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Über Mitglieder des
RRK (2023)
Pauline Heinz |
Pauline Heinz, hier im Länderspiel gegen Frankreich am 1.
Juni möchte sich mit dem Schritt nach Mannheim
und optimalen Bedingungen vor Ort den Weg zu Olympia 2024 in Paris
ermöglichen. |
Pauline Heinz verlässt RRK in Richtung Mannheimer HC
Hockey-Nationalspielerin und Kapitänin des Rüsselsheimer RK, Pauline Heinz,
wechselt zum Deutschen Meister Mannheimer HC. Dort sieht sie bessere Chancen für
ein Olympia-Ticket.
Von Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 16. Juni 2023)
Was etliche
Hockeyfans am Untermain schon länger befürchtet hatten, ist eingetreten:
Nationalspielerin Pauline Heinz verlässt den Rüsselsheimer RK und wird künftig
das Dress des frischgekürten Deutschen Meisters Mannheimer HC tragen. "Ich
möchte einfach alles dafür tun, um im nächsten Jahr wieder bei Olympia dabei zu
sein", so die Erklärung der 22 Jahre alten Offensivkraft. Als 18. RRK-Spielerin
hatte sie 2019 den Sprung in den A-Kader des Deutschen Hockey-Bundes (DHB)
geschafft und sieht dieser Tage in London ihren Länderspielen 34 und 35
entgegen.
Dass der Abschied
nach rund 16 Jahren im RRK-Trikot und einer sehr engen Heimatverbundenheit alles
andere als leicht fällt, kann als gesichert gelten. "Es war ein super trauriger
Moment, als ich das meiner Mannschaft gesagt habe. Mit vielen spiele ich ja
schon immer zusammen, das sind meine Freundinnen", berichtet Heinz. Obwohl
Mitspielerinnen wie Trainer Norman Hahl schlagartig bewusst gewesen sein dürfte,
dass es in der Zweiten Bundesliga Süd ohne die Kapitänin, beste Spielerin und
beste Torschützin (16) weitergehen muss, "war niemand sauer. Jeder hat es
verstanden", so Heinz. "Da wir seit der Kindheit zusammen gespielt haben, kann
ich mir gar nicht vorstellen, ohne sie auf dem Platz zu stehen. Aber natürlich
verstehe ich sie, weil wir momentan in Rüsselsheim einfach nicht ganz oben
mitspielen können und sie beim MHC die Möglichkeit hat, sich noch weiter zu
entwickeln", sagt die 20-jährige Vicky Zimmermann. Bundestrainer Valentin
Altenburg betont, "dass Pauli sich aus sich heraus zu dem Schritt entschieden
hat. Ich unterstütze sie mit der Entscheidung und hätte sie genauso unterstützt,
wenn sie geblieben wäre".
Gleichwohl der dank
eines finanzstarken Sponsors im Vergleich zum RRK fürstlich aufgestellte MHC
schon etliche Jahre immer wieder um Pauline Heinz warb, hätte es durchaus
passieren können, dass die Kurpfälzer abermals abgeblitzt wären. "Nach der
Hinrunde haben wir vereinbart, dass nach den wichtigen Spielen der Rückrunde
eine Entscheidung fällt. Wenn wir aufgestiegen wären, wäre es deutlich
wahrscheinlicher gewesen, dass ich geblieben wäre", erklärt Heinz. Nach dem 1:1
bei Spitzenreiter SV Zehlendorfer Wespen am 14. Mai indes war absehbar, dass der
sechsmalige nationale Ex-Champion den Wiederaufstieg zum zweiten Mal in Folge
verpassen würde. "Aber ich bin überzeugt, dass die Mannschaft auch ohne mich
stark genug ist, um in der neuen Saison wieder eine gute Rolle zu spielen", so
Heinz.
Dass der Mannheimer
HC optimale Voraussetzungen bietet, um nach Tokio 2021 auch auf den Olympia-Zug
Richtung Paris 2024 aufzuspringen, liegt auf der Hand. Die rund 75 Kilometer von
Rüsselsheim entfernte Anlage am Neckarplatt, deren Traglufthalle Feldhockey auch
im Winter ermöglich, kennt Pauline Heinz seit langem. Einmal pro Woche nimmt sie
dort am Stützpunktraining teil, seit sie im U16-Nationalteam debütierte. Das
MHC-Team von Trainer Nicklas Bennecke ist gespickt mit aktuellen und ehemaligen
Nationalspielerinnen (darunter drei Argentinierinnen), "von denen man sich
bestimmt einige coole Sachen abgucken kann. Ich hoffe einfach, dass mich das
alles noch ein Stück vorwärtsbringt", sagt Heinz.
Nächstes Ziel:
Olympia 2024 in Paris
Wie die Zukunft
beim MHC aussieht und was ihr dort geboten wird, kann sie noch nicht sagen.
"Genaueres ist noch nicht besprochen; ich lasse das alles auf mich zukommen. Es
ist einfach jetzt der perfekte Zeitpunkt, um das mal auszuprobieren. Wenn ich es
nicht gemacht und Olympia verpasst hätte, hätte ich mich furchtbar geärgert",
erklärt die angehende Polizeibeamtin – wohl wissend, "dass es erst seit wenigen
Jahren möglich ist, die Ausbildung fortzusetzen, auch wenn man für einen Verein
außerhalb Hessens spielt". Da sie immer mal wieder zur Schule nach Wiesbaden
müsse und auch Praktika anstehen, "werde ich mal da und mal da übernachten". Ein
Zimmer in einer Hockey-WG in Mannheim werde sie auf jeden Fall beziehen.
Keine Frage, dass
die RRK-Tür immer offen steht, falls das Heimweh zu groß werden sollte.
"Natürlich hoffen wir, dass sie irgendwann zurückkommt", sagt Jürgen Kaul. Der
Abteilungsleiter weiß um den "offensichtlichen Qualitätsverlust", baut aber
darauf, "dass bei anderen, die bislang vielleicht etwas im Schatten von Pauli
standen, nun der Knoten platzt. Die müssen das über das Kollektiv hinkriegen".
Pauline Heinz wird dafür bestimmt die Daumen drücken und wenn immer möglich auch
am Sommerdamm vorbeischauen. Und: "Gegen den RRK zu spielen, das kann ich mir
aktuell gar nicht vorstellen."
Norman Hahl |
Hahl über
Heinz-Abschied: Wechsel war nicht nötig
Der Trainer der RRK-Hockeyfrauen spricht im
Kurz-Interview über den Verlust seiner Kapitänin und die Perspektiven für die
neue Saison.
Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 19.06.2023)
Norman Hahl hat in
nunmehr fast sieben Jahren als Cheftrainer der Rüsselsheimer Hockeyspielerinnen
seine "Nehmerqualitäten" hinlänglich dokumentiert. Immer wieder musste der
34-jährige Lehrer erfahrene Spielerinnen ziehen lassen und überwiegend durch
junge Kräfte ersetzen. Der Aderlass in diesem ersten Halbjahr übertrifft
freilich alles. Nach Mara Bentscheck und Celina Hocks, die beide im besten
Hockeyalter von 27 Jahren seit dem Ende der Hallensaison andere Prioritäten
setzen, muss es künftig auch ohne Nationalspielerin Pauline Heinz weitergehen.
Die 22-jährige Galionsfigur des RRK-Teams zieht es – wie berichtet – zum
Mannheimer HC. Den Kopf in den Sand steckt Coach Hahl deshalb aber keineswegs.
Herr Hahl, was
waren Ihre ersten Gedanken, als Ihnen bewusst wurde, dass Sie und Ihr Team
fortan in der Zweiten Feld-Bundesliga und in der Hallen-Bundesliga ohne die
Kapitänin und beste Torschützin auskommen müssen?
Für Pauline
persönlich kann der Wechsel eigentlich nur gut werden, auch wenn sie uns
natürlich fehlen wird – keine Frage. Ich denke, der Mannheimer HC kann sie gut
gebrauchen, und ich glaube auch, dass sie dort eine Führungsrolle einnehmen
wird. Ich hoffe, dass sie sich dort wohlfühlt, was wir ihr alle wünschen. Wenn
sie für ihre Nationalmannschaftskarriere noch mal alles aus sich herausholen
will für Olympia, dann kann das schon wichtig sein, dass sie dort Spiele auf
höherem Niveau und etwas stärkere Trainingspartnerinnen hat. Ich glaube, der
Wechsel wäre nicht nötig gewesen, da sie sich im Nationalteam mittlerweile so
gut entwickelt hat, dass sie auch ohne Wechsel dabei gewesen wäre.
Wie wollen Sie
diesen schweren Verlust auffangen, und hat sich das Thema Wiederaufstieg damit
fürs Erste erledigt?
Ich denke, wir sind
trotzdem noch eine sehr gute Zweitligamannschaft. Die nächste Saison wird aber
nicht einfach. Die HG Nürnberg dürfte wieder ein guter Gegner sein, und auch
Absteiger TSV Mannheim wird bestimmt wieder sehr stark einzuschätzen sein. Es
wäre aber auch mit Pauline schwer geworden, da die Teams im oberen Drittel
insgesamt etwas stärker geworden sind. Zudem hätte Pauli uns wegen der
Olympiavorbereitung in der Rückrunde kaum zur Verfügung gestanden und wohl auch
in der Halle komplett gefehlt. Aber vielleicht können wir uns ja bis zum 1.
August noch etwas verstärken, und im kommenden Frühjahr kommen ja dann auch
wieder einige starke Talente aus den eigenen Reihen dazu.
Klingt so, als
hätten Sie die Freude an ihrem Nebenjob trotz des ständigen Umbauens und
Umdenkens nicht verloren?
Richtig, es macht
mir weiterhin großen Spaß, mit den Mädels zu arbeiten. Und dass wir trotz des
Verlustes von Celina Hocks und Mara Bentscheck sowie im letzten Spiel auch ohne
Pauli das beste Rückrundenteam in der Südgruppe geworden sind, ist eine tolle
Bestätigung unserer Arbeit. Wir schauen einfach mal, wie sich das entwickelt für
Pauline. Die Tür steht ihr natürlich immer offen, und wir würden uns freuen,
wenn sie irgendwann den Weg zurückfindet und ich dann immer noch Trainer bin.
Schweren Herzens zum Meister
Die beste
Rüsselsheimer Hockeyspielerin verlässt ihren zweitklassigen Heimatklub, um ihre
Olympiateilnahme nicht zu gefährden.
Von Alex Westhoff
(aus "FAZ" vom 24. Juni 2023)
Dass der "super traurige Moment", wie
Pauline Heinz sagt, irgendwann kommen würde, war abzusehen. Einige Jahre schon
hatte ihr Herz immer wieder ihren Kopf besiegt, hatte
Heimat(vereins)verbundenheit den Ausschlag gegeben gegenüber der besseren
sportlichen Perspektive. Nun, am Ende der Hockey-Ligasaison, war es so weit: Ja,
ich gehe – diese Botschaft überbrachte die Nationalspielerin ihren
Teamkolleginnen vom Rüsselsheimer RK. Mit schwerem Herzen und klarem Kopf. Nach
16 Jahren, in denen der Kunstrasen am Sommerdamm von ihrer kindlichen Spielwiese
zum Ort ihres spitzensportlichen Durchbruchs wurde. "Mit vielen Mädels spiele
ich ja schon immer zusammen, das sind meine Freundinnen", sagt Heinz. Ihren
Wechsel zum Spitzenklub Mannheimer HC zur neuen Saison begründet sie so: "Ich
möchte nichts unversucht lassen und alles dafür tun, um im nächsten Jahr wieder
bei Olympia dabei zu sein."
Nationalspielerin Pauline Heinz will auch im Klub erstklassig spielen. |
Nun macht
sie den Schritt, zu der mancher in der Hockey-Szene ihr schon viel früher
geraten hatte. Ein Schritt, bei dem einige hofften, dass er nie ausgeführt
würde. Zu schön die Vorstellung, im heimischen Rüsselsheimer Nest den
Gesetzmäßigkeiten des Hochleistungssports zu trotzen. Dem Heimatverein auch in
der zweiten Liga treu zu bleiben und dennoch parallel auf höchster
internationaler Ebene für die Nationalmannschaft zu glänzen. Doch als bei den
RRK-Damen im Frühjahr immer deutlicher wurde, dass trotz der Extraklasse von
Pauline Heinz auch im dritten Jahr in Folge die Bundesliga-Rückkehr (letztlich
Zweiter in der Zweitliga-Südstaffel mit neun Punkten Rückstand) verpasst wird,
kam die 22-Jährige neu ins Grübeln. "Wenn wir aufgestiegen wären, wäre es
deutlich wahrscheinlicher gewesen, dass ich geblieben wäre", sagt sie. Doch auch
16 Tore der Kapitänin, die im RRK-Spiel Dreh- und Angelpunkt ist, reichten nicht
aus.
Der frisch
gebackene deutsche Meister Mannheimer HC ist nicht nur schon lange an dem
Supertalent quasi vor seiner hessischen Haustür interessiert, er ist so etwas
wie die natürliche Wahl. Die geographische Nähe macht es für die angehende
Polizeibeamtin Heinz leichter, das auf viereinhalb Jahre gestreckte duale
Studium in Wiesbaden fortzusetzen. Seit September 2020 gehört sie der
Sportfördergruppe der hessischen Polizei an. Ein offenes Geheimnis ist, dass
alle deutschen Topklubs und auch einige ausländischen Adressen um die
hochveranlagte, aufstrebende Nationalspielerin geworben hatten.
In der Auswahl des
Deutschen Hockey-Bundes ist die Offensivspielerin, die in Rüsselsheim im
zentralen Mittelfeld agierte, in der Nationalmannschaft aber überwiegend im
Angriff eingesetzt wird, schon eine Weile eine feste Größe. Schon bei den
Olympischen Spielen in Tokio 2021 (Platz 6) war, sie in den Kader gerutscht, des
Weiteren spielte sie ‒ neben Verpflichtungen im deutschen U-21-Kader -- eine
Europameisterschaft (2021, Silbermedaille) und eine Weltmeisterschaft (2022,
Platz 4) für das A-Team. Für die Heim-EM in diesem Sommer in Mönchengladbach
dürfte sie gesetzt sein ‒ bei den beiden Pro-League-Länderspielen in London
gegen England in der vergangenen Woche erzielte Pauline Heinz zwei Treffer. In
ihren insgesamt schon 35 Länderspielen traf sie fünf Mal.
Der Mannheimer HC punktet mit sehr
professionellen Bedingungen, unter anderem verfügt der Klub über eine
Traglufthalle, die auch im Winter Feldhockey ermöglicht. Die 75 Kilometer in die
Kurpfalz sind Pauline Heinz zudem schon lange wohlbekannt. Seit sie den Sprung
in den deutschen U-16-Kader schaffte, nimmt sie einmal wöchentlich an einem
Stützpunkttraining dort teil. Und auch finanziell wird sich der Wechsel in der
Amateursportart Hockey für sie rechnen. Beim RRK war und ist es üblich, dass
auch die 1. Damen kein Salär beziehen und sogar Mitgliedsbeitrag zahlen.
"Wir freuen uns, dass Pauli so lange
bei uns war und uns Vertrauen geschenkt hat", sagt RRK-Damentrainer Norman Hahl.
"Mit dem Schritt nach Mannheim kann sie nun vielleicht noch einige Prozent mehr
an Leistungsfähigkeit herausholen. Vom Trainingsniveau, mit vielen starken
Spielerinnen, die gerade Meister geworden sind, wird sie profitieren. Ich bin
mir sicher, dass sie auch dort eine wichtige Führungsrolle einnehmen wird." Beim
RRK stand Heinz, die charakterlich eher eine ruhige Vertreterin ist, aufgrund
ihrer exponierten Position und Rolle im Team stark in der Verantwortung. Dass
sie sich stetig auf Topniveau weiterentwickelte, mit außergewöhnlicher Dynamik,
Hingabe und Tatkraft Hockey spielt, ist auch ein Verdienst von Hahl. Der
Rüsselsheimer Trainer hat nebenher viele Einzeleinheiten, auch und gerade
während der bleiernen Corona-Monate, mit ihr bestritten.
Paulines Mutter Bianca, als
Torhüterin Silbermedaillengewinnerin bei Olympia 1992 in Barcelona und aktuell
RRK-Vorsitzende, war eine der ersten Nationalspielerinnen made in Rüsselsheim.
Viele sollten folgen, als der RRK nicht nur hessische, sondern deutsche
Hockeyhochburg war. Der Strom an hessischen Talenten für die A-Auswahl ist
längst versiegt, Pauline Heinz könnte auf mittlere Sicht die letzte gewesen
sein.
Coach Hahl glaubt, dass der Abgang
seiner Besten "einen Entwicklungsschub innerhalb des Teams auslösen kann. Andere
Spielerinnen dürfen und sollen jetzt mehr Verantwortung übernehmen." Er habe
nach der Nachricht vom Verlust von Heinz "eine Jetzt-erst-recht-Haltung" bei der
Mannschaft registriert. Wir werden", so Hahl, "eine sehr gute
Zweitligamannschaft bleiben." Mit einem neu gewonnenen großen Fan. "Ich werde an
jedem freien Wochenende zu Hause sein und den Mädels zuschauen", sagt Pauline
Heinz. |