Von Björn Jensen
(aus "Hamburger Abendblatt" vom 27.05.17)
Von dem heftigen
Hagelschauer, der auf die Terrasse der Gastronomie im Club an der Alster
prasselt, lassen sich Jens George (48) und Claas Henkel (37) nicht aus der Ruhe
bringen. Kein Wunder, gelten die Trainer der Bundesliga-Hockeydamen von Alster
und dem Uhlenhorster HC doch als entspannte Vertreter ihrer Zunft. Vor der
Endrunde um die deutsche Feldmeisterschaft an diesem Wochenende in Mannheim bat
das Abendblatt die beiden Freunde zum Doppelinterview.
Herr Henkel,
dass Ihr Team sich als Titelverteidiger zum neunten Mal in Serie für die
Endrunde qualifiziert hat, war keine Überraschung. Sind Sie überrascht, dass
Alster dabei ist?
Claas Henkel: Nein.
Erstens hatten sie das Final Four im vergangenen Jahr nur knapp verpasst,
zweitens war das Erreichen der Endrunde ihr Saisonziel.
Sehen Sie das
auch so, Herr George? Angesichts Ihres kleinen, zudem verjüngten Kaders war
Tabellenrang vier nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Jens George:
Tatsächlich hatten wir durch den langfristigen Ausfall unserer
Leistungsträgerinnen Sabine Knüpfer, Kira Horn und Silja Lorenzen einige
Schwierigkeiten zu meistern. Umso höher rechne ich es meinen Mädels an, dass sie
die Endrunde erreicht haben.
Täuscht der
Eindruck, dass die Teams in der Liga enger zusammengerückt sind und sich das
Niveau erhöht hat?
Henkel: Enger ist
es auf jeden Fall geworden, und das tut der Liga gut. Ob es besser war? Eher
nicht. Ich fand, dass die Teams im Mittelfeld der Liga stärker waren als in den
vergangenen Jahren, die Lücke zwischen den Top vier und dem Rest ist kleiner
geworden. Das lag aber auch daran, dass die Topteams nach den Olympischen
Spielen viele Rio-Fahrerinnen zu ersetzen hatten, die eine Pause brauchten.
George: Mein
Eindruck war, dass das Spiel athletischer geworden ist. Viele Teams haben
verstanden, dass dieser Part immer wichtiger wird. Das sieht man an den
knapperen Ergebnissen.
Gab es für Sie
eine Überraschung?
Henkel: Dass
Rot-Weiß Köln nach der Rückrundensperre für Franzisca Hauke so stark war und
sich souverän qualifiziert hat, fand ich beeindruckend.
George: Da kann ich
nur zustimmen, das hätte ich so nicht erwartet.
Dass der
Mannheimer HC so deutlich Hauptrundensieger geworden ist, fanden Sie normal?
Henkel: Der MHC hat
diesen Anspruch seit zehn Jahren, deshalb war es eine Frage der Zeit, wann es
gelingen würde.
George: Ich hätte
nicht gedacht, dass sie Erster werden. Aber dass sie es in die Endrunde
schaffen, das war mir klar.
Wie sehen Sie
denn die Entwicklung im Hamburger Hockey? Der HTHC hatte vor der Saison
angekündigt, mit seinem Damenteam mittelfristig auf UHC- und Alster-Niveau
kommen zu wollen.
Henkel: Ich halte
solche Ankündigungen für unseriös, denn dafür ist ein reiner Amateursport wie
unserer nicht vorhersehbar genug. Ich erkenne aber an, dass sich unter Tomek
Laskowski als Cheftrainer beim HTHC einiges zum Positiven verändert hat. Und
auch Michi Behrmann macht in Großflottbek mit seinen Talenten einen guten Job.
Das Hamburger Hockey ist weiter ein Leuchtturm in Deutschland.
George: Ich sehe
das etwas kritischer. Der HTHC und Großflottbek sind Neunter und Zehnter
geworden. Damit können beide nicht zufrieden sein. Athletisch mögen sie etwas
zugelegt haben, spielerisch sind sie stehen geblieben. Beiden fehlten
Persönlichkeiten.
Mit Jens George gelingt nach
sechsjähriger "Verbannung" in die Regionalliga den Hockeymännern des RRK
1994 der
Wiederaufstieg in die Hallen-Bundesliga (hinten: Abteilungsleiter Fritz
Schneider, Patrick Honnef, Holger Klein, Jan-Erik Reitz, Volker Schädel,
Torben Stalmach, Björn Emmerling, Masseur Pit Bulajic, Betreuer Martin
Müller, Trainer Berti Rauth; vorn: Glenn Eifert, Thomas Susenburger, Oliver
Domke, Klaus Eberts, Christopher Reitz, Jens George) |
Was muss Hamburg
tun, um seinen Ruf als Hochburg zu verteidigen?
George: Wir müssen
in der Jugendarbeit am Ball bleiben. Vor allem aber müssen auch wir uns weiter
professionalisieren und wahrscheinlich auch mal ein paar Euro in die Hand
nehmen.
Henkel: Die Zukunft
wird in erster Linie über die Jugendarbeit entschieden. Und da wird Hamburg
seinem Ruf leider noch zu häufig nicht gerecht. Wir müssten viel regelmäßiger um
die Titel mitspielen. Wenn man Professionalität im Damenbereich will, muss auch
der Weg dorthin professionalisiert werden. Leider schaffen es im Damenhockey
Talente noch immer viel zu schnell in die Bundesligakader – und sind dann zu
schnell damit zufrieden.
Gibt es etwas,
das der andere Verein hat, was Sie für Ihren Club gern hätten?
George: Was ich
besonders toll finde, ist die Bereitschaft der Mitglieder, sich ehrenamtlich zu
engagieren. In den Werten, die dort gelebt werden, finde ich mich selbst wieder.
Davon können sich alle eine Scheibe abschneiden.
Henkel: Bekannt
ist, dass der Club über höhere finanzielle Mittel verfügt. Aber ich neide Alster
gar nichts. Beide Vereine stehen mit ihrem Stil für Erfolg auf hohem Level und
haben deshalb ihre Daseinsberechtigung. Wir sind ein traditioneller Club auf
einer sehr schönen Anlage, wir arbeiten sachlich und mit leisen Tönen an der
Fortentwicklung. Das finde ich sehr stimmig, und deshalb fühle ich mich beim UHC
auch so wohl.
Sie beide sind
gut befreundet, was im Leistungssport bei direkten Konkurrenten nicht alltäglich
ist. Rührt das auch daher, dass Sie ähnliche sportliche Werte teilen?
Henkel: Das hängt
vor allem mit den Werten zusammen, die wir beide persönlich verkörpern. Wir sind
verbindliche, bodenständige Typen, die sich aus Eitelkeiten nicht viel machen.
George: Außerdem
genießen wir beide das Leben, sehen nicht alles so verbissen, auch wenn wir
immer gewinnen wollen. Dass wir nicht nur gute Kollegen sind, sondern uns auch
privat treffen und über das Leben abseits des Hockeys austauschen, ist sicher
außergewöhnlich und das Schöne am Amateursport.
Herr Henkel, Sie
sind im vierten Jahr UHC-Trainer. Herr George betreut Alsters Damen seit 18
Jahren. Ist es für Sie erstrebenswert oder auch nur vorstellbar, ihm
nachzueifern?
Henkel: Darüber
mache ich mir keine Gedanken, weil ich grundsätzlich keine Pläne schmiede. Ich
finde es allerdings höchst respektabel, denn die Halbwertzeit von Trainern im
Leistungssport ist deutlich geringer. Dass Maus (Georges Spitzname, d. Red.) so
lange im Amt ist, spricht für die Hingabe und die Kompetenz, mit denen er seinen
Beruf ausübt.
Allerdings sind
auch Sie schon zehn Jahre im Damenhockey tätig. Was macht Sie beide zu
Frauenverstehern?
George: Dass wir
gar nicht erst versuchen, sie zu verstehen.
Henkel: Das liegt
daran, dass wir eine Lockerheit und einen gewissen Abstand mitbringen zu dem,
was wir tun.
Das heißt, dass
ein Posten im Herrenhockey für Sie nicht infrage kommt?
Henkel: Das würde
ich nie ausschließen, ich bin ja auch bei den UHC-Herren im Trainerteam. Aber
ich habe nicht zwangsläufig das Bedürfnis, als nächsten Schritt ein Herrenteam
coachen zu müssen. Ebenso kann ich mir auch vorstellen, Jugendtrainer zu werden.
Aktuell macht mir die Arbeit im Damenbereich sehr viel Freude, man kann taktisch
sehr viel bewegen. Ich sehe Damenhockey nicht als kleine Schwester des
Herrenhockeys.
George: Auch wenn
unsere Herren gerade einen Cheftrainer suchen, steht das für mich nicht zur
Debatte. Im Club sind sie auch froh, einen zu haben, der den Damen-Job ganz
ordentlich macht, denn ein richtig guter, engagierter Damentrainer ist schwerer
zu finden als im Herrenbereich. Wer mich kennt, weiß außerdem, dass ich mit dem
Aufwand, den ich jetzt betreibe, ausgelastet bin. Ich brauche Zeit für meine
Reisen und für meinen Job in einer Tischlerei.
Dort arbeiten
Sie 15 Stunden die Woche. Was erdet Sie, Herr Henkel?
Henkel: Meine
Familie. Meine Frau und ich erwarten das dritte Kind. Die Familie verhindert,
dass Hockey im Mittelpunkt meines Lebens steht.
Zum Abschluss
Ihr Tipp: Sehen wir in Mannheim ein Hamburger Finale?
George: Ich halte
das für sehr gut möglich und hätte viel Freude daran.
Henkel: Wir auch,
keine Frage. Aber wenn wir am Sonntag beide frei haben, wissen wir auch mit dem
Sonnabendabend etwas anzufangen.