Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Fritz Schmidt

Fritz Schmidt 1963 im Spiel gegen die Niederlande

 

 

 

 

 

 

Lohn für viele Entbehrungen

"Ich fahre nach Tokio"

Freudenbotschaft für Fritz Schmidt

Von Winfried Britscho (aus "Main-Spitze" vom ...09.1964)
 

Die Stimme klang freudig erregt, dann sprudelten die Worte hervor: "Ich fahre nach Tokio". Hockeynationalspieler Fritz Schmidt vom Rüsselsheimer RK, der uns gestern Nachmittag von seinem großen Glück verständigte, gehört seit Samstag, zumindest offiziell, zum Kreis der deutschen Sportjugend, die den großen Athleten des eigenen Landes in die japanische Hauptstadt folgen wird. "Am Samstag habe ich die Mitteilung von Sportwart Hugo Budinger bekommen, jetzt braucht nur noch das NOK in Frankfurt eingeschaltet zu werden", jubelte der sympathische Rüsselsheimer Sportler. Gar zu gerne, so betonte er, wäre er als Mitglied der deutschen Hockey-Nationalmannschaft zur Olympiade geflogen, aber die Ost-Vertretung erwies sich in der entscheidenden Kraftprobe als stärker. (Fritz saß übrigens beim Spiel in Westberlin auf der Ersatzspielerbank.)

Die Reise nach Tokio ist ein großes Trostpflaster für einige kleine Enttäuschungen der jüngsten Vergangenheit. Im Vorjahr musste Fritz Schmidt vom Nationalturnier in Lyon nach Hause reisen. Während seine Kameraden zum vorolympischen Turnier nach Tokio fuhren. Aber nicht nur daran wird Hugo Budinger gedacht haben, als er Fritz Schmidt auf den freien Platz in der Liste setzte - neben dem Rüsselsheimer fährt noch sein Teamkamerad aus der Nationalmannschaft Günter Krauß aus Gladbach mit -, sicherlich hat auch das immer vorbildliche sportliche Auftreten des untadeligen Hockeyspielers dabei eine Rolle gespielt. Übrigens ließ Budinger so nebenbei durchblicken, dass er Fritz Schmidt vor Tokio noch einmal wiedersehen wird. "Vielleicht werde ich in das Aufgebot für das Länderspiel mit England in Birmingham eingereiht", wagte Fritz Schmidt gestern zu prophezeien, aber mit den Gedanken ist er schon ganz im Land der Kirschblüten. Nach Gerhard Eisenbraun ist er der zweite Rüsselsheimer Tokio-Fahrer. Der verdiente Lohn für ein ungemeines Maß an Beständigkeit in der Leistung. Herzlichen Glückwunsch, Fritz Schmidt.


NOTIZEN AUS TOKIO VON FRITZ SCHMIDT

Kurz nach "Mitternacht" schien die Sonne

Rüsselsheims Hockey-Nationalspieler sammelt für uns seine Eindrücke (I)

Zwischen zwei Reitern zu den Söhnen Nippons

Nachdem ich meine Tokioreise zu Hause einigermaßen vorbereitet, das heißt, meine Kleidung zusammengestellt, Geld umgetauscht und meine Koffer gepackt hatte, fuhr ich, am 1. Oktober 1964 nach Frankfurt, wo sich die Gäste des NOK sowie die deutsche Sportjugend im Haus der Jugend trafen.

Am nächsten Tag ging es in die Landessportschule, wo sich schon die deutsche Olympiamannschaft versammelt hatte, die mit uns in der gleichen Maschine nach Tokio fliegen sollte. Um 15 Uhr war der Abflug. Die Plätze waren reserviert und meine Platznachbarn waren Hermann Schridde und Peter Schmitz, die beiden Reiter.

Nach neunstündigem Flug landeten wir erstmals. Und zwar in Anchorage in Alaska. In einer nahegelegenen Turnhalle nahmen wir einen Drink, und eine Stunde später flogen wir bereits weiter Richtung Tokio. Der Abflug war gegen zwei Uhr morgens, aber in Anchorage schien die Sonne.

Um zehn Uhr MEZ hatten wir unser Ziel erreicht. Ein Bus fuhr uns ins Getümmel der Riesenstadt. Es war neun Uhr japanischer Zeit. Tokio und seine Japaner bereiteten uns einen überschwänglichen Empfang. Dann fielen wir übermüdet in die Betten. 26 Betten befinden sich in dem acht mal acht Meter großen Raum, den sich die 14 deutschen Sportler mit zwei Japanern und neun Fernsehleuten teilen.

Diese vierzehn deutschen Sportler sind allesamt gleich mir Pechvögel, denen die Olympiafahrkarte schon sicher schien, und denen sie im letzten Augenblick durch Verletzung oder unglückliche Niederlage entrissen wurde. Ich befinde mich also in illustrer und prominenter Gesellschaft. Angeführt wird die Liste der Pechvögel vom deutschen Rekordmann im Zehnkampf; Manfred Bock, dann der Reiter - Peter Schmitz, der sich wohl für die Spiele qualifiziert hatte und dann zugunsten des erfahreneren Kurt Jarasinski verzichtete. Es folgen Michael Sauer (Dreispringer), Günther Krauss, Klaus Greinert (Hockey), Günter Zumkeller, Edgar Heidorn (Rudern), Peter Gerber, Hans Freistadt und Gerhard Dieter (Boxen), Fritz Briel (Kanu), Jürgen Goletz (Radrennen), Dieter Urbach, der Spätzünder im Kugelstoßen, und ich.

Die Verpflegung im Lager ist sehr gut. Einmal waren wir bisher in der Innenstadt Tokios. Eine Dreiviertelstunde benötigten wir mit Bus und Bahn, bis wir die Ginza, die Tokioer Hauptgeschäftsstraße, erreichten. Was sich hier an Verkehr abspielt, das ist unbeschreiblich. Man muss es einfach selbst erlebt haben. Alles hat sich hier natürlich zur Zeit der Olympischen Spiele verändert.

Heute morgen hat dann die ganze Bande Fußball gespielt, aber wir haben kaum Zeit für uns selbst. Und nun wollen wir in die Stadt fahren. Bis zum nächsten Bericht, Sayonara.   Ihr Fritz Schmidt


FRITZ SCHMIDT NOTIERT IN TOKIO

Flohstiche als olympisches Andenken

Hockey-Nationalspieler Fritz Schmidt sammelt für uns seine Eindrücke (II)

Bei den Kraftübungen blieben Zehnkämpfer zurück

Gestern haben wir eine Stadtrundfahrt gemacht. Die Abfahrt ging mit übertriebener japanischer Gründlichkeit vonstatten. Wir mußten uns alle hinter Schilder stellen, auf denen die Busnummer stand; dann in Zweierreihen zu dem jeweiligen Bus gehen, wieder den Nummern nach. Das dauerte über eine Stunde, und die ganze Zeit regnete es in Strömen. Jungens und Mädchen sollten in getrennten Bussen fahren, was sich allerdings nicht ganz durchführen ließ.

Als erstes hielten wir an einem japanischen Tempel, dessen Name für uns unbekannt blieb. Danach besuchten wir, welch neckischer Kontrast, die Elektrofabrik "Toshiba". Hier sahen wir die kleinste und die größte Glühbirne der Welt. Die Rundfahrt brachte uns nun zu dem berühmtesten Schrein Tokios, zum Meji-Schrein. Dieses herrliche Kunstwerk liegt in einem riesigen gepflegten Park. Man muss erst durch zwei typisch japanische Tore, bis man zum Schrein selbst kommt.

Danach setzte sich ein Teil unserer NOK-Truppe ab. Zu ihnen gehörte auch ich. Wir schlenderten noch über die Ginza, um dann in einem deutschen Restaurant zu Abend zu essen. Mit einer Taxe fuhren wir nach Hause, das heißt ins Camp. Es waren schon viele Reporter bei uns und schauten sich diese Unterkunft an. Wir haben Leinen quer durchs Zimmer gespannt, um überhaupt unsere Kleider aufhängen, zu können. Einige von unseren Mädchen haben schon einige Wanzen- oder Flohstiche, sozusagen kostenlose Souvenirs aus Tokio. Überhaupt haben es die Mädels noch schlechter als wir. Während in unserem Raum "nur" 26 Betten stehen, schlafen die Mädels in einem Raum mit 60 Betten. Vorgestern war ich mit unseren Boxern zum Training. Mein Bettnachbar im 1. Stock, Gerhard Dieter aus Berlin, machte Sparring mit Wolfgang Schmitt aus Mainz und dem Stuttgarter Paul Hogh. Wir, d.h. die Hockeyspieler, liefen erst auf dem Platz neben der Halle. Dann machten wir Gymnastik und Krafttraining bei den Boxern mit.

Am Abend mussten wir natürlich sofort ausprobieren, ob wir auch schon mehr Kraft bekommen hätten. Muskelmann Dieter Urbach zeigte einige Kraftübungen, die einer nach dem anderen nachmachte. Die schwierigste Übung war, nur mit dem Hinterkopf und den Hacken aufgestützt, zwischen zwei Stühlen zu hängen. Ich brachte es auf zwei Minuten und 15 Sekunden, Gerhard Dieter hielt es fünf Sekunden länger aus. Gestern Abend nun wurde der Rekord gebrochen. Dieter Goletz schraubte ihn auf blanke vier Minuten. Urbach brachte es in seiner besten Zeit auf drei Minuten und 45 Sekunden. Überraschenderweise schnitten gerade unsere Zehnkämpfer, die Könige der Leichtathleten, schlecht ab.

Heute fiebern alle der Eröffnungsfeier entgegen. Um elf Uhr ist Abfahrt vom Camp ins Senagay-Stadion, wo die große olympische Schau ihren Anfang nehmen wird. Bis zum nächsten Brief viele Grüße aus Tokio und Sayonara.    Ihr Fritz Schmidt


FRITZ SCHMIDT NOTIERT IN TOKIO

Juri Wlassow trug die Fahne mit einer Hand

Rüsselsheims Hockeynationalspieler sammelt für uns seine Eindrücke (III)

Mit den deutschen Hockeynationalspielern ins Stadion "geschmuggelt"

Mein letzter Bericht endete vor Beginn der Spiele. Am 10.10. besuchten wir die Eröffnungsfeier im Nationalstadion: Wir mussten uns um 11 Uhr im Innenhof der Universität aufstellen und wurden dann in einzelne Busse aufgeteilt. Als wir aus Stadion kamen, war schon ein Riesenbetrieb. Die Eintrittskarten wurden mit zehnfachem Wert gehandelt. Ab 13.40 Uhr etwa marschierten vier riesige Kapellen nacheinander ins Stadion ein. Dann ertönten Böllerschüsse, worauf eine Kinderkapelle ins Stadion einmarschierte, vor der Kaiserloge einen Trommelwirbel abzog, und am nächsten Tor wieder ausmarschierte.

Sofort im Anschluss daran betraten die ersten Mannschaften alphabetisch die Aschenbahn des Stadionovals. Ich hatte einen sehr guten Platz und konnte von ihm aus alles übersehen. Nur eines störte mich an diesem Sitzplatz: Das Stadion ist anscheinend nur für Japaner gebaut, denn man kann kaum seine Füße bewegen und im Kreuz verspürt man den unangenehmen Druck der Knie des über einem sitzenden Nachbarn.

Der Einmarsch der Mannschaften war ein einmalig farbenprächtiges Schauspiel, wie ich es noch nicht erlebte. Ohrenbetäubender Lärm erfüllte das riesige Rund, als die große deutsche Mannschaft ins Stadion einzog. Wieder einmal mehr dokumentierten die Japaner ihre absolute Deutschfreundlichkeit. Der Clou dieser Monsterschau war der Russe Juri Wlassow, der stärkste Mann der Welt, der die Fahne seiner Nation mit einer Hand vorantrug. Während immer wieder Sonderapplaus aufbrauste und die Begeisterung kaum noch Grenzen kannte, saßen in unserem Block doch einige mit traurigen Gesichtern: Die verhinderten Olympiakämpfer, die im Geist wohl bei ihren Kameraden auf dem Rasen waren. Marlene Schmitz-Porz, unsere Hochsprungmeisterin, saß mit steinernem Gesicht und geröteten Augen hinter mir. Noch beim Rausgehen schwiegen wir. Jeder hat mit sich selbst zu tun gehabt.

Entzündung des olympischen Feuers, der Olympia-Eid von Takashi Ono gesprochen, genau wie das Riesenfeuerwerk am hellen Tage, die Unzahl von Luftballons und die den Himmel verdunkelnde Wolke von 4.000 Brieftauben − zum Schluss die Düsenjäger, die wie Geisterfinger die fünf Ringe Olympias an den Himmel zauberten - das alles rundete das Bild einer perfekten Schau ab. Eine zweistündige Schau ohne eine einzige Panne.

Am nächsten Tag bedachte man uns drei Hockeyspieler mit Karten für das Hockeyturnier. Uns interessierte natürlich das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Kanada ganz besonders. Eigentlich hätte es eine leichte Aufgabe für unsere Mannschaft sein müssen. Aber anfänglich sah es gar nicht nach einem deutschen Triumph aus, im Gegenteil. Die Kanadier verblüfften mit einer guten Stocktechnik und gingen sogar 1:0 in Führung. Aber dann setzten sich doch die bessere Kondition und die perfektere Technik der deutschen Mannschaft durch, und am Ende hieß - es dann noch 5:1 für Deutschland.

Das Treffen Deutschland-Indien wollten wir natürlich auch nicht verpassen. Da wir keine Karten zu diesem Spiel bekommen konnten, dachten wir uns einen Trick aus. Wir verabredeten uns mit der deutschen Mannschaft, zogen unsere Trainingsanzüge an − und passierten ungehindert die Kontrolle. Sie sehen, auch in Tokio muss man Beziehungen haben. Wir sahen eine großartig aufgelegte deutsche Elf, die dem Favoriten Indien in einem wundervollen Spiel ein 1:1 abrang.

Am Abend verlegte ich meinen Standort in die phantastische Schwimmhalle, erlebte Kleins dritten Platz im Kraulsprint und die deutschen Begeisterungsstürme.

Heute morgen war dann die erste "Goldene" für Deutschland fällig: Ingrid Engel-Krämers Sieg im Kunstspringen. Und ich sitze im Moment vor dem Fernsehapparat. Sayonara!   Ihr Fritz Schmidt


FRITZ SCHMIDT NOTIERTE IN TOKIO

Auf den Spuren alter Kulturen

Der Hockeynationalspieler sammelte für uns seine Eindrücke (IV)

Farbenfrohe Szenerie beim Lampionfest

Die Japaner sind emsig bemüht, ihren ausländischen Gästen jeglichen Komfort zu bieten; und ihnen so viel als möglich an Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Am 15.10. fuhren 50 Mitglieder des Jugendlagers zusammen mit drei NOK-Begleitern nach Nikko. Mit einem wunderbaren Zug wurden wir in das 120 Kilometer von Tokio entfernte Städtchen gebracht. Von dort aus brachte uns ein Bus über eine Straße mit steilen und unendlich vielen Serpentinen zu einem See. Auf der Fahrt dorthin kamen wir aus dem Staunen kaum heraus. Fast hinter jeder Kurve standen Fahrzeuge, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen. Höflich warteten sie, bis wir vorbei waren. Ein sechster Sinn muss sie zum Halten veranlasst haben, denn kein Hupzeichen kündigte von unserem Nahen.

Am See wartete bereits ein Dampfer, auf dem wir während der Überfahrt auch unser Mittagessen einnahmen. Unser Bus war inzwischen um den See herumgefahren und brachte uns wieder nach Nikko, wo wir die bekannten Schreine und Tempel besichtigten. Die ganze Anlage besteht aus mehreren kleinen Schreinen, und man kann kaum einen Überbück über den riesigen Komplex bekommen. Wenn man überlegt, dass diese Tempel schon 3.000 Jahre alt sind, bekommt man einen Eindruck von der hohen Kulturstufe, auf der Japan einmal stand, und um die es sich heute wieder sehr bemüht.

Nach der Besichtigung brachte uns der Bus wieder an den Bahnhof. Dort bestiegen wir einen Zug, wie ich ihn moderner noch nicht gesehen habe. Die Sitze kann man in und gegen die Fahrtrichtung stellen. In zwei Wagen waren Bars eingerichtet, drehbare Stühle waren an den Fenstern angebracht und selbst eine Musikbox mit Platten von Louis Armstrong und den Beatles fehlte nicht. In der Mitte der Wagen war Platz zum Tanzen. Als wir während der Fahrt auch noch mit dem Service Bekanntschaft machten, fühlten wir uns wie in einem Düsenklipper.

Nach der Fahrt wartete bereits schon ein Empfang beim Bürgermeister mit einem riesigen Kalten Büfett auf uns. Am Abend hatte ich nur noch einen Gedanken: Schlafen, schlafen. schlafen.

Am nächsten Morgen hatte ein Mann unsere ganze Sympathie: der Minister für Familie und Jugend, Dr. Heck. Anstatt des Empfangs um 11 Uhr, wollten wir nämlich viel lieber schwimmen gehen oder die Leichtathletikkämpfe anschauen. Dr. Heck schien das zu spüren. Seine Rede war kurz, und der Empfang von einer halben Stunde entsprechend. Mit der Taxe fuhren wir Hockeyspieler anschließend zum Komazawa-Sportplatz, um uns das Hockeyspiel Deutschland-Spanien anzusehen. Auch diesmal ging es uns nicht besser als beim letzten Spiel unserer Mannschaft. Wir hatten keine Karten. Der Trick mit den Trainingsanzügen, den wir schon einmal praktizierten, wollte diesmal nicht klappen. Der ordnungshütende und kartenkontrollierende Japaner ließ uns vorerst nicht durch die Sperre. Lediglich Klaus Greinert durfte nach längerem Palaver auf den Platz, um einen mitteldeutschen Spieler zu holen, sozusagen als lebendes Alibi für unsere Aussage. Wir schafften es. Das Spiel selbst war eine Enttäuschung.

Wie klein ist doch die Welt geworden, und Tokio ein unerwarteter Treffpunkt. Es gab ein tolles Hallo, als ich meinen alten Gegenspieler, Albert Collee, den linken Verteidiger von Limburg, auf dem Platz traf. Nach dem Spiel fuhren wir sofort ins Nationalstadion zu den Leichtathleten. Hayes Jones fegte gerade über die Hürden seiner Goldmedaille entgegen und Roelants, der Belgier, spielte mit seinen Gegnern Katz und Maus. Die dramatischste und erfreulichste Entscheidung jedenfalls für uns Deutsche war das Marathon der Stabhochspringer. Achteinhalb Stunden musste Fred Hansen um seine Goldmedaille kämpfen, und nur knapp ließ er die drei Deutschen hinter sich.

Am Abend war auf dem Platz hinter dem Mädchenlager ein Fest mit japanischen Volkstänzen und Lampions. Es war eine farbenfrohe Szenerie und Japan war uns einen Schritt näher gekommen.

Jetzt muss ich Schluss machen. Wir wollen heute früh zum Hockeyspiel Deutschland gegen Belgien. Es regnet wieder einmal in Strömen. Sayonara!    Ihr Fritz Schmidt


Aus "Main-Spitze" vom 28.10.1964:

UNSER LETZTER STIMMUNGSBERICHT AUS TOKIO

Fritz Schmidt ruft noch einmal Erinnerungen wach

Deutscher Koch großzügig

In der Vorrunde um die Deutsche Hockeymeisterschaft 1964 schlägt der RRK die Neuköllner Sportfreunde Berlin mit 2:1 (hinten: Bodo Schäfer, Dr. Philipp Gütlich, Fritz Schmidt, Fritz Staubach, Fritz Schröder, Helmut Köhler, Walter Leichtweiß, Coach Wolfgang Balven; vorn: Hans Teerling, Peter Kraus, Hans Hermann, Rainer Seifert)

Verehrte Leser! Die Olympischen Spiele in Tokio sind beendet, die Sportler aus aller Welt haben zum Teil schon die Heimreise angetreten. Trotzdem wollen wir heute noch einen Bericht des Rüsselsheimer Japan-Fahrers Fritz Schmidt veröffentlichen, da es kein Wettkampfbericht ist, über die sie, liebe Leser, längst orientiert sind, sondern es sind nette kleine Begebenheiten am Rande der großen Spiele, die auch heute noch nicht ihre Aktualität verloren haben.

Hockeynationalspieler Fritz Schmidt, der als Gast des NOK in Tokio weilt, schreibt uns folgendes: "Gestern hatten wir hohen Besuch in unserem ungastlichen Zimmer. Willi Daume, der Präsident des Deutschen Sportbundes und sein ständiger Begleiter, Sprinteraltmeister Manfred Germar gaben uns die Ehre. Viel Heiterkeit hat ein Anschlag an unserer Zimmertür schon ausgelöst. Auf diesem Anschlag ist die "Härtetruppe" spitznamentlich verzeichnet. Er wurde von unserem Dreispringer Michael Sauer angefertigt. Er versah jeden Namen mit treffenden Zitaten. So ist zum Beispiel bei Fritz Briel, Kanuweltmeister über 10.000 m 1963, zu lesen: Fritz Briel entspannt das Wasser.

Klar, dass wir drei Hockeyspieler Greinert, Krauss und ich jede Gelegenheit wahrnehmen, interessante Hockeyspiele zu besuchen. Das schönste Spiel sahen wir bei dem Treffen Pakistan gegen Australien. Wiederum enttäuscht wurden wir von unserer Mannschaft, die im Spiel gegen Hongkong mit einem Unentschieden, das erst mit viel Glück in letzter Minute gesichert wurde, die letzten Medaillenchancen vergab. Die Mitteldeutschen bestritten bis jetzt jedes Spiel mit den gleichen Männern. Und sieben Spiele in neun Tagen sind selbst für einen völlig durchtrainierten Sportler zuviel. Eines ist jedoch sehr erfreulich. Mit unseren Gegnern aus den Ausscheidungsspielen verbindet uns eine herzliche Freundschaft. Hier gibt es keine politischen Streitigkeiten. Die Mitteldeutschen waren es auch, denen wir endlich wieder einmal echtes deutsches Essen zu verdanken haben. Mit dem Mannschaftsbus fuhren wir, gut gedeckt von den "echten" Olympioniken, ungehindert ins scharf bewachte olympische Dorf. Normalerweise braucht man eine Essenmarke, aber auch dieses Hindernis nahmen wir mit Bravour. Und der wohlbeleibte Chefkoch der deutschen Mannschaft, Rinder, machte uns sogar extra ein paar Steaks zurecht. Soviel wie an diesem Tag habe ich in Tokio noch nicht gegessen. Wie gut wir uns mit unseren Kameraden aus Mitteldeutschland verstanden, beweist, die Tatsache, dass wir gestern Abend mit den Spielern Freiberger und Ehrlich einen Bummel durch Shibuya unternahmen. Wir schauten in jede Bar, an der wir vorbeikamen, doch keine gefiel uns. Diese Bars haben höchstens zehn bis zwölf Sitzplätze, die wiederum für ausgewachsene Europäer viel zu klein geraten sind. Als wir schon auf dem Heimweg waren, trafen wir einen deutschsprechenden Japaner; der uns spontan einlud, in seine Wohnung mitzukommen. Er wohnt in einem modernen Hochhaus im zehnten Stock. Seine Gastfreundschaft war für uns überwältigend. Leider konnten wir nicht lange bleiben, da wir rechtzeitig im Dorf bzw. im Camp sein mussten. Sayonara.    Ihr Fritz Schmidt