Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Gustav Schäfer

Gustav "Gummi" Schäfer 1986

 

 

 

 

Deutschlands einziger Olympiasieger im Einer

Gummi-Schäfer wird 80 Jahre alt

Ein Interview von Gisa Jacobus, München (aus "Rudersport" vom 12.09.1986)
 

"They never come back ..." Gummi-Schäfer sagt es nicht wehmütig, nachtrauernd einer Zeit, in der Ruhm zu seinem täglichen Leben gehörte wie heute sein Blick auf die "geliebte Kampenwand". Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens, und genauso spricht Gummi-Schäfer mit mir. Vier Stunden lang. Vier Stunden, die im Fluge vergeh'n.

They never come back ... Berlin 1936. Die Dresdner Neuesten Nachrichten schreiben am Freitag, dem 21. August, nach seinem Einzug in die Heimatstadt: "Ungeheurer Jubel brauste dem Sieger im olympischen Einer entgegen. Stadtrat Dr. Redder gedachte der 'unvergeßlichen Stunde', in der Gustav Schäfer seinen schnittigen Einer m Siege auf der Olympia-Regattabahn in Berlin-Grünau steuerte, jener Stunde, die fast die gesamte Dresdner Sportgemeinde am Lautsprecher miterlebte, im stillen den "Daumen" für Schäfer drückend. Wenn heute Gustav Schäfer mit der olympischen Goldmedaille nach Dresden zurückkehrt, so stellt er ein Beispiel für die Jugend dar, das zeigt, wie man durch Disziplin und Eifer auch zu olympischen Ehren kommen kann."

Am 22. September wird Gummi-Schäfer 80 Jahre alt. Sein Olympiasieg vor 50 Jahren im Skiff wurde bisher noch von keinem deutschen Ruderer wiederholt. Und so sehr Gummi-Schäfer sich auf der einen Seite sicher einen Nachfolger wünscht, seinen Stolz, bisher der "einzige deutsche Goldmedaillengewinner im Skiff" zu sein, verbirgt er nicht.

Gummi-Schäfer hatte mich willkommen geheißen, wie man sich einen Interview-Partner wünscht: Freundlich, geduldig wartend, obwohl ich durch "äußere Umstände" meine angekündigte Zeit ein wenig überschritten hatte. Auf dem Balkon, mit dem Blick über das Oberbayerische Tal in Aschau, genießt er den freundlich-warmen Sommertag. Hier, in seiner Zweitwohnung, erholt er sich von München. Mir begegnet ein achtzigjähriger Mann, der mit seinem schweren Schicksal nicht hadert: Er ist seit ein paar Jahren meistenteils an den Rollstuhl gefesselt.

Gummi-Schäfer heute: Ein 80jähriger älterer Herr, weißhaarig. Mit einem ungebrochen starken Selbstbewußtsein und immer noch hellwachen Interesses für alles, was im Sport, vor allem im Rudersport, passiert.

Gustav "Gummi" Schäfer nach dem Olympiasieg im Skiff 1936

Und dann laufen die Erinnerungen an uns vorbei, lückenlos verankert im Gedächtnis eines reichen Lebens:

Beim Tanzvergnügen des Dresdner Schwimmvereins, erzählt er, wäre er im Alter von 23 Jahren vom Trainer des DRV (Dresdner Rudervereins) angesprochen worden, ob er nicht rudern wolle. "Ich kann mir das nicht leisten", hatte er geantwortet und durfte in den späteren Jahren die glückliche Erfahrung machen, daß Finanzen einmal nie in dem Verein "seine Sorgen würden".

Kameradschaft – Zusammengehörigkeitsgefühl Hilfsbereitschaft für Gummi-Schäfer keine gesprochenen, sondern erlebte Worte.

Im März 1929, damals eine sehr feierliche Handlung, verpflichtete Gummi-Schäfer sich zum Training und war von nun an tagtäglich im Gig-Vierer oder Rennachter unter Leitung des Trainers auf dem Wasser. Sein erstes Rennen gewann er 1929 in Breslau im Jungmann-Achter. Seine anschließenden Siege, Plazierungen und auch Niederlagen aufzuzählen (Gummi-Schäfer weiß sie alle noch, mit Austragungsort und Jahreszahl, ja, beinahe noch mit der Uhrzeit) hieße: eine Schraube drehen, ohne Ende. Erwähnt seien die wichtigsten neben dem Olympiasieg und der damals automatisch damit verbundenen Weltmeisterschaft: Deutscher Meister (1934 im Duell gegen Dr. Herbert Buhtz) und Europameister 1934 in Luzern.

Als Gummi-Schäfer auf seinen späteren Trainer, den Engländer G. D. Cordery zu sprechen kommt, stockt er ein wenig, buchstabiert mir den Namen, langsam betonend mit jedem Punkt. So wichtig ist Cordery. "Mein lieber, englischer Trainer", sagt er.

Gummi-Schäfer betrachtet Cordery wie einen Vater: "Jedes Wort, was er mir an Instruktionen zuteil werden ließ, war für mich ein Evangelium. Aufgrund seines Könnens und seines Umgangs mit Menschen habe ich ihm die großen Erfolge zu verdanken", sagt der alte Herr und macht wieder eine kleine Pause.

"They never come back" hatte auch Cordery gesagt, nachdem sein Schützling am 14. August 1936 um 15.30 Uhr in Berlin-Grünau an den Start gegangen war, um schließlich mit fast vier Längen Führung überlegen gegen Österreich, Kanada, Amerika, die Schweiz und Argentinien Olympisches Gold zu holen.

"Es war für mich ein unvergessenes, ja mein schönstes Erlebnis, an den vielen tausend Zuschauern, die mehr als begeistert waren, vorbeizufahren", erinnert er sich mit seinem unverkennbar sächsischen Akzent. Aber den Rat seines Trainers, nämlich, daß sich ein solches Erlebnis niemals wiederholen läßt, hat er befolgt: International stieg der Olympiasieger danach nicht mehr ins Boot.

Bis zum heutigen Tag, wirft hier Frau Schäfer einmal kurz ein, verginge keine Woche, wo nicht immer noch wenigstens ein Autogrammjäger schreibe.

1952, als der ebenfalls erfolgreiche Ruderer Georg von Opel die Olympische Gesellschaft gründete, war auch Gummi-Schäfer mit dabei und ratterte in einem alten Auto mit Filmgerät durch die Bundesrepublik, um für den olympischen Gedanken zu werben. Säle füllte er damals mit seinen Vorträgen, auch in Schulen und Altersheimen. Er sammelte "Groschen", damit die Reise der Olympiateilnehmer 1952 finanziert werden konnte.

Und auch heute zieht es ihn, Mitglied der Rudergesellschaft München, immer noch hin und wieder an die Regattastrecke in Oberschleißheim. Ja, und wenn er während eines Wettkampfes einen freundlichen Fahrer eines Begleitfahrzeuges findet, der ihn mitnimmt, dann steigt er so schnell nicht wieder aus ...

Nun, unendlich viele Fragen mußte Gummi-Schäfer sicherlich Reportern während seiner sportlichen Laufbahn beantworten: Eine allerdings übersah schätzungsweise ein Berichterstatter nie: Warum wird Gustav Schäfer in der ganzen Ruderwelt "Gummi-Schäfer" genannt? Und so erzählt er auch mir diese kleine Geschichte:

"Als aktiver Schwimmer vor meiner Zeit als Ruderer startete mein Verein in einem kleinen Vorort von Dresden. Ich mußte für einen erkrankten Schwimmkamerad einspringen. Mein Trainer riet mir, mich an meinen Gegner, der mir über die 1500-mStrecke überlegen war, "anzuhängen". So blieb ich neben ihm, auf den letzten 50 Metern zog er zum Spurt an, aber ich spurtete mit. Im Ziel war ich ihm um einen Handschlag überlegen. Mein Trainer hatte damals meinen geschlagenen Kameraden gefragt, womit er sich meinen Sieg erkläre, da antwortete dieser: 'Der Hund war zäh wie Gummi.' Damit war der Spitzname Gummi für alle Zeit geboren."

They never come back ... Gummi-Schäfer ist vom vielen Erzählen, vom Stöbern in alten Fotos und historischen Presseartikeln ein wenig müde geworden, aber die Zeit, mir auf dem Balkon noch einmal nachzuwinken, nimmt er sich doch, der 80jährige, weißhaarige, ältere Herr mit dem ungebrochenen Selbstbewußtsein ...