Das Gespräch führte
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 28. Juni 2014)
Mehr als fünf Jahre
nach der unfreiwilligen Trennung von den Hockeyspielern des Rüsselsheimer RK
kehrt Kai Stieglitz an diesem Samstag in ernsthafter Mission an die alte
Wirkungsstätte am Sommerdamm zurück. Nach einigen Testpartien dort versucht der
47 Jahre alte Trainer des TSV Schott Mainz, ab 16 Uhr erstmals bei seinem
Heimatverein in der Regionalliga Süd zu punkten. Als bekennender Rüsselsheimer
ist dieses Auswärtsspiel für Stieglitz gleichzeitig auch ein Heimspiel – aber
nicht mehr.
Herr Stieglitz,
kann es sein, dass Sie diesen Samstag die Hockeyanlage am Sommerdamm mit
speziellen Gefühlen betreten?
Nein, denn das ist
weder ein besonderer Gegner noch ein besonderes Spiel. Beide Mannschaften haben
sich ja gerade in dieser Saison schon oft gesehen. Wehmut schwingt bei mir
jedenfalls nicht mit.
Es ist also
nichts Besonderes für Sie, erstmals um Punkte bei Ihrem Heimatklub anzutreten?
Nein. Mag sein,
dass es etwas komisch ist, auf der Gästebank zu sitzen. Aber das einzig
Abnormale ist, dass ich mit dem Rad zu einem Pflichtspiel fahre.
Als die
RRK-Mannschaft im März 2009 nicht mehr mit Ihnen weitermachen wollte und der
Vorstand trotz Bauchschmerzen die Trennung nach fast zehn Jahren vollzog,
empfanden Sie das damals wörtlich so, dass die Heimat Sie verlassen hat. Wie
fühlt sich das gut fünf Jahre später an?
Damals war ich in
der Tat sehr frustriert und geschockt, aber das lastet nicht mehr auf meiner
Seele. So ist nun mal das Geschäft, das muss man akzeptieren. Und ich bin nicht
nachtragend, wobei ich zu manchen noch einen besonders guten, zu anderen einen
weniger guten Kontakt habe.
Sie waren danach
knapp drei Jahre in Hamburg beim Großflottbeker THGC und SV Blankenese als
Trainer tätig, sind aber dann doch im Herbst 2012 wieder ins Rhein-Main-Gebiet
zurückgekommen – warum?
Weil es ein
Jobangebot vom TSV Schott Mainz gab. Und obwohl es wirklich sehr schön war, in
der schönsten Stadt Deutschlands zu leben, lag es nahe, in die alte Heimat und
zu meinem Freundes- und Bekanntenkreis zurückzukehren. Da es relativ schwer ist,
als hauptamtlicher Trainer unterzukommen, hätte es mich aber auch in eine andere
Gegend verschlagen können.
Der RRK ist im
Sommer 2009 ohne Sie in die Bundesliga aufgestiegen, mittlerweile aber in der
zweiten Saison in der drittklassigen Regionalliga Süd angesiedelt. Wäre das mit
Ihnen als Trainer genauso gelaufen?
Das sind alles
Spekulationen, denn dazu kenne ich die Interna gar nicht. Fakt ist, dass solche
Entwicklungen immer von vielen Kleinigkeiten abhängen und der Trainer schon
maßgeblich gefragt ist, das Schiff auf Kurs zu halten. Die Entwicklung beim RRK
habe ich natürlich mit Interesse verfolgt.
Sie waren vor
Ihrer Trainerzeit in Rüsselsheim bis 1999 bereits beim TSV Schott als
Übungsleiter tätig. Was unterscheidet diese beiden Klubs?
Der TSV Schott ist
ein Großverein mit vielen Sportarten, der über eine komplett eigene Anlage
verfügt und einen Sponsor mit den Schott-Werken im Hintergrund hat. Das schafft
– auch in Verbindung mit der Mitgliederzusammensetzung – Strukturen, um etwa
drei hauptamtliche Hockeytrainer zu beschäftigen. Solche Möglichkeiten hat der
Rüsselsheimer RK als Randsportartenklub zweifellos nicht.
Der RRK sucht,
wie andere hessische Traditionsklubs in Limburg oder Hanau, seit Längerem einen
Herrentrainer. Gibt es keine oder woran liegt das?
Es gibt sicher
insgesamt zu wenige hauptamtliche Trainer, aber vordergründig liegt das mit
Sicherheit an den finanziellen Möglichkeiten der Vereine. Wenn man mehrere Teams
betreut wie ich, ist das nur möglich, wenn man nicht auf Honorarbasis arbeitet
und noch einen Nebenjob braucht. Unter solchen Voraussetzungen verändert man
nicht seinen Lebensmittelpunkt, um einen Regionalligisten zu übernehmen.
Sie sind zwar in
Flörsheim geboren, aber ansonsten Rüsselsheimer durch und durch. Wäre es da
nicht naheliegend, wieder etwas beim RRK zu machen – oder ist das Tischtuch für
immer zerschnitten?
Ich hätte keine
Probleme damit, wieder für den RRK zu arbeiten. Wie pflegte Eintracht-Trainer
Dragoslav Stepanovic einst zu sagen: „Lebbe geht weiter.“ Aber die Frage stellt
sich nicht. Ich fühle mich in Mainz sehr wohl und habe Spaß. Der TSV Schott ist
ein guter Verein.
Zurück zur
Gegenwart: Wie geht das Spiel diesen Samstag aus und werden sich die
Hockeyfreunde im engeren Rhein-Main-Gebiet auf dauerhafte Begegnungen in der
Regionalliga Süd einstellen müssen?
Ich gehe stark
davon aus, dass es diese Begegnung zumindest auch in der nächsten
Regionalligasaison geben wird, denn beide Vereine bleiben drin. Unser Anspruch
ist es aber schon, auch mal wieder oben mitzuspielen und zum zweiten Mal in der
Vereinsgeschichte in die Zweite Bundesliga aufzusteigen. Für das Spiel tippe ich
auf einen 3:2-Sieg für uns, würde mich aber nicht wundern, dass, wenn es kurz
vor Schluss unentschieden steht, beide Teams so spielen könnten, wie Deutschland
und Österreich bei der Fußball-WM 1982 in Gijón...
Wer wird
Regionalliga-Meister und wer steigt ab?
Obwohl wir gegen HC
Ludwigsburg und TEC Darmstadt verloren haben, hat mich keine dieser Mannschaften
überzeugt. Da der HCL Tabellenführer ist und Heimvorteil im direkten Vergleich
hat, werden die vorne bleiben. Neben dem ASV München wird es wohl den
Kreuznacher HC erwischen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass die noch drei
Spiele gewinnen.
Und wer wird
Fußball-Weltmeister?
Deutschland – nach
einem 2:1 im Finale gegen Holland. So wie bei der WM 1974.