Wieder einmal geht in Rüsselsheim eine Ära zu Ende: Fritz Schmidt gibt am
Monatsende (27.09.2003) seine Bäckerei auf, die seit 59 Jahren besteht. Die vier
Verkaufs-Filialen allerdings bleiben erhalten: Sie werden von der Firma Kraft
GmbH weiter geführt.
Ein besonderes Brot allerdings, für das die Kunden zum Teil sogar aus Mainz
gekommen waren, wird es dann in Rüsselsheim nicht mehr geben. Schmidt setzte
nämlich als einziger seines Fachs nach alter Tradition noch auf die
Drei-Stufen-Sauerteig-Methode. Die bringt jedoch auch besonderen Aufwand mit
sich: Nicht nur, dass der Chef persönlich jeden Tag um 2.30 Uhr aufsteht und den
ersten Teig für seine Bäcker ansetzt, er muss dann ebenso abends, auch am
Sonntag, noch die Vorbereitung für den nächsten Backtag leisten.
Jetzt soll damit Schluss sein. Seit längerem ist klar, dass es in der Familie
keine Nachfolger gibt: Tochter Claudia (40) ist als Lehrerin in Hamburg tätig,
Sohn Fritz (39) studierte Maschinenbau, arbeitet derzeit aber beim Deutschen
Sportbund. Beide wollten den Betrieb nicht. Schmidt hat sie auch nicht gedrängt,
weil er selbst einst den Beruf mit 14 Jahren eigentlich nur für seinen Vater
antrat.
Also musste eine andere Lösung her - und die kam dann im 60. Lebensjahr von
Fritz Schmidt plötzlich und schneller als eigentlich geplant: Beim Golf sprach
er seinen Bäcker-Kollegen Gregor Kraft an und man wurde handelseinig: Kraft
mietet von Schmidt die Läden in der Platanenstraße und am Europaplatz an, steigt
für die am Berliner Platz und Gabelsberger Platz in die Pacht ein, übernimmt
außerdem die Einrichtung und die 30 Mitarbeiter - fast komplett. Einige
Teilzeitverkäuferinnen hören ohnehin auf, einer der drei Konditoren hatte
gekündigt, das war mit ein Anlass für Schmidt, die Entscheidung über seine
weitere Lebensplanung zu forcieren.
Die Kunden sind zum großen Teil schon informiert, manche sind enttäuscht,
regelrecht böse. Am Samstag, 27. September ist der letzte Verkaufstag von
Schmidt, dann macht Kraft, sukzessive die Filialen unter seinem Namen auf - und
mit seinem Brot. Es ist auch eine Traditionsbäckerei in der Opelstadt, Fritz
Schmidt hat einst bei Philipp Kraft seine Gesellenprüfung gemacht. Die
Konditorei, die in der Platanenstraße angebaut war, gehört nicht zum Vertrag,
sie soll anderweitig als Lager vermietet werden. Die Backstube in der Alte
Kirchstraße wird ausgeräumt.
Ein Jahr wird die Abwicklung wohl noch dauern, meint Schmidt. Sein eigenes
Lebensmuster umzustellen, sieht er nicht als Problem an. Der Mittagsschlaf von
13.30 bis 17.30 Uhr fällt weg und dafür wird versucht, morgens etwas länger im
Bett zu bleiben als nur bis 2.30 Uhr. Allerdings: Das frühe Backen war sein
Leben. Deshalb ist das Aufhören schon ein "komisches Gefühl".
Jedoch es gibt Hobbys: Das Restaurieren von alten Autos und den Sport. Aktiv
spielt Schmidt jetzt Golf. Vereinsmäßig und mit seiner Leidenschaft ist er dem
RRK verbunden, für den er vom 15. bis zum 41. Lebensjahr aktiv Hockey gespielt
hat: Er war acht Mal Deutscher Meister mit der ersten Mannschaft, nahm an drei
Olympiaden teil. Noch heute trifft er sich mit den Mannschaftskollegen von
damals. Dafür hat er dann auch mehr Zeit im Ruhestand, ebenso für richtige
Urlaube mit seiner Frau Ute. Die waren bisher nämlich nie länger als acht Tage:
Wegen der schwierigen Vertretung für die Sauerteig-Bereitung.