IInterview |
Über Mitglieder des
RRK (2013)
Britta Becker-Kerner |
Vom Hockeyplatz auf den Funktionärssessel:
Britta Becker hat noch viel vor. |
"Nicht weiter kollektiv Trauer tragen"
Die 231-malige
Nationalspielerin Britta Becker will als Vizepräsidentin den Deutschen
Hockey-Bund strukturell voranbringen
Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 9. September 2013)
Dem Wonnemonat Mai
folgte ein wahrlich "goldener August": Zwei Wochen nach ihrem 40. Geburtstag war
Britta Becker beim Bundestag des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) Ende Mai zur
Vizepräsidentin Leistungssport gewählt worden. Drei Monate später konnte die
231-malige Nationalspielerin, die mit ihrem Heimatverein Rüsselsheimer RK
insgesamt 13 Europapokalsiege und elf Deutsche Meisterschaften feierte, in ihrer
neuen Funktion in Belgien einen ganz besonderen Erfolg miterleben: Erstmals
gingen die EM-Titel im Feldhockey bei Frauen und Männern gleichzeitig an die
DHB-Auswahlen. Seit 1996 ist Britta Becker mit dem Fernsehmoderator Johannes B.
Kerner verheiratet.
Frau Becker, wie
fühlt es sich an, wenn beide Nationalteams wenige Monate nach Ihrer Wahl zur
Vizepräsidentin Leistungssport beim Deutschen Hockey-Bund (DHB) den EM-Titel
holen?
Gestatten Sie, dass
ich in diese Selbstüberschätzungsfalle nicht tappe? Ich freue mich einfach mit
der deutschen Hockeyfamilie über den historisch einmaligen Doppeltitel bei
Europameisterschaften.
Sie haben in
Ihrer aktiven Zeit selbst bei etlichen Europa- und Weltmeisterschaften sowie bei
Olympischen Spielen Medaillen gewonnen. Wie beurteilen Sie das aktuelle
internationale Niveau?
Es ist − zumindest
athletisch − so hoch wie nie zuvor. Durch den Selfpass hat das Spiel extrem an
Geschwindigkeit gewonnen, die Entwicklung des 3D-Hockey gefällt mir gut und die
"Argentinische Rückhand" wird mittlerweile von überall geschlagen, etwa als
Flanke von der rechten Seite.
Ist es in Ihrer
neuen Verbandstätigkeit hilfreich, selbst 231 Mal im A-Nationalteam gespielt zu
haben?
Naja, es schadet
wohl nicht. Ich weiß, was Leistungssport bedeutet und ich bin ganz besessen
davon, die Rahmenbedingungen für meine Nachfolgerinnen und Nachfolger zu
verbessern. Zum Glück bin ich da nicht alleine.
Was hat Sie
bewogen, als vierfache Mutter einen ehrenamtlichen Funktionärsjob anzunehmen und
welcher zeitliche Aufwand ist damit verbunden?
Als DHB-Präsident
Stephan Abel auf mich zukam und mich gefragt hat, ob ich das Amt übernehmen
möchte, war ich natürlich erst sehr überrascht. Bisher hatte ich in meinem Leben
noch nicht darüber nachgedacht, ein Ehrenamt beim DHB zu übernehmen. Dann habe
ich mich aber auch gleich gefreut, da Hockey einfach zu mir gehört. Hockey hat
mir sehr viel gegeben. Deswegen dachte ich, dass ich etwas zurückgeben kann.
Durch meinen A-Trainerschein und den Fortbildungen hierfür bin ich immer nah am
Leistungssport geblieben. Die EM 2011 in Mönchengladbach habe ich vor Ort
verfolgt und bei den Olympischen Spielen in London habe ich fast durchgehend im
Stadion gesessen. Wie viele vor mir, habe ich den Zeitaufwand etwas
unterschätzt. Die Familie spürt aber, wie viel Spaß es mir bringt, mit Hockey,
mit Spitzenhockey zu tun zu haben.
Sie waren die
erste deutsche Hockeyspielerin, die dank professioneller Unterstützung zu
Werbeverträgen kam. Warum ist es so schwer, trotz anhaltender Titelgewinne die
mit Abstand erfolgreichste Ballsportart Hockey verlässlich zu vermarkten?
In der Beurteilung
der Sache sind wir uns einig. Ich habe mich aber entschieden, nicht weiter
kollektiv Trauer zu tragen, sondern strukturell etwas zu verbessern. Wenn es so
weit ist, berichte ich genauer.
Nach dem vierten
Olympia-Gold der deutschen Hockeyspieler 2012 in London hatte man den Eindruck,
dass die Feier und die angeblichen Schäden auf der Rückfahrt mit der MS
Deutschland in manchen Medien fast wichtiger waren, als der neuerliche
Gütebeweis. Was läuft da falsch?
Um es mal ganz klar
zu sagen: Die deutschen Hockeyspieler sind keine schlecht erzogene Partytruppe,
sondern haben ihre Goldmedaille gefeiert. Vielleicht ist ein bisschen intensiver
gefeiert worden und auch das eine oder andere Glas zu Bruch gegangen. Aber die
Zahlen, die anschließend kursierten, waren abenteuerlich überhöht. Seinerzeit
hatte die Reederei ganz schön Stress mit der Ausflaggungsdebatte und mit ihrem
damaligen Kapitän. Vielleicht wollte da einfach mal jemand die Schlagzeilen
umlenken.
In der Halle
sollen die Bundesligisten in dieser Saison nur noch mit vier statt wie bisher
fünf Feldspielern agieren. Hilft so etwas der Sportart wirklich weiter?
Wir folgen einer
Entscheidung der FIH; wie wir das selbst finden, ist zweitrangig. Aber wir
machen die Entscheidung für Deutschland kompatibel. Im Jugendbereich
beispielsweise bleibt es bei der bisherigen Regelung. Das kann an einem Spieltag
mit verschiedenen Teams für die Zuschauer sicherlich leicht verwirrend wirken,
wenn zum Beispiel die Bundesligateams fünf gegen fünf spielen und die anderen
Teams sechs gegen sechs. Allerdings müssen wir uns nichts vormachen: Zu den
Bundesligaspielen kommen nicht so viele Zuschauer ohne Hockeykenntnis. Trotzdem
ist es eine Herausforderung an die Clubs. Kommunikation ist hier ganz wichtig.
Sie leben seit
14 Jahren mit Ihrer Familie in Hamburg. Wie eng ist noch der Kontakt zu Ihrem
Heimatverein Rüsselsheimer RK?
Rüsselsheim ist und
bleibt meine Heimat und der RRK mein Heimatverein. Das wird sich nie ändern. Im
Übrigen lebt meine Mama in Rüsselsheim genauso wie mein Bruder mit seiner
Familie. Er trainiert im Verein und in der Schule − wen wundert's −
Hockeyspieler.
Sie waren
zwischen 1989 und 2003 A-Nationalspielerin. Können Sie sich vorstellen, ähnlich
lange das Amt der DHB-Vizepräsidentin Leistungssport zu bekleiden?
Können Sie mir
bitte die Ohren lang ziehen, wenn ich diese Frage je mit Ja beantworten sollte?
"Ich liebe
Hockey immer noch"
Interview –
Britta Becker über ihre Heimat, ihr Leben in der schönsten Stadt der Welt und
ihre Ziele als Funktionärin
Das Interview
führte Helmut Popp (aus "Rüsselsheimer Echo" vom 11. September 2013)
Britta Becker ist
in der Historie des Rüsselsheimer RK die alles überragende Hockeyspielerin. Mit
ihrem Heimatverein gewann sie von 1987 bis 2004 fünf deutsche Meisterschaften im
Feldhockey, sechs nationale Titel in der Halle, zudem drei Europacups auf dem
Feld und zehn in der Halle.
Von den Olympischen
Spielen 1992 in Barcelona kehrte sie mit der Silbermedaille zurück. Mit Ehemann
Johannes B. Kerner und ihren vier Kindern lebt sie seit einigen Jahren in
Hamburg. Im Mai zog die ehemalige Nationalspielerin (231 Länderspiele, davon 209
auf dem Feld und 22 in der Halle) beim Bundestag des Deutschen Hockey-Bundes
(DHB) in Köln als "Vizepräsidentin Leistungssport" ins Präsidium des
Fachverbandes ein. Im ECHO-Interview erzählt sie von früher, aber auch von ihren
Plänen beim DHV und dem Leben in der Hansestadt Hamburg.
ECHO: Frau
Becker, im Mai haben Sie Ihr 40. Lebensjahr vollendet. Wie geht es Ihnen?
Britta Becker: Bei
vier Kindern fehlt mir einfach die Zeit, über das Älterwerden nachzudenken. Es
geht mir gut.
ECHO: Fühlen Sie
sich schon als Hanseatin oder sind Sie eher noch Rüsselsheimerin?
"Einmal Rüsselsheim, immer
Rüsselsheim"
Becker: Einmal
Rüsselsheim, immer Rüsselsheim. Das ist meine Heimat, und das bleibt meine
Herkunft. In Hamburg fühlen wir uns als Familie aber richtig wohl, ich bin ja
nicht die Erste, die sagt, dass dies einfach die schönste Stadt der Welt ist.
Mindestens.
ECHO: Welchen
Bezug haben Sie noch zu Ihrer Geburtsstadt? Lassen Sie sich ab und zu noch in
Rüsselsheim blicken?
Becker: Regelmäßig,
gerade letzte Woche wieder. Meine Mutter lebt dort, mein Bruder mit Familie. Es
gibt immer gute Gründe, nach Rüsselsheim zu kommen.
ECHO: Als
vierfache Mutter und Ehefrau des Fernseh-Moderators Johannes B. Kerner können
Sie sich bestimmt nicht über Langeweile beklagen. Bleibt da noch Zeit für ein
Hobby, sind Sie noch sportlich aktiv?
Becker: Ich bewege
mich schon noch regelmäßig. Ich würde wohl durchdrehen, wenn ich das nicht
könnte.
ECHO: Nun haben
sie im Mai, für viele überraschend, Ihre Karriere als Funktionärin innerhalb des
DHB begonnen. Was war Ihre Motivation für die Übernahme dieses Amtes, und was
sind Ihre Aufgaben?
Vergangenheit: Britta Becker (im Vordergrund)
stürmte mit dem Rüsselsheimer RK auch 1998 zur deutschen
Hallenhockey-Meisterschaft. Im Finale in Hamburg – der Stadt, in der
Becker inzwischen lebt – schlug der RRK den Berliner HC mit 7:2, Britta
Becker traf zweimal. |
Becker: Die
Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Leistungs-Hockeyspieler zu verbessern,
ist einfach sehr reizvoll. Ich war auch in der Zwischenzeit immer in Kontakt mit
dem Spitzenhockey, sei es bei Meisterschaften national und international, sei es
bei Olympischen Spielen.
ECHO: Der
Hockeysport in Deutschland rückt allenfalls alle vier Jahre während der
Olympischen Spiele in den Mittelpunkt des Interesses. Dann werden die beiden
Nationalmannschaften (Männer und Frauen) für ihre Erfolge gefeiert. Dazwischen
verschwindet die Sportart mehr oder weniger wieder in der Versenkung, findet
beispielsweise im Fernsehen so gut wie gar nicht statt. Warum vermag der DHB die
internationalen Erfolge nicht optimaler zu vermarkten?
Becker: Ich weiß,
was Sie meinen. Aber ich verweise aktuell auch gerne auf die Liveübertragung des
EM-Finales der Herren im ZDF und auf den Besuch zweier Nationalspieler im
Aktuellen Sportstudio, übrigens mit beachtlicher Einschaltquote. Man kann dem
ZDF nur danken. Aber wir haben noch gut zu tun. Und wir werden versuchen, die
Situation stetig zu verbessern.
ECHO: Vor kurzem
standen mit Marilena Krauss, Anne Schröder und Lara May drei Spielerinnen des
Rüsselsheimer RK beim WM-Turnier in Mönchengladbach im Team der deutschen
U21-Nationalmannschaft. Waren Sie während des Wettbewerbs auch mal in
Mönchengladbach und haben das Team unterstützt?
"Wir hätten gerne besser
abgeschnitten"
Becker: Ich war
mehrfach da, und ich habe auch mehrfach die Mannschaft besucht. Spitzenhockey in
Deutschland ist immer toll, weil viele die Möglichkeit haben, die Weltspitze –
und sei es die junge Weltspitze – hautnah zu erleben. Wir hätten gern besser
abgeschnitten als mit Rang zehn, aber die Leistungsdichte ist extrem. Wichtig
ist, dass unsere Spielerinnen das nur für einen kurzen Moment als
niederschmetternd empfinden und schnell erkennen, dass es in Wahrheit eine
Herausforderung ist.
ECHO: Die
Niederlande sahnen im weiblichen Nachwuchsbereich mächtig ab: U21-Weltmeister,
U18-Europameister. Was läuft im Nachbarland besser als bei uns?
Becker: Die
identische Frage beantworten zurzeit wohl niederländische Funktionäre in Bezug
auf die holländischen A-Nationalmannschaften. Da hat nämlich sowohl bei den
Damen als auch bei den Herren Deutschland den EM-Titel geholt. Die Niederlande
haben eine fantastische Jugendarbeit mit unglaublich vielen Hockey spielenden
Kindern. Wenn man die späteren Ergebnisse im Erwachsenenbereich anschaut, machen
wir aber auch nicht alles falsch, oder?
ECHO: Vor zwei
Jahren haben Sie gemeinsam mit Ihrem Ehemann die "Becker-Kerner-Stiftung" ins
Leben gerufen. Welchen Zweck verfolgt diese Stiftung?
Becker: Die
gemeinnützige Stiftung fördert die Jugend, den Sport und die Kultur. Das ist der
Stiftungszweck. Zurzeit kümmern wir uns mit einer App namens "Theatix" darum,
junge Leute ins Theater zu bringen.
ECHO: Können Sie
sich eigentlich noch erinnern, warum Sie damals als kleines Kind in Rüsselsheim
mit dem Hockeysport angefangen haben?
Becker: Es sind
meine schönsten Erinnerungen. Ich habe Hockey geliebt, ehrlich gesagt, ich liebe
es immer noch. Berti Rauth hat mich damals in der Grundschule gesichtet.
ECHO: Wann
hatten Sie erstmals das Gefühl: Wow, aus mir kann in dieser Sportart ja mal eine
ganz Große werden?
Becker: Immer wenn
man so etwas gefragt wird, will man am liebsten schnell darauf verweisen, wie
viele Spielerinnen eine Hockeymannschaft hat. Ich war talentiert, ich hatte den
vielleicht besten Jugendtrainer und ich wurde von Zuhause unterstützt. Ich bin
dankbar, dass ich mein Talent nicht verschenkt habe, sondern ein bisschen was
daraus gemacht habe.
ECHO: Wenn Sie
auf Ihre großartige sportliche Laufbahn zurückblicken: Was war der größte
Erfolg?
Becker: Jetzt wo
ich selbst Kinder habe, lerne ich erst einmal einzuschätzen, was es bedeutet,
schon bei den A-Mädchen siebenmal Deutscher Meister gewesen zu sein. Alle
Erfolge mit dem RRK und mit der Nationalmannschaft sind herrlich. Wir alle, die
das erleben durften, werden das nie vergessen.
ECHO: Ihr
früherer Rüsselsheimer Coach Berti Rauth, der Sie zwischenzeitlich auch als
Bundestrainer unter seinen Fittichen hatte, lebt ja mittlerweile ebenfalls in
Hamburg. Sehen Sie ihn gelegentlich?
Becker: Was heißt
gelegentlich? Er ist Jugendkoordinator im Club an der Alster Hamburg, er
trainiert unsere Kinder. Er ist so besessen wie eh und je. Bei den A-Mädchen bin
ich ganz nebenbei seine Co-Trainerin.
ECHO: Haben Sie
auch noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Mitspielerinnen des RRK?
Becker: Natürlich.
Katrin Schmidt ist meine Trauzeugin, mit Bianca Heinz stehe ich in häufigem
Kontakt, Denise Klecker sehe ich mindestens einmal im Jahr, Lena Jacobi habe ich
ja gerade noch bei der EM angefeuert, und Nicole Hardt organisiert ja wieder
einmal den "Kurt-Becker-Cup". Vielleicht sehe ich die eine oder andere bei
diesem Turnier zu Ehren meines verstorbenen Vaters, das wieder Anfang November
in Rüsselsheim stattfinden wird.
ECHO: Wie
beurteilen Sie den Werdegang der Rüsselsheimer Bundesliga-Frauen sowie den
Absturz der RRK-Männer in die Drittklassigkeit?
"Drücke RRK aus der Ferne die Daumen"
Becker: Ich drücke
aus der Ferne die Daumen und hoffe, dass es bald mal hilft.
ECHO:
Bekanntlich soll der Apfel ja nicht weit vom Stamm fallen. Spielen Ihre Kinder
auch Hockey?
Becker: Ja, es ist
auch der perfekte Sport für Kinder.
ECHO: Welche
Wünsche hat Britta Becker?
Becker: Ich bin zu
dankbar für mein Leben, als dass ich mir persönlich – außer Gesundheit für meine
Familie und mich – etwas wünschen würde. Einigen wir uns einfach auf etwas mehr
Frieden auf der Welt. |