Aus "Frankfurter
Neue Presse" vom 6. August 2015
hpp - Mit Nicolas
Jacobi und Andreas Späck hüten zwei ehemalige Spieler des Rüsselsheimer RK bei
der Europameisterschaft das Tor der deutschen Hockey-Nationalmannschaft.
Als drittklassiger
Regionalligist, der die abgelaufene Feldrunde nur auf dem enttäuschenden
sechsten Rang beendete – und damit einem weiteren Abstieg nur haarscharf entging
– sind die Hockey-Männer des Rüsselsheimer RK derzeit meilenweit von der
nationalen oder gar internationalen Spitze entfernt. Zumindest ein kleiner Hauch
Rüsselsheim ist aber mit von der Partie, wenn Olympiasieger Deutschland nun vom
21. bis 30. August in London um den Europameistertitel kämpft.
Bundestrainer
Markus Weise hat nämlich jetzt seinen 18-köpfigen Kader für das EM-Turnier
nominiert. Für das Verhindern von Gegentoren für die deutsche Nationalmannschaft
werden in der britischen Hauptstadt zwei Torhüter mit RRK-Vergangenheit
zuständig sein: Nicolas Jacobi (jetzt UHC Hamburg) als unumstrittene Nummer eins
zwischen den Pfosten und Andreas Späck (Mannheimer HC) als dessen Ersatzmann.
Der 28-jährige
Jacobi startete seine Hockey-Karriere in der Rüsselsheimer Jugend, stand danach
viele Jahre in der ersten und zweiten Liga beim Ruderklub zwischen den Pfosten.
So auch im Winter 2008, als der RRK deutscher Hallenhockeymeister wurde.
Anschließend wechselte Nicolas Jacobi nach Hamburg und wurde im Rüsselsheimer
Kasten vom vier Jahre älteren, ebenfalls im Verein groß gewordenen Andreas Späck
abgelöst.
Späck war ein Jahr
später maßgeblich am bislang letzten Triumph der Rüsselsheimer beteiligt. Nicht
zuletzt seine Paraden ermöglichten am 15. Februar 2009 in der heimischen
Großsporthalle den Gewinn des Hallenhockey-Europacups durch einen 3:2-Finalsieg
gegen den spanischen Meister Club de Campo Madrid.
Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 21. August 2015)
Bei der Hockey-EM
in London befinden sich die Auswahlen der Damen und der Herren des Deutschen
Hockey-Bundes (DHB) in einer komfortablen Situation. Beide Teams sind schon für
die Olympischen Spiele in Rio 2016 qualifiziert und können sich ganz auf die
kontinentalen Titelkämpfe konzentrieren. Bei den Bundestrainern Markus Weise
(Herren) und Jamilon Mülders (Damen) gilt das Motto: "EM-Titel sind nicht nötig,
aber möglich!" Wobei dies weniger für die bisher erst zweimal bei einer EM
erfolgreichen Damen gilt, für die unter anderem die ehemaligen Spielerinnen des
Rüsselsheimer RK (RRK), Lydia Haase (Mannheimer HC/156 Länderspiele) und Anne
Schröder (Alster Hamburg/62), zum Schläger greifen.
Anders sieht dies
schon bei den Herren aus, die mit bislang acht Titelgewinnen den Rekord-Champion
stellen und daher erneut zum engeren Favoritenkreis zählen. Erstmals hat
Bundestrainer Weise für ein großes internationales Turnier als Torhüterduo den
28-jährigen Nicolas Jacobi (UHC Hamburg/88) und den 32 Jahre alten Andreas Späck
(Mannheimer HC/9) in den Kader berufen. Beide verdienten sich ihre ersten
Bundesliga-Meriten beim RRK. Unsere Zeitung sprach vor der EM mit den
DHB-Keepern.
Was waren die
ersten Gedanken, als Ihr den EM-Kader registriert habt?
Jacobi:
Geiles Team!
Späck: Ich
habe mich natürlich sehr gefreut, dass ich endlich bei einem großen Turnier auf
dem Feld dabei sein kann. Auch weil ich zuletzt immer durch Verletzungen
zurückgeworfen wurde. Dass ich mit Nico das Torhüter-Duo bilde, ist super und
für uns beide gut.
Mit welchen
Erwartungen − persönlich und für das Team − geht Ihr das Turnier an?
Jacobi: Mit
dem Team wollen wir um den Titel spielen. Persönlich will ich ein sicherer
Rückhalt meiner Mannschaft sein und Spaß haben.
Späck:
Persönlich versuche ich dem Team mit meiner Erfahrung, die ich vielleicht nicht
auf internationaler, aber auf nationaler Ebene gewonnen habe, zu helfen, mich in
meine Rolle gut einzufinden und im Falle des Falles ein guter Rückhalt zu sein.
Als Team treten wir bei dem Turnier an, um es zu gewinnen. Das wird sicherlich
kein Selbstläufer. Es gilt, sich eine gute Ausgangsposition in der Gruppe zu
erspielen. Das wird schon schwer genug. Dann wartet wahrscheinlich Holland,
England oder Spanien im Halbfinale. Das werden sicher ganz enge Spiele.
EM-VORRUNDENSPIELE DER DHB-TEAMS |
Herren, Gruppe B
Deutschland − Belgien (Sa., 16.00), − Irland (So.,
20.30), − Frankreich (Di., 11.00)
Die Gruppe A bilden England, Niederlande,
Russland, Spanien.
Jeweils die beiden Ersten erreichen das Halbfinale. |
Damen, Gruppe B
Deutschland − Italien (Sa., 20.30), − Schottland
(Mo., 17.15), − England (Mi., 19.30)
Die Gruppe A bilden Belgien, Niederlande,
Polen, Spanien.
Jeweils die beiden Ersten erreichen das Halbfinale. |
Wo seht Ihr
jeweils die Stärken beim Anderen?
Jacobi:
Andreas nutzt seine Größe gut und ist stark im eins gegen eins.
Späck: Nico
hat sich in den vergangenen Jahren international eine Menge Respekt erarbeitet.
Jedes Team, das gegen uns antritt, ist sich bewusst, dass es ganz schwer werden
wird, ihn zu überwinden. Er hat eine starke und ruhige Ausstrahlung.
Der RRK hatte
vor Euch ja bereits drei Nationaltorhüter, die es bei Olympischen Spielen zu
Gold (Peter Kraus 1972, Christopher Reitz 1992) und Silber (Tobias Frank 1984
und 1988) gebracht haben. Warum ist Rüsselsheim ein so fruchtbarer Boden für
Klasse-Torhüter?
Jacobi:
Wirklich rational erklären kann ich es nicht. Es ist ja nicht so, dass es in
Rüsselsheim seit 50 Jahren eine Torwartschule gäbe. Vielleicht ist es die
Vorbild-Funktion, die solche großen Torhüter und Charaktere auslösen. Zu
Christopher habe ich immer aufgeschaut und jedes Spiel von ihm gesehen. Ihm
versuchte ich immer nachzueifern und ich habe seine Techniken kopiert. Zu Tobi
hatte ich auch ein besonderes Verhältnis, da ich mit seinem Sohn Moritz seit den
D-Knaben gemeinsam in einem Team spielte und wir gemeinsam aufgewachsen sind.
Seine Ruhe und Coolness ist heute noch bewundernswert. Er gab zwar selten Tipps,
aber wenn er etwas sagte, dann waren die Ohren ganz groß. Und fast täglich im
Hause Frank an den Bildern von Tobi mit Medaille vorbeizulaufen, löste natürlich
auch Ehrgeiz aus.
Späck: Ich
denke, durch die Tradition und Vorbilder, die der Klub über Jahrzehnte hinweg
'produzieren' konnte. Sie hatten irgendwie auch Einfluss auf die nachfolgenden
Generationen. Außerdem hatten wir beide in Rüsselsheim die Möglichkeit, schon
sehr früh auf höchstem Niveau zu spielen und verantwortungsvolle Aufgaben zu
übernehmen. Da macht man als junger Torwart riesige Schritte.
In der
Bundesligasaison steht Ihr Euch mindestens zwei Mal gegenüber. Ist der Ehrgeiz
dann besonders groß, besser als der Andere auszusehen?
Jacobi: Der
Ehrgeiz ist bei mir immer da, egal ob es 'Späcki' gegenüber ist, oder ein
anderer Keeper. Ich will immer besser sein als mein Gegenüber.
Späck: Nein,
man will jedes Spiel gewinnen. Da ist es egal, gegen welches Team man spielt
oder wer im anderen Tor steht.
Wie groß würdet
Ihr aktuell die Wahrscheinlichkeit beziffern, dass im nächsten Jahr in Rio zwei
ehemalige RRK-Torhüter das Vertrauen von Bundestrainer Markus Weise bekommen?
Jacobi:
50:50.
Späck: Bis
Rio ist es noch ein weiter Weg. Ich freue mich jetzt erst mal über die Teilnahme
an der EM und versuche, das Vertrauen in London zurückzuzahlen. Ich denke, wir
können als Team im Team gut harmonieren, daher ist es nicht unwahrscheinlich.
Aber wie gesagt, bis Rio ist es noch ein weiter und harter Weg. Jeder muss seine
Hausaufgaben dafür machen und dann wird man sehen, was passiert.