Von Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 16. November 2023)
Mannheim/Rüsselsheim. Mitte Juni passierte das, was beim Rüsselsheimer RK
insgeheim viele schon länger erwartet hatten: Pauline Heinz, erste
Hockeyspielerin des Ruderklubs seit 17 Jahren, die dank ihrer technischen und
körperlichen Qualitäten zur Olympia-Teilnehmerin 2021 aufgestiegen war, kündigte
ihren Wechsel zum Deutschen Meister Mannheimer HC an. Inzwischen ist reichlich
Wasser am RRK-Vereinsheim „Bootshaus“ vorbeigeflossen, und sowohl die RRK-Damen
als auch deren bisherige Anführerin haben versucht, im ersten Teil der
Feldsaison aus der neuen Situation das Beste zu machen. Nach rund zwei Monaten
beim MHC zieht die 22 Jahre alte Nationalspielerin und Paris-Anwärterin im
Interview ein positives Zwischenfazit, bezieht dabei aber auch ihr altes Team
und ihre sportliche Heimat ausdrücklich mit ein.
Frau Heinz, am
10. September haben Sie Ihr erstes Spiel im Trikot des Mannheimer HC bestritten.
Nach Beendigung der Hinserie ist Ihr neues Team Tabellenführer im Pool A und Sie
selbst nehmen als offensive Mittelfeldspielerin mit fünf Treffern den dritten
Platz in der Bundesliga-Torschützinnenliste ein. Fällt die Zwischenbilanz nach
dem Wechsel vom RRK durchweg positiv aus?
Ich bin voll
zufrieden und kann sagen, dass das für mich ein guter Schritt war. Es hat
einfach Spaß gemacht, gemeinsam als Team möglichst erfolgreich auf dem Platz zu
kämpfen. Was die Tore angeht, habe ich mir nicht so einen Druck gemacht, und es
ist mir persönlich auch nicht so wichtig, wer die Treffer macht. Ich wusste
selbst gar nicht, dass ich fünf Tore erzielt habe.
Das 0:1 zum
Auftakt beim Club an der Alster in Hamburg hat Sie demnach kein bisschen
verunsichert?
Natürlich hat es
genervt, gleich das erste Saisonspiel mit einer neuen Mannschaft verloren zu
haben. Aber da zwischen dem Ende der Europameisterschaft und dem
Bundesliga-Start nur eine Trainingswoche lag und wir ja ein neues Team sowie
einige Verletzte hatten, war die Niederlage erklärbar – zumal gegen so einen
starken Gegner.
Sie haben Ihren
Wechsel als RRK-Galionsfigur in erster Linie damit begründet, in Mannheim
bessere Chancen auf eine Olympia-Teilnahme in Paris 2024 zu sehen. Haben die
ersten elf Partien Sie in Ihrer Hoffnung bestärken können?
So genau lässt sich
das im Moment nicht sagen, zumal wir nach der EM noch keine Maßnahme mit dem
Nationalteam hatten. Ich merke aber, dass es mir etwas bringt, so viel und dazu
mit Topspielerinnen aus Argentinien oder Spanien zu trainieren. Das finde ich
schon ziemlich cool, denn man kann man sich da schon den einen oder anderen
Trick abgucken.
Zur Person
Pauline Heinz kommt am Maifeiertag 2001 in Wiesbaden
zur Welt und rundet damit das fünfköpfige Familienglück im Rüsselsheimer
Rübgrund ab. Längere Zeit übt sie parallel Tennis und Hockey aus,
entscheidet sich im Alter von zwölf Jahren dann aber für das Spiel mit
Krummstock und Hartplastikball, das ihrer Mutter Bianca als Torhüterin 1992
in Barcelona Olympia-Silber beschert hatte.
Eine gute Entscheidung, zunächst für den Rüsselsheimer
Ruder-Klub, später dann auch für den Deutschen Hockey-Bund. Mitte April 2017
absolviert sie in Antwerpen ihr erstes von 59 Jugend-Länderspielen, gekrönt
von der Bronzemedaille bei der U21-EM in Spanien 2019. Im Dezember desselben
Jahres debütiert sie in Buenos Aires im A-Nationalteam und erfüllt sich zwei
Jahre später in Tokio ihren Olympia-Traum.
Nach dem undankbaren vierten WM-Platz 2022 trägt sie
am 26. August dieses Jahres in ihrem 44. A-Länderspiel zum Gewinn von
EM-Bronze bei und erhöht ihr internationales Trefferkonto während der Tage
in Mönchengladbach auf neun.
Seit 2020 absolviert "Pauli" ein duales Studium an der
Landespolizeischule Hessen in Wiesbaden. Die 22-Jährige liest gerne und hat
sich nach ihrem Wechsel zum Deutschen Meister Mannheimer HC im September ans
Gitarrenspielen herangewagt. |
Gibt es noch
weitere Dinge, von denen Sie beim aktuellen Deutschen Meister sportlich
profitieren?
Ich profitiere
schon sehr davon, dass das Trainingsniveau deutlich höher ist. Dies wohl auch
deshalb, weil aus dem gesamten Kader nur eine Spielerin arbeitet, während der
Rest studiert oder zur Schule geht. Wir trainieren zwar ebenfalls dreimal als
Team, aber dazu kommt jede Menge Individualtraining. Das gesamte
Trainingsprogramm ist einfach sehr breit und professionell aufgezogen. Und dass
wir im Frühjahr mit dem MHC in der EuropäischenHockey-Liga antreten, bringt
natürlich weitere internationale Erfahrung.
Hat sich der
Bundestrainer mal gemeldet, seit Sie in Mannheim am Ball sind?
Nein, es gab keinen
Kontakt. Ich denke, er kennt mich so gut, dass er mich erst mal ankommen und
ganz entspannt da rangehen lassen wollte.
Der MHC gehört
zu den wenigen Bundesligaclubs, die dank eines großzügigen und Hockey-affinen
Geldgebers in der Lage sind, auch internationale Spitzenkräfte anzulocken.
Welche Annehmlichkeiten erhalten Sie?
Die Unterstützung
ist vielschichtig. Ich teile mir mit Verena Neumann, die ich schon aus
U21-Zeiten beim DHB kenne, eine kleine Wohnung in Neckarstadt. Ich bekomme ein
Auto gestellt, und es gibt eine Aufwandsentschädigung. Das ist mit dem RRK zwar
überhaupt nicht vergleichbar, aber auch ohne das alles ist es dort einfach
schön.
Sie haben viele
Ihrer Rüsselsheimer Teamkolleginnen als gute Freundinnen bezeichnet. Wie eng ist
der Kontakt noch, wie oft sind Sie daheim und wie gefällt Ihnen Mannheim?
Ich habe weiterhin
sehr viel Kontakt. Entweder wir schreiben per Handy oder wir telefonieren. In
meinem Elternhaus war ich während der Saison vielleicht mal eine Nacht pro
Woche, ansonsten schon viel in Mannheim. Das Viertel, in dem ich wohne, ist echt
ganz schön und hat viele Cafés. Ansonsten kann man in Mannheim gut shoppen. Mein
Herz gehört aber ganz klar Mainz. In der Altstadt bin ich total gerne und fühle
mich auch aufgrund der vielen jungen Leute da immer direkt wohl.
Ihr altes Team
hat ohne die bisherige Kapitänin und Haupttorschützin die Hinrunde in der
Zweiten Bundesliga Süd auf Platz fünf und damit so ungut wie nie zuvor
abgeschlossen. Sorgt Sie das, auch mit Blick auf die Anfang Dezember anrollende
Hallen-Bundesliga?
Auf keinen Fall. Es
sind ja immer wieder wichtige Leute ausgefallen, aber das ist von dem sehr
jungen Team alles in allem wirklich gut kompensiert worden, weil einfach jede
für jede gekämpft hat. Dazu ist manches Spiel knapp und unglücklich verloren
gegangen. Ich denke, dass es eine coole Hallensaison wird, weil bestimmt auch
hier wieder jede Verantwortung übernimmt. Und dass eine so erfahrene Spielerin
wie Mara Bentscheck zurückkommt, hilft bestimmt.
Haben Sie die
RRK-Damen nach ihrem Weggang mal spielen sehen?
Ich habe mir alles
online angeschaut, da ich durch unsere Saison leider keine Chance hatte, in
Rüsselsheim vor Ort zu sein. Beim Auswärtsspiel gegen Feudenheim konnte ich die
zweite Halbzeit live sehen, weil wir vorher auf dem Nebenplatz gespielt hatten.
Das war echt schön, und sie haben das gegen einen starken Gegner wirklich gut
gemacht. Ich habe mich jedenfalls mega gefreut, dass sie das 2:1 gewonnen haben
– zumal es schon ein komisches Gefühl war, sie beim Aufwärmen zu erleben und
selbst in einem anderen Trikot nebenan auf dem Platz zu stecken.
Alle
A-Kaderspielerinnen und Olympia-Kandidatinnen pausieren in der Halle. Wie sieht
Ihr persönlicher Fahrplan für die nächsten Wochen und Monate aus?
Ich trainiere
weiterhin draußen. An diesem Samstag fliegen wir mit dem Nationalteam nach
Südafrika zum ersten Trainingslager nach der EM. Mitte Dezember folgt ein
Vorbereitungsturnier in Spanien, und vom 13. bis 19. Januar spielen wir dann in
Indien um eine von drei Olympia-Fahrkarten. Ob ich dort dabei bin, wird sich
nach der Maßnahme in Spanien herausstellen. Über Weihnachten werde ich zu Hause
sein und vielleicht noch mal spontan in Urlaub fahren.