Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Michael Schindler

Marathonrudern - oder die andere Art ins Ziel zu kommen

Der "Marathon-Man" der RRK-Ruderer: Michael Schindler

Ich bin gebeten worden über das Marathonrudern zu schreiben, eine exotische Form des Rennruderns. Es handelt sich um Rennen zwischen 42 und 160 km Länge, deren Reglement nicht so stark fixiert ist wie beim Kurzstreckenrudern. So dürfen nicht nur die olympischen Bootsklassen an den Start gehen, sondern auch Doppelachter, Dreier sowie C-Boote. Zudem wird das Rennen in Altersgruppen unterteilt. Dadurch hat man nicht nur in der eigenen Abteilung seine Gegner, sondern man fährt auch gegen alle anderen Boots- und Altersklassen um den Sieg.

Das Angleichen der Boots- und Altersklassen erfolgt über einen Bonus, der mit dem Alter und der langsameren Bootsklasse ansteigt. In Lüttich (60,55 km) entspricht der Bonus dem Vorsprung, den die langsameren Klassen erhalten, so daß das erste durchs Ziel rudernde Boot der Sieger ist. In Paris (42 km) dagegen gibt es einen chaotischen Massenstart und der Sieger wird erst nach dem Rennen durch Verrechnung der tatsächlichen Zeit mit dem Bonus bestimmt. Allerdings sind die Boni vom Veranstalter nicht wissenschaftlich ermittelt worden, so daß die Plazierung in der Gesamtwertung von Marathon zu Marathon schwankt. Real ist von daher nur die Plazierung in der eigenen Abteilung und man sollte sich nicht über den seiner Meinung nach ungerechtfertigten Bonus der einen Klasse gegenüber der anderen aufregen. Manche Mannschaften überlegen sich anhand des jeweiligen Bonus, ob sie im Vierer oder im Zweier an den Start gehen.

In Genf (160 km) und Rees-Deventer (100 km) sind offiziell nur C-Vierer zugelassen wegen der zum Teil extremen Randbedingungen (1,5 Meter hohe Wellen). Andere Bootsklassen können hier aber außer Konkurrenz mitfahren.

Das Marathonrudern verlangt nicht nur die typischen Eigenschaften des Rennruderers wie Kraft, Ausdauer und Technik, sondern auch große psychische Stärke, da gegnerische Zweikämpfe nicht nur über Minuten, sondern über Stunden andauern können. Zum anderen kommt man dem Gegner bis auf wenige Zentimeter nahe und beim Überholvorgang wird manch harter Spruch ausgeteilt. Und gerade diese Zweikämpfe mit den anderen Bootsklassen machen den besonderen Reiz des Marathonruderns aus.

Als Grundlage, um eine solche Strecke vernünftig rudern zu können, sollte man keine Probleme mit dem Hintern oder den Händen haben, denn schmerzende Körperteile sind äußerst unbeliebt. Leider kann diese Fähigkeit erst beim Marathon selbst überprüft werden, was dann häufig zu den merkwürdigsten Ruderstilen führt.

Die Verpflegung während des Rennens reicht von A wie Apfelsaft bis Z wie Zaubertrank. Bananenstauden erfreuen sich auch wachsender Begeisterung. Ich selbst bevorzuge Isostar sowie Mars und Snickers. Problematisch ist allerdings, daß die Getränke sehr stark auskühlen und dadurch der Appetit auf die im Wettkampf wichtige ausreichende Flüssigkeitsaufnahme weitestgehend gedämpft ist.

Im folgenden möchte ich ein Rennen der diesjährigen Saison beschreiben, um einen Einblick in das Renngeschehen zu geben.

Michael Schindler im Einer

  "Ultramarathon", die Tour du Lac Leman

Ende September steht Genf ins Haus. Wir gehen als Vorjahressieger und Rekordhalter an den Start. Allerdings ist die Mannschaft nicht mehr die alte. Es handelt sich zwar bei allen um erfahrene Genfruderer, jedoch hat einer in diesem Jahr wegen der Bundeswehr nicht viel trainieren können, was wir aber erst in Genf erfahren. Dennoch gehen wir optimistisch an den Start. Am Freitag werden die Boote auf das Rennen vorbereitet: Anbringen zweier elektrischer Pumpen, Bugabdeckung, Spritzschutz für die Ausleger und die vorgeschriebene Bootsbeleuchtung. Außer den Lampen sind Schwimmwesten und eine Leuchtpistole vorgeschrieben. Am Abend werden die Getränke gemixt und die Verpflegung in Gefrierdosen wasserdicht verpackt.

Samstagmorgen um 9 Uhr erfolgt der Start. Wir liegen sofort an vierter Stelle und finden schnell in unseren Rhythmus. Wir müssen allerdings feststellen, daß wir nicht so stark wie im letzten Jahr sind und unser Soldat gibt sich vor allen Dingen auch technisch sehr schlecht. Trotzdem gilt die Devise, daß das Rennen 160 km lang ist und da kann viel passieren. Nach 60 km steht fest, daß es ein Zweikampf zwischen uns und der Renngemeinschaft Bonn/Düsseldorf werden wird. Kurz vor der 80-km-Marke überholen wir dieses Boot und liegen vorne. Doch nachdem unser schwächster Mann mit dem nächsten Steuermannswechsel wieder mitrudert, müssen wir die Führung wieder abgeben. Bis zur 130-km-Marke kleben wir am Gegner mit nur einer Minute Rückstand. In unserer stärksten Besetzung holen wir immer wieder etwas auf, was wir nach dem nächsten Wechsel wieder verlieren. Dann, nach 130 km, sind wir plötzlich wie ausgebrannt. Die Siegermannschaft fährt uns langsam davon. Da hinter uns kein Boot ist, was uns den zweiten Platz streitig macht, gehen wir den Rest der Strecke für unsere Verhältnisse locker an. Eine Stunde vor der Ankunft ist unser Getränkevorrat erschöpft, was die Stimmung nicht gerade hebt.

Bezüglich des Steuermannswechsels stellt sich in Genf nach rund 90 km die typische Schizophrenie ein: Einerseits freut man sich darauf, alle zwei Stunden steuern zu können, aber andererseits sind die ersten zehn Minuten nach dem Wechsel sehr hart, daß einem die Freude auf den Wechsel vergehen kann. Man ist nämlich zunächst nicht in der Lage, die Skulls richtig anzufassen und die ausgekühlten Muskeln schmerzen. Aber sobald die ersten zehn Minuten vorbei sind, kann man wieder voll zulangen.

Als Zweite erreichen wir nach 12 Stunden und 50 Minuten das Ziel. Wir sind uns noch nicht ganz sicher, ob wir uns über den zweiten Platz freuen sollen, weil wir so lange am Sieger drangeblieben waren und wir einen gewissen Ärger auf unseren schwächsten Mann hegen. Aber die Freude, es wieder einmal geschafft zu haben, gewinnt dann doch die Oberhand.

Wegen des guten Wetters wird zusätzlich unser Rekord vom Vorjahr gebrochen. Damit bleiben wir nur ein Jahr im Guinness-Buch der Rekorde.

Die Unterbringung der Ruderer in Genf erfolgt in Bunkern. Am nächsten Morgen stelle ich fest, daß nach 160 km Genf das Besteigen des Hochbettes nicht mehr so elegant gelingt wie am Freitag. Das nächste Mal liege ich unten!