Die Fragen stellte
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 8. Februar 2014)
Die ersten
Mannschaften haben die Schläger aus der Hand gelegt, weiter unten und beim
Nachwuchs klingt die Hallensaison noch mit Abstiegs- oder Titelkampf aus. Seit
1999 leitet Martin Müller die Hockeysparte im Rüsselsheimer Ruder-Klub (RRK),
hat Deutsche Meisterschaften der Aktiven und sogar einige Europacup-Triumphe
feiern können. Von derlei Erfolgen indes haben sich die Topteams des RRK seit
einigen Jahren sukzessive weiter entfernt. Damit nicht genug sucht der Verein
bereits länger als ein halbes Jahr nach einem neuen Trainer für die Herren und
muss zu allem Überfluss nun auch noch bis 1. April einen Nachfolger für den
scheidenden Damencoach finden. Für den 65 Jahre alten Müller – einmaliger
Nationalspieler, aber achtfacher Deutscher Meister – und seine Vorstandskollegen
alles andere als erfreuliche Zeiten.
Herr Müller, von
den Erfolgen der Jugendteams abgesehen – war diese Hallensaison für Sie eine der
unangenehmsten, seit sie Abteilungsleiter sind?
Warum unangenehm?
Wer nur irgendwelchen Pseudoerfolgen nachhechelt und danach enttäuscht ist, für
den wird eine solche Saison unangenehm sein. Zu dieser Spezies zähle ich mich
nicht. Die Hockey-Abteilung, ganzheitlich betrachtet, hat keine so schlechte
Bilanz. Wir haben in der Halle 22 Teams (Jugend plus Aktive) in die
verschiedenen Wettbewerbe geschickt, davon 16 Jugend-Mannschaften. Das ist doch
schon ein tolles Ergebnis.
Die Herren kamen
für die Rückkehr in die Bundesliga erneut nicht infrage, die Damen waren in 27
Erstliga-Spielzeiten noch nie Tabellenvorletzte. Was hatten Sie im Vorfeld von
den beiden Topteams erwartet?
Der RRK ist
realistisch gesehen in seiner derzeitigen Konstellation kein Klub, der in
Deutschland im oberen Drittel angesiedelt werden kann. Unsere Herren hätten mit
viel Glück um den Aufstieg mitspielen können, aber das hatte ich persönlich nie
erwartet. Auch wenn mancher das anders sehen mag. Um in die Erste Bundesliga
aufzusteigen, muss sehr viel im Umfeld stimmen. Die Damen hatten einen starken
personellen Aderlass zu verkraften und waren in der Besetzung nicht in der
oberen Tabellenhälfte zu erwarten. Das sehr junge Team hat seine Aufgabe in
dieser Saison gut erfüllt. Man kann auch mal bei Eintracht Frankfurt verlieren.
Mirco Fuchs,
Kapitän und Interimscoach, sprach von einer "furchtbaren Saison, die er so nie
mehr erleben möchte". Ist dieses Fazit eines Pädagogen allein dem Umstand
geschuldet, dass nach einem halben Jahr noch kein neuer Herren-Trainer gefunden
werden konnte?
Für Mirco Fuchs
kann ich diese Beurteilung nachvollziehen. Er hatte sich da persönlich viel
aufgeladen, neben seinem Lehrerberuf, mit offensichtlich nicht genügender
Unterstützung aus der Mannschaft, was ihn zum Ende ziemlich gefrustet hat. Aber
da sollte er selbst mehr dazu sagen können. Es ist sicher der fehlenden
Trainerposition geschuldet, das Vieles nicht so gelaufen ist, wie ursprünglich
gedacht.
Bekanntlich muss
beim RRK nun auch noch ein neuer Übungsleiter für die Damen gefunden werden.
Welche Lücke lässt sich leichter schließen?
Dazu kann ich
derzeit nichts sagen. Das wird am Ende gesehen werden, wenn die Positionen
hoffentlich besetzt sind. Wir sind bekanntlich im Wechsel von der Halle ins
Feld, und da sind kaum Trainer wirklich frei und verfügbar.
Der
Rüsselsheimer RK verliert in jedem Jahr etliche Spielerinnen und Spieler,
zuletzt auch zunehmend Trainer an andere Vereine. Hat das ausschließlich
finanzielle Gründe oder sind die Bindungen der heutigen Generation einfach nicht
mehr so ausgeprägt?
Die Vereinsbindung
spielt bestimmt eine Rolle. Aber wir haben es aktuell auch schwer, in
finanzieller Hinsicht wettbewerbsfähig zu sein. Damit ist nicht die Honorierung
einzelner Spieler gemeint, sondern Mittel, mit denen das Umfeld um die
Bundesligateams gestaltet werden kann. Der RRK, als kleiner Verein, hat
mittlerweile über Jahrzehnte mit allen sogenannten "Großen" mitgehalten. Jetzt
sind wir vielleicht an dem Punkt, den ich bereits vor Jahren in die Diskussion
gebracht hatte – nämlich, dass wir uns entscheiden müssen, wie wir den Weg
weitergehen werden. Mit vier Teams in der Bundesliga (Halle und Feld)
gleichzeitig erfolgreich zu spielen, können wir offensichtlich nicht schultern.
Hockey ist die
erfolgreichste Ballsportart in Deutschland. Doch selbst der Dachverband ist
latent klamm, hat Mühe, einen Hauptsponsor für die Nationalteams zu finden,
während es Vereinen in Hamburg und Mannheim vergleichsweise sehr gut geht. Was
läuft da schief?
Was auch immer
"sehr gut" heißen mag – hier ist mehr ins Detail zu schauen und nicht einfach
ein Statement abzugeben. Großstadtklubs haben meist ein ganz anderes Klientel
als Provinzvereine. In Hamburg sind völlig andere soziale Schichten im Hockey
unterwegs; das Beitragsgefüge ist ganz anders. Damit ergibt sich auch dort eine
andere Situation in Sachen Sponsoring beziehungsweise finanzielle Unterstützung.
Mannheim, wenn schon erwähnt, hat ein privates Mäzenatentum, über das viele
glücklich wären. Aber wer sonst hat das noch? Ähnliches ist in Krefeld und Köln
vorhanden, wenn auch in einer anderen Größenordnung. Wer in den Süden schaut,
erkennt, dass dort ebenfalls vieles brachliegt. Hockey ist und bleibt eine
Randsportart; daran wird sich in den nächsten 100 Jahren nichts ändern. Auch
wenn in den Regionen das manchmal anders gesehen wird. Aber der Dachverband löst
seine Probleme schon noch – da kann man getrost sein.
Haben Sie das
Gefühl, mit ihren Mitstreitern beim RRK in Sachen Sponsorenfindung in der
Vergangenheit alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben oder hätte hier manches
besser laufen können?
Das kann ich nicht
abschließend bewerten. Wir haben unser Möglichstes getan; immerhin wird das bei
uns ehrenamtlich und nebenberuflich organisiert. In all den Jahren haben wir
auch mit verschiedenen Agenturen, die das professionell betreiben,
zusammengearbeitet. Deren Erfolge waren sehr bescheiden im Vergleich zu unserem
Engagement. Letzten Endes hängt eine erfolgreiche Sponsorensuche auch mit den
sportlichen Erfolgen zusammen. Dieser Teufelskreis hält uns aktuell gefangen.
Ihrer
Pressemeldung zur Kündigung von Damentrainer Florian Westermann war zu
entnehmen, dass die Zukunft von RRK-Hockey offen sei. Hegen Sie wirklich die
Befürchtung, dass dem RRK in absehbarer Zeit das gleiche Schicksal wie etwa HC
Heidelberg, Limburger HC oder SaFo Frankfurt ereilt, die als langjährige
Männer-Bundesligisten und sogar Ex-Meister praktisch in der Bedeutungslosigkeit
versunken sind?
Ich habe keine
Glaskugel im Haus, aus der ich die Zukunft erkenne. Welchen Weg der RRK gehen
wird, ist für mich offen. Das hängt unter anderem vom weiteren Engagement seiner
Mitglieder und Förderer ab. Augenblicklich erscheint vielen alles schwierig und
unlösbar. Wir benötigen eine Portion Geduld, um die Probleme zu überwinden.
Diesen Rat kann ich niemandem in unserem näheren Umfeld ersparen.
Martin Müller zeigt
Verständnis: "Bei dem Gespräch mit Florian Westermann hatte ich absolut keine
Argumente auf meiner Seite, um ihn doch noch von seiner Entscheidung
abzubringen." Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen muss er sich auf die Suche
nach einem Nachfolger begeben. Es gilt, einen qualifizierten und ambitionierten
Trainer zu finden, der in den vorhandenen finanziellen Rahmen passt. "Nach wie
vor können wir dabei leider nicht mehr als einen Honorarvertrag anbieten. Eine
Festanstellung ist ausgeschlossen", sagt der ehemalige Nationalspieler.
Die Suche nach
einem neuen Trainer ist beim RRK gewissermaßen Routine. Schon fünfmal sah man
sich seit 2007 bei den ersten Mannschaften (Männer und Frauen) vor diese Aufgabe
gestellt. Zuletzt hakte es ein wenig. Immerhin sind die Männer seit Sommer 2013
trainerlos, mussten deshalb unter der Leitung von Kapitän Mirco Fuchs die
Geschicke in die eigene Hand nehmen. Eine Übergangslösung, die der
Hockey-Abteilungsleiter für die Bundesliga-Frauen ausschließt.
"Selbstverständlich
wollen wir die Angelegenheit schnell klären", sagt der 65 Jahre alte Rentner.
"Ich bleibe aber auf jeden Fall cool. Die Leitung der RRK-Hockeyabteilung ist
für mich ein Ehrenamt. Schlaflose Nächte habe ich deshalb bestimmt nicht."
Optimal wäre es
natürlich, wenn kurzfristig Vollzug gemeldet werden könnte, damit der neue
Trainer das Frauenteam auf die verbleibenden sieben Begegnungen der
Feld-Bundesligasaison 2013/14 vorbereiten kann. Derzeit steht der RRK als
Siebter mit 19 Punkten aussichtslose 13 Zähler hinter einem Endrundenplatz, hat
allerdings auch zum ersten Abstiegsrang ein komfortables Zwölf-Punkte-Polster.
Am Wochenende 29./30. März wird die Runde fortgesetzt.