Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Gustav Schäfer

 

 

 

 

 

Erster deutscher Olympiasieger im Ruder-Einer

Gustav Schäfer

* 22. September 1906 in Johanngeorgenstadt     † 10. Dezember 1991 in München

Von Ulrich Kaiser (aus "Hall of Fame des deutschen Sports" der Stiftung Deutsche Sporthilfe)
 

Er sei ja ein Schwimmer gewesen, sagte Gustav Schäfer – kein besonders talentierter Schwimmer, aber einer von jenen, die ihren Sport mit den Freunden betreiben. In Dresden habe man ihn eines Tages über fünfzehnhundert Meter als Ersatzmann gegen einen antreten lassen namens Ziegenfuß, gegen den er im Grunde genommen keine Chance besaß. Man überredete Schäfer zu dem Start, weil man bei dem Wettkampf sonst keine Punkte erhalten hätte. Der Trainer habe gesagt, er solle auf der langen Strecke versuchen, dran zu bleiben – alles andere würde sich dann schon ergeben. Das habe er auch gemacht, und zwar in der damals nicht ungewöhnlichen Seitenlage; am Schluss sei er eine Handbreit vorne gewesen. Der Gegner namens Ziegenfuß habe nachher gesagt, dieser Schäfer sei zäh wie Gummi gewesen. Auf diese Weise erhielt Gustav Schäfer den Spitznamen "Gummi", und weil er schließlich unter diesem Namen so populär war, dass viele Menschen gar nicht mehr den richtigen Namen wussten, wurde er als "Gummi" auch in das Münchner Telefonbuch eingetragen.

Es war eine von diesen Geschichten, wie sie Schäfer gerne erzählte – mit temperamentvollen Gesten und immer noch in der leichten Mundart der Sachsen. Die Familie Schäfer kam aus dem Erzgebirge, aber 1911 zog man nach Dresden, wo der kleine Gustav auch in die Schule kam. Der Vater war ein gesuchter Kunsttischler und stellte Nähtischchen und Kommoden her – sein guter Ruf brachte ihm sogar den Titel als königlich-sächsischer Hoflieferant ein. Der junge Gustav vertrieb sich die Freizeit im Dresdner Schwimmverein. Er gehörte zur Wasserballmannschaft des Vereins und auch zur 200-Meter-Staffel. Im Schwimmbad hatte der Ruderverein einen Ruderkasten für die Trainingsarbeit aufgebaut, so dass da eine kleine Berührung mit dem anderen Sport unausbleiblich war. Aber "Gummi" Schäfer war schon 23 Jahre alt, bevor er zum ersten Mal in ein Ruderboot stieg. Er hatte eine Lehre als Konditor beendet, er spielte Hockey und auch Fußball. Es heißt, die Ruderer hätten die Schwimmer zu einem Tanzvergnügen ins Clubhaus eingeladen, und dabei habe man darüber geredet. Einem Trainer namens Wurtmann gebührt das Verdienst, Schäfers Talent als Erster erkannt zu haben. 1929 nahm "Gummi" Schäfer das Training als Ruderer im Einer ernsthaft auf.

Gustav Schäfer auf dem Weg zum Olympiasieg 1936

Im gleichen Jahr bereits kam er zu seinen ersten Siegen im Anfänger-Vierer und im Jungmann-Achter – im Einer wurde er Vereinsmeister. 1931 beschloss er, sich ganz auf den Einer zu konzentrieren und gewann vier Rennen mit diesem Boot. Bei dem erstaunlich schnellen Aufstieg kam ihm natürlich die lange und sorgfältige athletische Ausbildung entgegen, die er in den Jahren als Schwimmer erlebte. Als er 1932 die ersten wirklich großen Konkurrenten schlug, kam es zu einer Begegnung mit dem britischen Trainer George Cordery. Schäfer und Cordery waren fortan unzertrennlich. Cordery kam als Trainer zum Dresdner Ruder-Verein. 1934 wurde Schäfer deutscher Meister – im gleichen Jahr bei seiner ersten Auslandsreise auch Europameister in Luzern. 1935 gab es einen Rückschlag, als er bei den deutschen Meisterschaften verlor. Aber Schäfer war da bereits für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin "dienstverpflichtet". Das Training nicht nur für die Skuller, sondern für alle Ruderer fand auf der Olympiastrecke in Berlin-Grünau unter professionellen Bedingungen statt. Schäfer galt als Angestellter einer Zigarettenfirma, die man später als Sponsor bezeichnet hätte. Als Trainer hatte man den Engländer Cordery kommen lassen. Der fast dreißigjährige "Gummi" Schäfer gewann an diesem 14. August 1936 mit mehr als zwei Längen Vorsprung die Goldmedaille. Es war eine denkwürdige Regatta für die deutschen Ruderer, die hier fünf Goldmedaillen, eine silberne und eine bronzene gewannen. Schäfer erklärte nach diesem Rennen seinen Rücktritt.

Man gab dem Olympiasieger Schäfer eine kleine Position im Arbeitsministerium, wo er zunächst einmal lernen sollte. Trainer Cordery wollte ihn überreden, noch einmal für die Olympischen Spiele zu trainieren, die ja 1940 in Tokio geplant wurden. Aber Schäfer mochte sich nicht mehr der Fron eines Trainings unterziehen. Dazu kam schließlich auch die Meinungsänderung beim Trainer. Der Brite Cordery, längst verheiratet mit einer deutschen Frau, beobachtete die Entwicklung der politischen Verhältnisse in Deutschland und zog 1938 zurück in seine Heimat.

Größte Erfolge

  • 1936 Olympia-Gold im Einer
  • 1934 Europameister im Einer

Auszeichnungen

  • Bundesverdienstkreuz (1988)
  • Goldene Ehrennadel des Deutschen Ruderverbandes (1979)

Gerne erzählte der Mann mit der so jungen Stimme von einem Zeitungsausschnitt aus einem in der DDR erschienenen Blatt namens "Der Morgen" vom 18. Juni1961. Dort stand zu lesen, dass Achim Hill – ebenfalls ein Skuller der Weltklasse – es bedauert, den großen Gustav Schäfer nicht mehr treffen zu können, weil der ein Opfer des von den Nazis verschuldeten Krieges geworden sei. Schäfer sagte den Satz von den Totgesagten, die so lange leben. Er hatte einen ganzen Schrank voller alter Zeitungen und Büchern. Das war in München, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte.

Er wurde als Soldat nach Frankreich und nach Russland eingezogen. Erst 1947 kam er aus der russischen Gefangenschaft zunächst nach Ostberlin. Sein Ruder-Freund und -Konkurrent Georg von Opel holte ihn in den Westen. Sie gründeten in der Bundesrepublik die Deutsche Olympische Gesellschaft. Schäfer nahm in Rüsselsheim und Frankfurt an den Regatten der Alten Herren teil. Er zog nach Wilhelmshaven, wo er auch als Trainer der Ruderer wirkte. 1961 führte ihn der Beruf nach München. Bei den großen Meisterschaftsregatten sah man ihn auf der Tribüne – ein vitaler älterer Herr, der das Geschehen lebhaft verfolgte und gerne davon erzählte, wie es früher einmal war. Bis Mitte der sechziger Jahre trainierte er mit den Ruderern des RSV Bayern. Erst als man ihm zu verstehen gab, dass seine Methoden nicht mehr den modernsten Ansprüchen genügten, hörte er von Heute auf Morgen auf.

Die Entscheidung wurde ihm leichter gemacht, nachdem er sich mehreren Operationen an der Hüfte unterziehen musste – damals war ein solcher Eingriff durchaus noch mit einigen Risiken behaftet. Schäfers Bein blieb danach fünf Zentimeter kürzer. Der ehemalige Sportler, der sein Leben lang ein Beispiel für Bewegung war, musste sich auf einmal mit einer Behinderung abfinden. Es war sicherlich nicht leicht für ihn. Umso bewunderungswürdiger blieb das Interesse, mit dem er bis zuletzt die Dinge des Sports beobachtete.

Nein – er hatte nichts gegen kommerzielle Entwicklungen, sondern eher etwas gegen das Sattsein und die Sicherheit, die dazu führt, dass mit dem Erreichen des Finals das Ziel erreicht ist. Er sagte, er habe den Eindruck, dass viele der jungen Sportler nicht wissen, was es heißt, Schmerzen zu erleiden und sich zu quälen. Er sagte, wenn man weiß, dass man eventuell im Spurt verlieren kann, muss man eben an diesem Spurt arbeiten – es macht keinen Sinn, wenn man sich in sein Schicksal ergibt. Er erklärte alles das auf eine lebendige, junge Weise, dass man vergisst, wie lange der Olympiasieg von "Gummi" Schäfer zurückliegt. Da war kein Wehklagen über die Behinderung und über Schmerzen. Da war nur ein älterer Herr, der aufrecht durch ein langes Leben gegangen ist und keinen Tag davon bereute.


Gustav "Gummi" Schäfer

22.10.1906 ‒ 10.12.1991

Olympiasieger im Einer vor 7o Jahren
Gedanken zum 100. Geburtstag

Von DR. JÜRGEN KRAUSE, Dresdner Ruderverein (aus "rudersport", Oktober 2006)

Der Dresdner Ruderverein erinnert an seinen erfolgreichsten Ruderer anlässlich seines 100. Geburtstages, an Gustav "Gummi" Schäfer.

Er gehörte einer Generation an, die schon im Kindesalter den 1. Weltkrieg und danach den 2. Weltkrieg mit allen seinen Folgen und die Teilung Deutschlands erleben musste, aber auch die Wiedervereinigung 1990 noch erleben konnte. Von München aus, bereits schwer erkrankt, schrieb er einen Gruß zur Wiedergründung "seines" geliebten Dresdner Rudervereins (DRV), für die er auch die Zustimmung der "Kameradschaft des DRV" bewirkte. Heute schmücken sein Bild und die Ehrenmitglieds-Urkunde den Saal im Bootshaus, dazu ein Skull der Olympiaausrüstung, die Kopie der Olympiamedaille und wertvolle Pokale aus seinem Nachlass.

Zunächst verbindet sich mit dem Namen "Gummi" Schäfer für ältere Ruderer und Dresdner die Erinnerung an seinen Olympiasieg 1936 in Berlin im Einer. Das war sein größter Sieg, für Deutschland der erste Olympiasieg im Einer und auch für den Dresdner Rudersport die erste Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Solch ein Erfolg kam nicht von allein, lange Trainingsjahre mit Ausdauer und Entbehrungen sowie ein umsichtiger und fördernder Verein und ein exzellenter Trainer gehörten dazu.

Der Dresdner Ruderverein hatte ab Mitte der 20er Jahre seine Anstrengungen verstärkt, auch im Leistungssport zu den erfolgreichen Vereinen Deutschlands bei seiner großen Mitgliederstärke zu gehören. Dieser Weg konnte mit der Verpflichtung des erfolgreichen englischen Trainers Georg D. Cordery 1925 beschritten werden. G. Schäfer wechselte von den Schwimmern 1929 zu den Ruderern im Dresdner Ruderverein und nahm sein Training auf.

In Mainz wurde er 1934 erstmals Deutscher Meister im Einer. In der Stunde seiner Erfolge wurden aber auch die nicht vergessen, die ihm dazu verhalfen und denen er dankte. So ist in seinem Bericht vom Meisterschaftsrennen in Mainz in den Vereinsmitteilungen des DRV zu lesen:

"...Es waren noch 70 Schläge, und ich hatte für die drei blauen Sterne, die erste deutsche Meisterschaft gewonnen. ...Und wem habe ich diesen Erfolg zu danken, meinem lieben Cordery, Stäber und unseren Alten Herren, die, wenn es gilt, immer eine offene Hand für unsere sportbegeisterte Jugend im DRV haben."

Es folgten 1934 noch der Gewinn der Europameisterschaft im Einer in Luzern, der Sieg bei der Deutschen Meisterschaft 1936 und der Olympiasieg 1936. Die Empfänge und Ehrungen danach waren zahlreich und groß.

Damit hatte er seinen sportlichen Zenit erreicht. Nach einer längeren Pause wurde noch einmal unter Cordery die Olympiavorbereitung für 1940 begonnen, doch der Krieg beendete 1939 alle sportlichen Vorhaben. Auch er wurde wie viele seiner Generation einberufen.

Für den deutschen Sport wurde und war er nach dem Krieg das große Vorbild als untadeligen Sportsmann, wurde zum "Mann der ersten Stunde" mit seinem einstigen Einer-Konkurrenten Georg von Opel für die Deutsche Olympische Gesellschaft und blieb dem Rudersport auf vielfältige Weise bis ins hohe Alter verbunden.

Für die heutigen Mitglieder des Dresdner Rudervereins, aber auch für viele Freunde im gesamten Rudersport bleibt er als der erste Olympiasieger und zugleich Weltmeister des Vereins, als untadeliger Sportsmann und Vorbild für die Jugend in Erinnerung.