Aus "Rüsselsheimer Echo" vom 17. Juli
1968
ade. Schon mit 19 Jahren Deutscher
Meister und doch ein "alter Hase": Martin Müller, Linksaußen der
Hockeymeistermannschaft des Rüsselsheimer RK und zweifacher Torschütze im Finale
gegen Schwarz-Weiß Köln, saß einen Tag nach dem Titelgewinn bereits wieder am
Zeichentisch und bereitete sich auf die Gesellenprüfung im Herbst vor.
Martin Müller arbeitet als
Werkzeugmacherlehrling in der Lehrwerkstatt des Opel-Werkes und will nach
bestandener Gesellenprüfung Maschinenbau an einer Ingenieurschule studieren. Vor
kurzem legte er mit Erfolg eine Prüfung an einer Fachschule ab. Zwischen Arbeit
und Lernen bleibt ihm nur wenig Zeit für Hobbys. Sein einziges ist deshalb
augenblicklich Hockey.
Ein "alter Hase" auf dem Hockeyplatz
ist Martin Müller, weil er schon 14 Jahre den Schläger schwingt. Noch nicht
sechs Jahre alt, rannte er schon der Kugel nach. Mit acht Jahren spielte er dann
zum ersten Mal in der Knabenmannschaft des RRK. An Meisterehren gewöhnte er sich
auch schon recht früh, denn Jahr für Jahr zeigten sich die RRK-Jugendlichen
ihren hessischen Konkurrenten überlegen.
Noch als Jugendspieler schaffte er
den Sprung in die erste Mannschaft und war bisher dreimal Mitglied der
Hessenauswahl um den Franz-Schmitz-Pokal für Ländermannschaften. Demnächst
erhält er die Chance, sich in der deutschen Nachwuchs-Nationalmannschaft zu
bewähren. Sein Mannschaftskamerad und Trainer Fritz Schmidt erfuhr von Hugo
Budinger, dem Sportwart des DHB und Trainer der Nationalmannschaft, dass Müller
zusammen mit Rainer Seifert und Manfred Liebig zum nächsten Lehrgang eingeladen
wird.
Sicher sind dem Nationaltrainer nicht
nur die beiden Tore Müller aufgefallen, sondern auch seine enorme Schnelligkeit.
Hätte Hugo Budinger den jungen RRK-Außen nach seiner besten 100-Meter-Zeit
gefragt, Martin Müller hätte ihm diese Frage nicht beantworten können: zum
letzten Mal lief er in der Schule die 100 Meter nach der Uhr. Seine
Schnelligkeit war es schließlich auch, die im Endspiel zu
Meinungsverschiedenheiten führte. Bei seinem ersten Treffer zum 2:1 für den RRK
hatte er einen Blitzstart hingelegt, dass es den Kölnern schien, er müsse schon
vor der Ballabgabe abseits gestanden haben. Müller selbst sagt allerdings, er
habe auf der rechten Spielfeldseite einen Verteidiger gesehen, der noch
einige Meter näher zum Tor stand als er. Der Mittelläufer der Gäste stand
ohnehin fast am Torkreis.
Gefragt, welches Gefühl er nach
seinen Toren gehabt habe, meinte Müller, dass ihm zwar bewusst war, wichtige
Treffer in einem wichtigen Spiel erzielt zu haben, doch dass sie mitentscheidend
für den Gewinn der Deutschen Meisterschaft gewesen seien, wurde ihm erst nach
dem Spiel klar. "Es war eigentlich wie immer. Auch nervös war ich wie immer und
hatte kein gutes Gefühl im Magen. Doch nach einiger Zeit legt sich das im
Spiel." Besonders nach der Pause hatte er offensichtlich alle Hemmungen
abgestreift.
Sein Verhältnis zu den teilweise
bedeutend älteren Mannschaftskameraden ist sehr gut: zum Küken der Truppe sind
sie besonders nett.
Wie manch andere Sportler muss Martin
Müller nicht vor jedem Trainingsabend oder Spiel den Widerstand seiner Eltern
überwinden. Im Gegenteil: die ganze Familie ist sehr sportfreudig. Sein Vater,
Hermann Müller, war früher selbst aktiver Rennruderer und ist heute Bootswart im
Ruderklub. Bruder Rudolf fuhr zahlreiche Regatten im RRK-Dress. Seit der ältere
Bruder nicht mehr aktiv Sport treibt, hat sich die ganze Familie nun auf Hockey
umgestellt. Bei den Heimspielen des RRK fehlt kein Müller, und in der diesjährig
Endrunde war die ganze Familie, auch Mutter, mit in Heidelberg.
Hätte sich Martin Müller nicht ganz
gar dem Hockey verschrieben, er würde − wie er sagte − wahrscheinlich Fußball
spielen. Seine schnellen Sprints auf dem Hockeyrasen kämen sicherlich auch auf
dem Fußballplatz recht gut zur Geltung.
Die Chancen des RRK in der kommenden
Saison beurteilt er sehr vorsichtig: "Die Konkurrenz,
Sachsenhausen-Forsthausstraße und SC 80 Frankfurt, hatte im vergangenen Jahr ein
Tief, das sie bestimmt überwunden hat. Außerdem strengen sich nun alle besonders
an, um den Deutschen Meister zu schlagen. Natürlich wollen wir wieder an der
Spitze stehen, ob es klappt kann ich allerdings nicht sagen. Außerdem wissen wir
noch nicht, wie wir den Verlust von Hans Hermann verkraften, der jetzt aufhören
will."
Rüsselsheim feiert Meisterelf "So ein
Tag, so wunderschön ..."
RRK-Hockeyfreunde im Siegestaumel /
4.500 Zuschauer
Für den jungen
Martin Müller
und den RRK 1968 die erste Deutsche Feldhockey-Meisterschaft
(hinten: Fritz Schneider, Debu Paul, Coach Josef Schnur, Bodo
Schäfer, Walter Leichtweiß, Wolfram Jirzik, Manfred Liebig,
Rainer Seifert, Helmut Köhler, Fritz Schmidt,
Abteilungsleiter Alfred Rausch; vorn: Hans Hermann, Frieder
Fleck, Thomas Blivier, Peter Kraus, Randolf Renker, Martin
Müller, Michael Heuß) |
Rüsselsheims Hockeysport
erlebte am Wochenende den stolzesten Tag in seiner sechzigjährigen Geschichte.
Die Elf des Ruder-Klubs wurde vor 4.500 Besuchern erstmals deutscher
Hockeymeister. Der Siegeszug der Schmidt-Schützlinge während der letzten Wochen
wurde mit dem Titelgewinn gekrönt. Eine Lawine der Begeisterung ging über den
Spielern nieder, als das Treffen gegen Schwarz-Weiß Köln abgepfiffen wurde. Die
vielen Bitten des Stadionsprechers Alfons Kabon, den "englischen Rasen" wegen
der anschließenden Ehrungen nicht zu betreten, gingen einfach im Freudentaumel
unter.
Ein Mann aber auf dem
Rasen wurde vor Begeisterung fast zerquetscht, Nationalspieler Fritz Schmidt,
Spielertrainer des RRK und Rüsselsheims Sportler Nr. 1. Ihm kommt das größte
Verdienst zu, aus der Elf der Außenseiter ein Team geformt zu haben, das seit
Wochen die sensationellste Mannschaft der deutschen Hockeymeisterschaften
genannt wird, So klang denn auch bald aus den Brausekabinen im schmucken Heim
das "So ein Tag, so wunderschön wie heute". Dr. Kulzinger, der Präsident des
Deutsehen Hockeybundes, überreichte die Trophäe und lobte das Können des neuen
deutschen Meisters, für den sein Vorstand bereits eine Reihe von Feiern
vorbereitet hat. "Der deutsche Meister" stand es auf einem riesigen Transparent,
das Rüsselsheims Hockeyfans an einer Flanke des Rasenfeldes aufgestellt hatten.
Ein wenig optimistisch, aber offensichtlich zu recht, denn am Ende hieß es nach
heißem Kampf 4:1 für die Rüsselsheimer, die nur eine Halbzeit lang bangen
mussten,
weil die Bedeutung dieser Finalbegegnung die Nerven arg strapazierte. Als der
junge Müller dann aber im Alleingang erstmals nach der Pause die Führung
herausschoss, war das Eis gebrochen.
Für den Hockeysport war
es ein Treffen der Superlative, auf einem "englisch" zurechtgetrimmten Rasen mit
einer Rekordzuschauerkulisse von 4.500 hochsommerlich gekleideten Sportfreunden.
Unter ihnen Landrat Alfred Schmidt, Bürgermeister Dr. Karl-Heinz Storsberg, der
schon am Vortag die beiden Endspielgegner empfangen und dem Vizepräsidenten des
Deutschen Hockeybundes, Schäfer (Frankfurt), einen Stich von Merian überreicht
hatte. Sportwart Hugo Budinger und alle Landesfachwarte waren ebenso Gäste
dieser Begegnung wie die Bundestagsabgeordneten Hermann Schmitt-Vockenhausen und
Otto Zink und Hessens Sportreferent Oberregierungsrat Heinz Fallak.
Rüsselsheim hatte seine
Sportfreudigkeit bewiesen, indem es den ansonsten nur Stehplätze vorsehenden
Hockeyrasen mit 1.000 Sitzplätzen umrahmt hatte.
Es war wie bei einem
großen Fußballschlager, und die Tageseinnahmen dürften selbst einen
Fußball-Kassierer ein wenig neidisch gemacht haben. Das hatte es in Rüsselsheim
noch nicht gegeben. Eine ganze Stadt hatte eine neue Leidenschaft entdeckt, das
Hockeyspiel, und wir sind sicher, dass viele auch künftig den Weg hinunter zum
Hockeyrasen am Sommerdamm finden werden. Für die wackeren Streiter aber gibt es
jetzt erstmal Ferien. Verdiente Ferien nach einem großen "Wurf".
-im-