Das Gespräch führte
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 26.11.2011)
Mehr als zehn Jahre lang hat Irene
Balek der Abwehr des Hockey-Bundesligisten Rüsselsheimer RK zu Stabilität
verholfen und obendrein als Strafecken- und Siebenmeterschützin entscheidend zum
Gewinn von etlichen deutschen Meistertiteln und Europapokal-Triumphen
beigetragen. Nach einem lange schwelenden Zwist mit RRK-Trainer Benedikt
Schmidt-Busse kehrte die österreichische Rekordnationalspielerin (163 Einsätze)
dem Ruderklub im März den Rücken. Am Sonntag, genau eine Woche vor ihrem 34.
Geburtstag, greift Irene Balek erstmals wieder in ihrer Wahlheimat Rüsselsheim
zum Schläger. Um 13 Uhr tritt sie mit Eintracht Frankfurt gegen den RRK um
Punkte in der Hallen-Bundesliga Süd an.
Nach mehr als zehn sehr
erfolgreichen Jahren beim Rüsselsheimer RK ziehen Sie sich am Sonntag in der
Sporthalle Dicker Busch erstmals in der Kabine um, die den Gastmannschaften
zugedacht ist. Ein komisches Gefühl?
Das wird bestimmt ein komisches
Gefühl sein, wenn ich die Halle betrete. Andererseits war es nicht so komisch,
am vergangenen Samstag erstmals gegen Rüsselsheim zu spielen. Es wäre bestimmt
was anderes gewesen, wenn viele langjährige Weggefährten auf der anderen Seite
gestanden hätten. Aber so waren mit Eva Frank und Vera Battenberg nur zwei
Spielerinnen dabei, die die letzten Jahre ständig mitgespielt haben.
Sie haben den RRK im März mit
einigen anderen Spielerinnen verlasen, weil Sie mit Trainer Benedikt
Schmidt-Busse nicht mehr klarkamen. Gibt es noch Kontakte zu ehemaligen
Mitspielerinnen?
Ja klar, das eine hat ja mit dem
anderen nichts zu tun. Am Sonntag nach dem Spiel bin ich zum Beispiel mit Silke
Müller und ein paar Spielerinnen aus der aktuellen Mannschaft zum Essen
verabredet.
Verfolgen Sie noch regelmäßig die
RRK-Ergebnisse und was sagen Sie dazu, dass Ihr langjähriges Team nach der
Hinrunde auf dem Feld Bundesliga-Tabellenletzter ist?
Geburtstag: 4. Dezember 1977
Beruf: Investitionscontrollerin
Stationen: HC Wiener Neudorf (AUT), SV Arminen Wien (AUT), Rüsselsheimer RK,
Eintracht Frankfurt
Erfolge: DM Feld: 2001, 2004; DM Halle: 2002, 2003, 2004, 2005;
Europapokal Halle: 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006;
Feldmeister Österreich: 1996, 1997, 1999;
Hallenmeister Österreich: 1993, 1997, 1998
Hobbys: Reisen, Freunde treffen, Essen
Anzahl Länderspiele: 163 |
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Ich habe viele Feld-Ergebnisse
verfolgt, unter anderem auch die RRK-Resultate. Aber zuerst schaut man natürlich
immer nach den Ergebnissen, die einen selbst betreffen. Deswegen habe ich mir in
der Herbstrunde als Allererstes die Ergebnisse der Regionalliga Süd und
natürlich noch die Ergebnisse von SV Arminen Wien angeschaut. Was soll ich zum
letzten Platz sagen, das ist natürlich keine erfreuliche Entwicklung, aber man
kann den jungen Mädels keinen Vorwurf machen.
Wo haben Sie bis zum Sommer den
Hockeyschläger geschwungen und wie kamen Sie zur Eintracht?
Ich habe die Frühjahrssaison bei
meinem österreichischen Verein SV Arminen Wien gespielt. Es war eine sehr
schöne, aber leider auch etwas stressige Zeit. Ich bin jeden Freitag nach Wien
geflogen, vom Flughafen ging es direkt ins Training und am Wochenende fanden
Spiele oder Lehrgänge mit der Nationalmannschaft statt. Dadurch, dass im Sommer
die C-Europameisterschaft in Wien stattfand, war es das einfachste, auch dort
die Meisterschaft zu spielen.
Wie ich zur Eintracht kam, ist ganz
einfach erklärt: Ich bin schon seit Anfang des Jahres in ständigem Kontakt mit
Annika Wiese. Und da ich für die Eintracht weder umziehen noch einen weiten
Fahrweg oder sogar einen Berufswechsel vornehmen musste, habe ich mich im Sommer
entschieden, es in Frankfurt zu probieren. Natürlich haben mich auch zwei
konkrete Angebote aus der ersten Liga gereizt, aber zu allererst stand für mich
im Vordergrund, nach der unschönen Zeit Stress zu reduzieren und wieder Spaß am
Hockey zu finden
Ihr jetziges Team gehört auf dem
Feld "nur" der drittklassigen Regionalliga an. Ist das für eine vielfache
Deutsche Meisterin und Europacupsiegerin sportlich nicht ein gewaltiger
Rückschritt?
Ich habe mich vom Konzept der
Eintracht überzeugen lassen, dabei war die Ligazugehörigkeit zweitrangig. Hier
sind einige Leute sehr engagiert und dabei, mit viel Herz etwas aufzubauen.
Zudem haben sie einen Plan. Ich helfe gerne bei diesem Weg, vor allem, weil mir
dafür sehr viel Wertschätzung entgegengebracht wird.
Sie sind österreichische
Rekord-Nationalspielerin − wie lange möchten Sie international beziehungsweise
national noch am Ball bleiben und welche Ziele verfolgen Sie?
Da jubelten sie noch gemeinsam: Irene Balek
wird an diesem Sonntag im Dress von Eintracht Frankfurt bei ihrem
langjährigen Klub, dem RRK, vorstellig. |
Beides ist grundsätzlich nicht fest
eingeplant. Ich denke von Saison zu Saison. Da ich in den letzten Monaten wieder
viel Freude am Hockey gewonnen habe, sieht es momentan nicht nach einem Ende
aus. National sind unsere Ziele klar der Klassenerhalt in der Halle und der
Aufstieg in die Zweite Bundesliga auf dem Feld. International schauen wir mal,
wer eventuell bei einem Olympia-Qualifikationsturnier absagt. Und zudem steht
natürlich die Hallen-EM vor der Tür. Mit ein bisschen Glück ist hier vielleicht
das Halbfinale drin.
Wenn Sie mit Abstand auf den
Abgang beim RRK zurückblicken − waren die Differenzen wirklich so groß, dass es
mit beiderseits gutem Willen nicht hätte weitergehen können?
Wenn ich mit Abstand zurückblicke,
dann war es genau die richtige Entscheidung. Natürlich hätte man irgendwie
weitermachen können, aber schließlich ist Hockey für mich eine
Freizeitbeschäftigung, die Spaß machen soll und kein Beruf. Wenn man nicht mehr
hinter einer Sache steht und irgendwann sogar die Gesundheit zu leiden beginnt,
sollte man gehen. Und genau das habe ich gemacht.
Wo sehen Sie die größten
Unterschiede zwischen dem RRK und der Eintracht?
Die Eintracht hat erkannt, dass ihre
erfolgreichste Zeit zurückliegt und man etwas Neues aufbauen muss. Strukturiert,
ehrlich und mit Herzblut. Wie das aktuelle Konzept in Rüsselsheim aussieht, weiß
ich nicht, und deswegen kann ich dazu nichts sagen.
Sie arbeiten am Flughafen und
spielen Hockey in Frankfurt, wohnen aber weiterhin in Rüsselsheim. Soll das so
bleiben?
Nein, ich bin gerade dabei, mir eine
Wohnung in Frankfurt zu suchen.
Sie sind im Sommer 2000, nachdem
der langjährige RRK-Trainer Berti Rauth Sie bei der Hallen-EM in Wien entdeckt
hatte, nach Rüsselsheim gezogen. Was vermissen Sie von Ihrer Heimat am meisten,
und hat Sie eine deutsche Großstadt eigentlich nie gereizt?
Am meisten vermisse ich natürlich
meine Familie, dann das Heimatgefühl. Das kann man zwar schwer beschreiben, aber
Heimat ist nun mal Heimat. Die Sprache ist anders und natürlich auch die
österreichische Küche. Einen Reiz hat eine Großstadt natürlich schon, aber ich
wollte bis jetzt nie selber in einer wohnen.
Am vergangenen Samstag haben sich
Eintracht und RRK in Frankfurt 4:4 getrennt. Ein gerechtes Ergebnis in Ihren
Augen, und was erhoffen Sie sich für das zweite Bundesliga-Duell in der Halle?
Ja, das war ein gerechtes Ergebnis.
Wir möchten auf jeden Fall dieses Wochenende wieder punkten, um nicht
abzusteigen. Ob wir die Punkte dann gegen den TSV oder gegen Rüsselsheim holen,
ist egal.
Empfinden Sie noch Groll, wenn Sie
Benedikt Schmidt-Busse sehen, oder können Sie inzwischen wieder ganz normal
miteinander umgehen?
Ich habe mit Benedikt nichts mehr zu
tun und sowohl mit dem RRK als auch mit den Vorkommnissen abgeschlossen.
Trauen Sie dem weiter verjüngten
RRK-Team in dieser Hallensaison auch ohne die vielen erfahrenen Spielerinnen
einen Platz im Play-off-Viertelfinale zu?
Dieses Jahr sehe ich den TSV Mannheim
und den Münchner SC als Favoriten auf die Play-off-Plätze. Aber wenn man die
ersten Ergebnisse verfolgt hat, dann sieht es so aus, als ob es wieder sehr
spannend wird.