BARCELONA. Es wird nicht viele geben in der deutschen Damen-Mannschaft, die
diese Feldhockey-Europameisterschaft in positiver Erinnerung behalten werden.
Trotz des versöhnlichen Abschlusses in Barcelona mit dem dritten Platz nach
einem unerwarteten 3:1-Sieg gegen England hallten da die beiden 1:5-Niederlagen
gegen den auch im Finale ungefährdeten Europameister Niederlande und gegen
England im Gruppenspiel nach. „Wir werden am Sonntag morgen vor dem Abflug noch
eine lange Abschlußbesprechung machen", kündigte Bundestrainer Markus Weise an
und hofft, daß einige die Lehren aus diesem Turnier ziehen werden. Für sein
persönliches Fazit mußte der Mannheimer nicht lange überlegen: "Am meisten
überrascht hat hier Mandy Haase. Sie hat alle Partien auf einem gleichbleibend
hohen Niveau gespielt und sich im letzten Spiel noch einmal gesteigert. Und das
ist mehr, als man von einem Neuling erwarten darf."
Überraschend war die 20 Jahre alte Rüsselsheimerin in diesem Jahr in den A-Kader
gerutscht ‒ so überraschend wie eigentlich immer in ihrer Karriere. Weise kennt
die Rüsselsheimerin schon aus ihren Tagen in den verschiedenen
Jugend-Auswahlmannschaften des Deutschen Hockey-Bundes. "Und sie stand fast
immer auf der Kippe ‒ und sie hat sich immer durchgesetzt."
Das tat die Sportstudentin aus Heidelberg, die seit Jahren mehrfach in der Woche
zum Training und den Bundesligaspielen nach Rüsselsheim pendelt, auch in Spanien
in einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit ohne jede Nervosität. Für Denise
Klecker, ihre Mannschaftskollegin im Verein und in der Nationalmannschaft, keine
Überraschung. "Die Mandy ist nie nervös, die war schon mit 16 Jahren bei ihren
ersten Spielen im Europapokal die Ruhe selbst."
Diese hilfreiche Unaufgeregtheit hat Mandy Haase ganz am Ende der
Europameisterschaft in ihrem erst achten Länderspiel sogar den Platz der
erfahrenen Denise Klecker in der Innenverteidigung eingebracht. Weil Weise mit
seiner 31 Jahre alten Abwehrchefin nicht zufrieden war, beorderte er Denise
Klecker wieder auf den Außenverteidigerposten ‒ dorthin, wo ihre internationale
Karriere mit mittlerweile 160 Länderspielen einst auch begonnen hatte. "Ich war
selber mit mir auch nicht zufrieden", sagte die deutsche Mannschafts-Seniorin.
Nach den vielen Vorbereitungsspielen, in denen sie wegen des aus
Verletzungsgründen teilweise dezimierten Kaders fast immer durchgespielt habe,
habe ihr in Barcelona auch die körperliche Frische gefehlt. "Als
Außenverteidiger habe ich es da einfacher, weil es eine feste Aufgabe gibt."
Für die Spieleröffnung in der letzten Partie der deutschen Mannschaft war damit
neben der Kapitänin Marion Rodewald ausgerechnet der EM-Neuling Mandy Haase
zuständig. Für Weise kein besonderes Risiko: "Sie macht keine Überdinge, aber
auch keine besonders schlimmen Fehler. Bei ihr weiß man vorher, was
herauskommt." Möglicherweise ein größeres Lob, als es zunächst klingt,
präsentierte sich die deutsche Mannschaft doch in weiten Teilen für den
Interimstrainer, der das Amt kurzfristig für den im August zurückgetretenen
Peter Lemmen übernommen hatte, „wie eine Wundertüte". Die dritte Rüsselsheimerin
im Bunde, die Mittelfeldspielerin Silke Müller, wollte Weise von dieser Kritik
allerdings ausgenommen sehen. "Sie setzt viele Impulse und kann mit ihrer
Quirligkeit viel bewegen. Aber mitunter muß ich sie zwischendurch auch deshalb
immer mal wieder auf die Bank holen, um sie zu beruhigen. Sie hadert zu schnell
mit sich selber und bringt sich damit aus dem Spiel", sagte Weise.
Mit sich hadern mußte Mandy Haase dagegen nie, die ihren stetigen Aufstieg vor
allem ihrem Fleiß verdankt. Vor zwei Jahren war sie noch überrascht, den Sprung
in den WM-Kader der Juniorinnen geschafft zu haben, nun ist sie schon längst
eine Stufe weiter. "Sie hat sicher nicht so viel Talent wie andere, aber sie hat
immer an sich gearbeitet und sich verbessert. Und damit hat sie die anderen
längst überholt, die nur von ihrem Talent gelebt haben", vergleicht Weise die EM-Entdeckung mit gleichaltrigen Kolleginnen, für die eine Berufung in den
A-Kader noch weit entfernt ist. "Mehr Spielerinnen mit ihrer Einstellung zum
Sport würden uns guttun", sagt Weise. Kann er ja haben: Denise Klecker hat ihre
Lehren aus dieser Europameisterschaft längst gezogen: "Ich werde bis zur
Olympiaqualifikation eins trainieren: Sprints, Sprints, Sprints."