Schade, eine Hommage an den Firmengründer Adam Opel
ist der brandneue Opel Adam keineswegs, wie man glauben könnte. Vielmehr habe
die Marketingabteilung schlicht nach etwas Maskulinem gesucht. Und der
Kleinwagen soll zudem englisch "Ädäm" ausgesprochen und in Versalien geschrieben
werden: ADAM. Die Neuentwicklung ist der große Hoffnungsträger im Jubiläumsjahr,
in dem man in Rüsselsheim freilich andere Sorgen hat, als eine Sause zum runden
Geburtstag zu veranstalten. Zum 125sten wurde im Mai 1987 noch drei Tage lang
Party gemacht, Bundeskanzler Helmut Kohl schwebte im Hubschrauber ein, stieg in
einen Opel Torpedo von 1911 und hielt später eine Festrede, die mit
minutenlangem Beifall quittiert wurde.
Im Jahr 2012 wird es dagegen am 22. September ein
bescheidenes Fest geben, zu dem Beschäftigte und ihre Familien sowie die Freunde
der Marke eingeladen werden. Zu diesem Anlass öffnet das Rüsselsheimer Werk
seine Pforten für Besucher. Mehr findet nicht statt. In der Tat würde eine große
Party nicht zur momentanen Situation von Opel passen. Opel 2012: Der Marktanteil
in Deutschland beträgt nur noch 7,2 Prozent, und der neue Opel-Chef Thomas
Sedran − der neunzehnte (!) seit 1948 − musste sich unlängst vom Massenblatt
"Bild" fragen lassen: "Alle Welt redet nur über die Krise bei Opel, keiner über
Ihre neuen Modelle. Warum soll ich eine Verlierer-Marke kaufen?" So weit ist es
gekommen.
1987 sah der Himmel über Rüsselsheim noch viel heller
aus. Opel verkaufte weit mehr als 450.000 Autos in Deutschland, der Marktanteil
lag bei 15,6 Prozent. Es gab einen soliden Gewinn, es war das beste Ergebnis
seit 1979. In den vergangenen 25 Jahren hat Opel viel Boden verloren. Eine nicht
endende Kette von falschen Entscheidungen und beständige Reibereien mit dem
Betriebsrat nagen an dem einst so guten Ruf der Marke. Der Marktanteil fällt und
fällt. Den Rekord-Nachfolger Omega 2003 einzustellen war einer der Fehler wie
jener, nach dem Erfolg des Geländewagens Frontera (auf Anhieb Marktführer) nicht
konsequent am Ball zu bleiben. Am schwersten wiegt jedoch die über Jahre
mangelnde Qualität, weil die Kosten gedrückt werden sollten und mussten (in den
neunziger Jahren). Zum Glück gab es auch Lichtblicke wie den Minivan Zafira
(seit 1998, von Porsche im Auftrag entwickelt). Und ohne Frage sind die heutigen
Opel (vor allem der Insignia, aber auch der Meriva und der Zafira III sowie der
Imagebringer Astra GTC) gut wie noch nie, nur verkaufen sie sich alle unter
Wert, weil der Ruf so gelitten hat.
© Archiv Opel
Enkel Fritz fährt 1928 mit dem Raketenwagen in die Geschichtsbücher
|
© Archiv
Opel Mit Motorrädern hat Opel 1901 begonnen |
Das Schiff wieder auf Kurs zu bringen, Opel wieder zu
einer begehrenswerten Marke zu machen, ist eine der vordringlichsten Aufgaben
von Interims-Chef Sedran. Neue Produkte sollen ihm dabei helfen, allen voran das
neue Trio, das noch binnen Jahresfrist zu den Händlern kommt. Neben dem Adam,
der in Eisenach produziert werden wird, sind das der Geländewagen Mokka und ein
neues (Stoffdach-)Cabriolet, das zwischen Astra und Insignia einzuordnen ist. Es
hat noch keinen Namen. Außerdem sollen bis 2016 rund 20 weitere neue Opel folgen
(inklusive Facelifts), Milliardenbeträge stünden dafür bereit, verspricht Sedran.
Den Karren aus dem Imagetief zu holen, ist eine der
schwierigsten Aufgaben, die ein Automobil-Manager heute haben kann. Doch kaum
war Sedran im Amt (seit dem 12. Juli), musste er auf den designierten
Design-Chef, der aus Detroit kommen sollte, verzichten. David Lyon wurde
plötzlich fristlos entlassen. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Dass
Sedran als Chef auf Abruf gilt, macht die Sache nicht einfacher. Und natürlich
soll auch noch weiter am Personal gespart werden − harte Zeiten ausgerechnet im
Jubiläumsjahr.
Aber früher war es noch härter. Schließlich hat Adam
Opel sein Weltunternehmen aus einem Kuhstall heraus aufgebaut. Dort begann der
gelernte Schlosser nach Lehr- und Wanderjahren im Herbst 1862 mit dem Bau von
Nähmaschinen. Zuletzt hatte er in Paris erlebt, welchen Zeitgewinn ein Schneider
mit einer solchen Maschine erzielen kann. Im August 1862 kehrt er nach
Rüsselsheim zurück, sein Onkel stellt ihm den Kuhstall zur Verfügung. Nur sein
Bruder hilft ihm, doch bald wird der erste Arbeiter und dann der erste Lehrling
eingestellt. Adam Klingelhöfer arbeitet für drei Kreuzer die Woche täglich von
sechs Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Schon 1868 reicht das Geld, um
"draußen" am Bahnhof von Rüsselsheim eine kleine Fabrik nebst Wohnhaus zu bauen.
Jetzt hat Opel 40 Mitarbeiter.
© Archiv Opel Die
fünf Opel-Söhne machen sich ab 1886 für das Fahrrad stark
|
© Archiv Opel Sohn Fritz probiert 1902 das erste
Auto |
Als Adam Opel neben dem beruflichen Erfolg auch noch
sein privates Glück findet, steht dem Aufstieg des Unternehmens nichts mehr im
Wege. Im November 1868 heiratet er Sophie Scheller, sie bringt 10.000 Taler mit
in die Ehe, die Fabrik wird erweitert, 1870 arbeiten schon 100 Mann für Opel.
Doch noch wichtiger für den Fortgang der Geschichte als die 10.000 Taler sind
die fünf Buben, die Sophie zur Welt bringt: Carl, Wilhelm, Heinrich, Fritz und
Ludwig. Die fünf Opel-Boys sorgen dafür, dass der Vater 1886 fünf Hochräder
unter den Weihnachtsbaum legt. Zwar werden die gleich wieder verkauft, weil
Vater Opel beim Versuch, ein Hochrad zu besteigen, im Hof auf die Nase fällt,
doch als jedes Rad 400 Mark bringt (die Räder hatte Opel als Bausatz aus England
kommen lassen), reagiert der Geschäftsmann. Er schickt den ältesten Sohn Carl
und Adam Klingelhöfer, der sein gesamtes Arbeitsleben bei Opel verbringen wird,
nach England, sie sollen 25 Bausätze mitbringen.
Schnell wird das Fahrrad ein Riesenerfolg − die
Fabrik wird 1888 abermals erweitert −, zur Jahrhundertwende baut Opel 15.000
Räder im Jahr. 1895 stirbt Adam Opel im Alter von nur 58 Jahren, das Unternehmen
führen jetzt seine Witwe und die beiden ältesten Söhne. Gegen den Willen der
Mutter setzen Carl und Wilhelm durch, dass 1899 auch der Automobilbau
aufgenommen wird. Doch der Kauf der Lutzmann-Manufaktur aus Dessau (samt kleiner
Belegschaft) erweist sich mehr oder weniger als Fehlschlag. Lutzmann wird später
ausbezahlt, 1902 kommt mit dem Kauf der Lizenz von Darracq der Auto-Erfolg. Im
Jahr zuvor hatte Opel zudem mit dem Bau von Motorrädern begonnen. Der
Opel-Motorwagen ist 1902 die erste eigene Konstruktion, 1906 wird schon das
eintausendste Auto gebaut. Der "Doktorwagen", gestartet 1909, verhilft den
Rüsselsheimern zum Durchbruch. Er kostet keine 4.000 Mark und ist nur halb so
teuer wie Konkurrenzmodelle. Als 1911 fast das gesamte Werk abbrennt
(wahrscheinlich durch Brandstiftung), wird der Bau von Nähmaschinen eingestellt.
Weil man bei 999.984 Einheiten angekommen war, werden aus den Trümmern noch 16
letzte Nähmaschinen zusammengewerkelt.
© Archiv Opel Mit
der Nähmaschine fängt es 1862 an |
© Archiv Opel Der Kadett vor einem kleinen
Häuschen ist 1962 der Traum der Deutschen |
Nach dem Ersten Weltkrieg führt Opel als erstes
deutsches Automobilunternehmen eine Art Fließbandproduktion ein, der
"Laubfrosch" (1924) wird zum Auto der kleinen Leute. Warum die Familie Opel das
Unternehmen 1929 und 1931 in zwei Schritten an General Motors (GM) verkauft, ist
nie hundertprozentig geklärt worden. Die Opels freuten sich jedenfalls über
33,362 Millionen Dollar − damals eine unvorstellbare Summe Geld. In der dicken
Festschrift zur Jubiläumsfeier (75 Jahre) im August 1937 wird die
Weltwirtschaftskrise als Grund angeführt, aber auch familiäre Überlegungen
dürften eine Rolle gespielt haben.
Schon 1930 war der Bau von Motorrädern eingestellt
worden (in der Kriegszeit hatten auch Motorpflüge und Flugzeugmotoren zum
Programm gehört). Und GM tut Opel gut. 1935 wird das erste Werk außerhalb
Rüsselsheims errichtet, in Brandenburg an der Havel. 1937, als Opel halb so alt
war wie heute, wird nach gut 2,6 Millionen Fahrrädern der Schlussstrich unter
dieses Unternehmenskapitel gezogen. NSU kauft die Produktionsanlagen und nennt
die Räder noch eine Weile NSU-Opel.
In jenen Jahren hatte Opel einen Marktanteil in
Deutschland von 42 Prozent − 287.712 von 684.874 in den Jahren 1933 bis 1936
zugelassenen Personenwagen kamen aus Rüsselsheim. Während des Zweiten Weltkriegs
verliert GM die Kontrolle über Opel, und Opel nach 1945 das Werk in Brandenburg.
Es wird komplett demontiert − aus Rüsselsheim gehen zudem die Produktionsanlagen
des ersten Kadett (seit 1936 gebaut) nach Russland.
Das erste Auto, das 1946 die Werkshallen verlässt,
ist ein Blitz-Lieferwagen. Die Amerikaner sind 1948 wieder zurück, schnell
steigt der Verkauf in Deutschland von rund 30.000 Autos jährlich Anfang der
fünfziger Jahre mit dem allgemeinen Autoboom auf mehr als 400.000 Anfang der
siebziger Jahre. Der Marktanteil liegt zu dieser Zeit bei mehr als 20 Prozent,
noch über dem von VW. Nie stand Opel besser da, wenn auch in den neunziger
Jahren Absatzrekorde gefahren wurden (1996 gut 550.000 Einheiten).
© Archiv Opel 1968
ist im GT nur das Fliegen schöner |
© Hersteller Der
neue Kleinwagen "Adam" ist der Hoffnungsträger |
Die Namen der Modelle aus den frühen Siebzigern sind
heute noch Musik in den Ohren, nicht nur unter Opel-Freunden: Kadett, GT,
Ascona, Manta, Rekord, Commodore, Kapitän, Admiral, Diplomat. Auch den
Lieferwagen Blitz gab es noch bis 1975. Das eigene Engagement mit leichten
Nutzfahrzeugen aufzugeben, war vielleicht der erste Fehler in der Kette von
Fehlentscheidungen seither. Auch dass die so gut eingeführten Modellnamen
sukzessive verschwanden, war nicht unbedingt richtig. Bei VW ist der Golf seit
1974 der Golf, der Passat seit 1973. Zumindest Kadett, Rekord und Manta hätten
nicht sterben dürfen. Doch das ist natürlich Spekulation. Fakt ist, dass seit
den siebziger Jahren der Marktanteil in Deutschland stetig gefallen ist. Zum
ersten Mal lag er 2006 unter zehn Prozent. Auf anderen Märkten sieht es nicht so
schlecht aus, aber Opel soll und muss sich auf Europa konzentrieren,
Überseemärkte (Israel, Argentinien, Australien) werden erst seit kurzem
beackert, und die Muttergesellschaft redet immer mit. Auch die
Konkurrenzsituation mit Chevrolet in Deutschland und Europa ist, vorsichtig
ausgedrückt, nicht optimal.
Aber Opel hat zwei Weltkriege, die
Weltwirtschaftskrise 1929, den Werksbrand und das Hickhack um die letztlich
nicht vollzogene Trennung von GM 2009 überstanden. Trotz aller Unbilden ist man
in Rüsselsheim zuversichtlich, auch 2037 feiern zu können. Vielleicht gemeinsam
mit Peugeot. Ob aus der von GM initiierten Zusammenarbeit mit dem französischen
Traditionsunternehmen (1810 als Eisengießerei gegründet) mehr als eine Randnotiz
der Geschichte wird, wer weiß das heute schon?