Am 26. August 2004 schaffte
die deutsche Hockeynationalmannschaft der Damen mit ihrem Finalsieg gegen die
Niederlande eine der größten Überraschungen der Olympischen Spiele in Athen.
Drei Spielerinnen des Rüsselsheimer RK waren dabei: Mandy Haase, Denise Klecker
und Silke Müller. Sie haben die Erfahrung gemacht, daß eine Goldmedaille zwar
nicht alles, aber vieles verändert - und daß der emotionale Höhenflug
nur langsam nachläßt.
Wo sind Ihre Goldmedaillen
- und wie oft haben Sie sie nach dem Erfolg von Athen schon in die Hand
genommen?
Silke Müller: Den Ort, an dem ich sie
aufbewahre, verrate ich nicht. Das hat sich so ergeben. Jedenfalls habe ich sie
nicht aufgehängt. In der Hand habe ich sie mindestens einmal im Monat: immer am
26., wenn die Erinnerungen hochkommen. Ansonsten immer dann, wenn mir danach
ist.
Mandy Haase: Ich habe sie eigentlich jeden Tag in der Hand: Immer dann,
wenn ich ungläubig an den Tag des Endspiels zurückdenke. Im Moment liegt sie
noch in einer kleinen Dose. Ich werde mir aber eine Vitrine anlegen mit
Erinnerungen aus Athen.
Denise Klecker: Meine ist direkt neben meinem Bett in einer kleinen
Schatztruhe, die ich nach Athen geschenkt bekommen habe. Die war vorher voller
Gummibärchen, jetzt liegt die Medaille drin. Im letzten halben Jahr hatte ich
sie unendlich oft in der Hand. Außerdem schaue ich jeden Tag nach, ob sie noch
drinliegt. Ich lebe in einer WG - da weiß man nie.
Das klingt so, als habe Sie
der Alltag nach dem Olympiasieg immer noch nicht eingeholt.
Silke Müller: Der Alltag ist natürlich
zurückgekehrt. Trotzdem gibt es so viele Momente, in denen man an Athen
erinnert wird. Jedesmal wenn ich einen Bericht lese oder ein Foto sehe, bekomme
ich eine Gänsehaut, als wäre es gestern gewesen.
Mandy Haase: Neben der Fanpost, die bis heute kommt, gibt es immer wieder
Leute, die die Medaille sehen wollen oder wissen möchten, wie es war im
Endspiel.
In Athen war alles groß,
hell, überwältigend. In Rüsselsheim müssen Sie wieder bei Kälte, Schnee und
Dunkelheit zum Training fahren. Gab es nach der Rückkehr irgendwann eine Art
Kulturschock?
Silke Müller: Erst einmal gab es einen
Empfang für uns, der alles übertroffen hat, was wir uns vorgestellt haben.
Danach ist man anfangs von Termin zu Termin gehetzt, so daß es etwas länger
gedauert hat, bis der Alltag zurückgekehrt ist.
Mandy Haase: Eine Art Schock gab es
höchstens beim ersten Bundesligaspiel in Braunschweig. Wir hatten durch die
vielen Übertragungen aus Athen auf mehr Zuschauer gehofft.
Silke Müller: Zwei Vereine mit insgesamt sieben Olympiasiegerinnen
standen sich gegenüber, und es kamen ungefähr 150 Zuschauer - wenn überhaupt.
Wir hatten gehofft, den Boom mit nach Hause zu bringen, und dann das.
Denise Klecker: Ich glaube, dieser Boom hat sich mehr in den Köpfen der
Leute abgespielt. Immerhin glaubt heute keiner mehr, daß ich Eishockey spiele.
Die „Golden Girls" sind jedem ein Begriff. Das bleibt dem Hockey über Jahre
erhalten - auch wenn keine Massen zu unseren Spielen kommen. Ich weiß noch
genau, als die deutschen Hockeydamen 1984 in Los Angeles Silber gewonnen haben:
Ich habe damals schon Hockey gespielt, aber an der Bushaltestelle hat man mich
immer wieder gefragt, ob ich zum Eishockey gehe. Da wußte keiner etwas vom
Hockey. Heute ist das anders.
Hat der Deutsche
Hockey-Bund genug aus dem Erfolg gemacht, oder ist er nach diesem überraschenden
Triumph an seine Grenzen gestoßen?
Denise Klecker:
Der DHB hat sich große Mühe gegeben, aber er hat nicht die richtige Kapazität.
Da ist eine Flut auf ihn eingestürzt, die er vorher nicht abschätzen konnte.
Aber wenn ich sehe, daß die Europameisterschaft in Leipzig stattfindet oder daß
der DHB versucht, immer mehr internationale Turniere in Deutschland zu
etablieren, dann glaube ich schon, daß das der richtige Weg ist. Der DHB hat
nicht mit unserem Erfolg gerechnet - aber das hat keiner. Außerdem darf man
nicht vergessen, daß Hockey ein absolut unprofessioneller Sport ist.
Inwiefern?
Denise Klecker: Viele Leute verstehen zum
Beispiel nicht, daß wir in Rüsselsheim einen Vereinsbeitrag zahlen. Oft werde
ich gefragt, wann mein Vertrag ausläuft. Dann muß ich immer sagen: Ich habe
keinen Vertrag. Andere Amateure bekommen vielleicht hundert oder zweihundert
Euro pro Spiel, wir bekommen gar nichts. Das ist vielen nicht bewußt.
Muß also ein
unprofessioneller Sport mit einem unprofessionellen Verband leben können?
Denise Klecker: Der DHB ist nun mal ein
Verband der Amateurvereine, das ist ein anderes Niveau. Er hat sicher Fehler
gemacht, aber die hat man auch eingesehen. Es sitzen eben nicht genug Leute beim
DHB. Oder die, die da sind, haben nicht genug Know-how, was diese Dinge betrifft
- noch nicht. Inzwischen haben sie ja einen guten neuen Sportdirektor mit
Erfahrung engagiert. Man kann nur hoffen, daß er das richtige Händchen hat, um
das Hockey nach vorne zu bringen.
Bringt einem der Gewinn
einer olympischen Goldmedaille beruflich Vorteile?
Silke Müller: Wenn man irgendwo wegen
einer Stelle anklopft, dann registrieren viele schon, daß es sich um eine
Olympiasiegerin handelt. Die eine oder andere Türe öffnet sich dadurch etwas
leichter. Aber grundsätzlich muß man sich alles genauso erarbeiten wie vorher
auch.
Gab es Momente, in denen Sie sich ganz
berechnend gefragt haben: Was bringt mir der Olympiasieg finanziell oder
beruflich?
Mandy Haase: Ich studiere noch, deshalb
wird es noch eine Weile dauern, bis ich merke, ob eine Goldmedaille weiterhilft
oder nicht. Sicher mache ich mir Gedanken, wie es später läuft, ob ich eine
Stelle finde und ob dieser Olympiasieg dabei helfen kann. Ich glaube, daß er ein
kleiner Pluspunkt ist. Vor allem die Konsequenz beim jahrelangen Training und
die Erfahrung in einem Mannschaftssport wird in vielen Firmen positiv gesehen.
Jetzt, im Studium, geht es mir allerdings wie jedem anderen auch: Da hilft mir
der Olympiasieg nichts.
Denise Klecker: Direkt nach
dem Olympiasieg habe ich nicht daran gedacht, was er mir bringen kann. Ich habe
ihn nur als Belohnung für mich gesehen. Danach hat diese Flutwelle mit Terminen
und Interviews auch mich überrascht. Da sind Freunde und Bekannte aus der
Versenkung aufgetaucht, von denen man jahrelang nichts gehört hat. Bei den
ganzen Anfragen und Angeboten muß man gut ausloten, was
sinnvoll ist und was nicht. Von Fabian Hambüchen
habe ich gehört, daß er alles nur noch über einen Manager macht. Ich kann das
gut verstehen.
Es heißt, gute Kontakte
seien unerläßlich. Wie hilfreich waren Ihre neuen Kontakte?
Denise Klecker: Bei den ganzen Terminen
und Empfängen kann man sicher ein Netzwerk aufbauen. Allerdings habe ich schon
bei der Frankfurter Olympiabewerbung mitgearbeitet und war auch vor Athen keine
Unbekannte. Trotzdem wurden Türen geöffnet: Ein Stipendium der Sporthilfe für
ein Studium an der European Business School in Oestrich-Winkel bekommt sicher
nicht jeder. Da hat die Goldmedaille die Tür aufgestoßen. Außerdem bin ich im
A-Trainer-Lehrgang des DHB dabei, da hat die Medaille auch geholfen. Ich merke
daran, daß die Leute denken: Sie hat zehn Jahre geopfert, jetzt soll sie auch
etwas von uns zurückbekommen. Andere, die nicht Gold gewinnen, erfahren das
wahrscheinlich nicht.
Hat jemand von Ihnen
inzwischen einen Manager, oder wäre das vermessen im Hockey?
Silke Müller: Ich glaube nicht, daß das
vermessen wäre. Es gibt einzelne bei uns in der Mannschaft, die sich jemanden an
die Seite nehmen, einen Bruder oder einen Freund des Bruders, der sich ein
bißchen auskennt und kümmert. Denn obwohl wir einen Mannschaftssport betreiben,
sind wir Einzelsportler und in dieser Beziehung auf uns allein gestellt. Es ist
schwer, eine Mannschaft zu vermarkten, deshalb muß jeder aus eigenem Antrieb
etwas unternehmen. Weil wir aber noch ganz grün und ohne Erfahrung sind, wäre es
ganz gut, jemanden zu haben.
Beneiden Sie gutverdienende
Berufssportler?
Silke Müller: Für das, was wir leisten,
müßten wir definitiv etwas bekommen, das sage ich mir immer wieder. An uns liegt
es jedenfalls nicht: Wenn man uns nicht sehen will oder wenn nicht genug Leute
uns sehen wollen, dann ist das eben nicht zu ändern. Natürlich wäre es schön,
wenn man sich keine Gedanken mehr darüber machen müßte, wie man sein Brot
verdient, ob und wo man nun Arbeit findet oder ob man doch besser studiert.
Andererseits haben die 16 Spielerinnen, die in Athen waren, so etwas wie einen
großen Trost: Wir haben erreicht, wovon alle Sportler träumen. Kein Geld der
Welt kann mir diese Erfahrung ersetzen.
Mandy Haase: Manchmal wäre ich froh, wenn es größere Unterstützung gäbe,
wenn auch überregional im Hockey etwas passieren würde. Aber die Goldmedaille
hat jede Mühe, jeden Aufwand gerechtfertigt, zeitlich und finanziell. Wir sind
auf unsere Weise belohnt worden.
Denise Klecker: Geld wäre schön. Wenn ich das in Nebenjobs
investiert hätte, was ich ins Hockey investiert habe, dann wäre ich schon reich.
Aber im Endeffekt macht das den Hockeysport aus: Wir sind aus einem
Wert heraus dabei, aus einer Idee. Wir stehen mit allem, was wir haben,
dahinter, mit unseren Familien, unserem Umfeld, unserem Geld. Das ist das
Besondere. Deshalb habe ich auch in einem Interview danach vor 200
Geschäftsleuten angefangen zu heulen. Ich glaube, es gibt keine Goldmedaille,
die so sehr auf Eigeneinsatz gebaut war.
Das Finanzielle rückt dann
in den Hintergrund?
Denise Klecker: Man wünscht sich immer
wieder mehr Geld. Aber Geld bringt auch Gefahren und schwierige Situationen,
wenn es mal nicht so läuft - was im Verein und in der Nationalmannschaft auch
schon der Fall war. Was ich mir wünschen würde, wäre eine bessere Absicherung.
Die 15.000 Euro der Sporthilfe für die Goldmedaille sind toll, aber eine
lebenslange Rente würde mir mehr bringen.
Dabei heißt es doch, daß
sich Hockeyspieler nach ihrer Laufbahn sehr gut zu behaupten wissen, daß der
sportlichen oft eine berufliche Karriere folgt.
Denise Klecker: Im Hockey gibt es dieses
Problem aus anderen Sportarten nicht, daß einer nicht weiß, was danach kommt.
Wir müssen uns um unseren Sport und unsere Zukunft parallel kümmern, weil wir
gar keine andere Wahl haben. Deshalb fallen wir nach dem Sport nicht ins kalte
Wasser. Man wünscht sich natürlich trotzdem oft, daß es ein bißchen besser um
das Hockey bestellt wäre. Es muß kein Riesenreichtum her, sondern nur eine
Entlohnung. Geld soll das Hockey jedenfalls nicht regieren. Ich wünsche mir, daß
wir die große Hockeyfamilie bleiben, denn das zeichnet uns aus.
Würden Sie auch dann so von
Ihrem Sport schwärmen, wenn es in Athen nur zu Platz vier oder fünf gereicht
hätte?
Silke Müller: Platz vier oder fünf wäre
ja schon wunderbar gewesen. In unseren Mannschaftsbesprechungen in Athen habe
ich mich noch nicht einmal getraut, das Wort Halbfinale in den Mund zu nehmen.
Eigentlich war allein die Teilnahme an den Olympischen Spielen Entlohnung genug.
Einige Spielerinnen sind knapp aus dem Kader geflogen, und wir 16 waren dabei -
so gesehen, haben wir alles richtig gemacht.
Denise Klecker: Alles Pech, das wir in den Jahren vorher hatten, ist in
Athen von uns abgefallen. Atlanta 1996 und Sydney 2000 - da war so viel Pech
dabei, da sind in der Kabine Stühle gegen die Wand geflogen. Für mich ist es
immer noch wie ein Märchen, ich kann es immer noch nicht glauben - selbst wenn
ich die Goldmedaille in der Hand halte.
Können Sie bestätigen, daß
ein Olympiasieg das Leben verändert?
Denise Klecker: Ja. Als ich auf dem
Treppchen stand, habe ich mir gedacht, daß mein Enkel das Ding mal in der Hand
halten und sagen wird: Die Oma ist Goldmedaillengewinnerin. So eine Medaille
gehört allen Leuten, die mit uns so viel entbehrt haben. Das ist für viele
andere Sportler gar nicht nachvollziehbar - gerade für Fußballer.
Wie ist das in einem Mannschaftssport,
wenn drei Spielerinnen mit einem solchen Erfolg zurückkehren: Haben
Mitspielerinnen im Verein ein Problem damit?
Denise Klecker: Überhaupt nicht. Die
Mannschaft hat zusammen in Deutschland alle Spiele geguckt. Die ersten Anrufe
zwei Minuten nach Abpfiff kamen von hier. Die waren total aus dem Häuschen. Es
gab keinen, der uns den Erfolg nicht gegönnt hätte. Diese Art von Neid gibt es
bei uns nicht.
War Berti Rauth, Ihr Vereinstrainer in
Rüsselsheim, nach Athen weniger streng, und hat er Sie bei all den Bällen und
Empfängen länger tanzen lassen als erlaubt?
Deutschlands
Hockeydamen mit drei Spielerinnen vom RRK sind Olympiasieger 2004 in
Athen und bedanken sich nach der Siegerehrung bei den anwesenden Fans. |
Denise Klecker: Wir dürfen nicht länger
bleiben, aber wir machen das, und wir handeln uns Ärger damit ein.
Mandy Haase: Aber unter den Umständen können wir das für uns vertreten.
Denise Klecker: Berti Rauth hat seinen Stil, und den hat er wegen uns
nicht geändert. Wir haben uns einzugliedern und genauso mitzutrainieren wie alle
anderen. Es gibt keine Sonderstellung.
Silke Müller: Wir hatten zwei Wochen nach Athen, in denen es hieß: Kommt
erst mal wieder an. Danach ging es normal weiter.
Wann sind Sie schließlich
"angekommen "?
Silke Müller: Ich war in einem
Schwebezustand, anfangs habe ich gar nicht mitbekommen, was passiert. Erst nach
einem, vielleicht anderthalb Monaten habe ich mir gesagt: Was hast du eigentlich
gemacht?
Reagieren Gegner heute anders als vor
Athen - nach dem Motto: Einer Olympiasiegerin will man's zeigen?
Mandy Haase: Ich mußte zwar am Anfang
aussetzen, weil ich einen Bänderriß hatte, aber seitdem merke ich überhaupt
keinen Unterschied.
Denise Klecker:
Ob einer Gold gewonnen hat oder nicht, ist nicht entscheidend. Da kommt keiner
und sagt: Der haue ich auf die Rübe, nur weil sie Gold geholt hat. Das gibt es
im Hockey nicht.
Silke Müller: Es gibt viel Anerkennung, egal, ob man uns mag oder nicht.
Vielleicht liegt es auch daran, daß ich bis heute
so ein Strahlen in den Augen habe. Ich glaube, unser Erfolg hat die ganze
Hockeylandschaft geprägt.
Mandy Haase: Ich glaube trotzdem, daß unser Olympiasieg manchem Gegner
noch mal einen Schub gegeben hat, daß das den Ehrgeiz im Spiel gegen uns
angestachelt hat. Aber eher in dem Sinne: So etwas würde ich auch gerne
erreichen.
Ist es umgekehrt für
Olympiasiegerinnen schwer, sich für Spiele in der Bundesliga zu motivieren? Und
was bleibt noch an sportlichen Herausforderungen?
Silke Müller: Wir haben Gold und so viele
deutsche Meisterschaften gewonnen, daß wir eigentlich aufhören müßten.
Andererseits gibt es immer wieder Ziele. Man orientiert und motiviert sich neu,
und dann geht man die Sache an. Uns bleibt ja nichts anderes übrig.
Mandy Haase: Wir haben so viele Höhepunkte - Europacup, deutsche
Meisterschaft, Europameisterschaft, Champions Trophy -, da fällt es mir nicht
schwer, mich neu zu motivieren. Ich war noch nie Europameister oder Weltmeister.
Auch die Champions Trophy habe ich noch nicht gewonnen. Dafür lohnt es sich,
etwas zu machen - und erst recht für die Olympischen Spiele 2008.
Denise Klecker: Mir bleiben nur noch drei Titel. Ich habe immer gesagt,
daß ich mit 30 aufhöre. Jetzt habe ich 27.
Silke Müller: Dann hört sie dieses Jahr noch nicht auf. Zwei Titel
könnten ja klappen, aber drei? Der Feld-Europacup ist sehr schwer zu gewinnen.
Man weiß zwar nie, was passiert, aber ich glaube, Denise bleibt uns erhalten.
Denise Klecker: Jeder Titel ist etwas Neues und Besonderes. Als
wir zum Beispiel gegen Rot-Weiß Köln auf dem Feld deutscher Meister geworden
sind, war das wie ein kleines Athen. Auch die Kölnerinnen galten als
unschlagbar.
Gibt es so etwas wie eine besondere
Verbundenheit unter den Olympiasiegerinnen?
Silke Müller: Wir haben so viel zusammen
gerackert, da verbindet uns Athen bis ans Lebensende.
Mandy Haase: Wir haben vereinbart, daß wir am 26. August, also ein
Jahr danach, etwas auf die Beine stellen werden.
Zu dritt?
Silke Müller:
Alle 16. Wir wurden gebeten, uns den Termin freizuhalten. Ich glaube, je älter
man wird, desto mehr wird man an der Erinnerung Athen festhalten. Allerdings
dürfen wir noch nicht verraten, was wir machen werden.
Denise Klecker: Es wird auf jeden Fall so sein, daß die deutschen Fans
mit uns feiern können.
Nachgefragt: Was ist geblieben
vom Gold in Athen? Interview mit den hessischen "Gold-Damen“
"Das Gänsehautgefühl bleibt!“
Die Fragen stellte Werner Hinz von
"Sport in Hessen" des lsb h
Der sportliche Höhepunkt liegt
wenige Monate zurück. Bei den olympischen Spielen in Athen holten die hessischen
Hockeyspielerinnen Mandy Haase, Denise Klecker und Silke Müller (alle
Rüsselsheimer RK) mit der deutschen Damen-Nationalmannschaft die Goldmedaille.
Die Euphorie war grenzenlos, nicht nur bei den Spielerinnen – auch in der
Heimat. Nach der Rückkehr jagte ein Termin den nächsten. Und Hockey war in aller
Munde. Doch wie sieht es heute – ein halbes Jahr nach dem Triumph im Endspiel
gegen die Holländerinnen aus? Haben sich die Hoffnungen, die daran in
sportlicher wie auch in persönlicher Hinsicht geknüpft waren, erfüllt? Sport in
Hessen hat nachgefragt.
Hat sich ihr Leben nach dem
sensationellen Erfolg bei den olympischen Spielen eigentlich verändert?
Denise Klecker: Ja und nein!
Ja, weil man einfach ein unglaubliches Erlebnis erfahren durfte, dass einen ein
ganzes Leben lang begleiten wird und bei den Menschen in aller Munde war und
ist. Nein, weil ich trotzdem die Denise Klecker geblieben bin, die ich vorher
war.
Silke Müller: Grundsätzlich ist es so, dass ich weiterhin auf die Straße
oder zum Einkaufen in den Supermarkt gehen kann, ohne von Menschenmassen
erdrückt zu werden. Die Popularität ist nicht bis ins Unermessliche gestiegen.
Aber mal im Ernst: Man hat uns auch nicht ganz vergessen. Das Ansehen innerhalb
des Deutschen Sports ist natürlich mit einem Mal gestiegen. Vorher wusste
niemand, wer du bist. Das Schönes ist einfach, durch die vielen Veranstaltungen
und vor allem durch Athen viele nette Leute kennen gelernt zu haben, und diese
Freundschaften zu pflegen.
Und natürlich hat sich mein Leben ein Stück verändert. Ich bin seit dem
26.08.2004 stolze Besitzerin einer Goldmedaille. Diese Erfahrung machen nicht
viele in ihrem Leben, uns sie wird mich ein Leben lang prägen, egal was mal
passiert! Wenn man ein Auto gewinnt, dann erfreut man sich solange daran, bis es
nicht mehr fährt. Eine Goldmedaille und ihre Geschichte bleiben für immer.
Es gibt immer wieder Momente, in denen man angesprochen wird. Und man könnte die
Geschichte immer und immer wieder neu erzählen. Das Gänsehautgefühl bleibt.
Mandy Haase: Ein paar Veränderungen hat dieser irre Sieg schon mit sich
gebracht: Ich hab‘ jetzt eine Goldmedaille zu Hause!
Es ist einfach unfassbar, welche unvergesslichen und einzigartigen Erfahrungen
man durch solch einen Sieg macht. Ich bekomme noch täglich Fanpost, bin wie
Silke und Denise auf verschiedenen Veranstaltungen eingeladen, von denen man
früher nur geträumt hat, und habe dort unbeschreiblich tolle Freundschaften
knüpfen können.
Zu dem Ganzen kommt sicherlich, dass mich jetzt die meisten in meinem Wohnort
Wilhelmsfeld und Umgebung kennen. Vor allem die Kinder!!! Es ist ein super
Gefühl zu sehen, daß wir mit unserem Sieg bei vielen Kindern und Jugendlichen
noch immer in den Köpfen sind und sie dadurch auch animieren Sport zu machen.
Sie stehen zum Teil heute noch, fast ein halbes Jahr nach Athen, vor meiner Tür,
klingeln und fragen nach der Medaille oder nach Autogrammkarten. Das alles sind
für mich die schönsten Erfahrungen und Veränderungen, sonst ist alles beim
Alten!
Wie hat sich der sportliche
Erfolg auf Ihren beruflichen Werdegang ausgewirkt? Haben sich für Sie dadurch
neue Perspektiven ergeben?
Denise Klecker: Die
Perspektiven für die berufliche Zukunft haben sicherlich verbessert, da man in
den Region Rhein-Main ja doch nicht mehr ein „unbekannter“ Sportler ist. Allein
die zahlreichen Veranstaltungen und Empfänge geben einem immer wieder die
Gelegenheit neue Kontakte zu knüpfen und sich so neue Perspektiven zu öffnen.
Silke Müller: Momentan bin ich ja wieder beim Landessportbund Hessen im
Referat Leistungssport tätig. Es scheint, als käme ich nicht los von diesem
Haus. Aber ich wiederhole auch hier erneut, wie sehr der lsb h mich all die
Jahre ohne Einschränkungen unterstützt hat. Auch er hat einen großen Anteil an
diesem Erfolg. Denn was gibt es schlimmeres, als sich bei jeder Maßnahme
Gedanken zu machen, ob man freigestellt wird oder nicht.
Und natürlich ergeben sich immer wieder neue Kontakte und Perspektiven. Mit
einer Goldmedaille lässt sich mit Sicherheit die ein oder andere Türe leichter
öffnen. Aber es gilt auch weiterhin das Sprichwort "Jeder ist seines Glück
eigener Schmied". Es bleibt immer die Frage, was man aus seinen Möglichkeiten
macht !
Mandy Haase: Dadurch, daß ich noch mitten im Studium stecke, kann ich das
heute schlecht beurteilen. Ich muß meine Ausbildung wie jeder andere Student
durchziehen. Sicher hat man durch die Zusammenarbeit mit den Olympiastützpunkten
besser Chancen z.B. an Praktikumsstellen zu kommen. Man erhält dort eine
einzigartige Unterstützung, die jedes Bemühen und Entbehren entlohnt. Doch wie
es nach meinem Studium aussieht, werde ich erst in 2-3 Jahren sehen!
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"Der lsb h hat mich all die Jahre ohne
Einschränkungen unterstützt!" – Silke Müller |
"Ein
unglaubliche Erlebnis, das einen ein Leben lang begleiten wird." – Denise Klecker |
"Ich
hätte es ohne die Unterstützung meiner Familie nie soweit geschafft." – Mandy
Haase. |
Hockey war nach dem Gewinn der
Goldmedaille in aller Munde. Hat die Sportart durch dieses Ereignis einen
nachhaltig spürbaren Schub erhalten und ist Hockey auch in den Medien nach wie
vor präsenter als vor diesem Erfolg? Oder ist wieder "alles beim Alten"?
Denise Klecker: Die Tendenz
ist eher in Richtung „alles beim Alten“. Hockey hat leider nur einen kleinen
Schub erhalten, aber auch einen spürbaren. Beim Wort "Hockey" denkt man
mittlerweile nicht mehr an Eishockey, sondern an die Golden Girls von 2004 und
das ist doch auch ein kleiner Erfolg, oder?
Silke Müller: Nach diesem völlig unerwarteten Olympiasieg konnte sich
eigentlich keiner richtig vorstellen, welche Ausmaße er haben würde. Schließlich
hatten wir uns vorher keinerlei Gedanken darüber gemacht. Natürlich erhoffte man
sich einen Boom, in erster Linie für den Sport an sich. Wie kann man Hockey
(längerfristig) populärer machen, bzw. im Gespräch halten? Werden wir jetzt alle
Millionäre ( lacht ). Und vor allem, hat es Einfluss auf den Nachwuchs? Das war
eine der wichtigsten Fragen.
Auf die Frage, ob Hockey präsenter sei als vorher, kann man ganz klar mit JA
antworten. Man wird den Bekanntheitsgrad unserer Sportart wahrscheinlich nie mit
Fußball oder Tennis vergleichen können, und wir werden auch weiterhin als
profihafte Amateure unsere eigenen Brötchen verdienen müssen.
Aber für unsere Verhältnisse haben wir eines erreicht. Jeder kann etwas mit der
Sportart Hockey anfangen. Es gab zwar einige Wochen nach Athen die ersten, zum
Teil berechtigten, Kritiken bezüglich einer unzureichenden Vermarktung.
Man muss aber dazu sagen, dass einfach keiner mit diesem Erfolg gerechnet hatte
und in gewisser Weise jeder sprichwörtlich vor den Kopf gestoßen wurde. Am Ende
wurde das Beste daraus gemacht.
Und man darf nicht vergessen, dass wir in den vergangenen Monaten immer wieder
die Gelegenheit hatten, uns in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sei es bei
zahlreichen Ehrungen oder verschiedenen Fernsehauftritten. Und ich denke, wir
haben uns gut verkauft und werden auch weiterhin jede Möglichkeit nutzen, dass
unser Sieg und mit ihm unser Sport in Köpfen der Menschen haften bleibt.
Jede Einzelne in ihrer Region, aber vor allem als Mannschaft, als die
"Wundertüten", wie unser Trainer uns während Athen taufte. Und als Wundertüte
sind wir ja schließlich "bekannt" geworden.
Mandy Haase: Von dem erhofften Schub habe ich leider nicht viel gemerkt.
Sicher ist Hockey hier und da noch vereinzelt in den Medien, doch nicht
annähernd in dem Maße, daß es den Vereinen von Nutzen wäre. In dem letzten
halben Jahr ist sehr viel Kritik am DHB geäußert worden. Doch als Außenstehender
ist es schwer zu beurteilen, was nach unserem Sieg von Seiten des DHB
unternommen wurde.
Eines ist sicher, Hockey ist im Moment noch ein Familiensport. Ich hätte es ohne
die Unterstützung meiner Familie, sowohl finanziell als auch mental, nie so weit
geschafft. In meinen Augen ist es auch genau das, was diese Sportart auszeichnet
und so wunderschön macht! Schade ist nur, wenn wir auf diesem Amateurstatus
stehen bleiben und uns gänzlich damit zufrieden geben, daß jetzt nicht mehr
jeder denkt wir spielen Eishockey, wenn von Hockey die Rede ist!
Vielen Dank für das Gespräch