Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Christopher Reitz

 

 

 

Hockey-Torwart Christopher Reitz gehört mit 27 Jahren zu den Ältesten im deutschen Team

Bedenkliche Verjüngung

Von Ronald Reng (aus "Berliner Zeitung" vom 15.09.2000)

SYDNEY, 14. September. Christopher Reitz sitzt in der Nachmittagssonne und lässt das Leben im olympischen Dorf vorbeiziehen. "Da vorne ist Ion Tiriac!", sagt er und deutet mit einem Kopfnicken zu dem Mann, der als Manager von Tennisspieler Boris Becker berühmt wurde. "Und da die Franzi!", Schwimmerin van Almsick.

1992 in Barcelona bei seinen ersten Olympischen Spielen, erzählt der Torwart der deutschen Hockey-Nationalelf, habe er kein einziges Mal den empfohlenen Mittagsschlaf eingehalten, "weil ich dachte, da ist so viel los im Dorf, ich muss das alles aufsaugen". Und nun will er eigentlich den jüngeren Spielern erzählen, dass sie "hier nicht ständig wild durch die Gegend streunen, die müssen sich mittags auch mal hinlegen und ein Buch lesen".

Es wird für Christopher Reitz nicht einfach werden, mit gutem Beispiel voranzugehen. "Du siehst ja, was hier los ist." Mit 27 ist der Schlussmann des Rüsselsheimer RK unverhofft früh in die Rolle des Älteren geraten. Außer ihm ist nur noch einer, Mannschaftskapitän Christian Mayerhöfer, von den 92er Olympiasiegern dabei, mit 29 ist Mayerhöfer auch schon der Älteste im Team. Das Durchschnittsalter liegt bei 23. Besonders nach dem Gewinn der Europameisterschaft im vergangenen Jahr wurde der Jugendstil des Teams gefeiert, "im Fußball wären sie froh, wenn sie so viele Talente hätten", sagte Bundestrainer Paul Lissek.

Neben Australien und den Niederlanden zählt das deutsche Team, das am Sonnabend mit der Partie gegen Malaysia die Vorrunde beginnt, zu den Turnierfavoriten. Doch Reitz, der spätestens seit seiner Gala bei der Champions Trophy 1995 zur Weltklasse gehört, weist als erster auch auf die bedenkliche Entwicklung hinter der Verjüngung hin. "Es kann doch nicht sein, dass wir bald nur noch 22-jährige Nationalspieler haben", sagt er, "ohne ein bisschen Erfahrung geht es nicht." Tatsächlich werde die Mannschaft gezwungermaßen immer jünger, weil immer weniger ältere Spieler den Aufwand für die Nationalelf leisten können. "Deutschland ist das letzte Team, das Hockey nicht professionell betreibt", sagt Reitz, und mit 26, 27 müssten dann viele Spieler sagen: "Sorry, ich kann nicht mehr 120 Tage im Jahr für die Nationalelf aufbringen, ich muss jetzt im Beruf vorwärtskommen."

Sport wichtiger als Leichen

Reitz selbst hat mittlerweile vier Semester Medizin ausgesetzt, "einmal, vor der WM 1995, musste ich den Kurs, wo du erstmals Leichen aufschneiden darfst, um ein Jahr verschieben, das war besonders schade". Irgendwann, er denkt 2002, wird auch er sagen müssen: Jetzt muss ich aber mal arbeiten. Bislang wurden ältere Spieler, die aus Berufsgründen ein, zwei Jahre ausgesetzt hatten, dann meist kurzfristig zu Olympischen Spielen zurückgeholt, zuletzt 1996 Carsten Fischer, Volker Fried und Michael Knauth. Mit dem Hamburger Libero Jan-Peter Tewes, der wohl immer noch internationale Klasse besitzt, hätte es Lissek diesmal genauso machen können ‒ und tat es nicht.

Selbst Reitz, der den Verlust der Erfahrenen so bedauert, findet Lisseks Entscheidung richtig ‒ oder besser: besonders Reitz. Er hat 1996 erfahren, wie es ist, wenn einem plötzlich kurz vor den Spielen ein Konkurrent zur Seite gestellt wird. 1995 war Reitz unumstritten die Nummer eins, auf einmal war Knauth wieder da, "und am Ende haben wir beide nicht so außergewöhnlich gehalten". Vierter wurden die Deutschen damals, die Stimmung war wegen der kurzfristigen Rückkehrer "nicht so harmonisch", sagt Reitz. "Aus den Fehlern hat die Teamleitung gelernt."

Volleyballerinnen schauen

"Die Euphorie bei der Eröffnungsfeier riss 1996 alle mit, da waren die letzten erst um drei im Bett. Und am nächsten Morgen um neun verloren wir das Auftaktspiel gegen Spanien", erzählt der Torwart. Aber er will ja diesmal dafür sorgen, dass "keiner vergisst: Wir sind zum Hockeyspielen hier". Das heiße nicht, dass sie sich ganz der Olympiastimmung entziehen müssten. "Aber statt rumzurennen, ich brauche noch Tickets fürs Boxen, ich muss noch ins Leichtathletik-Stadion", schlägt Reitz vor, "kann man sich ja auch einfach in die Cafeteria setzen, Kaffee trinken und schauen, ob berühmte kubanische Volleyballerinnen vorbeikommen."