Olympia 1936
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Über Mitglieder des
RRK (1988)
Gustav Schäfer |
Gustav Schäfer |
"Gummi" erhält Bundesverdienstkreuz
Auszeichnung für den
Olympiasieger 1936 im Einer, Gustav Schäfer
Von Wilfried Hoffmann
Im November 1988 wird der Olympiasieger 1936 im Einer, Gustav Schäfer, von
seinen Freunden und Bekannten nur "Gummi" genannt, durch den bayerischen
Kultusminister Hans Zehetmaier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
"Gummi" erhält diese Auszeichnung für seine vielseitigen Verdienste um den
Rudersport sowie auch als Gründungsmitglied der Deutschen Olympischen
Gesellschaft an der Seite des RRKlers Georg von Opel. Viele der Älteren im RRK
werden sich noch an die Zeit mit "Gummi" in der Rudergemeinschaft
Flörsheim-Rüsselsheim erinnern: "Gummi" als Aktiver, als AH-Ruderer und als
Damentrainer.
Blicken wir einmal 52 Jahre zurück ins Jahr 1936, dem Jahr der Olympischen
Spiele in Berlin. Zwei Rüsselsheimer Ruderer und Gustav Schäfer kämpfen im Einer
um die Qualifikation zur Olympischen Ruderregatta.
Im Ruderverein Rüsselsheim bereiten sich die Skuller Georg von Opel und Willi
Füth unter Trainer Eric Phelps auf die Olympiaentscheidung vor. Nach
zweimonatigem Trainingslager in Locarno begeben sie sich auf Wunsch des
Fachamtsleiters für Rudern, Pauli, für 14 Tage nach Berlin-Grünau, um dort mit
der Berliner Olympiazelle zusammenzutreffen. Nach der Rückkehr aus Berlin
schlagen Georg von Opel und Willi Füth ihr Trainingsquartier in Mainz auf der
Ingelheimer Aue auf und trainieren täglich unter Eric Phelps auf dem Floßhafen.
Mit ihnen zusammen trainiert noch der Kanadier John Coulsen, der ebenfalls dem
RVR beigetreten ist. Die ersten Starts finden am 24.05.1936 in Gent statt. Dort
starten mit den beiden RVR-Skullern Georg von Opel und Willi Füth zum ersten Mal
nach 25 Jahren wieder deutsche Ruderer auf einer Genter Regatta (am 25.05.1911
startete Undine Offenbach im Vierer). Der "Wassersport" schreibt dazu:
Willi Füth und Gustav
Schäfer im Jahr 1935 |
"Ihre Aufgabe, den deutschen Rudersport am Beginn des Olympiajahres würdig
im Ausland zu vertreten, haben die beiden Rüsselsheimer Skuller glänzend
gelöst. Sie haben nur bedauert, daß ihnen drei der gemeldeten Teilnehmer
am Einer-Rennen aus dem Wege gingen, insbesondere der letztjährige Hollandmeister Ernst Moltzer-Amsterdam, der in Gent
Gelegenheit gehabt hätte, sich an Georg von Opel, seinem Bezwinger im
Hollandbecher 1935, erneut zu messen. Auch der Start des belgischen
Meisters, Achilles Menge, der früher schon mit den Deutschen zusammentraf,
war anfangs in Frage gestellt. Als echter Sportsmann nahm er aber doch den
Kampf mit den beiden Rüsselsheimern auf und will auch in Ostende seine
Startverpflichtung erfüllen. Die Belgier rechneten im Stillen mit einem
Sieg des sehr schnell startenden Menge, obwohl sie unter sich über die von
Opel-Füth bei den Übungsfahrten gezeigte Leistung nur ein Lob hatten. Bis
600 m war Menge auch der schnellere der drei Skuller, von denen Füth zwei
Schläge nach dem Start mit den Skulls in dem rauhen Wasser hängen blieb.
Mit 40er Schlag war der Belgier vor Opel, bei dem man 16 Schläge in der
ersten halben Minute zählte, in Führung gegangen. Füth ging mit 28er Tempo
ab und kam als schwerster Mann zunächst nicht recht in Schwung. Bei 500 m
ging von Opel, der sich gegenüber dem Vorjahre offensichtlich verbessert
hat und eine Rolle in den großen Einer-Rennen spielen dürfte, an den
Führenden heran, auch Füth rückte mit ruhigem, wirkungsvollem Schlag auf.
Obwohl Menge im Uferschutz ruderte, während die beiden Deutschen,
besonders auf Start 3, mit dem das Wasser stark aufwühlenden Gegenwind zu
kämpfen hatten, hielt er dem energischen Vorstoß von Opels nicht stand.
Bei 700 m setzte sich von Opel in Front. Er ließ Füth, der inzwischen
warmgeworden war und den Belgier überspurtet hatte, bei 1000 m herankommen
und trug dann mit diesem einen mörderischen Bord-an-Bord-Kampf aus, in
welchem Füth auf den letzten 200 Metern die Oberhand behielt. Über
Viertellängenführung kam Füth aber nie hinaus. Es war ein prächtiger
Anblick, diese beiden Skuller unter den spontanen Zurufen der Zuschauer
kämpfen zu sehen. Das flottere Tempo, das von Opel zuletzt anschlug, ließ
ihn mit Füth wieder auf eine Höhe laufen. Fast mit den Spitzen
ausgerichtet, durchschossen die beiden Boote, etwa vier Längen vor Menge,
die Ziellinie. Nur der amtierende Richter am Ziel war in der Lage, zu
sagen, wer von den beiden in diesem Rennen gleichschneller Gegner als
Erster einkam. Der ernst und ritterlich geführte große Kampf der beiden
Deutschen, die mit Absicht noch nie ein reguläres Rennen gegeneinander
ausgetragen hatten, hinterließ bei den belgischen Sportfreunden einen
starken Eindruck.
Eine Stunde nach diesem spannenden Rennen traten von Opel-Füth zum Start
im Doppel-Zweier an. Sie stießen hier auf sieben kampffrische Gegner,
darunter die Franzosen aus Fontainebleau und die Holländer von
Nautilus-Rotterdam. In einem Feld von acht Booten ohne Steuermann
starteten, was uns im deutschen Rudersport fremd ist, Mannschaften aller
drei Klassen - Senioren, Junioren und Jungmannen - zusammen. Die Wertung
erfolgte allerdings getrennt. Um es gleich vorwegzunehmen: Rüsselsheim
hatte eine stärkere Gegnerschaft erwartet und konnte sein Rennen nach
Belieben gewinnen. Das Paar ging vom Startplatz 1 mit 26er-Schlag sofort
in Führung, während die recht gut eingespielten Ostender mit den Brüsseler
Senioren und mit Rotterdam bis 1000 m hart um den zweiten Platz rangen.
Die dem Feld weit vorauseilenden Rüsselsheimer werden erst in Ostende auf
gleichwertige Gegnerschaft stoßen. Im Ziel betrug der Zeitunterschied 34
Sekunden. Zum zweiten Male erklang zu Ehren der Sieger die deutsche
Nationalhymne." |
Nach weiteren Einersiegen von Willi Füth in Ostende, Duisburg (2) und
Frankfurt steht am 19.07.1936 in Berlin-Grünau das 25. Deutsche
Meisterschaftsrudern und damit die Olympia-Qualifikation auf dem Programm. Georg
von Opel meldet für die Skuller-Zelle Berlin im Einer und mit Willy Krakau im
Doppelzweier. Der Ruderverein Rüsselsheim meldet seinen zweiten Skuller, Willi
Füth, im Einer. Der "Wassersport" berichtet:
"Unsere nach der Großen Grünauer Regatta
ausgesprochene Hoffnung, daß Gustav Schäfer zur Meisterschaft seine beste
Form wiederfinden würde, hat sich erfüllt. Überlegen ging er vom Start in
Führung und erreichte, 26er Schlag rudernd, unangefochten das Ziel. Sein
langjähriger Betreuer, Meister Cordery, war zufrieden mit "Gummi", der
diesen Spitznamen übrigens noch aus der Zeit seiner Schwimmerlaufbahn
behalten hat.
War man sich, als Schäfer 1934 überraschend die Meisterschaft vor Dr.
Buhtz gewann, über seine internationale Klasse noch im Zweifel, so wurden
diese Zweifel sehr schnell durch seinen Erfolg über Verey-Polen bei den
Europa-Meisterschaften in Luzern behoben. Aber auch den mehrfachen
Henleysieger Rufli-Zürich, der damals in Luzern kenterte, hat Gummi
wiederholt einwandfrei geschlagen und heute dürfen wir "Gummi"-Schäfer in
die Olympischen Wettkämpfe mit der Überzeugung schicken, daß er, wenn er
sich neben seiner technischen Form auch einen kühlen Kopf bewahrt, die
deutschen Farben gut vertreten wird.
Altherren-Vierer der
Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim in den Jahren 1950 und 1951 (Willi
Filtzinger, Gustav Schäfer, Stm. Ludwig Gutjahr, Marcel Schopfer, Karl
Pöppel) |
Der Hamburger Schultz (Favorite-Hammonia), der auch einen sehr schnellen
Start hat, konnte sich lange auf dem 2. Platz halten, verausgabte sich
jedoch auf dem ersten Teil der Strecke derartig, daß er zum Schluß stark
zurückfiel. Im Entscheidungsrennen kreuzte er von Start 1 die ganze Bahn
und kam auf Start 6 ins Ziel, nachdem er bei 1700 m an 2. Stelle liegend
wegen eines Armkrampfes auf den letzten Platz zurückgefallen war. Schultz
wird noch lernen, seine Kraft besser einzuteilen.
Die Überraschung im Einer-Rennen war aber von Opel, der sich im Vorrennen
wie im Entscheidungsrennen beide Male mit einem großartigen wirkungsvollen
Endspurt den zweiten Platz sichern konnte. Obwohl von Opel erst kurze Zeit
unter Anleitung Corderys in der Grünauer Skullerzelle rudert, ist seine
Formverbesserung ganz offensichtlich. Er scheint endlich in die richtigen
Hände gekommen zu sein und dürfte, wenn er dableiben kann, doch noch den
Lohn für seine jahrelange, durch keine Mißerfolge und Rückschläge
entmutigte Arbeit ernten.
Eine gewisse Enttäuschung bereitete von Opels Rüsselsheimer Vereinskamerad
Willi Füth. Nach seinem überragenden Abschneiden in der Jungmannklasse
(als Mitglied der Berliner RG Viktoria) und später für den RV Rüsselsheim
als Junior und Senior hatte man in diesem Jahre eine Leistungssteigerung
von diesem gut veranlagten Skuller erwartet. Aber Füths Arbeit machte
einen etwas schwerfälligen Eindruck und sein Boot lief nicht gleichmäßig
durch. Er befand sich in diesem Jahr anscheinend nicht in seiner besten
Form. Dagegen dürfte der Magdeburger Krakau als Mitglied der Skullerzelle
seine Leistungshöhe erreicht haben, allerdings ohne daß es in der Ersten
Klasse zum Erfolg gereicht hätte. Der Dresdner Haslebner mußte, wie im
Hamburger Alsterpokal, die Überlegenheit des Hamburgers Schultz
anerkennen.
Der Münsteraner Westhoff hatte zwar sein Vorrennen knapp gegen Opel und
Krakau gewinnen können, trat aber im Entscheidungsrennen nicht an, um sich
für den Doppelzweier zu schonen. Damit entfiel aber ein einwandfreier
Kräftevergleich zwischen ihm und Opel. Der zweitbeste deutsche Skuller
wurde also bei diesem Meisterschaftsrudern nicht ermittelt. Anfangs
bestand die Absicht, zwischen Westhoff und von Opel ein besonderes
Prüfungsrennen auszufahren, weil es sich darum handelte, einen Ersatzmann
für Gustav Schäfer zu melden. Doch wurde diese Absicht wieder aufgegeben." |
Hier die Ergebnisse der Vorrennen und des Endlaufs im einzelnen:
1. Vorrennen
1. Fachamt Rudern
Skuller-Zelle Berlin (1. Boot): Gustav Schäfer (76 kg) 7:36,1 min
2. RV Rüsselsheim: Willi Füth (85 kg) 7:49,3 min
3. RC Favorite-Hammonia Hamburg: Kurt Schultz (82 kg) 7:53,0 min
4. RG Dresden: Franz Haslebner (79 kg) 7:57,1 min
Fachamt Rudern Skuller-Zelle Berlin (2. Boot): Pirsch nicht gestartet |
Schäfer kommt am schnellsten vom Start, nächst ihm Schultz, der sogar etwas
in Führung kommt; beide ziehen dem Felde davon. Bei 300 m übernimmt Schäfer die
Führung vor Schultz, der etwa 1 1/2 Längen vor Füth liegt, dem dichtauf
Haslebner folgt. Schäfer zieht immer weiter davon, führt bei 700 m schon mit
etwa 4 Längen vor Schultz, dem Füth mit etwa 1 1/2 Längen folgt. Bei 1000 m ist
die Reihenfolge immer noch: Schäfer, Schultz, Füth, Haslebner; bei 1300 m
spurtet Haslebner und drückt Füth auf den letzten Platz, auch Schultz fällt
zurück. Bei 1500 m macht Füth Dampf auf, rückt an die zweite Stelle vor, kann
jedoch Schäfer nicht mehr gefährlich werden. Im Endkampf sichert sich Schultz
den dritten Platz.
2. Vorrennen
1. Fachamt Rudern
Skuller-Zelle im Berliner RC: Franz Westhoff (76 kg) 7:48,1 min
2. Fachamt Rudern Skuller-Zelle Berlin (4. Boot): Georg von Opel (77,5 kg)
7:50,0 min
3. Fachamt Rudern Skuller-Zelle Berlin (3. Boot): Willi Krakau (72,5 kg)
7:51,1 min |
Nach glattem Start liegen alle 3 Skuller bis 50 m auf gleicher Höhe, dann
geht Westhoff in Führung, von Opel folgt ihm, bei 200 m liegen alle wieder auf
gleicher Höhe. Bei 500 m ist die Reihenfolge: Westhoff, Krakau, von Opel mit je
1/2 Länge Abstand. So bleibt die Reihenfolge mit geringen Veränderungen des
Abstandes bis etwa 1600 m, da macht von Opel Dampf auf, geht an Krakau vorbei
und fängt mit einem wundervollen Endspurt Westhoff beinahe noch im Ziel ab.
Entscheidungsrennen
1. Fachamt Rudern
Skuller-Zelle Berlin (1. Boot): Gustav Schäfer 8:08,4 min
2. Fachamt Rudern Skuller-Zelle Berlin (4. Boot): Georg von Opel 8:11,7
min
3. RV Rüsselsheim: Willi Füth 8:16,2 min
4. Fachamt Rudern Skuller-Zelle Berlin (3. Boot) Willi Krakau 8:17,2 min
5. RC Favorite-Hammonia Hamburg: Kurt Schultz 8:34,0 min
Fachamt Rudern Skuller-Zelle im Berliner RC: Westhoff nicht gestartet
RG Dresden: Haslebner nicht gestartet |
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Nach einem Fehlstart kommt beim zweiten Start Schultz am schnellsten ab, doch
hat bei 200 m Schäfer bereits die Führung übernommen, so daß er bei 300 m schon
etwa 1 Länge vor Schultz liegt. Bei 1000 m ist die Reihenfolge Schäfer etwa 4
Längen vor Schultz, dieser 1 1/2 Längen vor Füth, der etwa ebenfalls 1 1/2
Längen vor Krakau und von Opel liegt, die ziemlich auf gleicher Höhe liegen. So
ist die Reihenfolge auch bei 1500 m noch. Im Endkampf überrascht von Opel wieder
durch einen glänzenden Endspurt, mit dem er an Schultz, der stark zurückgefallen
war, an Krakau und Füth vorbeiging und auch zu Schäfer, der mit großem Abstand
vor dem Felde herfuhr, etwas auflief, ohne ihm jedoch noch gefährlich werden zu
können.
Der Deutsche Meister im Einer, Gustav Schäfer, startet im August 1936 für
Deutschland bei der Olympiaregatta in Berlin-Grünau. Bei 20 gemeldeten Skullern
kann sich Gustav Schäfer über Vor- und Hoffnungsläufe für die Entscheidung
qualifizieren. Hier fährt Schäfer das letzte große Einerrennen seiner
sportlichen Laufbahn. Nach achtjähriger Trainingszeit will er sich den
olympischen Lorbeer holen. Es gelingt ihm. Schon bei 200 m hat er die Führung
vor dem Österreicher Hasenöhrl. Sein gefürchtetster Gegner, Rufli (Schweiz),
kann ihm nie gefährlich werden. Bei 1.000 m führt "Gummi", wie ihn seine
Kameraden nennen, mit zwei Längen und hat von da ab das Rennen in der Hand.
Das Ergebnis der Entscheidung der Olympischen Ruderregatta in Berlin 1936:
1. Gustav Schäfer
(Deutschland) 8:21,5 min
2. Josef Hasenöhrl (Österreich) 8:25,8 min
3. Daniel Barrow (USA) 8:28,0 min
4. Campbell (Kanada) 8:35,0 min
5. Rufli (Schweiz) 8:38,9 min
6. Giorgio (Argentinien) 8:57,5 min |
Nach dem Krieg startet Gustav Schäfer in den Jahren 1949 bis 1952 noch für
die Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim im Senior-Einer und im
Altherren-Vierer, wo er mit den Kameraden Willi Filtzinger, Karl Pöppel und
Marcel Schopfer eine fast unschlagbare Vierermannschaft bildet.
Seine in diesen Jahren noch gute körperliche Verfassung und starke Form
unterstreicht die am 27. Dezember 1953 in der "Einergilde" des RRK über 10 km gefahrene
Zeit von 47:39,0 min.
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