Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Holger Kraft

Lädt Schuld und Schmutz auf sich: Macbeth (Holger Kraft)

 

 

 

 

 

 

 

 

Macbeth: Mit Klamauk an die Macht

Die Wuppertaler Bühnen feierten am Samstag Premiere im Kleinen Schauspielhaus.

Von Martina Thöne (aus "Westdeutsche Zeitug" vom 19. September 2010)

Wuppertal. Ein Kuss sagt mehr als tausend Worte. Lady Macbeth (Sophie Basse) verbindet ihn jedoch vorsichtshalber mit einer klaren Botschaft: Während sie zusammen mit ihrem Mann (Holger Kraft) die Knöpfe von Bluse und Hose öffnet, gibt sie sich alles andere als zugeschlossen. Man solle wie eine Rose aussehen, aber wie eine Schlange sein − das säuselt die selbstbewusste Lady ihrem Gatten beim Liebesakt ins Ohr. Das Publikum im Kleinen Schauspielhaus ahnt es bereits zu diesem Zeitpunkt: Die beiden sind sich nah und trotzdem fern.

Wie eine blühende Rose sieht Wuppertals neuer Macbeth nicht gerade aus. Andererseits: Ein Schlangenmensch ist er auch (noch) nicht. Die tragische Figur steht irgendwie zwischen den Zeiten − und zunehmend neben sich. Das zeigt Claudia Bauer in ihrer "Macbeth"-Inszenierung nicht zuletzt optisch.

Der Pantoffel-Held wird zum Tyrannen

Der Anti-Held trägt keine Ritterrüstung, aber auch kein modernes Outfit. Der Anzug, in dem Macbeth unsicher grinst, sieht aus wie von gestern. Auch Lady Macbeth, die eigentlich Starke, die buchstäblich die Hosen anhat und im türkisfarbenen Anzug zusehends Farbe bekennt, wirkt im 80er-Jahre-Anzug anfangs eher etwas verloren als im Heute und Jetzt angekommen.

Das ändert sich, je schmutziger die Bühne und die Pläne der Thronanwärter werden. Denn schon in Shakespeares Vorlage gilt: Das Äußere spiegelt das Innere. Bauer macht das furchterregend deutlich − immer dann, wenn sie auf die leisen Töne derer setzt, die so gerne laut poltern.

Die Masken fallen langsam, dann allerdings immer schneller: Als Macbeth und seine Lady den Königsmord planen, um sich selbst die Krone aufzusetzen, lässt der tragische Held noch Skrupel erkennen. Nur wenig später schlägt die Stimmung um: Das Paar gibt sich entsetzt, als es vom Tod des Herrschers hört − so eindringlich, dass einem eine Schauer über den Rücken läuft.

Eine blutrünstige Geschichte: Macbeth (Holger Kraft) strebt an die Macht, Hexen (Sebastian Stert, l., und Marco Wohlwend, r.) schauen zu.

Macbeth, der Pantoffel-Held, sucht Anerkennung, findet aber keine Ruhe. Mit aller Gewalt hält er an der Macht fest. Kraft zeigt eindrucksvoll, wie die Karrieresucht den Angestachelten immer mehr beherrscht: Kaum hat Macbeth seinen Vorgänger ermordet, plagt ihn die Angst, selbst gestürzt zu werden. Macbeth wird wirr im Kopf, die Inszenierung immer abgedrehter.


"Macbeth": Psychodrama als Horrormärchen

Bei Claudia Bauer werden die Hexen zu Spielleitern

Von Martina Thöne (aus "Westdeutsche Zeitug" vom 19. September 2010)

Wuppertal. Sie kommen herein, als seien die Zuschauer Teil einer Fernsehshow. Sie reichen Auserwählten die Hand, als würden die Gäste in den ersten Reihen durch ein beschwingtes Schulterklopfen direkt zu Verbündeten.

Vor allem aber machen Macbeth (Holger Kraft) und Lady Macbeth (Sophie Basse) eines: Sie strahlen so bemüht, als sei das ganze Leben ein einziges Quiz. Wer im Kleinen Schauspielhaus genau hinsieht, merkt jedoch schnell, dass das alles nur Fassade und das Leben in Wahrheit kein Kinderspiel ist.

Deshalb vergeht dem Karrieristen-Paar das Lachen auch relativ schnell: "Macbeth" beginnt wie eine oberflächliche Game-Show, entwickelt sich zwischenzeitlich zu einem tiefgreifenden Psychodrama und endet als abgedrehtes Horrormärchen.

Prophezeiungen, Klamauk und Theaterblut

Zum Start der Wuppertaler Schauspiel-Saison schickt Regisseurin Claudia Bauer nicht nur ein machthungriges Mörderpaar, sondern auch die obligatorischen Hexen ins Rennen. Dabei sind die drei Chaos-Schwestern nicht nur Verkünder schicksalhafter Prophezeiungen.

Sie sind viel mehr: Daniel Breitfelder, Marco Wohlwend und Sebastian Stert schlüpfen in verschiedene Rollen und spielen mit den Mitteln des Theaters. Kostüme werden auf offener Bühne gewechselt, Theaterblut spritzt demonstrativ aus der sichtbaren Sprühflasche.

Das führt dazu, dass viele Einfälle witzig, einige aber zu abgedreht sind. So bewegt sich der Abend zwischen Psychodrama und Schnelldurchlauf. Am Ende steht die Einsicht, dass zu viel Klamauk einer Tragödie nicht gut tut und sich Blut zwar abwaschen lässt, Schuld aber nicht vergeht.

Holger Kraft (Macbeth) und Sophie Basse (Lady Macbeth)


Alptraum ohne Schlaf

"Macbeth" als erste Premiere der Spielzeit 2010/11 in Wuppertal

Von Martin Hagemeyer (aus "Musenblätter" vom 20.09.2010)

Erst am Ende ist Stille

 Erst am Ende ist Stille. Nur wabernder Nebel über Blutlachen, Babykörper auf zerknüllten Decken. So zeigt sich die Bühne nach den knapp zwei Stunden der aktuellen "Macbeth"-Inszenierung im Wuppertaler Kleinen Schauspielhaus. Claudia Bauer hat für Shakespeares Tragödie ein alptraumhaftes Szenario geschaffen, in dem die Titelfigur niemals zur Ruhe kommt.

Macbeth tötet seinen König, der als Gast in seinem Haus schläft, er "tötet den Schlaf", wie es heißt, und leidet fortan an Schlaflosigkeit. Die Inszenierung legt den Fokus auf diese Rastlosigkeit, mit der er von einem Verbrechen zum nächsten wankt – der Ausschaltung des Mitwissers Banquo und seines Sohnes, dem Auftragsmord an der Familie von Macduff, der zum Widerstand rüstet. Dem dient ein Kunstgriff, der das gesamte Stück prägt: Daniel Breitfelder, Marco Wohlwend und Sebastian Stert sind nicht nur die drei langhaarigen Hexen, die Macbeth voraussagen, er werde König sein; vielmehr nehmen sie von König Duncan als debilem Grabscher bis hin zu den gedungenen Mördern auch alle weiteren Rollen ein. Murmelnd und gestikulierend begleiten sie die Handlung im Hintergrund, ehe sie sich mit kleinen Kostümwechseln blitzschnell in die verschiedenen Figuren verwandeln – der Übergang ist fließend. Dadurch entsteht der Eindruck, dass das Böse durchgängig präsent ist und Macbeth in seinem Bann.

Brüchige Souveränität

Holger Kraft in der Titelrolle macht deren Zerrissenheit sichtbar. Von Selbstsicherheit zu Wahnvorstellungen, von kühlem Kalkül zu Besinnungslosigkeit ist Macbeth kaum jemals Herr der Situation. Doch auch seine Gattin zeigt Schwäche: Sophie Basse gibt Lady Macbeth nicht dämonisch, wenn sie auch ihren Mann zur Ausführung der Tat drängt. "Weg mit dem Mitleid – das – das darf da nicht sein", beschwört sie sich selbst zu Beginn fast stammelnd. Im Griff zu haben scheinen sich die Eheleute auf Macbeths Krönungsfeier, wo es zu einer absurden Plauderrunde kommt: Beim Kaffee tauscht man sich mit Banquo aus über dessen Sohn („der ist aber sehr klein für sein Alter, hm?“) und die Vorzüge des Stillens ("spart ja auch Babynahrung"). Man darf vermuten, dass solche Szenen aus Improvisation entstanden sind. In ihrer Flapsigkeit muß man sie nicht mögen; aber sie vermitteln doch den Eindruck der brüchigen Souveränität von Macbeth und seiner Frau, die sich kurzzeitig ihrer Sache sicher sind.

Atemlose Inszenierung überzeugt

Dass alles in Wahrheit ein Alptraum für Macbeth ist, daran besteht dabei kein Zweifel. Beängstigend gut getroffen wird die eigentümliche Wahrnehmung des Träumens, als Macbeth erneut die Hexen aufsucht, um Klarheit über seine Zukunft zu gewinnen: Obszön scheinen sie ein Kind und eine Pflanze zur Welt zu bringen – als Symbol für die scheinbaren Garantien, Macbeth werde unbesiegt bleiben von jedem, der "von einer Frau geboren" wurde und solange "die Wälder von Burnam" sich nicht auf sein Schloss "zubewegen".

Die Gewaltdarstellung gehört hingegen nicht zum Schockierendsten der Inszenierung. Zwar wird auch in Wuppertal mit Theaterblut nicht gespart; aber die Täter tragen es für alle ersichtlich per Sprühdose und keineswegs realistisch auf ihre Opfer auf, so dass man dabei zuschauen kann, wie die Morde gespielt werden. Auch dies fügt sich in seiner Vermischung der Realitätsebenen in das Gesamtbild ein.

Macbeth ist eine Gestalt, die zwischen Schicksal und eigenem Willen schuldig wird. Die atemlose Inszenierung überzeugt, indem sie diese Getriebenheit vorführt.