Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

Dieser Bereich der "alten RRK-Homepage" im Vintage-Look enthält auch Inhalte wie Berichte von 2000 bis 6/2018,
wie "In memoriam", wie "Über RRK-Mitglieder", wie Links, wie Suchen, wie ... usw.

>>> Zur neuen RRK-Homepage <<<                    >>>Datenschutzerklärung<<<                   >>>Impressum<<<

Archiv

Chronik "Der Klub"

Chronik Hockey

Chronik Rudern

Chronik Tennis

Über RRK-Mitglieder

In memoriam

Links

Suchen

 

Über Mitglieder des RRK (2009)                                  

Carlo von Opel

Carlo von Opel

 

 

 

 

 

 

Hausbesuch bei Opel

Management, Politik und Werksmitarbeiter ringen um die Rettung von Opel. Tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Und was sagt Familie Opel dazu? – Ein Besuch bei Adam Opels Urenkel

Das Gespräch führte Till Weishaupt (aus "www.cicero.de", 2009)

Unauffällig, fast schüchtern steht er auf dem Hof seines Reitgestüts: Karl Wilhelm Heinrich Fritz Adam von Opel, kurz Carlo von Opel, führt gemeinsam mit seiner Frau Marion den Dressurstall "Reitanlage Hofgut Petersau" mit über 70 Pferden bei Franckenthal am Rhein. Er kennt die "Opelei", wie es in der Familie heißt, gut, schließlich hat der Opel-Erbe die private "Geschichten- und Anekdotensammlung derer von Opel" zusammengestellt. Für Cicero öffnet der Unternehmer die Tore zu seinem privaten Landhaus und spricht offen über das Drama von Rüsselsheim, Innenansichten einer Dynastie und die Zukunft von Opel.

Sie sind mit der Familie nicht mehr im Autogeschäft tätig, haben Sie noch eine emotionale Beziehung zu Opel?

Ja, aber sicher doch!

Was empfinden Sie, wenn Sie die täglichen Nachrichten über Opel lesen?

Es schmerzt mich.

Warum musste es so weit kommen?

Mich berührt auch das Schicksal der Mitarbeiter, die häufig schon in dritter Generation für Opel tätig sind. Das ist schon schlimm. Rüsselsheim war ein Dorf, erst die Opel-Werke haben die Menschen angezogen.

Was wäre denn Rüsselsheim ohne Opel?

Zum Zweiten bedaure ich, dass wir auch durch staatliche Hilfe die Überproduktion in der Automobilbranche nicht abbauen. In Europa gibt es einfach zu hohe Überkapazitäten mit einem harten Verdrängungswettbewerb. Es ist daher keine Lösung, wenn Rüsselsheim in Zukunft nur Autos baut. Wir brauchen ein zusätzliches Geschäftsmodell im Bereich Antrieb, Fortbewegung und Umweltschutz.

Hier ist, neben Kapital, ein kreativer Unternehmergeist gefordert: Sie sind selber Unternehmer, haben 1962 die Marke Chio Chips gegründet …

…weil sich meine Mutter Irmgard von Opel beschwert hatte: Sie führte damals zwei landwirtschaftliche Güter – Hofgut Petersau bei Frankenthal und Hofgut Westerhaus bei Ingelheim – und beklagte die geringen Gewinnspannen in der Landwirtschaft, der Handel verdiente ihr zu viel. Meine Idee war es dann, eines unserer Produkte zu veredeln. Zuerst dachten wir an Kartoffeln als Pommes Frites: Damals, an Tiefkühlkost wurde noch nicht gedacht, waren Pommes Frites Frischware, wir hätten nur in einem kleinen Umkreis verkaufen können. Also starteten wir den Versuch mit transportfähigen Kartoffelchips: Chio Chips, zusammengesetzt aus unseren Initialien Carlo, Heinz und Irmgard von Opel wurde dann ein Erfolg.

Chio Chips haben Sie verkauft: Opel sucht händeringend einen verantwortungsvollen Investor, wären Sie jetzt bereit, in die Firma Opel zu investieren?

Nein. Das Risiko ist mir bei Opel zu hoch, ich kann hier keine finanzielle Verantwortung übernehmen. Einen Haufen Schulden übernehmen, damit trete ich in ein Risiko, das für mich, letztlich für meine Mitarbeiter und unsere Tochter nicht zumutbar ist.

Unter welchen Bedingungen würden Sie doch einsteigen?

Es müsste an langfristigen Erlösen gearbeitet werden. Genau diese Aussicht auf Erlöse sehe ich nicht.

Wären Sie bereit, mit Ihrem Namen bei der Suche nach Investoren und neuen Geschäftsfeldern beratend zu helfen?

Ja, wenn ich damit helfen kann, würde ich mit meinem Namen und meiner Person bereitstehen. Das würde sicher sowohl von der Belegschaft als auch von der Wirtschaft gut aufgenommen werden. Ich würde gerne einen Beitrag dazu leisten, dass die große Traditionsmarke Opel mit ihrem Stamm an bewährten Mitarbeitern wieder an der Weltspitze steht.

Was waren die Fehler in der Vergangenheit?

Es begann vor Jahren: Die Sparsamkeitswelle von Lopez war eine falsche Politik, heimische Traditionszulieferer wurden gekündigt. Billiger sollte die Produktion werden, dabei wurde sie aber eben auch nicht besser. Die Einsparungen gingen jahrelang zulasten der Qualität.

… sprechen Sie da aus persönlicher Erfahrung?

Ja, ich wundere mich schon: Der Opel ist ein einigermaßen teueres Auto, aber es wird an Kleinigkeiten gespart. Wenn Sie einmal einen Reifen wechseln wollen oder den Sitz verstellen wollen: Alles ist schon recht billig gearbeitet, die Sachen müssten haltbarer sein. Ein Opel entspricht einfach nicht dem heute erwarteten hohen Qualitätsstandard. Das muss und das kann man ändern.

Der Stern von Daimler steht für Sicherheit und Solidität, wofür steht der Blitz von Opel?

Heute steht die Marke Opel zuerst für eine verkehrte Markenpolitik und ein schlechtes Markenimage. Ursprünglich standen der Gründer Adam Opel, seine Söhne und Rüsselsheim für deutsche Unternehmertüchtigkeit, Ingenieursfähigkeiten und Erfindergeist. Seit der Kaiserzeit waren die Autos von Opel Begleiter der Deutschen. Die Jahre des Wirtschaftswunders waren ohne Opel nicht denkbar. Die legendären Modellreihen mit Namen wie Olympia, Kapitän, Admiral, Kadett, Rekord oder Diplomat standen für Qualität und Vertrauen. Aber sie wurden nicht fortgesetzt, es gab einen Bruch. Daimler zeigt mit der E-Klasse einen erfolgreichen Weg: Die Marke vermittelt einem das Gefühl, "das ist mein Mercedes – über die Zeiten, die Jahre hinweg".

Ein grundsätzliches Führungsproblem?

Winterkorn von VW, Wiedeking von Porsche oder Zetsche von Daimler – das sind deutsche Spitzenmanager. Opel konnte in den vergangenen Jahren keine Spitzenleute binden, die sich der Marke verpflichtet fühlen. Der Konzern wurde von amerikanischen Managern stiefmütterlich eher schlecht als recht genutzt, weniger geführt. Allein die Englischsprachigkeit verhinderte den notwendigen Kontakt zu den Mitarbeitern am Fließband. Ein Hesse fühlt sich unter amerikanischen Verhältnissen einfach unwohl. Rüsselsheim hat heute keine Unternehmenskultur mehr, wie sie noch zu Zeiten meiner Vorfahren gelebt wurde. Opel muss dringend wieder zurück an die erfolgreichen Wurzeln.

Die Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim gewinnt beim Deutschen Meisterschaftsrudern 1949 in Mannheim den Vierer-ohne und den Achter. Nach festlichem Empfang der Meisterruderer auf dem Rüsselsheimer Marktplatz bewegt sich der Festzug durch die Frankfurter Straße über die Opel-Brücke nach Flörsheim (vorn zwischen Trainer Fritz Brumme und dem Meisterruderer Georg von Opel dessen Söhne Heinz und Carlo).

Haben Sie mit dem ehemaligen GM-Vorstand darüber gesprochen?

Ja, wir haben ihn in seinem Büro besucht und Bruder Gregor überreichte ihm einen sehr klar geschriebenen Brief. Und Vater Georg hat seine Unzufriedenheit mit der GM-Führung in aller Öffentlichkeit ausgesprochen. Aber Rick Wagoner hat mir selber gesagt, seinen besten Mann benötigt er in den USA, um die Gewerkschaften in Schach zu halten. Priorität hatten die USA. Die Amerikaner haben Gewinne abgeführt und die Patente übernommen. Seit dem Jahr 1929 ist das Unternehmen Europafiliale von General Motors.

Schmerzt Sie heute der Verkauf des Unternehmens an die Amerikaner? Gab es damals eine andere Chance?

Wilhelm von Opel hatte das neue Ford-Werk in Köln besichtigt und sagte anschließend: Mit den Amerikanern kommen wir nicht mit, die sind viel größer als wir. Es gab dann auch nur Fritz von Opel, Raketenfritz, der im richtigen Alter war, um das Werk weiterzuführen. Und der Preis, der hat ja wirklich gestimmt, nach heutigem Geld sicher über eine Milliarde.

… und die Amerikaner hatten kaum Freude: Ein halbes Jahr nach dem Verkauf erschütterte am 25. Oktober der Börsen-Crash zuerst die Wall Street und dann die Weltwirtschaft. GM verbuchte damals einen Verlust von drei Millionen Dollar, die Opel-Brüder wurden wohlhabend.

Jeder auf seine Art, es brachte nicht allen Glück … Mein Halbbruder Gregor ist mit dem neuen Autohandelsgeschäft zu schnell gewachsen und in die Insolvenz gerutscht. Ich selber hätte bei dem Opelvertrieb meines Vaters einsteigen können. Aber dann waren mir die beiden Hofgüter meiner Mutter wichtiger. Und noch viel wichtiger: Es gibt eine Welt jenseits von Rüsselsheim, ich wollte etwas Eigenes jenseits von Opel. Zudem fühle ich mich dem Land verbunden.

Haben Sie die große Familientradition Opel als Belastung empfunden?

Die Tradition natürlich nicht, aber den Namen. Wenn man Opel heißt, noch mit dem "von", in einem schlossartigen Gebäude auf einem Berg wohnt und dann mit einer Klassenkameradin in einer standesgemäßen Kutsche mit livriertem Kutscher und einem Traber zur Volksschule gebracht wird, dann gibt’s natürlich Probleme. Das war schon nicht so einfach. Doch die andere Möglichkeit wäre ein Mitfahren in der Milchkutsche, von zwei Eseln gezogen, gewesen. Aber die fuhr zu anderen Zeiten. Den drei Kilometer langen Nachhauseweg den Berg hoch sind wir dann gelaufen und haben uns gegenseitig über Dinge aufgeklärt, die heute im Vorschulalter schon längst bekannt sind.

Haben Sie darüber in der Familie gesprochen?

Zu Hause wurde über die Sorgen und Nöte der beiden Buben viel zu wenig gesprochen. Es gab auch viel anderes zu tun – so nach dem Krieg. Aber trotzdem … Natürlich konnte der Name auch sehr nützlich sein, wenn man ihn richtig einsetzte. Für private Angelegenheiten hab ich den Namen aber lieber verschwiegen, beispielsweise war ich zehn Sommer lang im Juni auf Sylt, die meisten kannten nur meinen Vornamen.

Zurück zu Opel und GM: Rick Wagoner wurde in die Pension verabschiedet … In eine unverdient goldene Pension! Vertraglich sind die Millionen sicher korrekt, aber sie sind moralisch unverdient. Ist der neue GM-Chef, Fritz Henderson, als ehemalige rechte Hand der richtige Mann?

Ich weiß es nicht, doch Zweifel ist angebracht. Schließlich hat Henderson über Jahre die Entscheidungen von Wagoner mit gestützt. Aber schlechter kann es kaum werden. Ein Konkurs von GM wäre vielleicht das Beste, wenn die guten Betriebsstandorte erhalten bleiben.

Und der Opel-Chef Forester?

Ich hoffe, er kann es stemmen. Man muss jedoch Bedenken haben: Forester zählt letzten Endes zu denselben Managern, welche die Krise bei Opel verursacht haben. Er hat jahrelang unter Rick Wagoner gearbeitet. Ich könnte nicht für einen Menschen arbeiten, dessen Meinung ich nicht vertreten kann. Warum hat Forester es so weit kommen lassen?

Die Bundesregierung hat unter Führung des neuen Wirtschaftsministers zu Guttenberg ein Verhandlungsteam zur Rettung von Opel berufen. Sollte sich der Staat beteiligen, oder wäre die Insolvenz richtig?

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Insolvenz kann das Beste sein. Es muss einen Neuanfang geben, in jedem Fall unabhängig von GM. Die Insolvenz hätte zusätzlich den Vorteil, dass der Konzern eine Portion Schulden los werden könnte. Die Vergangenheit zeigte mir: Der Staat ist kein guter Geschäftsmann, er sollte lediglich die politischen Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft schaffen. Opel ist eine gute Marke und wird einen Investor finden. Wichtig ist jedoch der Erhalt der Arbeitsplätze durch Zwischenfinanzierungen. Hier ist der Bund in der Pflicht.

Was sagen Sie den Opel-Arbeitern am Fließband?

Langfristig führt kein Weg an Einsparungen und Neuerungen vorbei. Ich bin mir ganz sicher, die Mitarbeiter werden für den Erhalt des Werkes auch auf Gehalt verzichten, das Werk und die Erhaltung der Arbeitsplätze haben Vorrang.

Emirate kaufen Daimler, warum nicht Opel?

Ganz klar, denen gefällt der Stern besser als der Blitz von Opel. Die Situation spiegelt doch auch das Konsumentenverhalten wieder: Ein Mercedes hat heute doch einen anderen Namen als ein Opel. Aber früher war das anders. Und da müssen wir wieder hinkommen.

Was erwarten Sie sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Keine übereilten Schritte, nicht zu viele Versprechungen. Die Bundeskanzlerin sollte ihren Einfluss und ihre gute Verbindung zu Präsident Obama dazu nutzen, dass sie Opel von GM freibekommt. Merkel sollte zusätzlich um Investoren in dem arabischen Raum werben. Die Abwrackprämie ist übrigens richtig: Ich sehe neben dem Konjunktureffekt in der Wirtschaftskrise auch einen Vorteil für die Umwelt, schließlich sind neue Autos umweltfreundlicher und verbrauchsärmer.

Sie sprechen die Finanz- und Wirtschaftskrise an: Schlafen Sie noch gut?

Ja, jedenfalls kann mir die Krise nicht den Schlaf rauben. Wir werden sie überwinden, alle Notbremsen sind gezogen. Wichtig ist die schärfere Regulierung und Kontrolle im Bereich der Finanzmarktgeschäfte. Der G-20-Gipfel hat gezeigt, dass wir bei der Finanz- und Wirtschaftskrise alle an einem Strang ziehen. Wenn ich mal schlecht schlafe, so hat dies andere Gründe.

Was könnte Ihnen den Schlaf rauben?

… dass wir einfach zu viel von dem nehmen, was wir nur einmal haben. Ich denke an die Bodenschätze, ich denke an nicht nachwachsende Energien. Der Raubbau, den wir betreiben, ist unermesslich und geht zulasten derer, die uns folgen.

Sie denken an kommende Generationen?

Ja, wir sind eine Gesellschaft, die die Verbindung zur Natur verloren hat, wodurch unser praktisches Denken verloren geht. Wir befassen uns mit dem großen Einmaleins, ohne genau zu wissen, wo es langgeht. Wir werden immer bequemer, wollen nicht mehr körperlich arbeiten, nicht mehr zupacken. Mit Sport kann man viel ausgleichen, aber das reicht nicht. Wir werden krank, wir werden dicker. Die Selbstreinigungskräfte, die sich auf den Märkten immer wieder finden, wirken hier nicht. Zudem leben wir in den zivilisierten Gesellschaften weit über unsere Verhältnisse. Noch nie ging es uns so gut wie heute, auch jetzt noch. Wir jammern auf hohem Niveau, entsprechend tief können wir aber auch abstürzen. Doch seien wir guten Mutes – in den vergangenen hundert Jahren gab’s zwei Kriege. Unsere Vorfahren sind mit ganz anderen Schwierigkeiten fertig geworden und sie haben’s geschafft, sie haben – etwas geschafft.

Was verdanken Sie Opel?

Unseren Wohlstand haben wir unseren Vorfahren zu verdanken. Aber etwas Vorhandenes zu bewahren, ist oftmals schwieriger, als etwas aufzubauen. Aber ich find’s schon gut, was unsere Vorfahren geleistet haben, nicht nur geschäftlich, sondern auch im Sport, der Sportführung, aber auch in der Wirtschaft. Es wurden Arbeitsplätze geschaffen und erhalten. Vater setzte sich mit dem Opel-Zoo in Kronberg ein Denkmal. Und der Onkel Fritz war ja der erste Mensch, der sich mit Raketenantrieb fortbewegt hat. Natürlich muss jeder Mensch seinen eigenen Weg gehen. Es sollte sich keiner fahren lassen, auch wenn’s im Opel ist.

Was fahren Sie für ein Auto?

Einen Opel Vectra, Baujahr 2000.

Denken Sie an ein neues Auto?

Vielleicht, es wird hoffentlich wieder ein Opel sein. Ganz sicher sogar!