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Über Mitglieder des
RRK (2001)
Mandy Haase |
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WM-Teilnahme als Lohn für 150.000 km
Für Mandy Haase ging es nach ihrem Wechsel zum
RRK steil bergauf / Sächsisches Hockeytalent mit Ehrgeiz |
kri. - Am Vorabend einer großen Reise pflegen die meisten Leute ihre Koffer zu
packen, wichtige Dinge zu erledigen oder noch 'mal kurz bei Verwandten und
Freunden vorbeizuschauen. Mandy Haase zog es wie immer dienstags ins
Hockeytraining. Zum letzten Mal für drei Wochen beschäftigte sich die 18 Jahre
alte Defensivspezialistin im Kreise ihrer Mitspielerinnen beim Rüsselsheimer RK
mit dem kleinen, weißen Hartplastikball. Von der nächsten Woche an schwingt sie
bei der 4. Juniorinnen-Weltmeisterschaft in Buenos Aires den Schläger.
Dass Mandy Haase trotz des erfreulichen Umstands, frühzeitig einen Platz im
18-köpfigen Kader von Bundestrainer Heino Knuf sicher zu haben, mit gemischten
Gefühlen zum Frankfurter Flughafen gekommen ist, darf als gesichert gelten.
Einmal war da die bange Frage, ob der für 22.30 Uhr angekündigte Start noch
rechtzeitig vor dem großen Pilotenstreik am Donnerstag erfolgen würde. Zum
anderen dürften ihre Gedanken zwei Monate zurück geschweift sein. Im März war
die älteste Nachwuchsauswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) in der letzten
Phase ihrer WM-Vorbereitung schon einmal nach Südamerika aufgebrochen. Im
dritten Testspiel gegen Chile - nach der Partie gegen Mitfavorit Australien zu
allem Überfluss am nächsten Freitag letzter deutscher Vorrundengegner - hatte
sich die einzige Spielerin eines hessischen Vereins kurz vor Schluss die rechte
Hand angebrochen.
Im abschließenden Training mit dem Bundesligateam des RRK war von der Blessur
nicht mehr viel zu spüren. „Es ging schon wieder ganz gut. Und wenn die
Verletzung doch nachwirken sollte, habe ich auch kein Problem damit, unter
Schmerzen zu spielen", sagt Mandy Haase. Die kämpferische Ader, die sich hier
Luft macht, kommt analog zu Talent und Ehrgeiz nicht von Ungefähr. Mutter
Claudia absolvierte fünf A-Länderspiele für die DDR, Vater Dirk brachte es im
Osten Deutschlands zum Junioren-Nationalspieler. „So lange ich zurück denken
kann, bin ich in Leipzig mit auf den Platz gegangen", erinnert sich Mandy Haase
an die ersten Jahre in ihrer sächsischen Heimat. Und: „Da meine Eltern beide
Hockey gespielt haben, hatte ich nie das Bedürfnis, etwas anderes zu machen".
Noch vor der Wende 1989 siedelten die Haases zielgerichtet in den Großraum
Heidelberg über. „Michi" Peter, vor drei Jahren verstorbener Olympiasieger von
1972 und legendärer Libero des HC Heidelberg, war auch in der DDR ein Begriff.
Also ließ sich die Familie im Luftkurort Wilhelmsfeld nieder, und Mandy wie ihre
vier Jahre jüngere Schwester Lydia tummelten sich in den folgenden sechs Jahren
in verschiedenen Mädchenteams des HCH. „Irgendwann waren immer weniger Leute da,
und ich hätte beinahe aufgehört. Da haben mir meine Eltern angeboten, mich nach
Rüsselsheim zu fahren", erinnert sich die Oberschülerin an den wohl
entscheidenden Wendepunkt in ihrer sportlichen Laufbahn.
Dass sich der Aufwand - in den sechs Jahren sind gut und gerne 150.000
Fahrkilometer angefallen - gelohnt hat, steht für Mandy Haase außer Frage:
„Berti Rauth ist ein wahnsinnig guter Trainer". Und ein Mann, der bekanntermaßen
Talent erkennt und fördert. Die Weiterentwicklung schritt vor allem im
technischen Bereich so schnell voran, dass Mandy noch vor ihrem ersten
Bundesligaspiel Anteil daran hatte, dass der RRK am Ostermontag 1998 in London
zum zweiten Mal den Feld-Europapokal der Landesmeister gewann. Drei
Hallen-Europacupspiege hintereinander schlössen sich für Mandy an. Nahe liegend,
dass sich ihre Fertigkeiten auch bis zum Verband herumsprachen. 1996 lag die
erste Einladung zu einem Sichtungslehrgang im Briefkasten, bald darauf folgten
die ersten Einsätze im U16-Auswahlteam des DHB.
Mit 35 Jugend-Länderspielen gehört Mandy Haase zu den unerfahreneren Kräften im
deutschen WM-Kader. Dass sie dabei sein würde, hätte sie auch aus diesem Grund
kaum für möglich gehalten. In den wegweisenden Zentrallehrgang im März in Köln
sei sie mit dem Bewusstsein reingegangen, „dass ich noch ziemlich jung bin. Ich
wollte nur so viel wie möglich zeigen". Um so größer die Freude, als der
Bundestrainer sie als eine von elf Spielerinnen fest für die WM gesetzt hatte.
Völlig überrascht war sie aber keineswegs: „Ich glaube schon, dass ich recht
lange konstant und gut gespielt habe. Und hinten links bin ich ziemlich sicher",
sagt Mandy Haase. Und bei so viel Selbstsicherheit liegt es nahe, dass die
Schülerin am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium zu Heidelberg trotz „unglaublich
vieler Fehlzeiten" und bisweilen wenig verständnisvoller Lehrer nicht nur im
nächsten Jahr ihr Abitur ablegen und dann Sport oder Medizin/Reha studieren
will. Nach der WM in Buenos Aires, wo „mindestens das Viertelfinale"
herauskommen soll, ist das A-Nationalteam ebenso ein Ziel wie die Olympischen
Spiele.
Dass der so genannte C-Kader des DHB der Ausgangspunkt für eine stattliche
Karriere sein kann, könnte ihr eine Rüsselsheimer Teamkollegin verraten haben.
Tanja Dickenscheid war 1989 dabei, als die deutschen Juniorinnen in Kanada die
erste WM-Auflage gewannen. Nach 189 A-Länderspielen und drei olympischen
Turnieren hat sie nach Sydney als 31-Jährige den Jüngeren Platz gemacht. Warum
nicht auch für Mandy Haase?
Erster großer
Erfolg für Mandy Haase im Trikot des RRK, die Damen des RRK
gewinnen den Feld-Europacup 1998 in London (hinten: Betreuer
Thomas Blivier, Britta Becker, Nadja Ritter, Tanja
Dickenscheid, Eva Hagenbäumer, Lisa Jacobi, Sina Fröhlich,
Nicole Hardt, Sybille Breivogel, Trainer Berthold Rauth;
davor: "Physio" Hanne Zöller, Marja Busch, Denise Klecker,
Nina Günther, Mandy Haase, Jana Schwärzel, Lena Schüder; vorn:
Jennifer Lutz, Nicole Loeck) |
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