Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Britta Becker

 

 

 

 

 

 

Sportplatz

Dame Nummer 12

Von Claudia Klatt (aus "Der Freitag" vom 07.02.2003)
 

Der Chef hat es mir heute gesagt. Ich muss nach Leipzig fahren. Zur Hallenhockey-Weltmeisterschaft. Was das nun wieder soll? Immer bekomme ich die Aufträge, die kein anderer will, nur weil ich als Letzter hier angefangen habe. Vorige Woche waren alle beim Sechs-Tage-Rennen, ich saß als Spätdienst in der Redaktion. Der Kollege X durfte sogar zur Handball-WM fahren, und ich − ich muss zur Hallenhockey-WM. Hallenhockey! Dieses brutale Spiel mit den krummen Stöcken und einem Ball, der nicht nur hart ist, sondern auch viel zu klein, um ihn richtig sehen zu können. Ich bin mir sicher, dass Hockey deswegen nie im Fernsehen gezeigt wird. Die Brille, die ich sonst nie trage, weil sie mir einfach nicht richtig steht, werde ich dann wohl mitnehmen müssen. Auch egal. Mich kennt da ja keiner.

Ich treffe in Leipzig rechtzeitig zur Pressekonferenz mit beiden deutschen Mannschaften ein, Frauen und Männern. Die Sportler sehen eigentlich aus wie ganz normale Menschen, wenn man mal von der Größe des Männerkapitäns absieht. So viel Aufwand ist es wohl nicht, diese Sportart zu betreiben, denn alle Spieler und Spielerinnen machen nebenbei noch etwas anderes, studieren oder arbeiten. Der Frauenbundestrainer bestätigt meine Befürchtung, dass es sich hier um eine Freizeitveranstaltung handelt, mit seiner Aussage, die wirkliche Vorbereitung zu dieser Weltmeisterschaft habe ganze zweieinhalb Tage betragen! Mir bleibt der Mund offen stehen. Dass man so heute noch in irgendeiner Sportart auf internationalem Niveau mitspielen kann ist mir schleierhaft.

Nach der Konferenz staune ich nur, die Spieler und Spielerinnen stehen lange noch bei den Journalisten und führen Einzelgespräche. Als unbezahlter Sportler hat man für so was wohl noch Zeit. Die Generalsekretärin des Verbandes, eine vielbeschäftigte Frau, ist schon wieder unterwegs, um irgend etwas zu organisieren. Stolz hat sie uns gerade verkündet, dass einige Spiele sogar auf Eurosport gezeigt werden. Du meine Güte!

Laut Auskunft beider Trainer wird eigentlich nirgendwo auf der Welt Hallenhockey so intensiv gespielt wie in Deutschland, was beide Mannschaften zwangsläufig zu Turnierfavoriten macht. Beide haben den Titelgewinn als Ziel. Sicher. Das wollten die Fußballer auch. Und die Basketballer. Und die Handballer − man sieht ja, was in der Realität dabei herausgekommen ist. Aber schließlich muss ich erfahren, dass die Hockey-Herren auf dem Feld im letzten Jahr tatsächlich Weltmeister geworden sind. Vielleicht habe ich davon schon gehört. Sicher bin ich mir nicht.

Britta Becker: Die Dame Nummer 12

Am Abend trainieren die Damen, das bietet mir eine Chance zur Vorbereitung. Anmeldung ist nicht nötig, Abschottung kennt man in diesem Amateursport nicht. Ein hilfsbereiter Kollege klärt mich aufgrund meiner offensichtlichen Unwissenheit über das Mysterium des Hockeysports auf, allem voran, was sie »Kurze Ecke« nennen. Auch die Namen der meisten Spielerinnen kennt er. Sofort fällt mir eine langbeinige Schönheit ins Auge, und dann eine zweite ... Ich beginne zu denken, dass die Zeit hier wohl doch nicht so verloren ist.

Als am Mittwoch das Turnier beginnt, sind mir die Regeln halbwegs geläufig; mit der erschreckten Frage, ob zwei Spiele an einem Tag nicht ein bisschen viel seien, habe ich mich jedoch wieder als Laie geoutet. Die Herren hätten bei der WM in Malaysia im letzten Jahr bei 40 Grad und neun Spielen in vierzehn Tagen den Weltmeistertitel errungen! Zaghaft hake ich nach, warum das denn keinem bekannt sei. Es wären nur drei Journalisten mitgewesen, erklärt man mir.

In Leipzig ist das anders. Hier sind etliche Vertreter der schreibenden Zunft anwesend. Und mich erkenne ich kaum wieder: Ich nehme sogar einen endlos langen Spieltag in Kauf, um so lange wie möglich diese Schönheit, Britta Becker, Nummer zwölf, zu beobachten. Gegen Ende des ersten Tages dämmert mir, dass sie und ihre Mannschaftskolleginnen wirklich gut sind in dem, was sie tun, was nicht nur an den klaren Siegen liegt. Vermutlich hat ihr Gesamtaufwand wohl doch etwas mehr als zweieinhalb Tage betragen. Eigentlich trainieren sie ständig, weiß ein Kollege, weil wegen des Wechsels zwischen Feld- und Hallenhockey nie eine richtige Saisonpause herrscht. Und die Nationalspieler haben dazwischen noch die internationalen Termine, so wie jetzt. Das ist im Spiel auch durchaus zu erkennen. Trotz spärlich besetzter Zuschauerreihen ist der Sport ansprechend, schön anzusehen, und qualitativ hochwertig. Eine Spielerin der deutschen Mannschaft beherrscht ihr Sportgerät in einer Weise wie es sonst eher den männlichen Kollegen eigen ist, doch sehen diese Kabinettsstückchen bei ihr wirklich leicht aus. Am zweiten Tag habe ich das Spiel schon fast im Blut und wundere mich wie die anderen Experten über die Zuschauer, die klatschen, wenn ein Tor von außerhalb des Schusskreises erzielt wird.

Freitag schlägt dann meine große Stunde: nach dem Spiel will ich endlich ein Interview mit der Dame Nummer zwölf führen. Ein Kollege, dem meine Aufregung nicht entgangen ist, setzt sich neben mich, und fragt, wen ich zur Pressekonferenz bestellt hätte. Ich gebe ihm bereitwillig Auskunft. "Ist schon doll, wie die das hinkriegt," sagt er nur. Ich schaue ihn fragend an. "Na, als zweifache Mutter und Frau von Johannes B. Kerner ..." Mir bleibt schon wieder der Mund offen stehen. Nur, dass ich mir dieses Mal annähernd vorstellen kann, was für ein Aufwand wirklich hinter dieser Leistung steht.