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Über Mitglieder des
RRK (2017)
Kurt Hofferberth |
Teamwork in der Backstube: Gemeinsam wird hier das Frischkornflockenbrot
für den Backvorgang vorbereitet. |
Brötchen im Akkord
In der Backstube
Hofferberth gehen um 3 Uhr morgens die Lichter an
Ein frisches
knuspriges Brötchen, für viele gibt es zum Frühstück nichts Besseres. Wir waren
da, wo die leckeren kleinen Gebäckteilchen herkommen – und manches andere.
Aus "Rüsselsheimer
Echo" vom 28.06.2017
Morgens 4.45 Uhr in
Rüsselsheim: Auf den Straßen ist kaum etwas los. Die Tür zur beleuchteten
Backstube der Bäckerei Hofferberth in der Haßlocher Straße steht offen. Dahinter
herrscht schon geschäftiges Treiben.
Bäckermeister
Marius Blöcher sticht Teigstücke von einem großen luftigen Hefeteig ab. "Seit
3.30 Uhr hat der Teig gelegen, damit er reifen und Aroma entwickeln kann", sagt
der junge Bäckermeister. Seine Kollegin Nadine Hoffmann übernimmt es, aus den
abgewogenen Teigstücken die langen und schmackhaften Baguettes zu formen.
Die beiden könnte
man sich ebenso gut hinter dem Tresen einer hippen Cocktailbar vorstellen.
Blöcher mit seiner akkuraten Frisur und dem angesagten Vollbart entspricht voll
und ganz dem Bild des typischen Großstadt-Hipsters. Ein dezentes Tattoo und
Lippenpiercings zieren seine hübsche Kollegin.
Beide arbeiten in
ihrem Wunschberuf. Oder fast. Eigentlich wollte Blöcher Konditor werden, aber da
gab es keinen Ausbildungsbetrieb in der Nähe. An das frühe Aufstehen um 2.30 Uhr
habe er sich gewöhnt. Nach der Arbeit halte er einen Mittagsschlaf, abends gehe
er wie die meisten anderen Menschen auch zwischen 22 und 23 Uhr zu Bett. "Man
muss das so machen, damit man noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann",
ist er überzeugt.
Für Nadine Hoffmann
endet die Nacht sogar schon um 1.30 Uhr. Aus Wintersheim in Rheinhessen kommt
sie jeden Tag zur Arbeit nach Rüsselsheim. "Ich habe schon als kleines Mädchen
in der Backstube geholfen", erzählt sie, während sie die Teigstücke in lange
Stränge rollt und dann auf einem speziellen Baguette-Blech ablegt. Als Tochter
einer Bäckereiverkäuferin war ihr der eigene Berufswunsch schon früh klar.
Ururenkel im
Geschäft
Mit der Bäckerei
Hofferberth haben die beiden jungen Leute einen der immer seltener gewordenen
Betriebe gefunden, in denen noch traditionell gebacken wird. Vor 107 Jahren
gründete Georg Hofferberth die Bäckerei, heute führt sein Ururenkel Kurt die
Geschäfte. "Wir produzieren handwerklich; das und die Frische unserer Produkte
schätzen unsere Kunden", erzählt er.
In Rüsselsheim gebe
es mit ihrem Betrieb nur drei Bäckereien, die noch selbst backen würden.
Zeitweise hatte Hofferberth auch Filialen in der Innenstadt, mit der zunehmenden
Konkurrenz durch Billigbäcker hätten sich diese aber nicht mehr getragen. Heute
konzentriere er sich ganz auf das Geschäft in der Haßlocher Straße.
Viele Rezepturen,
auch für die sehr beliebten Vollkornbrote der Bäckerei, seien selbst entwickelt,
sagt Hofferberth. "Das ist kein Hexenwerk", weiß der Chef und schränkt ein: "Wir
rennen aber nicht jedem Trend hinterher." So bekäme man bei ihm keine Backwaren
mit dem derzeit so beliebten sogenannten "Superfood" Chia-Samen. "So was lehne
ich ab, Leinsamen ist wesentlich günstiger und genauso gut", sagt er im Brustton
der Überzeugung.
Er setzt lieber auf
seinen selbst gezogenen Sauerteig-Ansatz: "Der kommt in jedes Roggenbrot", sagt
er und lädt ein, mal zu probieren. Und ja, er ist wirklich sauer. In die
Vollkornbrote kommt bei Hofferberths statt Weizen- nur Dinkelschrot.
"Deutschland ist die Ausnahme, was die Auswahl an Vollkornbroten angeht, und bei
unseren Kunden kommen unsere Sorten super an", ist die Erfahrung des Bäckers.
Eben sind Hoffmann
und Blöcher dabei, das Karottenfrischflockenbrot fertig zu machen. Der Teig mit
frischen Möhrenstiften und den selbst gequetschten Dinkel- und Haferflocken wird
portioniert, in einer Saatenmischung gewälzt und dann in Backformen in Form von
Konservendosen gefüllt. Jetzt darf er erst ein wenig gehen, bevor Nikolai Kupfer
übernimmt. Kupfer ist der Herr über den riesigen fünfherdigen Etagenofen. In den
schiebt er gerade zusammen mit seinem Chef die Kärntner Roggenlaibe. Zeitgleich
erhalten weiter oben die Brötchen die passende Bräune und Knusprigkeit.
Süße Stückchen
Aber nicht nur
herzhaftes Gebäck verlässt heute die Backstube. Nachdem das Vollkornbrot in die
Dosen verteilt ist, füttert der junge Bäckermeister eine Maschine mit einem
großen Batzen hellen Hefeteigs. Am anderen Ende spuckt das Ungetüm ordentlich
gerollte, exakt gleich große Teigkugeln aus. Diese werden als nächstes
plattgewalzt und dann mit verschiedenen Früchten und Streuseln belegt.
Derweil bestreut
Hoffmann Plunderteilchen mit Puderzucker. Das Bistro der Immanuel-Kant-Schule,
ein fester Kunde der Bäckerei, besteht auf Puder statt Zuckerguss. Und die
Laugenbrezeln für die Schüler werden auf Wunsch ohne Salz gebacken. Solche
individuellen Bestellungen sind kein Problem für die Bäcker aus der Haßlocher
Straße. Auch das große Blech mit Muffins in einer Ecke ist eine private
Sonderbestellung.
So arbeitet das
Team routiniert das Tagespensum ab, das auf einem Zettel an die Wand gepinnt
ist. Das wirkt hochkonzentriert, aber nie gehetzt. "Für mich war immer klar,
dass ich den Laden mal übernehme", sagt ein gut gelaunter Kurt Hofferberth,
dessen Zwillingsbruder nie Interesse an der Bäckerei gehabt hätte. Statt dessen
arbeitet heute seine Frau Marion Seite an Seite mit ihm. Für sie beginnt die
Schicht jetzt, um kurz vor sechs. Schnell die Schürze umgebunden und die
frischen Backwaren in den Körben und Vitrinen verteilt, gleich kommen die ersten
Kunden. |