|
Über Mitglieder des
RRK (1996)
Peter Kraus, Fritz
Schmidt, Rainer Seifert |
Zwischen goldenem Überschwang und tiefer Trauer
München 1972: Drei Rüsselsheimer Hockeyspieler feiern
Olympiaerfolg – Attentat beendet Stimmungshoch
Von Jörg
Monzheimer (aus "Darmstädter Echo" vom 13.07.1996) Ein Olympiasieg im
eigenen Land
–
was für die meisten Sportler nur ein Traum bleibt
–
wurde für
Peter Kraus, Rainer Seifert und Fritz Schmidt wahr: Bei den Olympischen Spielen
1972 in München holten die Hockeyspieler des Rüsselsheimer Ruder-Klubs die
Goldmedaille. Nachdem das von Werner Delmes (Köln) trainierte Nationalteam im
Halbfinale den Erzrivalen Holland bezwungen hatte, warteten im Endspiel 15.000
Besucher auf eine Überraschung - denn Gegner Pakistan galt damals als nahezu
unbezwingbar. "Das Publikum stand absolut hinter der Mannschaft, hat uns immer
wieder vorangetrieben. Eine größere Hockey-Kulisse gab es in Deutschland wohl
bis heute nicht", blickt Torhüter Peter Kraus zurück. Der inzwischen 55
Jahre alte Kfz-Polsterer war eigentlich nur als Reservetorhüter hinter Wolfgang
Rott vom damaligen Zweitligaklub Mettmann zu den Spielen gefahren, rückte im
Verlauf des Turniers aber zur Nummer eins auf und stand auch im Finale zwischen
den Pfosten. Hier hielt er seinen Kasten sauber, und so hieß es am Ende 1:0 für
Deutschland. Das goldene Tor erzielte Michael Krause, mittlerweile Präsident des
Deutschen Hockey-Bundes.
Die hochgelobten
Pakistani, in ihrer Heimat stets von 50.000 frenetischen Fans unterstützt und
als Nationalhelden verehrt, wussten mit der Niederlage indes nicht so recht
umzugehen: Da sie sich ungerecht behandelt fühlten, spielten sie mit ihren
Silbermedaillen kurzerhand Jo-Jo und provozierten durch arrogantes Auftreten.
Der Rüsselsheimer
Peter Kraus, erst mit 18 Jahren zum Hockeysport gekommen, beendete nach dem
Olympiasieg seine kurze, aber erfolgreiche Nationalmannschaftskarriere. Sie
hatte 1969 begonnen, im Jahr der ersten von insgesamt sieben deutschen
Meisterschaften mit dem Rüsselsheimer RK. Mit der DHB-Auswahl gewann Kraus 1970
dann die EM, 1972 die Olympiade.
Wesentlich länger war
dagegen Rainer Seifert mit von der Partie. Er nahm auch 1976 in Montreal
an den Spielen teil und 1978 sicherte er sich ebenfalls einen EM-Titel. Seine
internationale Laufbahn endete 1980. Im Klub war er noch bis 1983 aktiv, während
Kraus 1979 aufhörte.
Abschiedsspiel "Naturrasen" am 20.10.1990 am Rüsselsheimer Sommerdamm
mit jungen und älteren Hockeyspielern des RRK (hinten: Schiedsrichter
Manfred Dittmar und Willibald Schmitt, Bodo Schäfer, Glenn Eifert,
Jan-Erik Reitz, Harald Eisenacher, Manfred Liebig, Volker Schädel, Martin
Müller, Marcel Janson, Ralf-Peter Rausch, Paul Anagnostou, Fritz Schmidt,
Gerrit Rothengatter, Klaus Eberts, Tobias Frank, Thomas Bischoff, Norbert
Boll, Walter Leichtweiß, Jens George, Fritz Schmidt jr., Roland Segner;
vorn: Berthold Rauth, Thomas Susenburger, Rainer Seifert, Kai Stieglitz,
Holger Kraft, Peter Kraus, Wolfgang Beck, Thomas Blivier, Klaus Held, Dr.
Christoph Krehl, Alfred Segner, Georg Otto) |
Das Finale in München
sah Seifert zwar nur von der Bank aus, doch schrieb der Stürmer, der 1972
gerade noch ins Aufgebot gerutscht war, auch ein Stück Olympia-Geschichte: Im
Gruppenspiel gegen Argentinien erzielte er beim 2:1 beide Treffer, überdies lief
er gegen Uganda auf.
Nicht verblasst sind bei
Kraus und Seifert die Erinnerungen an die phantastische Stimmung,
die bis zum Tag des Attentats auf die israelischen Sportler herrschte. "Das war
wie im Märchenland. Fast alles war zu Fuß zu erreichen, man ging zum Essen und
sah Weltstars wie Mark Spitz, den späteren spanischen König Juan Carlos oder
Wilma Rudolph, die als Kommentatorin arbeitete. "In Montreal war schon alles zu
weit", erzählt Seifert. "Bis zum Attentat war die Atmosphäre fast
überschwenglich, wir Athleten trafen uns abends immer am Dorfplatz. Anschließend
war Stille, gab es keine Musik mehr", ergänzt Kraus.
Von der Wohnung im
Olympischen Dorf sahen die Rüsselsheimer Hockeyspieler die Hubschrauber
wegfliegen, das weitere Geschehen verfolgten sie am Fernsehgerät. "Abends wurde
uns dann gesagt, dass alles unter Kontrolle wäre
–
und am nächsten Tag kam unser
Trainer Werner Delmes ins Zimmer und sagte, dass wir zur Trauerfeier müssten",
erinnert sich Rainer Seifert an die dunkle Seite der Spiele. Von einem
ist Seifert aber überzeugt: "Es war richtig, dass die Spiele fortgesetzt
wurden."
Unter keinem guten Stern
standen die Spiele in München für den dritten Rüsselsheimer Spieler: Fritz
Schmidt zog sich im letzten Vorbereitungsspiel gegen Holland eine
Handverletzung zu und kam nur im Gruppenspiel gegen Frankreich für eine Halbzeit
zum Einsatz. Vor dem Halbfinale nahm er seinem Trainer dann eine wichtige
Entscheidung ab. Nach dem Abschlusstraining erklärte der angeschlagene Schmidt
seinen Verzicht auf das Halbfinale gegen Holland, das mit 3:1 gewonnen wurde.
"Für mich persönlich war das bitter, aber im Interesse der Mannschaft richtig",
meint Schmidt heute
− doch für den 53 Jahre alten Bäckereibesitzer war
München nicht die einzige Olympia-Teilnahme. Als jüngster Spieler durfte er 1964
trotz der verlorenen Ost-West-Ausscheidung gegen die DDR als Zuschauer nach
Tokio fliegen, und 1968 war er beim Erreichen des vierten Platzes in Mexiko-City
dabei.
Seine dritte Olympiade
absolvierte Schmidt, der von 1966 bis 1976 als Spielertrainer des RRK
wirkte und anschließend die Rolle des Coaches übernahm, 1976 in Montreal, wo die
Mannschaft den fünften Rang belegte. Heute versucht der Meistermacher mit 146
Länderspielen, seinem Klub als Vorsitzender des Fördervereins zu helfen.
Mit Zufriedenheit haben alle drei
registriert, dass 24 Jahre nach ihrem Triumph mit Oliver Domke, Björn Emmerling
und Christopher Reitz wieder drei Rüsselsheimer Spieler mit von der Partie sind.
Eines freut Keeper Peter Kraus besonders: Nach ihm und Tobias Frank (1984
und 1988) ist Christopher Reitz bereits der dritte RRK-Torhüter, der zu
Olympischen Spielen fährt.
|