihm in Verbindung mit diesem Titelgewinn auch am darauf folgenden Tage von seinen Arbeitskollegen bereitet. Denn als er zur gewohnten Zeit an seiner Arbeitsstelle eintraf, kam er aus dem Staunen zunächst nicht mehr heraus. Vom Eingang bis zu seinem Arbeitsplatz war ein roter Teppich ausgelegt worden, und alle Kollegen standen Spalier.

Stuhl aus Schlägern und Bällen

In der Mitte des Raumes war dazu ein selbst geschreinerter, thronähnlicher Stuhl aufgestellt worden, den man in mühevoller Kleinarbeit aus Hockeyschlägern und Hockeybällen zusammengesetzt hatte. Die Rückenlehne zierte eine goldene Krone mit der Aufschrift "Dem deutschen Meister".

"Ich wusste im ersten Augenblick nicht, was ich sagen sollte", erinnert sich Kraus heute. "Für mich kam das Interesse, das meine Kollegen dem doch gar nicht, so populären Hockeysport entgegenbrachten, völlig überraschend. Jedenfalls habe ich mich damals über diese nette Aufmerksamkeit riesig gefreut."

Und augenzwinkernd fügt er hinzu: "Der Topf mit. der silbernen Farbe stand übrigens noch in der Ecke. Es war also auch für den Fall einer Niederlage vorgesorgt worden, wenn wir also nur Vizemeister geworden wären."

Peter Kraus wird also beim großen Länderturnier des pakistanischen Hockey-Verbandes im riesigen Stadion von Lahore erstmalig die Farben des Deutschen Hockey-Bundes tragen, wozu man dem sympathischen und stets bescheidenen Rüsselsheimer nur alles Gute wünschen kann.

Die Kraus-Dynastie

Alles Gute wünschen kann man freilich auch diesmal den asiatischen Kollegen. Denn für sie dürfte die Unterscheidung der verschiedenen Krauss, Krause und Kraus (deren der DHB im letzten Jahrzehnt immerhin fünf aufbieten konnte) wohl ähnlich schwierig werden, wie für uns Europäer das Auseinanderhalten der verschiedenen Balbirs, Dharams, Gurbu oder Rashids.

So wird man sich denn nicht zu wundern brauchen, wenn Peter Kraus in Lahore von der Presse als der "ehemalige Torschützenkönig des Londoner vorolympischen Turniers" (bekanntlich der Mönchengladbacher Günther Krauss) vorgestellt wird.