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Über Mitglieder des
RRK (2012)
Lena und Nicolas
Jacobi |
Hallen-Europameisterschaft
2012 für die Damen und Herren des DHB (Nico Jacobi und Lena Jacobi mit Pokal) |
Erfolgshungrige Hockey-Geschwister
Lena und
Nicolas Jacobi wurden gerade Hallen-Europameister − Am Wochenende kämpfen sie
auch um den nationalen Titel
Von
Roger Stilz
(aus "Die Welt" vom 19.01.2012)
Ihre ältere Schwester Lisa hat
die beiden einst in ihrer Heimatstadt Rüsselsheim mit zum Training genommen und
so zum Hockey gebracht − für Torwart Nicolas ist die erfolgreiche Teilnahme an
den Olympischen Spielen das ganz große Ziel in diesem Jahr.
Wer in diesen Tagen mit dem Geschwisterpaar
Nicolas und Lena Jacobi über das Gelände der Universität Hamburg schlendert, der
merkt dabei zügig, was es heißt, in der Hansestadt zur Hockey-Familie zu
gehören. Mitten in der Bibliothek der Rechtswissenschaften treffen die beiden
auf Nicolas' Vereinskollegen vom Uhlenhorster HC, Jonas Fürste. Die beiden
begrüßen sich herzlich und verabreden sich umgehend zum Mittagessen.
Vor dem Kaffee "Unipark" sitzt
Jonathan Fröschle, Abwehrspieler beim Lokalrivalen Club an der Alster. Er nickt
in Richtung des groß gewachsenen Nationaltorwarts Nicolas Jacobi und
beglückwünscht ihn aufrichtig zum gerade errungenen Europameistertitel in der
Halle. Und nur Sekunden später merkt Fröschle, dass er die Schwester vergessen
hat: "Ach, und Glückwunsch auch dir. Hier laufen so viele Titel vorbei, da kann
man auch mal durcheinander kommen", sagt er lächelnd.
Es ist schon außergewöhnlich. Am
vergangenen Sonntag gewann die 26-jährige Lena Jacobi bei der
Hallenhockey-Europameisterschaft in Leipzig mit ihrem Team nach einem spannenden
und mitreißenden Spiel samt Verlängerung und einem packenden Siebenmeterschießen
mit dem deutschen Team das Finale gegen Weißrussland (3:2). Wenig später konnte
auch ihr Bruder jubeln: Die deutschen Herren bezwangen im Endspiel die
Mannschaft Tschechiens mit 4:0.
Der Motor für dieses so
erfolgreiche Geschwisterpaare ist ein weiteres Familienmitglied: "Unsere größere
Schwester Lisa hat uns seinerzeit in Rüsselsheim zum Training mitgeschleift und
war auch dafür verantwortlich, dass mein Bruder eine Torwartkluft angezogen
bekam", erzählt Lena Jacobi.
Im Rhein-Main Gebiet sind die
beiden aufgewachsen, dort haben sie auch lange Hockey gespielt. Mit dem
traditionsreichen Rüsselsheimer Ruder-Klub gewann der heute 24 Jahre alte Keeper
die Deutsche Hallenmeisterschaft 2008. In jener Saison allerdings waren die
Rüsselsheimer im Feldhockey nur noch zweitklassig. Der talentierte Torwart
entwuchs der U21-Nationalmannschaft, wollte im deutschen A-Kader Fuß fassen und
hielt deshalb nach einem Bundesligisten Ausschau. "Mir hat die Struktur des
Uhlenhorster HC am besten gefallen. Zudem konnte ich in Hamburg meinen
angestrebten Master mit Hockey gut verbinden", sagt Jacobi, der
Betriebswirtschaftslehre studiert. Nach einem Feld-, Hallen- und Europacuptitel
mit Rüsselsheim folgte die ältere Schwester 2010 dem jüngeren Bruder in die
Hansestadt. Die Mittelfeldspielerin schloss sich allerdings dem Club an der
Alster an. Sie legt im Sommer ihren Master in Europastudien ab. Wohin es in der
Arbeitswelt für sie geht, weiß sie noch nicht genau. Überzeugt ist sie
allerdings davon, dass ihr, egal was kommt, die Erfahrungen aus dem
Leistungssport helfen werden: "Ich glaube man ist belastbarer, gut organisiert
und möglicherweise in stressigen Situationen gelassener."
Auch der 1,93 Meter große Keeper strebt den Abschluss an.
Allerdings wird die Masterarbeit erst nach Olympia geschrieben. Die Sommerspiele
in London sind das ganz große sportliche Ziel in diesem Jahr. "Der Bundestrainer
schenkt mir Vertrauen. Die Chance will ich nutzen", sagt Jacobi, der mit
UHC-Kumpel Alexander Perdoni in Winterhude eine Wohngemeinschaft bildet. Neben
der Olympia-Vorbereitung versucht er auch noch, bei der Privatbank Donner und
Reuschel in die Finanzbranche reinzuschnuppern. Denn nach Olympia und Studium
ist der nächste Schritt geplant: Hockey und Private Banking.
Als Konkurrenten hätten sie sich nie gesehen, beteuern beide.
Allein die so unterschiedlichen Positionen auf dem Spielfeld machten einen
Vergleich schwierig. Er allerdings sei angespannter, wenn er die Partien seiner
Schwester schaue, als wenn er selbst spiele, sagt er. "Und ich habe, wenn ich
ehrlich bin, ab und an Angst um meinen Bruder, gerade bei
Eins-gegen-eins-Situationen", sagt Lena Jacobi. Wenn der Schlussmann moderat und
freundlich erzählt, dann denkt niemand daran, dass er auf dem Feld ein anderer
wird. "Er kann schon ein Heißsporn sein", sagt UHC-Trainer Martin Schultze.
Jacobi selbst meint, dass sich seine emotionalen Ausbrüche aber gelegt hätten.
Prompt kommt der Widerspruch der Schwester: "Du pöbelst schon noch", sagt sie.
"Ja, gut, aber ich pöbele im Rahmen", versucht er zu relativieren. Er würde die
Emotionen nun einmal brauchen, um gut spielen zu können.
Bereits am kommenden Wochenende bietet sich den beiden
frischgebackenen Europameistern bei der Hallen-Endrunde in Berlin die
Möglichkeit, einen weiteren Titel einzuheimsen. Sowohl die Herren des UHC als
auch die Alster-Damen besitzen realistische Chancen, am Ende den begehrten
Meisterwimpel in Empfang nehmen zu können. "Sollte ich nach dem deutschen
Feldtitel im vergangenen Sommer und der Hallen-Europameisterschaft am
vergangenen Wochenende jetzt noch mit meinen Vereinskolleginnen den deutschen
Hallentitel ergattern, ist es wohl Zeit aufzuhören", sagt Lena Jacobi und lacht.
Irgendwie scheint sie sich selbst nicht zu glauben.
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