"Wer hat Hunger", schallt der Ruf von Denise Klecker laut über den Hockeyplatz
im spanischen Terrassa. Dazu reckt die Spielführerin des Rüsselsheimer
Ruder-Klubs zwei Bananen in die Höhe. Es dauert nur wenige Sekunden und die
nahrhaften Kraftspender haben dankbare Abnehmer gefunden: Sichtlich gelöst und
Bananen essend drehen Lena Jacobi und Lotte Schwärzel weiter ihre Runden.
Kurz zuvor haben die
Beiden tatkräftig mitgeholfen, mit einem 4:2 über Slavia Prag den Abstieg des
deutschen Titelträgers aus der A-Division des Europacup-Turniers der
Landesmeister zu vermeiden. In dem 48-seitigen Programmheft, das Gastgeber CD
Terrassa anlässlich der 29. Auflage dieses Wettbewerbs erstellt hat, taucht der
Name der jüngeren nicht auf. Und auch auf dem Foto, das das RRK-Aufgebot zeigt,
findet sich das Gesicht des groß gewachsenen Talents mit den langen, hellblonden
Haaren nicht. Trainer Berti Rauth hatte sich kurzfristig entschlossen, der
Schwester der langjährigen RRK-"Goalgetterin" Lisa Jacobi den Vorrang gegenüber
erprobteren Akteurinnen zu geben.
Dritter Platz bei den
Deutschen Feldhockey-Meisterschaften 2001 für die Weibliche A-Jugend des
RRK mit Lena Jacobi (hinten: Betreuerin Birgit Jacobi, Sabrina Radtke,
Bettina Edlefsen, Henrike Stopfkuchen, Lena Jacobi, Mareike Neubauer,
Maren Pfefferkorn, Lotte Schwärzel, Trainer Berthold Rauth; davor: Antje
Lutz, Miriam Burghardt, Lydia Haase, Ann-Kathrin Zielonka, Sabrina
Heppel, Elena Christl, Anja Meisner; vorn: Susanne Drexler, Nina
Ankenbrand) |
Mit 16 Jahren zählte
Lena Jacobi sie zu den jüngsten Spielerinnen des Turniers. "Überrascht war ich
auf jeden Fall, als ich am 1. Mai erfahren habe, dass ich mitfahre", bekennt
sie. Erst eine Woche zuvor war die Mainzerin, die im dritten Jahr zum Kader des
Jugendnationalteams zählt, zu ihrem ersten Bundesligaeinsatz gekommen. Weil
Lotte Schwärzel verletzt ausgefallen war, hatte Rauth die Abwehr- und
Mittelfeldspielerin zum Bundesligaauftakt gegen den Münchner SC aufgestellt.
"Dass ich dann gleich erste Elf spiele, hätte ich aber nie gedacht", sagt Lena
Jacobi. "Aber es hat ganz gut geklappt." Ihr Trainer muss es ähnlich gesehen
haben, denn anhand der Eindrücke beim 1:0-Sieg sah sich der Coach darin
bestätigt, die 1,79 Meter große Gymnasiastin mit nach Katalonien zu nehmen. Auch
wenn die fünfte Teilnahme an diesem Turnier aus RRK-Sicht alles andere als
wunschgemäß verlief - für Lena Jacobi war es "einfach toll. Der offizielle
Empfang, das ganze Drumherum, das macht einfach Spaß. Das 6:1 in der Vorrunde
gegen Donchanka Volgodonsk war ziemlich cool. Da hat man doch gesehen, wie gut
wir spielen können!"
Mit ihrer Schwester in
einer Mannschaft zuspielen, sei "ein komisches Gefühl" gewesen, "vor allem, weil
sie achteinhalb Jahre älter ist als ich", sagt Lena Jacobi. Und nervös sei sie
bei ihrem ersten Einsatz auch gewesen. "Das hier ist schon ein krasser
Unterschied zu den Spielen, die ich mit dem Jugendnationalteam gemacht habe",
meint sie. "Das kann man gar nicht so genau beschreiben. Allein die
Körperlichkeit und Athletik, die fast alle Spielerinnen hier mitbringen. Und die
meisten haben auch voll die Erfahrung und sind viel abgeklärter." Sorgenfalten
gab es auf dem Gesicht der angehenden Oberstufenschülerin eigentlich nur nach
dem 1:2 gegen HC Gintra Siauliai zu sehen. "Aus der Traum", kommentierte Lena
die zweite Vorrundenniederlage gegen das Team aus Litauen, die Platz drei in der
Gruppe B und damit den Abstiegskampf bedeutete. Insgeheim hatte sie gehofft,
"das wir hier gemeinsam 'was reißen können".
Seit ihrem vierten oder
fünften Lebensjahr schwingt sie schon den Hockeyschläger. Zunächst beim TSV
Schott Mainz, seit 1991 beim RRK, mit dessen Jugend sie bereits zwei deutsche
Meisterschaften in der Halle feierte. Ob sie vom Sprung ins A-Nationalteam
träumen soll oder nicht, weiß sie selbst nicht so recht: "Das ist noch so weit
weg, aber wenn die mich haben wollten, hätte ich bestimmt nichts dagegen." An
der nötigen Motivation fehlt es nicht: Im August steht die Jugend-EM an. "Und
dass ich hier in Spanien mehr Spielanteile bekommen habe, als ich gehofft hatte,
heißt ja nicht, dass ich gleich wieder Bundesliga spiele. Ich werde weiter
versuchen, mich im Training überall zu verbessern und noch ein Stück zu
wachsen", erklärt Lena Jacobi, und fügt mit einem Augenzwinkern und einen
Schokopudding verspeisend hinzu: "Vor allem in die Breite".