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Über Mitglieder des
RRK (2006)
Dr. Peter Hochgesand |
Dr. Peter Hochgesand |
Mainz und Rüsselsheim
Hier die Festung, dort die Zitadelle
Von
Matthias Trautsch (aus FAZ vom 02.08.2006)
Rüsselsheim hat seine Festung
denkmalgerecht restauriert |
Wäre es nach den
Mainzer Erzbischöfen gegangen, dann gäbe es die Festung Rüsselsheim gar nicht.
Um das Jahr 1400 hatte der damalige Herr von Rüsselsheim, der Graf von
Katzenelnbogen, zunächst ein „festes Hus“ am Ufer des Untermains errichten
lassen. Daß daraus eine Burg werden sollte, beobachteten die Mainzer mit
Argwohn. Sie versuchten, die Unterstützung der Frankfurter Ratsherren zu
gewinnen, um den Grafen in die Schranken zu weisen. Doch dieser hatte den Kaiser
auf seiner Seite, der ihm das Recht zur Befestigung seines Sitzes zugestand. Zur
Festung wurde die Burg allerdings erst unter den Landgrafen von Hessen, die 1479
in den Besitz von Rüsselsheim kamen. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts ließen
sie die vierflügelige Anlage mit Wällen, Gräben und fünf Bollwerken errichten.
Heute, 600 Jahre nach dem Streit
zwischen Graf und Erzbistum, schauen die Mainzer erneut nach Rüsselsheim.
Allerdings nicht mit Argwohn, sondern mit freundschaftlichem Interesse. Denn die
Rüsselsheimer haben ihre Festung seit den neunziger Jahren mit hohem Aufwand
saniert. Mit Hilfe der eigens gegründeten Bürgerstiftung Festung Rüsselsheim ist
die Anlage zum Schmuckstück und Ausflugsziel geworden. Ähnliches schwebt der
Initiative Zitadelle Mainz für die Mainzer Festung vor. Deshalb haben sich
Vertreter der Bürgerstiftung und der Initiative getroffen und einen
Erfahrungsaustausch vereinbart.
Gefängnis, Lazarett und
Jugendherberge
Die Rüsselsheimer sind ihren
linksrheinischen Nachbarn rund zehn Jahre voraus. 1995 wurde die Bürgerstiftung
ins Leben gerufen. Wie der Vorsitzende Carlo von Opel sagt, wollten die Gründer
Menschen über Partei- und Interessengrenzen hinweg für die gemeinsame Sache
einbinden. Ziel sei es gewesen, die Festung zu erhalten, zu restaurieren und
möglichst vielen Menschen zur Nutzung zu überlassen. Zuvor hatte die Anlage
unter anderem als Gefängnis, Lazarett, zur Zucht von Champignons und als
Jugendherberge gedient. Das historische Mauerwerk war von Pflanzen umwuchert und
dem Verfall preisgegeben. Mittlerweile ist die Festung von allzu üppigem Bewuchs
befreit und denkmalgerecht restauriert. Verschüttete Teile wie die Brunnenstube
im Festungswall wurden ausgegraben. Hinter den historischen Gräben und Mauern
haben ein Cafe, das städtische Museum, das Stadtarchiv und der Heimatverein ihr
Domizil gefunden.
In Mainz hat die Renovierung der Festung begonnen |
Möglich wurde dies mit
Hilfe der Stadt, die vier Millionen Euro in die Sanierung gesteckt hat. Außerdem
stünden jährlich 250.000 Euro für die Erhaltung der Anlage zur Verfügung, sagt
Baudezernent Ernst Peter Layer (SPD). Einen Konflikt zwischen ökologischen und
denkmalschützerischen Interessen, wie es ihn an der Mainzer Zitadelle gibt,
spiele in Rüsselsheim keine Rolle. Als Dezernent sei er zugleich für
Umweltbelange zuständig und vertrete so beide Seiten. Auf eine solch
uneingeschränkte Unterstützung der Stadt kann Peter Hochgesand nicht bauen. Er
ist der Vorsitzende der Initiative Zitadelle Mainz, die sich seit zwei Jahren um
den Erhalt der Festung bemüht. Die Stadt unterstützt zwar das Anliegen, will
aber kein Geld für eine grundlegende Instandsetzung einsetzen. Überdies muß die
Kommune auch die Vorgaben des Naturschutzes berücksichtigen, der seit 1986 für
Teile der Zitadelle gilt.
Um die Bedeutung der Anlage auf dem
Jakobsberg deutlich zu machen, verweist Hochgesand auf die zweitausendjährige
Geschichte. Von den Ursprüngen der Festung in der Römerzeit zeugt etwa der
Drususstein, den römische Legionäre für ihren verstorbenen Feldherrn
errichteten. Im Mittelalter befand sich ein Benediktinerkloster auf dem leicht
umwallten Hügel. Der Bau der Schweickhardsburg verband den Jakobsberg 1629 mit
der Stadtbefestigung. Den Ausbau zur Zitadelle veranlaßte 26 Jahre später
Kurfürst Johann Philipp von Schönborn, der Mainz mit Bastionen nach
französischer Bauart befestigte.
Seltene Tier- und
Pflanzenarten auf den Wallanlagen
Eine militärische Bewährungsprobe
hatte die Zitadelle nie zu bestehen - die jeweiligen Herren zogen es vor, die
Festung kampflos preiszugeben. Die Besatzer wiederum kümmerten sich um den
Erhalt. So haben die Franzosen, wie Hochgesand sagt, die Anlage zehn Jahre nach
dem Zweiten Weltkrieg „sauber und ordentlich“ hinterlassen. Danach aber fühlte
sich niemand mehr richtig zuständig - wovon vor allem Tiere und Pflanzen
profitierten. Teils seltene Arten fanden auf den Wallanlagen und im
Zitadellengraben einen Lebensraum.
Mit ihren mauersprengenden Wurzeln
bedrohten die Pflanzen aber das historische Mauerwerk, sagt Hochgesand. Das Grün
behindere überdies den Blick auf die Wallanlagen und von der Zitadelle zur
Stadt. In diesem „Spannungsfeld zwischen Natur- und Denkmalschutz“ wolle die
Initiative zu einvernehmlichen Lösungen finden, sagt Hochgesand. Als Beispiel
nennt er das Pilotprojekt zur ökologischen Sanierung der Bastion Germanicus, das
durch einen Zuschuß der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ermöglicht wurde und in
der zweiten Augusthälfte beginnt.
Prof. Dr. Peter Hochgesand (l.) führte die
Rüsselsheimer Gäste durch die Zitadelle und zeigte unter anderem das
Drusus-Monument |
In näherer Zukunft will die
Initiative überdies das Zitadellenvorfeld neu gestalten. So ist daran gedacht,
vor dem Kommandantenbau den ursprünglich drei Meter tiefen Graben
wiederherzustellen. Darüber könnte wie in früherer Zeit eine Brücke führen.
Autos könnten diesen Weg dann nicht mehr nutzen. Sie sollen über die
Windmühlenstraße in die Zitadelle gelangen. Deshalb will die Stadt die dortige
Brücke von Oktober bis Pfingsten für den Schwerlastverkehr ausbauen. Damit würde
auch die Voraussetzung geschaffen, damit die Archäologen am römischen Theater
ihre Ausgrabungen in Richtung Zitadellenweg fortsetzen können.
Intensiver
Gedankenaustausch
Vorstand der
Bürgerstiftung Festung Rüsselsheim zu Besuch bei der IZM
Aus "Wochenblatt Rüsselsheim" vom 02.08.2006
Rüsselsheim/Mainz (rak)
- Auch wenn auf den erster Blick nicht offensichtlich, so gibt es
zwischen der Gutenbergstadt Mainz und der Opelstadt Rüsselsheim doch so manche
Gemeinsamkeit. So beherbergen beide in ihrer Mauern alte Festungsanlagen und
Organisationen, die sich um deren Erhalt und Pflege kümmern.
So gibt es bereits seit
1995 in Rüsselsheim eine Bürgerstiftung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die
dortige Festungsanlage zu renovieren und auszubauen. Zu den aktuellen Projekten
vor Ort zählt die Ausgrabung und Zugänglichmachung der Ostbastei, sowie die
Ausstellung in der wieder hergestellten Brunnenstube. Seit 2004 bemüht sich in
der Gutenbergstadt die Initiative Zitadelle Mainz (IZM), die alte Befestigung
auf dem Jakobsberg wieder ins öffentliche Blickfeld zu rücken und Interesse für
Geschichte und Erhalt des das Stadtbild noch immer prägenden Bauwerks zu wecken.
Mit dem Besuch der
Mainzer Zitadelle in der vergangenen Woche gab es nun einen ersten Brückenschlag
zwischen den beiden Initiativen. Auf Einladung der IZM informierten sich der
Vorsitzende der Bürgerstiftung Carlo von Opel, sein Stellvertreter und
Rüsselsheimer Baudezernent Ernst Peter Layer und deren Geschäftsführer Uwe
Hurlin über Geschichte und Fortgang der Arbeiten des noch in weiten Teilen im
Dornröschenschlaf liegenden Bauwerkes. Im Rahmen einer ausgedehnten Führung
vermittelte Prof. Dr. Peter Hochgesand, der Vorsitzende der IZM, Einblicke in
die wechselvolle Geschichte des militärischen Bauwerks mit Architekturzeugnissen
von der Römerzeit (Römisches Theater, Drususmonument) bis in die Barockzeit und
ins 20. Jahrhundert. Außerdem erläuterte er die bisherigen Maßnahmen der noch
jungen Initiative und sprach auch die Probleme im Spannungsfeld zwischen
Umweltschutz und Denkmalpflege an. Die IZM sehe sich gerade hier als Vermittler
der oft weit auseinander liegenden Interessen, wie Hochgesand unterstrich. So
soll bei der Sanierung des Mauerwerks das so genannte Mauerfugenbiotop mit seine
Moosen, Flechten und Kleinstlebewesen erhalten bleiben, wofür unter anderem
Fördermittel der Bundesstiftung Umwelt zur Verfügung stehen. Eines der nächsten
größeren Projekte soll die Herrichtung der Toranlage (Eingangspoterne) unter dem
Kommandantenbau sein. Diese soll jedoch erst erfolgen, wenn die Brücke über die
Windmühlenstraße verstärkt worden ist (Baubeginn soll im Oktober sein) und dann
auch vom Schwerlastverkehr genutzt werden kann, so Hochgesand. Möglicherweise
entstehe dann wieder die ursprüngliche Zugbrücke. Das Zitadellenvorfeld solle
gemeinsam mit dem Bereich des Römischen Theaters neu gestaltet werden.
Beeindruckt zeigte sich die Rüsselsheimer Delegation auch von den unterirdischen
Anlagen des Mainzer Trutzbaues, die noch im zweiten Weltkrieg während der
Bombardements der Zivilbevölkerung Schutz boten. |