RRK-Trainer Berti
Rauth bleibt rast- und ruhelos
Das Gespräch führte
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 25.05.2004)
Den Titelverteidiger und hohen Favoriten auf dessen Anlage
im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft zu besiegen, wie es den RRK-Hockeydamen am Samstag durch den finalen 5:3-Sieg im Siebenmeterschießen bei
Rot-Weiss Köln gelungen ist, kommt nicht aller Tage vor. Auch für einen sehr
erfolgreichen Trainer wie Berti Rauth (45) hat dieser Triumph offensichtlich
einen extrem hohen Stellenwert.
FRAGE: Unerwartete Erfolge, haben Sie unmittelbar nach dem Finale gesagt, seien
die schönsten. Kann der sechste Feldtitel wirklich noch etwas ganz Besonderes
sein?
RAUTH: So intensiv wie diesmal, dass sich das Schritt für Schritt entwickelt
hat, habe ich es noch nie erlebt und empfunden. Wir sind aus der Halle
rausgekommen und haben sehr fleißig gearbeitet. Die erste Vorgabe war, zu
versuchen, uns die Option zu schaffen, nach Berlin zu fahren und den BHC noch
mal herausfordern zu können. Im Anschluss galt es dann, den Vorsprung in
Braunschweig und gegen die Eintracht zu verteidigen. Danach war die Frage, wie
stark ist Köln wirklich. Dass wir einen guten Lauf hatten, war zu sehen. Und
nachdem ich eine Woche "Vizemeister" war, habe ich dem Team vor dem Finale
gesagt, dass es mir damit reicht, ich ganz gerne auch noch Meister werden würde
und nicht Spalier bei der vorbereiteten Meisterfeier im Kölner Klubhaus stehen
möchte. Aber dass bei der Sportwette ´Betandwin´ die Quote 1:5 gegen uns
lautete, macht deutlich, dass wir doch für viele klarer Außenseiter waren.
FRAGE: Alle 16 RRK-Spielerinnen wirkten entschlossener als die meisten
Kölnerinnen. War es ein Vorteil, bis zum letzten Moment um den Finalplatz
kämpfen zu müssen?
RAUTH: Der Unterschied war, dass die Kölnerinnen etwas zu verlieren hatten. Sie
waren Titelverteidiger, spielten zu Hause und verfügen über einen topbesetzten
Kader. Wir konnten nach dem Saisonverlauf nur gewinnen, waren unverhofft noch
ins Finale gerutscht und hatten bereits einen Europacup-Startplatz sicher. Und
wir sind sicher die erste Mannschaft gewesen, die so frech war, Köln in Köln
anzugreifen und von Beginn an unter Druck zu setzen. Mut und Risiko sind belohnt
worden. Denn wenn Köln ins Rollen gekommen wäre, wäre es ganz schwer für uns
geworden.
FRAGE: Dem Weg zum Titel liegen sieben Siege in diesem Jahr zugrunde. Alle diese
Begegnungen hat Britta Becker mitgemacht. Wie groß ist ihr Anteil an diesem
Erfolg?
RAUTH: Britta hat dem Team insgesamt mehr Durchschlagskraft verliehen und in
unserem Mittelfeld dank ihrer Klasse und Erfahrung eindeutig für mehr Stärke und
Souveränität gesorgt. Sie hat mit angepackt, die Ärmel hochgekrempelt, ist nie
als Diva rumgelaufen und hat sich wunderbar ins Team eingefügt. Dazu haben sich
andere neben ihr gesteigert, und insofern ist ihr Anteil schon enorm. Und es ist
einfach schön, dass das Buch in Rüsselsheim für sie nie ganz zugeschlagen sein
wird.
Unerwartete
Erfolge machen noch mal soviel Spaß: Nach den beiden Hallen-Triumphen im
Februar, Deutsche Meisterschaft und Europa-Cup 2004, trugen sich Trainer Berti Rauth und seine RRK-Hockeydamen als erster deutscher Feldmeister in die
Geschichtsbücher ein, der nach einer eingleisigen Bundesliga-Saison
ermittelt wurde. Am Sieg über Titelverteidiger "Rot-Weiss Köln" waren
beteiligt (hinten): Betreuer Thomas Blivier, Britta Becker, Bettina
Edlefsen, Maren Pfefferkorn, Irene Balek, Vera Battenberg, Lydia Haase,
Lotte Schwärzel, Sybille Breivogel, Tanja Dickenscheid, Trainer Berti
Rauth, Physiotherapeutin Hanne Zöller sowie (vorn) Lena Jacobi, Silke
Müller, Denise Klecker, Mandy Haase, Barbara Vogel, Nina Günther und Lena
Schüder. In der Bundesliga zum Einsatz kamen auch Jana Schwärzel, Lisa
Jacobi, Annika Martin und Nathalie Bischel. |
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FRAGE: Der aktuelle Triumph in Köln war der 30. große Titelgewinn in 15 Jahren.
Was ist das Erfolgsgeheimnis?
RAUTH: Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Entscheidend ist, dass man sich
nie selbstzufrieden zurücklehnen darf. Ich mag nicht in Erinnerungen schwelgen
und bin das genaue Gegenteil von satt und zufrieden. Und weil ich bei anderen
Vereinen sehe, was passieren kann, wenn nicht mehr mit der gleichen Kontinuität
gearbeitet wird, bin ich rast- und ruhelos. Dass die Talentsichtung und
-förderung, bei der ich vielleicht eine besondere Gabe habe, während meiner
Aktivenzeit in Rüsselsheim schleifen gelassen wurde, hat mich wahnsinnig
geprägt. Dazu ist es ganz wichtig, die Entwicklung des Spiels immer wieder mit
zu vollziehen.
FRAGE: Der RRK hat acht von zehn finalen Siebenmeter-Entscheidungen für sich
entschieden. Wie geht so etwas?
RAUTH: Zunächst einmal ist es wichtig, schon in der Jugend das Schlenzen
ordentlich zu üben. Dazu sind solche Situationen irgendwo auch ein Stück
planbar. Eine derart positive Bilanz entwickelst du jedenfalls nicht mit Glück
und Zufall. Sicherlich ist die Qualität der Torhüter mitentscheidend. Und
nachdem wir bei einem Vorbereitungsturnier ein Spiel im Siebenmeterschießen
verlieren hatten, hat Babsi Vogel im Anschluss fast nach jedem Training
Siebenmeter geübt.
FRAGE: An Neidern hat es trotz der vielen Erfolge nie gemangelt. Werden die
abwertenden Stimmen nun verstummen?
RAUTH: Während andere Vereine zur Selbstüberschätzung neigen, sind wir
vielleicht zu bescheiden und auf keinen Fall überheblich. Wir wissen, dass wir
nicht das Maß aller Dinge sind und wir uns alles stets neu erarbeiten müssen.
Und wir sind in der glücklichen Lage, immer wieder mal eine Nationalspielerin
selbst aufzubauen. Alle, die unsere Leistungen bundesweit abtun, hängen sich
jedenfalls voll rein, um ebenfalls Erfolg zu haben. Ich bin eigentlich ganz
froh, dass wir auf diese Weise immer wieder herausgefordert werden.
FRAGE: Wie und wann geht es beim RRK weiter und wie lauten die nächsten Ziele?
RAUTH: Am Dienstag ist Training. Dort werden wir Termine abklären und uns
darüber abstimmen, wie wir die punktspielfreie Zeit nutzen, um uns in aller Ruhe
auf die neue Runde vorzubereiten. Gleichzeitig geht der Aufbau von Talenten
weiter, was für die Kaderposition hilfreich sein kann. Auf jeden Fall werden wir
alles dafür tun, nicht wieder so einen schlechten Saisonstart hinzulegen. So
viel ich weiß, kriegt der Meister keine Extrapunkte.