Wie lange braucht ein Bundestrainer, bis er wieder ein Vereinstrainer ist?
Nach dieser WM müsste es ihnen doch schwerfallen, mit schwächeren Spielerinnen im
Vereinstraining zusammen zu arbeiten.
Nein, das geht relativ
schnell. Die Spielerinnen können ja nichts dafür, dass sie nicht das Niveau haben
wie die Athleten bei der WM. Aber wenn man genau hinsieht, kann man sehr viel
für sein Vereinstraining von einer Weltmeisterscharf mitnehmen. Und außerdem
freue ich mich richtig auf die Mädchenmannschaften. Wenn die Kleinsten mit
Begeisterung bei der Sache sind, ist das aktive Erholung für den Trainer.
Was haben Sie denn
neben der Bronzemedaille noch von der WM rnitgenommen? Es gab wieder Kritik an
der Athletik und der Schnelligkeit mancher deutscher Spielerin.
Das ist ein altes
Problem. Als Kollektiv können wir mit der absoluten Weltspitze wie Australien
mithalten, aber individuell müssen wir noch ein paar Fertigkeiten nachlegen. Das
sind teilweise technische Dinge, teilweise aber sicher auch athletische Dinge.
Man darf aber nicht übersehen, daß wir nicht über eine solche Auswahl an guten
Spielerinnen verfügen wie Australien. Die haben noch zehn zu Hause, die genauso
gut sind wie die, die in Utrecht Weltmeister geworden sind. Und in Deutschland
haben wir auch ein paar schnelle Spielerinnen, aber die können den Stock nicht
richtig halten. Nur Schnelligkeit alleine hilft da auch nicht weiter.
Kann man denn nicht
einer Spielerin eher Technik als Schnelligkeit antrainieren?
So einfach ist das
nicht. Wenn Damenhockey in Deutschland eine Zukunft haben will, dann müssen wir
zweigleisig fahren. Das bedeutet, ich muss mich umsehen und neben der Mannschaft,
die wir haben, nach jungen, ausbaufähigen Spielerinnen suchen, die
angriffslustig sind und diesen hohen Aufwand investieren, der für Top-Hockey
nötig ist.
War der dritte Platz
das Optimum, was zu erreichen war?
Bei den Damen unter
diesen Umständen sicherlich. Nach dem 5:1 zum Auftakt gegen die USA und dann dem
4:3 im Schlüsselspiel gegen Südafrika war ich sehr euphorisch, aber schon kam
der Nackenschlag. Der Daumenbruch von Britta Becker hat natürlich alles
verändert. Sie ist Ausgangspunkt vieler Spielsituationen bei uns und hilft der
Mannschaft mit ihrer Technik und Athletik natürlich extrem weiter. Aber ich
hatte der Mannschaft seit dem sechsten Platz von Atlanta erzählt, dass wir in
Utrecht aufs Treppchen kommen, da konnte ich mich nicht hängen lassen. Und die
Mannschaft ist zu Recht stolz darauf, wie sie diesen Rückschlag und das 1:6 im
Halbfinale gegen die Niederlande weggesteckt hat. Zumal die Mädchen ja im Spiel
um Platz drei auch noch 0:1 zurücklagen, aber sie haben sich nie aufgegeben. Das
ist eine Glanzleistung und eine Mentalität, ohne die man nichts gewinnt.
Wie groß ist der
Unterschied zwischen Platz drei und vier?
Ganz enorm, das hat man
bei der Siegerehrung gesehen. Alle durften sich belohnt sehen für den ganzen
Aufwand. Ich bin mit meinem Assistenztrainer Wolfgang Kluth eine Runde über den
Rasen gegangen und hab' ihm auch gesagt: Saug diese Atmosphäre hier ein, 15.000
Zuschauer und so eine Begeisterung, das erleben wir vielleicht nie wieder. So
ein Stadion und dann noch eine Medaille - das ist somit das Größte, was einem
als Sportler und Trainer passieren kann. Und man darf auch den dritten WM-Platz
beileibe nicht gering schätzen. Andere Spielsportarten in Deutschland würden sich
danach sehnen, so einen Platz zu erreichen.
Mehr ist aber nicht
drin für Deutschland?
Mehr war in Utrecht und
unter diesen Umständen nicht drin. Australien hat bewiesen, dass es einsam oben
steht. Die Niederlande sind verdient die Nummer zwei, spielen aber nicht immer
auf diesem Niveau wie in Utrecht mit der Unterstützung von 15.000 Zuschauern.
Neuseeland ist in die Weltspitze zurückgekehrt, Korea wird mit seinem
Vierjahresplan schon in der nächsten Saison bei diesem Training unter
Vollprofibedingungen einen riesigen Satz nach vorne machen. In England sind mit
zehn Millionen Mark aus der Lotterie 15 hauptamtliche Trainer engagiert worden,
da dürfen wir auch einiges erwarten. Dazu kommen noch Argentinien und
Deutschland - wie selbstverständlich darf man so einen dritten Platz nicht
erwarten.
Und jetzt geht es
gleich mit Volldampf in die Bundesliga?
Meine
Nationalspielerinnen muss ich jetzt erst einmal in Ruhe lassen. Aber nach so
einer Medaille kann auch aus der Begeisterung darüber wieder eine ungewöhnliche
Leistung entstehen. Britta Becker wird dem Rüsselsheimer RK natürlich noch mehr
fehlen als der Nationalmannschaft. Aber ich bin froh, dass wir nicht riskiert
haben, sie mit ihrem Mittelhandbruch irgendwie doch einzusetzen. Es gibt ja noch
ein Leben nach dem Hockey, und es gibt auch noch Hockey nach dieser WM.