Von Martin Krieger (aus "Main-Spitze"
vom 17.08.1999)
Mit dem Gruppenspiel gegen den
krassen Außenseiter Tschechien hebt sich am Mittwoch in Köln für die
Damenauswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) der Vorhang zur 5.
Feldhockey-Europameisterschaft. Neben dem Umstand, dass dieser Titel noch nie
zuvor in Deutschland vergeben wurde und aus dem Heimvorteil stets ein gewisser
Erfolgsdruck erwächst, bietet sich den zwölf beteiligten Vertretungen aus elf
Ländern erstmals die Chance, mit einem Sieg im Endspiel am 29. August
gleichzeitig die Fahrkarte für das Olympische Turnier in Sydney zu lösen. Der 40
Jahre alte Bundestrainer Berti Rauth aus Rüsselsheim ist zuversichtlich, sein
Team gut auf die elf bedeutsamen Tage mit sieben Spielen vorbereitet zu haben.
Titelverteidiger Niederlande hat im
Vorjahr bei der WM den zweiten Platz vor ihrer Mannschaft belegt. Werden diese
beiden Nationen das Sydney-Ticket unter sich ausmachen?
Rauth: Das ist vorrangig Wunschdenken
der Offiziellen. Es wird beinhart, zumal wir uns in der Vorrunde gegen den
EM-Zweiten Spanien und den EM-Vierten England behaupten müssen. Dazu kommt, dass
mit Friederike Barth, Natascha Keller und Philippa Suxdorf wichtige Spielerinnen
durch Verletzungen gehandicapt waren oder sind, und man selbst bei rechtzeitiger
Genesung Abstriche machen muss. Erstes Ziel ist das Halbfinale.
Die Aufstockung der Kader von 16 auf
18 Spielerinnen werden Sie sicher begrüßen?
Rauth: Das wäre auch bei Olympia eine
sinnvolle Sache, denn so können angeschlagene Spielerinnen auch einmal geschont
werden. Daneben bietet es den Trainern die Möglichkeit, noch während des
Aufwärmens auf Verletzungen zu reagieren. Dass nun immer zwei Spielerinnen auf
der Tribüne sitzen müssen, ist bislang unproblematisch gelaufen. Wer richtig gut
drauf ist, spielt.
Inklusive der Champions Trophy haben
Sie in der Vorbereitung auf die EM rund 30 offizielle Länderspiele bestritten.
Ist das nicht zuviel?
Rauth: Um uns in der Weltspitze zu
halten, ist es wichtig, so oft wie möglich gegen Weltmeister Australien und die
anderen drei, vier Topteams anzutreten. Nur so haben wir mit einer Mischung aus
zwei Müttern und Auszubildenden das Potenzial, den Besten ein Schnippchen zu
schlagen, obwohl es anderswo professionellere Strukturen gibt. Da wir unserer
Topspielerinnen wohl nie an einem Ort konzentrieren können und bei 350 Mark
Sporthilfe schwerlich freiwillige Einheiten im Kraftraum einzufordern sind, ist
es im Hinblick auf die Zukunft unabdingbar, immer wieder junge Leute auf- und
einzubauen.
Die DHB-Damen sind noch nie
Europameister geworden. Ist das zu vergebende Olympia-Ticket eine zusätzliche
Belastung oder eher ein Ansporn?
Rauth: Alle sind hochmotiviert und
wollen unbedingt nach Sydney kommen, zumal einige altersmäßig schon hoch in den
20ern sind. Natürlich ist zu Hause Druck drauf, aber wir haben schon einmal
gezeigt, dass wir bei toller Stimmung auf den Rängen zu besonderen Leistungen
fähig sind. Sollten wir den Titel nicht holen, bleibt uns noch das
Olympia-Qualifikationsturnier im März. Und wer sich da durchsetzt, hat auf alle
Fälle das Zeug dazu, ml Sydney um die Medaillen mitzuspielen. Testspiele als
Europameister kommen da nie ran.
Ihr Vorgänger Rüdiger
Hänel ist wenige Wochen nach dem dritten Platz bei der EM 1995 abgelöst worden.
Haben Sie Bedenken, dass Ihnen das gleiche Schicksal droht?
Rauth: Kritik gab und wird es immer
geben. Doch damit muss ich als Trainer schon seit mehr als 20 Jahren leben.
Andererseits glaube ich schon, dass die Leute beim DHB meine Leistungen
anerkennen. Das Team hat sich auf jeden Fall weiterentwickelt. Aber man darf nie
vergessen, dass längst nicht alles Computer gesteuert abläuft, sondern gerade
solch ein Topereignis immer auch eine sehr menschliche Situation i
Von
Peter Penders (aus "FAZ" vom 18.08.1999)
Da hat der Deutsche Hockey-Bund (DHB) sich aber was Schönes eingebrockt: 21
Jahre musste der Verband warten, ehe er nach der Europameisterschaft der Herren
1978 in Hannover mal wieder eine internationale Meisterschaft ausrichten darf,
und nun muss er prompt nach dem bislang größten Fest in dieser Sportart ran. Ein
Jahr nach der Doppel-Weltmeisterschaft der Herren und Damen in der
niederländischen Stadt Utrecht wird es bei der an diesem Mittwoch beginnenden
Europameisterschaft der Damen allerdings wesentlich beschaulicher zugehen, und
Vergleiche mit den hockeybegeisterten Niederlanden verbieten sich hierzulande
von selbst. Zumindest was das Umfeld betrifft, denn sportlich sind die Ziele
dieselben. Der WM-Zweite aus dem Nachbarland und der WM-Dritte Deutschland sind
schließlich die beiden großen Favoriten auf den in diesem Jahr besonders
begehrten Titel. Erstmals sichert sich nämlich auch bei den Damen der
kontinentale Meister einen Platz im olympischen Turnier und hat damit wieder ein
Stück mehr Gleichberechtigung erreicht.
Über Köln gleich nach Sydney - das
würde den deutschen Damen besonders gut in den Kram passen. "Im März nach
England zum Feldhockey - das -muss ich mir nicht unbedingt antun", sagt
beispielsweise Kapitänin Katrin Kauschke. In Milton Keynes steht im kommenden
Frühjahr das olympische Qualifikationsturnier an, was allein schon wegen der
Witterung keine Reise mit hohem touristischem Wert darstellen würde. Doch vor
den schönen Träumen von Sydney stehen den deutschen Damen nun erst noch die
Gruppenspiele gegen die Tschechische Republik an diesem Mittwoch und danach
gegen die Ukraine, Irland,
Spanien und England
ins Haus. Im Halbfinale treffen die beiden Gruppenersten dann überkreuz
aufeinander, und im Finale soll es dann am 29. August zum allseits erhofften
Showdown mit den Niederlanden kommen.
Mit den Holländerinnen hat die
deutsche Mannschaft schließlich noch eine Rechnung offen, denn im WM-Halbfinale
von Utrecht setzte es vor einem Jahr eine böse Schlappe. Ein 1:6 musste die
DHB-Auswahl verdauen, bewies dann aber, dass der Trainer seine Damen richtig
einschätzte. "Das ist nicht der wahre Leistungsunterschied", sagte Berti Rauth
damals und behielt Recht. Nach dem 3:2-Sieg bei der "Champions Trophy" der sechs
weltbesten Mannschaften in diesem Jahr in Australien ist bei den deutschen Damen
das Vertrauen gereift, auch den Niederländerinnen im Fall der Fälle ein Bein
stellen zu können. Für den WM-Zweiten spricht allerdings eine beeindruckende
Bilanz: Drei der vier bisherigen EM-Turniere gewannen die Niederlande, die in
Köln auch als Titelverteidiger an den Start gehen. Vor vier Jahren endete die EM
für die deutschen Damen nach der Halbfinalniederlage gegen den ewigen Rivalen
zwar mit dem dritten Platz, aber auch mit einem Trainerwechsel. Für den ruhigen
Rüdiger Hänel, der Deutschland 1992 zur olympischen Silbermedaille in Barcelona
geführt hatte, kam der impulsive Rüsselsheimer Berti Rauth.
Trainingsumfang und Intensität haben
seitdem zugenommen, und anders sieht Rauth auch keine Möglichkeit mehr, auf
höchster internationaler Ebene mit den enorm athletischen Konkurrenten aus
Australien, Korea oder Argentinien mithalten zu können. Dieses Trio fehlt zwar
naturgemäß bei dieser Europameisterschaft, war dafür aber ein gern gesehener
Partner bei den Vorbereitungsspielen. Ein Dutzend Mal haben die deutschen Damen
den Ernstfall in diesem Jahr schon geprobt und können eine fast gänzlich
ausgeglichene Bilanz vorweisen. Vier Siege, vier Unentschieden, vier Niederlagen
und 21:20 Tore - für Rauth der Beleg dafür, dass seine Damen guten Mutes in Köln
den Schläger schwingen können.
Sorgen bereitet dem Rüsselsheimer nur
seine in der Regel auffälligste Spielerin. Die Berlinerin Natascha Keller, bei
der "Champions Trophy" als beste Akteurin ausgezeichnet, musste wegen eines
Bänderrisses eine mehrwöchige Pause einlegen und dürfte nun kaum in bester
körperlicher Verfassung auf Torejagd gehen. Unterstützt wird die Berlinerin
dabei aber wieder von der Rüsselsheimerin Britta Becker. Deutschlands schon vor
ihrer Hochzeit mit dem Fernsehmoderator Johannes B. Kerner populärste
Hockeyspielerin fehlte der deutschen Mannschaft zunächst wegen eines
Fingerbruchs in der Endphase der Weltmeisterschaft und danach wegen ihrer
Schwangerschaft. Doch nach der Geburt ihrer Tochter Anfang des Jahres hat die 26
Jahre alte Studentin ihr Comeback mit Rekordgeschwindigkeit angetreten und mit
ihrem Verein bereits im Februar wieder den Hallen-Europacup gewonnen.
Zum Glück für Rauth, denn die Auswahl
an Spielerinnen ist in Deutschland bei weitem nicht so groß wie beim großen
Hockey-Nachbarn aus den Niederlanden. Mit der 21 Jahre alte Münchnerin Carolin
Casaretto und der 19 Jahre alten Mannheimerin Fanny Rinne geht der
Verjüngungsprozess mit Blick auf die Olympischen Spiele dennoch weiter. Dass er
sich auf seine Damen verlassen kann, davon ist Rauth schon vor dem ersten Spiel
in Köln überzeugt. "Das Engagement der Mädels ist riesig." Und vielleicht wird
es schon in den nächsten zehn Tagen mit einer Reise nach Sydney belohnt.