Elf Jahre ist es
inzwischen her, daß in Rüsselsheim ein talentierter Hockey-Spieler sportliches
Neuland betrat. In der Blütezeit der RRK-Männermannschaft wollte der Verein
seinerzeit auch den zuvor eher stiefmütterlich behandelten weiblichen Sektor mit
jungen Nachwuchs-Sprößlingen aufpeppeln. Auf der Suche nach einem geeigneten
Trainer wurden die RRK-Verantwortlichen schnell fündig, ohne indes auch nur im
entferntesten daran zu denken, mit dieser Entscheidung die Tür zu einer
glanzvollen Ära am Sommerdamm aufgestoßen zu haben.
Berti Rauth, so der Name
des damals 19 "Lenze" jungen, braungelockten "Entwicklungshelfers", schien
nämlich alsbald die Erfolge geradezu magisch anzuziehen. Nach etlichen
Hessenmeisterschaften hing 1983 der erste deutsche Meisterwimpel im Vereinsheim,
doch sollte dies nur der Auftakt zu einer wahren Wimpelflut im weiblichen
Nachwuchsbereich sein. Daß die begnadeten Talente auf natürlichem Wege den
Kinderschuhen entwuchsen, bekam im Laufe der Jahre auch die Konkurrenz im
Aktivenbereich leidvoll zu spüren. Im Eilzugtempo zog der RRK vor zwei Jahren in
die Bundesliga ein und steht am kommenden Wochenende kurz davor, die höchste
Sprosse einer einzigartigen Erfolgsleiter zu erklimmen. Vor der ersten Teilnahme
an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft der Hockey-Damen in Elmshorn (bei
Hamburg) unterhielt sich unser Redaktionsmitglied Martin Krieger mit
Rüsselsheims Damentrainer Berti Rauth.
Mit welchen
Zielvorgaben haben Sie 1978 als Trainer angefangen?
Rauth: Zunächst wollte
ich einfach nur Training anbieten, um eine Jugend-Mannschaft aufbauen zu können.
Als wir dann das erste Mal mit den C-Mädchen bei einer Hessenmeisterschaft
starteten und gut mithalten konnten, war mir klar, daß aus diesem Team etwas zu
machen war. Fortan wurde zielstrebig weitergearbeitet und das Training
intensiviert. Nach der ersten DM-Teilnahme in der Halle war Land in Sicht, als
wir Sechster wurden.
Wann keimte erstmals
der Gedanke auf, auch im Aktivenbereich ähnlichen Erfolgen nachzueifern?
Rauth: Als ich nach der
ersten deutschen Meisterschaft mit der weiblichen Jugend den Bundesliga-Aufstieg
öffentlich ins Kalkül zog, wurden diese Ambitionen auch aus den eigenen Reihen
belächelt. Als es dann vor zwei Jahren soweit war, wollte ich in der ersten
Bundesliga-Saison lediglich einige Teams hinter mir lassen. Am Ende wurden wir
Fünfter, konnten uns folglich für diese Saison mehr vornehmen.
War denn abzusehen,
daß es diesmal so gut laufen würde und man nun gar als souveräner Gruppensieger
zur DM-Endrunde reist?
Rauth: Ja und nein. Als
im Herbst bekannt wurde, daß wir unsere Spielmacherin Anke Wild an den Berliner
HC verlieren würden, prägte große Unsicherheit die Szenerie. Doch der Wechsel
hatte auch seine gute Seite, denn nun verteilte sich die Verantwortung
innnerhalb des Teams auf alle. Die glänzend verlaufene und dem Selbstvertrauen
zuträgliche Vorbereitung ließ dann erahnen, welche Möglichkeiten in dieser
Mannschaft stecken. Daß wir letztlich punktemäßig soweit voraus lagen, ist
angesichts der Leistungsdichte im Süden auch für mich eine Überraschung gewesen.
Kommen wir nun
konkret auf das Wochenende in Elmshorn zu sprechen. Von den letztjährigen
Teilnehmern ist nur noch Titelverteidiger SC Brandenburg Berlin dabei. Deutet
sich hier vielleicht eine Wachablösung der etablierten Vereine an?
Rauth: Einige
Mannschaften - etwa Köln, Leverkusen oder Eintracht Frankfurt - haben einen
Generationswechsel entweder bereits durchgemacht oder diesen unmittelbar vor
sich. Wir dagegen können unsere Mannschaft in den kommenden Jahren durch
nachrückende Talente kontinuierlich ergänzen, ohne daß ein Bruch bevorsteht.
Kommt die Zusammensetzung des
Endrunden-Quartetts dennoch nicht etwas überraschend, und wer ist Favorit?
Rauth: Brandenburg war klar, und auch
mit dem Berliner HC mußte man rechnen. Schließlich verzeichnete der BHC die
größten Spielerzugänge, darunter etliche Kaderspielerinnen. Der SC 80 Frankfurt
konnte nach einer mäßigen Vorrunde die zweite Halbserie unbelastet angehen, und
war wohl aus dieser Einstellung heraus punktemäßig in der Rückrunde die
erfolgreichste Mannschaft im Süden. Favorit ist für mich Brandenburg, da der
Verein die größte Erfahrung mit derlei Veranstaltungen hat. Dennoch bin ich
sicher, daß alle Endrundenbegegnungen ausgeglichen verlaufen und knapp
entschieden werden.
Realistisch betrachtet, was ist
für Endrunden-Neuling RRK drin?
Rauth: Fürs Halbfinale rechnen wir
uns alle etwas aus. Wir haben uns so intensiv wie möglich per Video auf die
Berliner Spielweise eingestellt, wobei das gesamte Team hervorragend bei der
täglichen Arbeit mitgezogen hat. Wir haben keine Angst, auch vor Anke Wild
nicht, die sich sicher mit Eva Hagenbäumer packende Duelle liefern wird. Jede
Spielerin brennt darauf, der Anke zu zeigen, daß es beim RRK auch ohne sie
läuft. Sollten wir tatsächlich ins Endspiel kommen, dann heißt es, in der
verbleibenden Zeit die optimale Einstellung auf den zweiten Finalisten zu
finden. Wie der Gegner heißt, ist mir ziemlich egal, denn dann geht es sowieso
voll zur Sache. Sollte es jedoch in die Hosen gehen, ist dies für uns sicherlich
kein Beinbruch.
Parallel zum Halbfinalspiel gegen
Berlin stehen 600 Kilometer südlich die Hockey-Männer des RRK in Mainz vor dem
Abstieg in die Anonymität der Hallen-Oberliga. Gab es Überlegungen, als Aktiver
diesem zweifelsohne schicksalsträchtigen Spiel beizuwohnen und die Betreuung in
Elmshorn anderen, etwa Thomas Blivier, zu überlassen?
Rauth: Es war nie eine Frage, wo ich
an diesem Wochenende präsent sein würde. Ab heute bis einschließlich Sonntag
genießt allein Elmshorn bei mir Priorität, denn eine Endrundenteilnahme als
Trainer war immer mein Traum. Freilich habe ich alles versucht, die
Männer-Mannschaft in dieser Woche möglichst optimal auf die Partie in Mainz
einzustellen. Und natürlich werde ich mir das Ergebnis am Samstag abend
irgendwann reinziehen. Schließlich habe ich beim RRK auch den männlichen
Nachwuchs mit der Prämisse übernommen, dem Männer-Bereich insgesamt wieder auf
die Sprünge zu helfen. In dieser Richtung werde ich weitermachen, auch wenn der
Abstieg aus der Regionalliga am Samstag nicht zu vermeiden ist.