Mit 17 hat man noch Träume - mit 32 auch:
"Hamburg als Stadt hat
mich schon immer gereizt", sagt Eva Hagenbäumer. Vor sieben Wochen hat sich die
langjährige Hockeyspielerin des Rüsselsheimer RK ihren Herzenswunsch erfüllt und
ist, nachdem die anfänglichen Orientierungsprobleme überwunden sind,
mittlerweile von der Hansestadt hellauf begeistert: "Es gefällt mir so gut hier, daß ich mir vorstellen kann, eventuell sogar länger als ein Jahr zu bleiben."
Neben dem Nachtleben, das sie in den ersten Wochen ausgiebig genossen habe,
sowie den vielschichtigen Möglichkeiten zum Bummeln und Einkaufen ist aber auch
der Sport für das außerordentliche Wohlbefinden verantwortlich. Beim Klipper THC
Hamburg habe die 140malige Nationalspielerin, die im Alter von 17 Jahren vom
Wiesbadener THC zum RRK gewechselt war, eine nette Mannschaft vorgefunden, bei
der sie sich herzlich aufgenommen fühle. "Am ersten Trainingsabend hatten alle
eine Überraschung für mich", sagt sie und denkt gerne an jenen 3. Januar zurück
- ihren 32. Geburtstag.
Einige Tage später ist Eva Hagenbäumer
(rechts) mit Klipper Hamburg durch einen 5:3-Finalsieg über den Berliner
HC in der Rüsselsheimer Walter-Köbel-Halle Deutscher Hallenhockey-Meister
1999 |
An diesem Wochenende holt die zweimalige Olympiateilnehmerin die Vergangenheit
wieder ein. Für die Endrunde um die deutsche Meisterschaft kehrt Eva Hagenbäumer
in die Walter-Köbel-Halle zurück, in der sie als RRK-Mitglied zwei deutsche
Meisterschaften und vier Europacupsiege feiern durfte. Und damit hat sie fast
allen ihren Mitspielerinnen eine Menge voraus. Der Tennis- und Hockey-Club (THC)
Klipper steht als einziger der vier Vereine, die sich für die 38. Endrunde
qualifiziert haben, noch ohne einen nationalen Sieg da. Aber das soll sich nun
unbedingt ändern: "Auch wenn es mich als Neue im Team weniger betrifft, aber ein
gewisser Druck ist schon da. Es gibt Stimmen im Verein, daß es bei dem
betriebenen Aufwand mit einem Meistertitel doch langsam Zeit wird", sagt Eva
Hagenbäumer. Daß bereits das Halbfinale an diesem Samstag für den souveränen
Tabellenersten der Bundesliga, Gruppe Nord, zum Stolperstein werden könnte, ist
der einzigen Hessin im aktuellen Klipper-Kader bewußt: "Gegen Eintracht
Frankfurt spielt keiner gerne. Wenn wir gut drauf sind, ist die Aufgabe sicher
lösbar. Aber im Norden gibt es keine Mannschaft mit so vielen Brettlegerinnen.
Und da wir eigentlich immer vorne draufgehen, kann das leicht nach hinten
losgehen."
Während die meisten ihrer neuen Mitspielerinnen aufgrund von zwei bitteren
Niederlagen in der jüngeren Vergangenheit der Eintracht vermutlich lieber aus
dem Weg gegangen wären, ist Eva Hagenbäumer erleichtert, daß die
Frankfurterinnen im Süden den zweiten Platz belegt haben. "Es ist sowieso schon
ein komisches Gefühl, am Samstag erstmals mit einem anderen Trikot dort
aufzulaufen, wo ich aufgewachsen bin, und im Hotel zu wohnen", sagt sie. Daher
sei sie froh, nicht auch noch gegen den RRK antreten zu müssen. "Das wäre ganz
besonders schwer gewesen, denn ich bin mir sicher, daß der Berti mein Mitwirken
dazu benutzt hätte, das allerletzte an Motivation aus seinem Team
herauszukitzeln", so Eva Hagenbäumer. Dies, so die kampfstarke Abwehr- und
Aufbauspielerin, habe der Rüsselsheimer Trainer Berti Rauth früher schon einmal
beispielhaft verstanden.
Doch nicht nur in diesem Punkt sind Eva Hagenbäumer in den paar Wochen an der
Alster deutliche Unterschiede zwischen Hockey im Norden und Süden aufgefallen.
"Unabhängig davon, daß mein neuer Trainer Markku Slawyk mich zunächst auf der
ungewohnten linken Seite verteidigen ließ, wird hier grundsätzlich viel weniger
taktisch gespielt. Die meisten Teams sind offensiv eingestellt und offen für
spontane Aktionen. Im Süden ist aber einfach mehr Feuer drin", so die
Krankengymnastin. Auf der anderen Seite habe Damenhockey in Hamburg aber einen
deutlich höheren Stellenwert. "Es ist alles top organisiert und schon ein
bißchen elitärer, aber auch familiärer hier", sagt sie. Ständig werde man zum
Essen oder zu irgendwelchen Festen bei anderen Vereinen eingeladen.
Von den hervorragenden Verbindungen des Klipper THC hat auch Eva Hagenbäumer
profitiert. Innerhalb von drei Wochen hatte der Verein ihr einen Job und die
Wohnung im Stadtteil Fuhlsbüttel besorgt, die etwa zehn Minuten vom Klubgelände
entfernt liegt. "Ich brauchte mich um nichts zu kümmern", sagt Eva Hagenbäumer
und erweist sich dankbar wie loyal: "Über Aufwandsentschädigungen wird nichts
verraten." Daß sie derlei Gebaren früher mit einem kritischen Auge betrachtet
hat, gibt sie zu. "Ich kann auch weiterhin nachvollziehen, daß weniger reiche
Vereine das negativ sehen, wenn auf diese Weise Spielerinnen angelockt werden.
Aber das Vorurteil, daß das deshalb zwangsläufig auch nie eine Mannschaft sein
kann, stimmt überhaupt nicht."
Ihre Erfahrungen sind ohnehin vielschichtiger geworden:
"Klar vermisse ich meine
Freunde und Arbeitskollegen beim Olympiastützpunkt in Frankfurt. Daher werde ich
sicherlich auch ab und zu runterfahren. Von meinen ehemaligen Mitspielerinnen
beim RRK ist bislang aber nicht viel gekommen", sagt Eva Hagenbäumer. Aus dem
Verein, bei dem sie in 14 Jahren an allen 18 Titelgewinnen beteiligt war, ist
sie bereits ausgetreten. "Ich war ziemlich enttäuscht, denn es hat nicht ein
Wort zum Abschied gegeben. Und ich denke doch, daß ich viel investiert habe."
Ein Sieg am Sonntag im 38. Meisterschafts-Finale wäre daher wohl auch für Eva
Hagenbäumer etwas Besonderes. Zumindest dürfte sie sich dann als einzige
Titelverteidigerin fühlen. Und hätte somit auch allen Spielerinnen des RRK etwas
voraus.