Der Pförtner hörte unsere Frage und überlegte einen Augenblick. Dann erklärte
er im Brustton der Überzeugung: "Das hält sich bestimmt einander die Waage". Er
meinte Beruf und Hobby im Leben seines Chefs. Und wissend lächelte er dazu. Als
wir Minuten später dem Raunheimer Fabrikanten Fritz Brumme gegenübersaßen, waren
die Beweise für das Steckenpferd gar nicht zu übersehen. Sie zierten als
Meisterwimpel und schmucke Trophäen die Wand hinter seinem Arbeitsplatz und sie
bestanden aus einem kleinen Modellachter, der in einer anderen Ecke des Zimmers
noch auf dem Trockenen lag. Beruf und ein Hobby, wie es Fritz Brumme seit
Jahrzehnten mit unverminderter Begeisterung zu einem Teil seiner arg begrenzten
Freizeit gemacht hat, so zu vereinen, daß weder das eine noch das andere zu kurz
kommt, ist nicht leicht. Aber Brumme, dem man den schmückenden Beinamen "Mister
Rudersport" geben könnte, hat es verstanden. "Für mich ist schon ein Gespräch
über das Rudern eine Erholung im Alltag meines Werkes, und warum sollte ich
darauf verzichten, wo ich mich noch so frisch fühle." Nein, es wird noch eine
Weile so bleiben: Die Wochentage gehören dem geachteten Industrieellen, die
Abende und das Wochenende dem weltbekannten Rudertrainer. Wer so wie Fritz
Brumme mit seinem Sport zusammengewachsen ist, kann ihm nicht von heute auf
morgen ade sagen.
Der Achter des Rüsselsheimer Ruder-Klubs auf der Gießener
Pfingst-Regatta 1963 nach
einem seiner Rudersiege mit
Dietmar Klausen, Günter Müller, Wolf von zur Mühlen, Klaus Zander, Jochen
Zimmermann, Klaus Hartmann, Klaus Köppen, Wilfried Hoffmann und Stm.
Karl-Heinz Wagner |
Das Attribut "Weltbekannt" ist bei Fritz Brumme mehr als nur Schmeichelei
oder ein achtlos hingeworfener Superlativ. Für die Ruderwelt ist der Fünfziger
mit der immer noch unbeeinträchtigten sportlichen Erscheinung seit Jahr und Tag
ein Symbol des Erfolges, aber auch des Fachwissens und -könnens. Fritz Brumme
ist heute ein Raunheimer, aber manchmal - und das kommt noch erstaunlich oft vor
- denkt und fühlt er auch rüsselsheimerisch. Viele seiner stolzesten Siege sind
mit dem Namen dieser Stadt verknüpft. Alte Ruderexperten unseres Heimatgebietes,
die heute mit etwas Wehmut an die glanzvollen Zeiten des Opelachters und der
Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim zurückdenken, sie wissen um die
Verdienste dieses Mannes, der wie wenige dem Rudersport Kraft, Ideen und Impulse
gab.
Wer erinnert sich noch ...?
Die Zeiten, als die Rüsselsheimer und Flörsheimer Ruderer auf den deutschen
Regattastrecken den Ton angaben, liegen nun schon über ein Jahrzehnt zurück. Und
wer weiß noch, wann zum letzten Mal an unserem Mainesstrand Tausende standen,
und die schlanken Boote bei ihrer schnellen Fahrt über den Fluß beobachteten,
angetrieben von der athletischen Kraft junger Männer. Wer an das Gestern
zurückdenkt, fragt auch nach dem Heute. Wie steht es um den Rüsselsheimer
Rudersport? Keiner ist wohl so kompetent, darüber etwas auszusagen, als Fritz
Brumme. Und seine Worte stimmen zuversichtlich. Brumme, der, obwohl er für
einige Zeit dem Namen Nassovia Höchst zur Weltgeltung im Rudersport verholfen
hat und weiter verhilft, immer noch mit wachem Interesse nach Rüsselsheim
blickt, bildet sich ein Urteil aus eigener Anschauung. "Die jetzigen jungen
Kräfte sind nach meiner Meinung an der Schwelle zur Spitzenklasse angelangt,
noch fahren sie nur auf wenigen Regatten gegen erstklassige Gegner, aber schon
im kommenden Jahr können sie wieder in der ersten Reihe stehen. Die Jungmänner
erfüllen mich mit besonderem Stolz und besonders habe ich mich über die
großen Fortschritte des Schlagmannes Hoffmann gefreut."
Nur der Erfolg zählt
Auch über Trainer Dr. Buch findet Fritz Brumme lobende Worte. Es sei
anerkennenswert, was dieser Trainer, mit Fleiß und Können, trotz der schlechten
Übungsbedingungen auf dem Main aus seinen Rudermannen gemacht habe. Früher habe
man im Lager des Rüsselsheimer Rudersports oft gesagt: Hauptsache wir rudern und
nehmen an einigen Regatten teil. Buch sei es zu verdanken, daß der Gedanke der
Leistung und des Siegenmüssens wieder in diesen Klub zurückgekehrt sei. Heute
könne man nicht mehr auf den Grundsätzen einer vergangenen Sportepoche beharren,
der Erfolg, die Meisterschaft allein sei in der Lage, Interesse bei den
Zuschauern und den noch außenstehenden Ruderfreunden zu wecken. Fritz Brumme hat
hier das Ergebnis seiner reichen Erfahrungen ausgedrückt, die ihm vor Augen
führten, daß in einer weitgehend kommerziell bestimmten Sportwelt nur noch der
Erfolg etwas gelten kann. Schreiben sie, daß mein Herz noch immer für meine
Kameraden in Rüsselsheim und auch in Flörsheim schlägt, mit denen ich solange
eng verbunden war, sagte uns der Trainer und erinnerte an seinen Grund, warum er
damals bei der Auflösung der Rudergemeinschaft sein Rüsselsheimer Tätigkeitsfeld
verlassen und sich nach anderen Vereinen umgesehen habe. Ich konnte einfach
nicht zusehen, daß meine Ruderer auf der anderen Seite des Mains trainierten und
keine Fortschritte mehr erreichten, denn schließlich konnte ich ja nur einen
Verein betreuen. Schade, daß jeder glaubte, allein große Erfolge erringen zu
können. Heute unterstütze ich meine alten Freunde auf andere Weise.
Hoffnung auf den neuen Achter
Mit dem Modellachter, eingangs erwähnt, hat es eine besondere Bewandtnis.
Mit ihm hat Fritz Brumme, der schon ein Patent auf eine andere Ruderneuheit
besitzt, erneut Neuland auf dem Gebiet der Ruderbootkonstruktionen betreten.
Dieser Achter, der vor einiger Zeit in den deutschen Zeitungen zu leichtem
Wellenschlag führte, wurde von Brumme, seinem Kollegen Gerhard Ruppert (auch
Mitglied des Rüsselsheimer RK) und Opelkonstrukteuren gebaut und weist
revolutionierende Fortschritts auf, über die zu sprechen, heute noch verfrüht
ist. Dr. Georg von Opel, Mitstreiter Brummes in großen Rüsselsheimer Rudertagen,
hat sich das neue "Ruderkind" bereits angeschaut und war so beeindruckt, daß er
den Achter vielleicht schon in der kommenden Saison herstellen wird. Fritz
Brumme optimistisch: „Das ist der neue Bootstyp". Daß er bei seiner Feuerprobe
in Henley nicht auf Anhieb einen Erfolg errang, lag weniger an ihm als der
Mannschaft, die noch nicht gleichmäßig besetzt ist. Und damit wären wir bei der
Höchster Nassovia, die Fritz Brumme seit einiger Zeit auf dem Main trainiert und
damit gegenüber seinem berühmten Kollegen Adam aus Ratzeburg schon beträchtlich
benachteiligt ist. "Ich weiß nicht, wie oft wir wegen des Schiffsverkehrs unser
Boot quer stellen müssen und wertvolle Zeit verlieren." Trotzdem sprechen die
Erfolge der Nassovia für sich und Fritz Brumme, der als echter Sportsmann
freilich auch Niederlagen hinnehmen kann. Wie letzten Sonntag im Mainzer
Floßhafen. Plötzliche Umstellungen in der Mannschaftsbesetzung, hatten den
Ruderern den Nerv genommen und es ging ihnen nicht besser - so erinnerte sich
der Raunheimer Ruderpädagoge - wie den Flörsheimer und Rüsselsheimer Teilnehmern
damals auf der Meisterschaftsregatta in Hannover, als sie sich entschlossen,
keinen Vierer zu fahren, um den Achter zu schonen, um erleben zu müssen, daß sie
anstatt der erhofften zwei oder drei Titel keinen nach Hause brachten.
RRK-Trainer Fritz Brumme im Kreis seines
Vierers der Renngem. Flörsheimer RV/Rüsselsheimer RK, Deutscher Meister
1947 im Leichgew.-Vierer m. Stm. (Philipp Roth, Edgar Thielmann, Stm. Kurt
Gechter, Trainer Fritz Brumme, Hanswalter Messer, Peter Messerschmitt) |
Der Erfolg von Mainz ändert nichts an der Zuversicht von Fritz Brumme für die am
übernächsten Wochenende in Essen stattfindenden deutschen Meisterschaften. Mit
drei Bootsgattungen wird Nassovia Höchst dort vertreten sein: Im Zweier mit
Steuermann erheben die Weltmeister Neuß-Jordan wiederum gewichtige Ansprüche auf
den Titel, der Doppelzweier sieht talentierte Kräfte aus Höchst am Start und im
Einer versucht sich mit Horst Timpe ein Skuller, auf den Fritz Brumme die
größten Hoffnungen setzt. Er traut ihm zu, Klasseleuten wie Krause-Wichmann
schon Paroli bieten zu können, obgleich er noch am Anfang seiner Karriere steht.
Wer siegt in Essen?
Der Raunheimer Trainer weiß nicht nur erstaunlich viel über alle Fragen, die
mit dem Rudern zusammenhängen, er ist auch immer bereit, ein mutiges Urteil oder
gewagte Tips abzugeben. So prophezeite er munter darauf los, wer in Essen die
Meisterschaften gewinnen werde. Im Achter setzt Brumme auf den Ratzeburger RC,
den er im übrigen gegen die Angriffe aus der Schweiz wegen der angeblich zu
hohen Geldforderungen in Schutz nahm. Im Vierer mit heißt sein Favorit Berliner
RC und im Vierer ohne Steuermann gibt er vorweg noch Lübeck die größten Chancen,
mit einer Einschränkung, auf die wir noch zurückkommen. Der Doppelzweier hat
nach Brummes Urteil in den Kasselern Engelhard-Schüßler seine Besten, die
Weltmeister Zumkeller-Bender sollten es nach seiner Auffassung im Zweier ohne
schaffen und im Riemenzweier mit Stm. vertraut er natürlich auf seine
Schützlinge Neuß-Jordan. Im Einer sei die Lage noch etwas unklar, weil die
Starter noch nicht feststünden.
Ratzeburg in die Karten geschaut
Daß er seinem Kollegen und Rivalen Studienrat Karl Adam in die Karten
geschaut hat, beweist seine Prognose, daß die Ratzeburger in Essen auch bei den
Vierern und im Zweier starten werden, weil Adam das Ziel verfolge, im kommenden
Jahr alle olympischen Bootsgattungen besetzen zu können. Auch zwei Achter aus
Ratzeburg kündigte er für Essen an. Höchst erwartet im übrigen zwei starke
Kräfte aus der norddeutschen Rudermetropole, aber auf der anderen Seite werden
sich in der heutigen Zeit, wo kaum noch Ruderer aus dem Verein stammen, für den
sie rudern, noch starke Aktive der Adam-Equipe anschließen.
Das große Wandern
Das große Wandern der Besten im deutschen Rudersport von einem Verein zum
anderen ist nur eines der vielen Probleme, über die man mit Fritz Brumme
sprechen kann, um dabei vieles zu lernen. Er, dem der deutsche Rudersport viel
verdankt, erfuhr jetzt auch eine vorläufige Krönung seiner Laufbahn als Trainer,
als er vom Bundespräsidenten Lübke mit anderen Ruderern empfangen und geehrt
wurde. Wer Fritz Brumme kennt, weiß, daß diese Ehrung für ihn nur eine
Verpflichtung mehr ist, seinem geliebten Rudersport auch weiter die Treue zu
halten und mitzuhelfen, die führende Stellung der deutschen Ruderer in der Welt
zu behaupten.