Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Berthold Rauth


Berti Rauth als Hockeyspieler


Der Diamantenschleifer

Berti Rauth genießt jeden Erfolg - auch mit den Kleinen / Unermüdlich auf der Suche nach Talenten

Von Peter Penders (aus "FAZ" am 30.12.2004)
 

Nichts beschreibt ihn besser als diese Szene kurz vor Weihnachten in der Sporthalle in Rüsselsheim. So kurz vor dem Jahreswechsel blickt mancher schon mal gerne zurück, und die Hockeydamen des Rüsselsheimer RK hatten guten Grund, sich der vergangenen Monate zu erinnern: deutscher Hallenmeister, zum 13. Male Europapokalsieger in der Halle und dann auch noch der unerwartete Titelgewinn auf dem Feld. Drei von ihnen sind in Athen auch noch auf den Olymp gestiegen, und bei so vielen Erfolgen darf man sich schon mal zurücklehnen. Allerdings nicht, wenn der Trainer Berti Rauth heißt. "Auch wenn in ein paar Tagen Weihnachten ist, muß hier ein vernünftiges Eckentraining ablaufen", raunzte der Rüsselsheimer Cheftrainer seine Damen an und ließ nicht locker, bis er seinen Willen bekam. "Manchmal" sagt Rauth, "denke ich auch, ich müßte die Dinge lockerer angehen. Aber das kann ich nicht."

Erfolgstrainer müssen wohl so sein. Rauth hat in diesem Jahr mit seinen Damen den 30. nationalen oder internationalen Titel gewonnen. Dazu kommen noch einmal unzählige Titel mit den verschiedenen Rüsselsheimer Jugendmannschaften, und jeder Coup steht für Rauth auf derselben Ebene. So eilt er von Triumph zu Triumph, und wer so erfolgreich ist, wird manchmal auch schludrig, übersieht Kleinigkeiten, die sich irgendwann zu einem großen Problem summieren. Erfolgsgeschichten wie diese in Rüsselsheim enden fast immer so, ersticken in ihrem eigenen Siegesrausch. Aber dieser schon unheimlich anmutende Langzeiterfolg des Rüsselsheimer RK scheint so lange kein Ende zu finden, wie der Trainer Berti Rauth heißt. Denn er wird trotz der vielen Titel offenbar nie müde, immer wieder von vorne anzufangen. "Ich bin verrückt nach Erfolg. Viele infiziere ich damit", sagt er "aber manchmal nerve ich auch alle damit." So wie bei diesem Eckentraining kurz vor Weihnachten.

Was ihn antreibt, kann der mittlerweile 46 Jahre alte Rauth leicht erklären. Er war selber ein hochtalentierter Spieler, einer, der die Hockeykugel schneller zwischen Vorhand und Rückhand hin und her bewegen konnte als fast alle anderen. "Ich habe gedreht wie ein Küchenmixer", beschreibt sich Rauth, aber herausgekommen ist trotz derart hoher Schlagzahlen nicht überragend viel. Er ist deutscher Meister geworden, aber das empfindet er auch rückblickend nicht als angemessen genug. "Ein besserer Trainer hätte aus meiner Generation mehr machen können, hätte sie kultivieren können, damit sie überragenden Erfolg gehabt hätte", sagt Rauth. Als er beschloß, Trainer zu werden, hat ihn das selbst verwundert, weil er doch selber noch so gerne Hockey spielte. Rauth aber schwor sich, daß einem Talent, das er in die Hände bekäme, nicht das passieren sollte, was ihm widerfahren war. Er hat sich daran gehalten.

Rauth wurde Mädchentrainer beim RRK, einem Verein, der bis zu diesem Zeitpunkt nur im Herrenhockey vertreten war. Man muß lange im Archiv kramen, um den Ursprung des Rüsselsheimer Erfolgs bei den Damen zu finden. 1978 gewannen die B-Mädchen (bis 12 Jahre) die Hessenmeisterschaft. Es war der erste kleine Titel für den weiblichen Nachwuchs des RRK, es war der erste "Erfolg" für Berti Rauth - und es war das Fundament für alles, was von da an folgte. Mit dabei waren Spielerinnen wie Bianca Weiß und Anke Wild, die 14 Jahre später die olympische Silbermedaille in Barcelona gewannen.

Von diesem Moment an sprudelten die Talente in Rüsselsheim wie Wasser aus einer nie versiegenden Quelle. Woher sie kamen und kommen, ist kein Geheimnis - Rauth arbeitet dafür wie ein Besessener, kennt keinen freien Tag, freie Wochenenden sowieso nicht. Daß Leistungssport und Nachwuchsarbeit zwingend zusammengehören, hat er früh erkannt. Als er anfing als Trainer, ging der Sportlehrer, der nie in einer Schule gearbeitet hatte, in die Schulen, allerdings ohne Hockeyschläger. Er machte Gewandtheits- und Geschicklichkeitstests, und er begeisterte die kleinen Mädchen, zum RRK zu kommen. Selbst in Zeiten des größten Erfolges hat Rauth damit nie aufgehört, hat die Arbeit an der Basis nie schleifen lassen.

Hoch soll er leben: Berti Rauth, von "seinen" Spielerinnen auf Händen getragen.

Momentan arbeitet er mit einer Grundschule in Nauheim vor den Toren Rüsselsheims zusammen. "Bei der Talentsuche bin ich wie ein Trüffelschwein", sagt Rauth, "dafür drehe ich notfalls alle Schulen in und um Rüsselsheim um." Derzeit hat er in Nauheim 19 Mädels für Hockey begeistern können, und wenn er davon erzählt, wird deutlich, wie er das macht. "Das ist wie Diamantensuche, und wenn eine darunter ist, die es ganz nach oben schafft, das ist ein absolut unglaubliches Gefühl." Rüsselsheim müsse sich immer wieder aus sich selbst erneuern, damit es weitergehe, behauptet Rauth. Dafür quatscht er auch jeden an, der einen kleinen Sohn oder eine kleine Tochter hat. "Ich weiß, was es wert ist, wenn ich da unten was mache, und ich weiß, was mir droht, wenn ich nichts mache", sagt Rauth.

Wenn er aber seine Diamanten gefunden hat, beginnt seine Arbeit erst - es ist ein langer Weg zum Brillanten. Mittlerweile bekommt er manche Talente sozusagen frei Haus geliefert - Kinder aus der ganzen Umgebung, die in manchen Fällen bis Heidelberg reicht, werden von ihren Eltern nach Rüsselsheim gebracht. Einer Mutter hat er einst erzählt, ihre Tochter unbedingt zum RRK zu schicken. Sie tat es nicht - aber diese Tochter bringt heute ihr Kind nach Rüsselsheim. "Eine irre Geschichte", findet Rauth, vor allem eine, die zeigt, wie lange er schon mit unverändert hohem Engagement dabei ist. Wer aber so emotional dabei ist, kann leicht ausbrennen. Die Gefahr hat er erkannt: "Ich habe den Amplituden die Spitze genommen. Ich falle nicht mehr in so tiefe Löcher bei Niederlagen, und ich halte mich nicht mehr für den Größten, wenn wir gewinnen." Und er macht nicht mehr alles alleine, hat ein Team um sich geschart, das sich mitreißen läßt, wenn er loslegt. Von zwei noch ganz kleinen Hockeykünstlerinnen ist er so begeistert, wie man es kaum glauben kann bei einem, der schon so lange dabei ist. "Das sind absolute Granaten, wenn die in der Spur bleiben, das wird ein Hammer."

Daß Rauth aus der Rüsselsheimer Spur gerät, ist nicht zu befürchten - es sei denn, man zwingt ihn. Die Opel-Krise bereitet auch dem RRK Probleme. Im Fall der Fälle wäre Rauth in einer schlechten Verhandlungsposition. Jeder weiß, daß ihm der RRK eine Herzensangelegenheit ist, vielleicht mehr als manche Frau an seiner Seite in all den Jahren. Der Verein fing ihn auch auf, als ihn der Deutsche Hockey-Bund nach nur einer Niederlage bei den Olympischen Spielen in Sydney als Damen-Bundestrainer absetzte. Das hat ihn tief getroffen, aber er habe es verarbeitet. "Sie haben mir ja nicht das Hockey verboten." Trotzdem hat er mehr als ein Tränchen verdrückt, als die deutschen Damen in Athen mit Gold dekoriert wurden. Aber falsche Schlüsse solle man daraus nicht ziehen: "Ich habe auch geweint, als Rehhagel Europameister wurde."

Ob er unersetzbar wäre in Rüsselsheim? Wie es ohne ihn ausgehen würde, möchte er sich lieber nicht vorstellen. "Da würde ich Rotz und Wasser heulen." Die Gefahr scheint gering, der Verein weiß, was er an Rauth hat. "Der Klub wird alles tun, um dieses Arbeitsverhältnis fortzusetzen", sagt Martin Müller. Der Abteilungsleiter war einst einer seiner Trainer, aber den Weg, den Rauth selber als Trainer gegangen sei, habe niemand auch nur im entferntesten vorhersehen können. "Ohne ihn, das wäre ein Mordsverlust", sagt Müller. Vor allem wohl für Rauth, der schließlich noch Fernziele hat. "Ich würde schon gerne noch miterleben als Trainer, wie meine C- und B-Mädchen oben bei den Damen alles weghauen." Momentan sind diese C- und B-Mädchen zwischen acht und zwölf Jahre alt - aber so hat ja alles auch angefangen.